Rüstungsbegrenzung und Rüstungskontrolle im Kalten Krieg am Beispiel von SALT II

Eine spieltheoretische Analyse


Bachelor Thesis, 2006

98 Pages, Grade: 1,3


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

1.0 Einleitung

2.0 Rüstungswettlauf, Kalter Krieg und Abrüstung: Ein historischer Abriss 1945 bis 1990
2.1 Die Entstehung des Kalten Krieges
2.2 Vom Ende des zweiten Weltkrieges bis zur Kuba Krise
2.3 SALT I und ABM-Vereinbarung
2.4 SALT II und KSZE
2.5 Ende der 1970er Jahre bis 1990
2.6 1990 bis Heute

3.0 Die Verträge SALT I und SALT II
3.1 SALT I - Vorgänger von SALT II
3.2 SALT II
3.2.1 Die Vertragsinhalte
3.2.2 Verhandlungen
3.2.3 Das Scheitern von SALT II
3.2.3.1 Die Ausgewogenheit des Vertrages
3.2.3.2 SALT II und die Verbindungen zu außenpolitischen Ereignissen
3.2.4 Folgen der Nicht-Ratifizierung

4.0 Spieltheorie und ihre Anwendung in der Politikwissenschaft
4.1 Spieltheorie aus sozialwissenschaftlicher Sicht
4.2 Spieltheorie in den Theorien der Internationalen Beziehungen
4.3 Einführung in die Spieltheorie und Begriffsklärung
4.3.1 Grundkomponenten spieltheoretischer Modelle
4.3.1.1 Spieler und Spieleranzahl
4.3.1.2 Strategien und Strategieräume
4.3.1.3 Nutzen, Nutzenfunktion und Nutzentheorie
4.3.1.4 Verhandlungsspiele: Drohpunkte und Verhandlungslösungen

5.0 SALT II - Eine detaillierte spieltheoretische Analyse
5.1 Modelle zur Entstehung
5.2 Modelle der Verhandlungsstrategien
5.2.1 Beispiel 1: Die Modifizierung von Waffensystemen
5.2.2 Beispiel 2: Der Septemberdurchbruch
5.3 Die Frage der Verifikation von SALT II und die Möglichkeiten der spieltheoretischen Modellierung
5.3.1 Die Definition von Verifikation
5.3.2 Verifikationsmechanismen im SALT-II-Vertrag
5.3.3 Verifikation und Spieltheorie
5.3.3.1 Spieltheoretische Modelle zur Verifikation
Beispiel 1: Einsatz von U2-Spionageflugzeugen
Beispiel 2: Die gemeinsame Datenbank
5.3.3.2 Grenzen der Modellierungsmöglichkeiten
5.4 Externe Faktoren
5.4.1 Äußere Einflüsse während der Verhandlungen
5.4.1.1 Sino-Amerikanische Beziehungen
5.4.1.2 Die US-Amerikanische Menschenrechtspolitik
5.4.2 Ex-Post-Ereignisse
5.4.2.1 Der Afghanistan-Konflikt
5.4.2.1 Reden des US-Präsidenten Carter vor dem Senat und bei Pressekonferenzen
5.5 Grenzen der spieltheoretischen Modellierungen
5.5.1 Die Modellierung von äußeren Einflüssen
5.5.2 Die Modellierung von Ex-Post-Ereignissen

6.0 Fazit

I. Literaturverzeichnis

II. Anhang

1.0 Einleitung

„Abrüstung ist technisch und politisch gleichschwer durchzusetzen, und sie löst die bestehenden Konflikte nicht. Sie muß ergänzt und wohl erst ermöglicht werden durch die Schaffung politischer Wege zum Austragen von Konflikten. Aber die Arbeit an der Aufrüstung ist ein ständiger Anreiz, eben diese notwendigen weiteren internationalen Regelungen auszubilden. Die Verachtung des Ab- rüstungswillens ist eine der Brutstätten jenes Zynismus, aus dem die Katastrophen hervorgehen“ (Professor F. v. Weizsäcker vor dem Börsenverein des deutschen Buchhandels am 13.10.1968) (Schlott 1968: 5).

