Thomas Hobbes - Ein Gegner der Gewaltenteilung


Seminar Paper, 1993

16 Pages, Grade: gut


Excerpt


Gliederung

1. Einleitung

2. Der Mensch im Naturzustand

3. Staatsgründung
3.1. Vertragstheorie
3.2. Arten von Staaten
3.3. Der Souverän
3.4. Die Untertanen

4. Die verschiedenen Staatsformen
4.1. Staatsformenmodell
4.2. Monarchie, Aristokratie, Demokratie

5. Gewaltenteilung bei Hobbes

6. Ansätze der Kritik an Hobbes
6.1. Das Menschenbild
6.2. Souveränitätsbegriff
6.3. Die Untertanen
6.4. Formen der Gewaltenteilung
6.5. Fazit

1. Einleitung

Nach der Lektüre von Thomas Hobbes Werken "Vom Bürger" und "Leviathan" stellt sich die Frage, wo Hobbes überhaupt von Gewaltenteilung spricht. Es ist zwar von Anfang an deutlich, daß Hobbes jede Form der Gewaltenteilung ablehnt - ja aufgrund seiner Definition des Souveräns ablehnen muß, der Begriff selbst taucht nur an wenigen Stellen auf.

Um seine Ansichten nachvollziehen und verstehen zu können, ist es notwendig, seine Herleitung des Staates und seinen Souveränitätsbegriff von Anfang an zu verfolgen. Deshalb habe ich die vorliegende Arbeit so aufgebaut, wie auch Hobbes in seinem Werk vorgeht. Auf eine Einordnung Hobbes in den geschichtlichen Kontext und auf ein Kapitel über die Person Thomas Hobbes habe ich bewußt verzichtet, um den Umfang der Arbeit nicht unnötig aufzublähen.1

Im folgenden zweiten Kapitel werde ich die Situation des Menschen im Naturzu- stand, d.h. vor dem Zusammenschluß mit anderen Menschen zu einen Staat, darstellen.

Im darauffolgenden Kapitel wird die Staatsgründung mittels der Vertragstheorie erörtert und im vierten Kapitel die verschiedenen Staatsformenmodelle nach Hobbes skizziert.

Im fünften Kapitel werde ich mich dann auf der Grundlage der vorhergegangenen Kapitel explizit mit Hobbes Äußerungen zur und seiner Kritik an der Gewaltenteilung auseinandersetzen.

In einem abschließenden Kapitel möchte ich einige Ansatzpunkte der Kritik aufzeigen, die an Hobbes Theorie nach heutigem Verständnis auffallen.

Hobbes Herleitung des Staates ist nicht stringent und verändert sich auch in seinen verschiedenen Büchern über die Jahre, aufgrund von eigenen Einsichten und Kriti- ken auf seine Schriften. Ich will und kann in dieser Arbeit nicht die verschiedenen Argumentationsstränge von Hobbes in seinen verschiedenen Werken aufzeigen; die Unterschiede und Gemeinsamkeiten. Dazu gibt es bereits geeignete Sekundärliteratur2. Mir geht es vor allem darum, aus der Darstellung der Entstehung des Staates nach Hobbes seine Kritik an der Gewaltenteilung zusammenzufassen und mit heutigen Maßstäben zu vergleichen.

2. Der Mensch im Naturzustand

Hobbes beginnt seine Entwicklung des Staates in einem hypothetischen vorstaatlichen Zustand, dem Naturzustand. In diesem sind alle Menschen gleich und frei, ohne jegliche Einschränkung durch bürgerliche Gesetze oder Verträge.

"Die Natur hat jedem ein Recht auf alles gegeben; d.h. in dem reinen Naturzustande oder ehe noch die Menschen durch irgendwelche Ver- träge sich gegenseitig gebunden hatten, war es jedem erlaubt zu tun, was er wollte und gegen wen er es wollte und alles in Besitz zu neh- men, zu gebrauchen und zu genießen, was er wollte und konnte."3

Die genannte Freiheit besteht darin, alles zu tun und alles zu nehmen was dem Einzelnen beliebt. Dabei ergibt sich natürlich das Problem, daß jeder auch die Möglichkeit hat etwas in Besitz zu nehmen, was ein anderer bereits als sein Eigentum betrachtet. Ein "Eigentum" wie wir es heute kennen, kann es also in diesem Zustand nicht geben.

"Die einander Gleiches tun können, sind gleich. Aber die, die das Größte vermögen, nämlich zu töten, können Gleiches tun. Deshalb sind alle Menschen von Natur einander gleich."4

Es ist nicht zu bestreiten, daß die Menschen nicht in allen Dingen gleich sind. Hobbes führt die Gleichheit auch nur auf einen Aspekt zurück, indem er sie negativ darüber definiert, daß jeder Einzelne, und sei er auch noch so schwach, die Möglichkeit hat, jeden Anderen zu töten. Hobbes begründet dies mit der physischen Unzulänglichkeit des Menschen, und damit, daß der Angreifer sein Ziel entweder durch List oder aber durch Verbindung mit Anderen erreichen kann, und damit auch einen stärkeren, vermeintlich unbezwingbaren Anderen vernichten kann.