„Heute muss sich jeder Bewohner dieses Erdballs mit dem Gedanken vertraut machen, daß die Erde eines Tages unbewohnbar sein kann. Jeder Mann, jede Frau und jedes Kind leben unter dem atomaren Damoklesschwert, das an einem seidenen Faden hängt, der jederzeit durch Zufall, Fehlkalkulation oder Wahnsinn durchgeschnitten werden kann. Die Waffen des Krieges müssen vernichtet werden, bevor sie uns vernichten (Präsident Kennedy am 25.09.1961 in einer Ansprache vor den Vereinten Nationen) (Schlott 1968: 5).

Diese beiden Zitate zeigen, dass schon damals das Streben nach Abrüstung vorhanden war. Mehr als 40 Jahre nach diesen beiden Äußerungen hat es viele Veränderungen gegeben. Das bipolare Sys- tem des Kalten Krieges mit den beiden Supermächten USA (Vereinigte Staaten von Amerika) und UdSSR (Union der sozialistischen Sowjetrepubliken) ist zusammengebrochen. Neue Bedrohungen - medial aufbereitet - sind an Ihre Stelle getreten, vom „Krieg gegen den Terrorismus“, über Völ- kermorde und Bürgerkriege in Afrika bis hin zum jüngsten Beispiel menschlichen Hasses und menschlicher Wut: Dem Konflikt zwischen Israel und dem Libanon. Konflikte militärischer Art sind häufig auf Sicherheitsdilemmata eines bestimmten Staates in einer Region zurückzuführen und ein umfassendes Lösungskonzept liegt häufig in der Rüstungsbegrenzung beziehungsweise Rüs- tungskontrolle innerhalb dieser Region. Seit dem Ende des Kalten Krieges haben nicht nur geopoli- tische Veränderungen stattgefunden.

Im Bereich der Rüstungsbegrenzung und Rüstungskontrolle, aber auch in der Abrüstung hat sich vieles getan. Mit Hilfe der SALT-II-Gespräche sollen in dieser Arbeit die Bemühungen um Rüstungsbegrenzung und Rüstungskontrolle beispielhaft dargestellt werden und mit Hilfe der Spieltheorie eine Analyse der SALT-II-Verhandlungen vorgenommen werden.

Problemstellung

Abrüstung, Rüstungskontrolle und Rüstungsbeschränkung sind auch heute noch, 16 Jahre nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, eine mehr als aktuelle und brisante Problematik. Die Friedens- und Konfliktforschung innerhalb der Politikwissenschaft, aber auch die gesamten Theorien der In- ternationalen Beziehungen haben sich im Laufe der Jahrzehnte mit der Frage nach einer weltweiten und dauerhaften Friedenssicherung beschäftigt. Rüstungsbegrenzung und Rüstungskontrolle waren und sind ein Schritt in die richtige Richtung. Das historische Beispiel des Kalten Krieges eignet sich besonders gut für eine modellhafte Analyse von Rüstungsbegrenzung und Rüstungskontrolle.

Zielsetzung

Zielsetzung dieser Arbeit ist die Darstellung der Rüstungsbegrenzung und Rüstungskontrolle wäh- rend des Kalten Krieges am Beispiel von SALT II. Mithilfe dieser Darstellung soll im Anschluss die Spieltheorie als eine von vielen Theorien der Internationalen Beziehungen erläutert und ihre Anwendungsmöglichkeit auf Rüstungsbegrenzung und Rüstungskontrolle aufgezeigt werden. Hier- bei wird sowohl auf die Stärken als auch auf die Schwächen dieses Theorieansatzes eingegangen.

Fragestellung

Die zentrale Fragestellung dieser Arbeit lautet:

Welche Mechanismen und Geschehnisse beeinflussten und steuerten die Rüstungsbegrenzungs- und Rüstungskontrollverhandlungen SALT II und inwieweit lassen sich mithilfe der Spieltheorie model- lieren?

Vorgehensweise

Begonnen wird in Kapitel zwei mit einem historischen Abriss von 1945 bis 1990 unter dem Aspekt der Rüstungsbegrenzung und Rüstungskontrolle. Hierbei liegt der Schwerpunkt auf der Darstellung der Sicherheitspolitik und der Doktrinen in den verschiedenen Phasen des Kalten Krieges.

Kapitel drei beschäftigt sich mit dem SALT-II-Vertrag. Hier geht es zunächst um die Darstellung von SALT I als Vorläufer von SALT II. Der Schwerpunkt des Kapitels drei liegt also in der detail- lierten Beschreibung der Vertragsinhalte von SALT II und den Verhandlungen die zu SALT II ge- führt haben. Anschließend werden das Scheitern von SALT II und die Folgen der Nicht- Ratifizierung analysiert.

In Kapitel vier wird eine Einführung in die Spieltheorie gegeben. Zunächst wird die Spieltheorie in einen sozialwissenschaftlichen Kontext gestellt, um diese dann in den Kontext der Theorien der Internationalen Beziehungen einzubetten. Das Kapitel vier schließt mit der Erläuterung der grund- legenden Begriffe und Modelle der Spieltheorie. Damit ist die theoretische Grundlage für Kapitel fünf geschaffen.

In Kapitel fünf wird die Spieltheorie konkret auf SALT II angewendet. Zunächst werden einige Modelle zur Entstehung von Rüstungsbegrenzungs- und Rüstungskontrollverhandlungen vorgestellt, um dann spieltheoretische Modelle von Verhandlungen und Verhandlungsstrategien zu erläutern. Im dritten Teil des Kapitels geht es um die Frage der Verifikation von Rüstungsbegrenzungsund Rüstungskontrollverträgen. Hier sollen ebenfalls spieltheoretische Modelle zur Anwendung kommen. In Abschnitt vier des Kapitels findet eine Auseinandersetzung mit externen Einflussfaktoren auf die Verhandlungen statt, um in Abschnitt fünf die Grenzen der spieltheoretischen Modellierung von äußeren Einflüssen und Ex-Post-Ereignissen aufzuzeigen. Die Arbeit schließt mit einem die Fragestellung dieser Arbeit zusammenfassend beantwortenden Fazit.

Diese Arbeit beschäftigt sich nur am Rande mit den SALT-I-Gesprächen und dem SALT-I-Vertrag. Genauso wird auf eine genauere Analyse des Rüstungswettlaufes verzichtet. Dieser war - wie in Abschnitt 5.1 dieser Arbeit gezeigt werden wird - relevant für die Entstehung von Rüstungsbegren- zungs- und Rüstungskontrollverhandlungen, jedoch wird aufgrund des begrenzten Rahmens dieser Arbeit auf eine genauere Analyse des Rüstungswettlaufes außerhalb der in Abschnitt 5.1 stattfin- denden Darstellung verzichtet.

Im Anhang der Arbeit finden sich neben dem Abkürzungsverzeichnis und dem Abbildungs- und Tabellenverzeichnis auch die englischsprachigen Vertragstexte von SALT I und SALT II.

2.0 Rüstungswettlauf, Kalter Krieg und Abrüstung: Ein historischer Abriss 1945 bis 1990

In diesem Kapitel wird ein historischer Abriss des Kalten Krieges vorgenommen. Da sich diese Arbeit mit Rüstungsbeschränkung und Rüstungskontrolle beschäftigt, liegt der Darstellungsschwer- punkt auf den verschiedenen Doktrinen und sicherheitspolitisch relevanten Ereignissen in dieser Epoche. Diese ermöglichen eine Aufteilung des Kalten Krieges in verschiedene Phasen. Zunächst geht es um eine kurze Erklärung zu den historischen Hintergründen des Kalten Krieges um dann in den nachfolgenden Abschnitten dieses Kapitels auf die einzelnen Phasen einzugehen.

2.1 Die Entstehung des Kalten Krieges

„There are now two great nations in the world, which starting from different points, seem to be advancing toward the same goal: the Russians and the Anglo-Americans [E]ach seems called by some secret design of Providence one day to hold in its hands the destinies of half the world“ (Alexander des Tocquevill 1835, hier zitiert: Gaddis 1997: 1). Dieses Zitat von Tocquevill aus dem Jahre 1835 sollte ein gutes Jahrhundert später Realität werden.