Bisher sind aber nur die Fähigkeiten des Menschen definiert worden. Die Frage, warum der Mensch auch von ihnen Gebrauch macht, ist noch nicht beantwortet. Wenn die Menschen von Natur aus gleich sind, so führt dies auch zu einer Gleichheit der Wünsche und Ziele, die die Menschen haben.

"Und wenn daher zwei Menschen nach demselben Gegenstand streben, den sie jedoch nicht zusammen genießen können, so werden sie Feinde und sind in Verfolgung ihrer Absicht (...) bestrebt, sich gegenseitig zu vernichten oder zu unterwerfen."5

Die Ursache liegt nach Hobbes im Streben des Menschen nach Gegenständen, die er nur alleine und nicht zusammen mit anderen nutzen und genießen kann. Um den gewünschten Nutzen zu erlangen muß er den anderen, der nun zum Konkurrenten geworden ist, entweder unterwerfen oder vernichten. Das Resultat der gegenseitigen Unterwerfung und Vernichtung ist Furcht und Mißtrauen. Es gibt also keine andere Möglichkeit für den Menschen sich selbst zu erhalten, als möglichst stark und mächtig zu werden, um sich gegen jeden potentiellen Gegner behaupten zu können.6

Daneben will aber jeder nicht nur materielle Güter besitzen, sondern es liegt ebenso in der Natur des Menschen, daß er von den anderen Menschen gut angesehen wird.

Zusammengefaßt zeigt Hobbes drei Konfliktursachen auf, die zu diesem Kampf zwischen den Menschen führen: Konkurrenz, Mißtrauen und Ruhmsucht. Diese Konflikte sind unvermeidlich und in der Natur des Menschen begründet. Die Konkurrenz resultiert aus dem menschlichen Streben nach Gewinn, wobei diesen aber nur einer und nicht mehrere erlangen können.

Das Mißtrauen beruht auf der Fähigkeit der Menschen, den anderen zu jeder Zeit töten zu können. Um seiner eigenen Sicherheit wegen, beobachtet jeder den anderen mit Mißtrauen.

Die Ruhmsucht schließlich führt Hobbes auf den menschlichen Wunsch zurück, von anderen hoch oder gut angesehen zu werden.

Im Naturzustand kann es weder Eigentum noch Herrschaft geben, da jeder nur das besitzt und beherrscht, was er erlangen und auch gegen jeden anderen behaupten kann. Es ist ein Krieg aller gegen alle (homo homini lupus est).

"... was das Schlimmste von allem ist, beständige Furcht und Gefahr eines gewaltsamen Todes - das menschliche Leben ist einsam, armselig, ekelhaft, tierisch und kurz."7

Dennoch gibt es nach Hobbes ein Gesetz, daß universal und immer gilt, auch im Naturzustand. Er nennt dieses das "Gesetz der Natur":

"Das erste und grundlegende Gesetz der Natur geht dahin, daß man den Frieden suche, soweit er zu haben ist; wo dies nicht möglich ist, soll man Hilfe für den Krieg suchen."8

Aus diesem "Gesetz" leitet Hobbes weitere Gesetze der Natur ab, die ihre Grundlage jedoch alle in diesem, sogenannten ersten, "Gesetz der Natur" haben.

Eine Folge daraus ist, daß der Mensch um den Frieden zu suchen auf einen Teil seines natürlichen Rechtes verzichten muß, den andernfalls würde weiterhin immer der kriegerische Naturzustand herrschen. Aber den Frieden zu suchen liegt ja, nach Hobbes, gerade in der Natur des Menschen.

Um also dem Naturzustand zu entfliehen, in dem der einzelnen Mensch ständig in seiner ganzen Existenz bedroht ist, schließen sich mehrere Menschen zusammen und verzichten gegenseitig auf ihr Recht, zu jeder Zeit alles zu tun und alles in Besitz zu nehmen, was sie wollen. Es kommt zur Staatsgründung.

3. Staatsgründung

3.1. Vertragstheorie

Genauso wie Hobbes von einem hypothetischen Naturzustand ausgegangen ist, handelt es sich auch bei dem Akt der Staatsgründung um eine hypothetische Annahme, ein theoretisches Gedankenmodell. Es wird nicht die reale Gründung der Staaten geschildert, sondern deutlich gemacht, wie aus einzelnen, von Natur aus gleichen Menschen, ein Souverän entstehen kann.

Nach Hobbes entsteht der Staat durch ein vertragliches Übereinkommen einer Menge von Menschen untereinander. Jeder überträgt sein Recht auf einen Souve- rän (einen einzelnen Menschen oder eine Gruppe von Menschen), unter der Bedin- gung, daß die anderen dies ebenfalls tun. So schließt also jeder mit jedem einen Vertrag ab.