Der Ost-West Konflikt, der sich im Anschluss an den 2. Weltkrieg entwickelte, war der prägende Konflikt bis 1989/90. Er stellte die zentrale Struktur im System der Internationalen Beziehungen dar und „[...] war von dominanter Bedeutung für das außenpolitische Handeln aller Staaten, weil auf beiden Seiten je ein Allianzsystem stand [NATO und Warschauer Pakt (S.G.)] [...] und zwischen den Mitgliedern dieser Allianz kaum Kontakte bestanden“ (Filzmaier 2006: 104). Die Grundlage des Konfliktes waren die auf beiden Seiten jeweils herrschenden - und im absoluten Gegensatz zueinander stehenden - Vorstellungen vom menschlichen Zusammenleben. Das westli- che pluralistische System auf der einen und das zwangsstaatliche östliche System auf der anderen Seite. Hinzu kam eine auf beiden Seiten diametral gegenüberstehende Wirtschaftspolitik: Auf der einen Seite der Westen mit dem Kapitalismus, das heißt dem freien Austausch von Waren, relativ freiem Markt und je nach Staat einer mehr oder weniger starken Staatsintervention in die Wirt- schaft. Auf der anderen Seite der Osten mit Planwirtschaft und sozialistischer Wirtschaftsführung. Weitere Gegensätze finden sich beim Staatswesen: Der Westen mit parlamentarischen Rechtsstaa- ten und der Osten mit repressiven und zum Teil totalitären Staatssystemen (Loth 2000: 355).

Diese Gegensätze und die Herrschaftsansprüche auf beiden Seiten führten zur Entstehung eines Konfliktes, der aufgrund der nicht stattfindenden direkten militärischen Auseinandersetzung beider Seiten als Kalter Krieg bezeichnet wurde (Loth 2000: 355 - 356).

2.2 Vom Ende des zweiten Weltkrieges bis zur Kuba Krise

Die Anfangszeit des Kalten Krieges war durch eine deutliche Überlegenheit der USA in Bezug auf Atomwaffen gekennzeichnet. Die UdSSR verfügte bis 1957 zwar über keine Trägersysteme für ihre Atomwaffen, besaß aber eine Überlegenheit bei den konventionellen Waffen. Die USAmerikanische Sicherheitsstrategie war in dieser ersten Phase des Kalten Krieges vom Konzept der massiven nuklearen Vergeltung (massive retaliation) geprägt (Filzmaier 2006: 106 - 107). Der von den USA mit Sorge betrachteten Ausweitung des sowjetischen Machtbereiches im Anschluss an den zweiten Weltkrieg setzte sie das Konzept der Eindämmung entgegen.

Wirtschaftliche Förderung westlicher Demokratien durch den Marshall-Plan sowie die Verkündung der Truman-Doktrine 1947, welche eine „[...] ideologische Mobilisierung des Westens gegen kommunistische Subversion[..]“ vorsah, zählten zu den nicht-militärischen Maßnahmen der USA (Loth 2000: 356). Seit 1956 folgte die UdSSR der auf dem 20. Parteitag der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) beschlossenen Politik der friedlichen Koexistenz.

„Die Doktrin bedeutete die Abkehr von der leninistischen Vorstellung, der Unvermeidbarkeit von Kriegen zwischen kapitalistischen und kommunistischen Staaten und war in diesem Sinne eine Kon- sequenz aus der Situation wechselseitiger nuklearer Vernichtungsfähigkeit“ (Rudolf 2004: 256).

Trotz dieser Doktrin kam es Anfang der 1960er Jahre zu einem der prägensten Konflikte der Nach- kriegszeit: Der Kuba-Krise. Kuba war nach der Machtübernahme von Fidel Castro 1959 zu einem Verbündeten der Sowjetunion geworden. Die Stationierung sowjetischer Mittelstreckenraketen auf Kuba 1962 führte zu einer Eskalation des Ost-West-Konflikts. Nach der durch eine Seeblockade Kubas verstärkten Forderung der US-Amerikanischen Administration unter Kennedy die Raketen abzuziehen lenkte die sowjetische Seite unter Chruschtschow ein und zog am 28.10.1962 die Rake- ten ab. Wenige Tage hatte die Welt am Rande des dritten Weltkrieges gestanden, doch das Einlen- ken der sowjetischen Seite hatte das Schlimmste verhindert (Woyke 2000: 377).

2.3 SALT I und ABM-Vereinbarung

In der Zeit nach der Kuba-Krise fand eine erneute Änderung der Sicherheitsstrategie der USA statt. Zwar hatte die Kennedy-Administration seit 1961 eine Revision der massive retaliation gefordert und unterstützt. Die Administration wollte das Konzept der massive retaliation durch das des flexible response ersetzen, aber eine Einigung mit den europäischen NATO-Mitgliedern in dieser Frage erfolgte erst 1967. Flexible Response sah vor: „[...], begrenzte Aggressionen durch die Fähigkeit zu selektiven und flexiblen Reaktionen [...] auf allen denkbaren Konfliktebenen abzuschrecken.“ (Kahl 2000: 299). Das Konzept hätte eigentlich eine Erhöhung der Anzahl konventioneller Streitkräfte in Europa durch die europäischen NATO-Mitglieder erfordert, welche jedoch nicht vorgenommen wurde, und somit blieben US-Amerikanische Atomwaffen „[...] weiterhin Substitute für eine konventionelle Streitmacht in Europa.“ (Kahl 2000: 299).

Ebenfalls bestand sich in den frühen 1960er Jahren seitens der USA die Forderung nach einer gesicherten Zerstörungsfähigkeit, MAD (Mutual assured destruction), als Grundlage für nukleare Stabilität. (Kahl 2000: 299) Als Folge politischer Annäherung nach der Kuba-Krise konnte ab 1969 von einer Phase der Entspannung gesprochen werden. Einer der Faktoren, die dies ermöglichten, war die in den 1950er und 1960er Jahren gefestigte Macht der Sowjetunion in Mittel- und Osteuropa. Die Sowjetunion hatte durch die Niederschlagung des Aufstandes in der DDR 1953 und in Ungarn 1956 sowie der militärischen Intervention in der Tschechoslowakei 1968 („Prager Frühling“) ihre Macht in Europa etabliert (Loth 2000: 359). In dieser Phase des Kalten Krieges entstand auch das Konzept der gesicherten Zweitschlagsfähigkeit (Loth 2000: 359). Hierunter ist zu verstehen, dass die Sicherheitsstrategie so konzipiert wird, dass auf einen atomaren Erstschlag des Gegners mit einem vernichtenden Zweitschlag reagiert werden kann. (Filzmaier 2006: 107).

Der SALT-I-Vertrag (Strategic Arms Limitation Talk), der im Mai 1972 unterzeichnet wurde, bedeutete eine Garantie für die Zweitschlagskapazität beider Seiten (Lübkemeier 2000: 349; Loth 2000: 359). Inhalt dieses Vertrages war zum einen eine Übergangsregelung in Bezug auf strategische Waffensysteme und zum anderen eine Einigung auf die Begrenzung der ABM-Systeme (AntiBallistic-Missisles) auf beiden Seiten.

„Bei strategischen (Atom-)Waffen war zu unterscheiden zwischen interkontinentalen Waffen (Interkontinentalraketen), Mittelstreckenraketen mit einer Reichweite von 1.000 bis 5.000 Kilometern und taktischen Raketen mit einer Reichweite bis zu 1.000 Kilometern.“ (Filzmaier 2006: 108)

2.4 SALT II und KSZE

Im November 1972, kurz nach Abschluss von SALT I, begannen die Verhandlungen für SALT II, die erst im Juni 1979 beendet wurden. Sie hatten gegenüber SALT I einige Fortschritte in Bezug auf die Reduzierung von Waffensystemen aufzuweisen.1 Dennoch trat SALT II nie in Kraft, da eine Ratifizierung seitens des US-Amerikanischen Senats nicht stattfand (Lübkemeier 2000: 350). In die gleiche Phase fiel der Versuch einer strukturellen Rüstungskontrolle. Diese sollte durch die MBFR-Verhandlungen (Mutual Balanced Force Reduction) ermöglicht werden, scheiterte jedoch. Außerdem einigte man sich in diesem Zeitraum auf eine Konferenz über Sicherheit und Zusammen- arbeit in Europa (KSZE), die 1975 in der Helsinki-Schlussakte ihren ersten Abschluss fand (Filz- maier 2006: 110). „Die KSZE wurde in den[19] 70er Jahren als Form zur Gewährleistung von Si- cherheit im Ost-West-Konflikt eingerichtet (Woyke 2000: 329). Einer der Inhalte der Helsinki- Schlussakte war der Menschenrechtskatalog. Da sowohl Mitgliedsstaaten der NATO als auch des Warschauer Pakts an der KSZE teilnahmen, führte die Einigung auf einen Menschenrechtskatalog zu einer Destabilisierung innerhalb der Mitgliedsstaaten des Warschauer Pakts (Woyke 2000: 73).