Hobbes definiert den Staat als "eine Person, bei der sich jeder einzelne einer gro- ßen Menge, durch gegenseitigen Vertrag eines jeden mit jedem anderen zum Au- tor ihrer Handlungen gemacht hat, zu dem Zweck, daß sie die Stärke und Hilfsmit- tel aller so, wie sie es für zweckmäßig hält, für den Frieden und die gemeinsame Verteidigung einsetzt."9

Da eine physische Übertragung der Kraft oder Stärke natürlich nicht möglich ist, handelt es sich eigentlich um eine Aufgabe des natürlichen Widerstandsrechtes jedes Einzelnen gegen den Souverän.

Dabei werden die Einzelwillen der Untertanen durch Stimmenmehrheit auf einen gemeinsamen Willen, den des Souveräns, reduziert. Damit wird jede Handlung des Souveräns auch zu einer Handlung des Untertans.

Die Staatsgründung ist also eine Mehrheitsentscheidung. Wer sein Recht nicht überträgt, muß trotzdem den Souverän und dessen Rechte akzeptieren, oder aber er wird von den anderen rechtmäßig vernichtet. Alleine durch seine Teilnahme an dem Abstimmungsprozeß hat er zugestimmt, Mehrheitsentscheidungen zu akzep- tieren.

Da aber der Vertrag alleine nicht ausreicht - denn wie würde Nichtbeachtung sanktioniert? - müssen andere Mittel gefunden werden:

"Für die Sicherheit muß deshalb nicht durch Verträge, sondern durch Strafen gesorgt werden."10

3.2. Arten von Staaten

Hobbes unterscheidet bei der Gründung der Staaten zwischen "Staaten durch Ein- setzung" und "Staaten durch Aneignung".11Das Ergebnis ist bei beiden dasselbe und beide werden durch den oben dargestellten Vertragsschluß legitimiert. Im ersten Fall setzen die zusammenkommenden Menschen jedoch einen Souverän aus Furcht voreinander ein, um dem Kriegszustand zu entkommen, im zweiten Fall setzen sie jedoch denjenigen als Souverän ein, den sie fürchten.

Man erkennt, daß es Hobbes nicht um die Frage der Herrschaft geht, sonst wäre im Fall des "Staates durch Aneignung" die Prozedur der Staatsgründung mittels Vertragsschluß überflüssig, da die Herrschaftsausübung durch den "Aneigner" bereits vorhanden ist. Es geht ihm vielmehr um die Stabilität von Herrschaft, und diese ist nur durch Zustimmung der Mehrheit und deren Verzicht auf ihr natürliches Widerstandsrecht gegen den Souverän möglich.

3.3. Der Souverän

Der Souverän hat die höchste Gewalt inne und die anderen Menschen werden mit dem Akt der Staatsgründung zu Untertanen. Er ist unabhängig vom Willen der Untertanen, denn diese sind dem Souverän durch den geschlossenen Vertrag ver- pflichtet und nicht umgekehrt. Auf den ersten Blick könnte man übersehen, daß der Vertrag ja nur zwischen den einzelnen Menschen der Gründungsmenge geschlossen wurde, und nicht mit dem Souverän. Dadurch kann der Souverän weder einen Bürger Unrecht tun, noch einen Vertrag brechen, da er keinen geschlossen hat.12

[...]


1 vgl. hierzu z.B. Tönnies, Ferdinand, Thomas Hobbes, Leben und Lehre, Stuttgart-Bad Cannstatt 1971, S. S. 1-70.

2 vgl. hierzu Wolfers, Benedikt, "Geschwätzige Philosophie", Würzburg 1991.

3 Hobbes, Thomas, Vom Menschen - Vom Bürger, Hamburg 1959, S. 82f. Im folgenden in den Fußnoten mit "De Cive" abgekürzt.

4 De Cive, S.80.

5 Hobbes, Thomas, Leviathan, Neuwied und Berlin 1966, S. 88. Im folgenden in den Fußnoten mit "Leviathan" abgekürzt.

6 Was jedoch nach der Definition der "Gleicheit" der Menschen nicht möglich ist. Jeder Mensch kann noch so stark sein, wenn sich genug andere gegen ihn zusammen tun, kann er vernichtet werden.

7 Leviathan, S. 96.

8 De Cive, S. 87.

9 Leviathan, S. 134f.

10 De Cive, S. 133.

11 Leviathan, S. 136.

12 Dies ist ein wesentlicher Widerspruch zu den Vertragstheorien anderer Theoretiker der politischen Ideengeschichte, z.B. Rousseau.

Excerpt out of 16 pages

Details

Title
Thomas Hobbes - Ein Gegner der Gewaltenteilung
College
University of Trier  (Fachbereich Politikwissenschaft)
Course
Proseminar: Mischverfassung und Gewaltenteilung in der Geschichte des politischen Denkens
Grade
gut
Author
Year
1993
Pages
16
Catalog Number
V7788
ISBN (eBook)
9783638149273
ISBN (Book)
9783638771023
File size
414 KB
Language
German
Keywords
Thomas, Hobbes, Gegner, Gewaltenteilung, Proseminar, Mischverfassung, Gewaltenteilung, Geschichte, Denkens
Quote paper
Andreas Streim (Author), 1993, Thomas Hobbes - Ein Gegner der Gewaltenteilung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/7788

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