2.5 Ende der 1970er Jahre bis 1990

Nachdem SALT II, wie oben erwähnt, 1979 abgeschlossen, jedoch nicht ratifiziert worden war (Lübkemeier 2000: 350), war die Entspannungspolitik vorerst gescheitert und auch Rüstungskontroll- und Rüstungsbegrenzungsverhandlungen fanden nicht mehr statt. Die NATO beschloss die Stationierung von Mittelstreckenraketen in Europa und die Sowjetunion marschierte in Afghanistan ein. Auf US-Amerikanischer Seite wurde Reagan neuer Präsident. Auch die Aufrüstung beider Seiten begann wieder und 1983 wurden US-Amerikanische Mittelstreckenraketen mit einer Reichweite bis in die UdSSR hinein stationiert. Die Sowjetunion baute ihre SS-20 (surface-to- surface)-Mittelstreckenraketen aus und es schien, als seien die Bemühungen um eine Entspannung des Konfliktes vergeblich gewesen (Loth 200: 359 - 360).

Mitte der 1980er Jahre kam es jedoch zu innenpolitischen Veränderungen auf beiden Seiten, die zu einer erneuten Aufnahme des Dialoges zwischen den USA und der UdSSR führten. In der Sowjet- union2 wurde Gorbatschow neuer Generalsekretär der KPdSU und führte eine drastische Reform der UdSSR durch. Zunächst sollte eine Beschleunigung des Wirtschaftswachstums stattfinden (uskorenie), doch dazu war ein Umbau des politischen Systems (perestrojka) notwendig, der vor allem auf mehr Transparenz des öffentlichen Lebens zielte (glasnost) (Ziemer 2004: 652).

Diese Umstrukturierung, deren eigentliches Ziel die Stabilisierung der UdSSR war, führte nach einem gescheiterten Militärputsch im August 1991 vier Monate später zur Auflösung der UdSSR und zur Gründung der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) (Wilzewski 2004: 617; Ziemer 2004: 652). Innerhalb der US-Amerikanischen Gesellschaft erhöhte sich der Druck hin zu einer Entspannungspolitik und die Politik der frühen 1980er Jahre wurde nicht weiter verfolgt. Diese innenpolitischen Änderungen führten dann zu weiteren Rüstungskontroll- und Rüstungsbegrenzungsverhandlungen, die im nächsten Abschnitt näher dargstellt werden sollen.

2.6 1990 bis Heute

In Folge der in Abschnitt 2.5 beschriebenen Veränderungen in den USA und der neuen politischen Situation in der ehemaligen Sowjetunion wurde 1991 der START-I-Vertrag (Strategic Arms Reduction Talks) unterzeichnet. Bei dem KSZE-Gipfeltreffen in Paris hatte man bereits 1990 einen Vertrag über konventionelle Abrüstung in Europa geschlossen. 1993 wurde zwischen den USA und Russland (als Nachfolgestaat der Sowjetunion) der START-II-Vertrag unterzeichnet. Dies führte zu einer drastischen Verringerung der strategischen Waffensysteme.

Im Mai 1997 wurde dann die „Grundakte über die gegenseitigen Beziehungen zwischen der NATO und der russischen Föderation“ geschlossen. Damit war das formale Ende des Ost-West-Konfliktes besiegelt. Im Mai 1999 hatten die START-III-Gespräche begonnen, diese waren jedoch durch den im Mai 2002 abgeschlossenen SORT (Strategic Offensive Reduction Treaty) überflüssig geworden. Der Aufbau der US-Amerikanischen nationalen Raketenverteidigung (NMD: National Missile De- fense) wurde nicht nur von Russland, sondern auch von der EU als widersprüchlich zu den Rüstungsbegrenzungs- und Rüstungskontrollabkommen der 1970er Jahre gesehen (Filzmaier 2006: 114 - 115).

3.0 Die Verträge SALT I und SALT II

In diesem Kapitel sollen die beiden Rüstungskontroll- und Rüstungsbeschränkungsverträge SALT I und II dargestellt werden. Zunächst wird kurz auf den SALT-I-Vertrag eingegangen. Der Schwerpunkt dieses Kapitels liegt jedoch auf der Darstellung und Analyse von SALT II, welche im Abschnitt 3.2 vorgenommen wird. Generelle Zielsetzung der SALT-I- und SALT-II-Verträge war die gegenseitige Kontrolle und Begrenzung von strategischen Waffensystemen. Dies geschah mit dem Ziel das durch die Aufrüstungsspirale entstandene Sicherheitsdilemma aufzulösen, oder diesem zumindest entgegen zu wirken (Woyke 2000: 71).

3.1 SALT I - Vorgänger von SALT II

1972 wurde der SALT-I-Vertrag abgeschlossen und trat noch im gleichen Jahr in Kraft. Der Vertrag bestand aus zwei Teilen: Zum einem aus einem ABM-Abkommen (Anti Ballistic Missile), welches die ABM-Systeme auf zwei Standorte pro Land begrenzte, und zum anderen aus einem Interimsab- kommen, welches bis Oktober 1977 begrenzt war. ABM-Systeme, zu deutsch „Antiraketensyste- me“, dienen, wie der Name sagt, zur Abwehr von feindlichen Raketen. Das Interimsabkommen begrenzte die Anzahl von Abschussvorrichtungen für ICBM (intercontinental ballistic missiles) sowie die für SLBM (submarine-launched ballistic Missiles) beider Seiten (Bundeszentrale für po- litische Bildung 2003: 35).

Ballistic Missiles sind Raketensysteme, die auf eine Umlaufbahn außerhalb der Erdatmosphäre geschossen werden, um dann an anderer Stelle wieder in die Atmosphäre einzutreten und auf dem Boden befindliche Ziele zu zerstören (Mayers 1986: 46). Ballistic Missiles können entweder vom Boden (ICBM) oder von U-Booten (SLBM) aus abgeschossen werden.

SALT I und II waren jedoch nicht nur Verhandlungsrunden für Verträge, sondern auch die instituti- onalisierte Beziehung zwischen den USA und der UdSSR. Entscheidend für die hier vorgelegte Arbeit ist weniger die ABM-Vereinbarung, als vielmehr die Interimsvereinbarung, deren vollstän- diger Titel: „Interim Agreement Between the United States of America and the Soviet Union of So- viet Socialistic Republics on Certain Measures with Respect to the Limitation of Strategic Offensive Arms“ lautete.

Diese Vereinbarung fror die Anzahl der ICBMs und SLBMs beider Seiten ein. Entscheidend war auch das Thema der Abschussvorrichtungen für die Waffensysteme. Abschussvorrichtungen (Laun- cher) bedeuteten im Falle der ICBM unterirdische Abschusssilos und im Falle der SLBM Ab- schussrohre auf U-Booten (Talbott 1979: 22-23). Die Übergangsvereinbarung nannte jedoch keine Anzahl der ICBM- oder SLBM-Abschussvorrichtungen. Grund dafür war, dass die UdSSR sich weigerte, konkrete Zahlen zu nennen, mit der Begründung, dass die USA auf eigene Mittel zurück- greifen müsse, die Anzahl auf beiden Seiten festzustellen. Dies bedeutete jedoch eine Informati- onsasymmetrie, da die Zahlen der USA jährlich in den Berichten des US- Verteidigungsministeriums genannt wurden. Die genaue Anzahl der Abschussvorrichtungen, auch wenn nicht im Vertrag genannt, beliefen sich auf Seiten der USA auf 1700, auf Seiten der UdSSR auf 2400.

Wie konnte es bei solch einer zahlenmäßigen Ungleichheit zu einer Ratifizierung vom SALT-I-

Vertrag seitens des US-Amerikanischen Senats kommen (Talbott 1979: 22-23)? Die NixonAdministration nannte bei Vorlage des Vertrages vor dem Senat sechs Argumentationspunkte:

1) Bei Vertragsabschluss produzierten die UdSSR im Gegensatz zu den USA neue Raketen, dies wurde damit unterbunden.
2) Die USA hatten eine größere Anzahl an Bombern und diese wahren qualitativ besser als die der UdSSR. Bomber blieben von der SALT-I-Vereinbarung ausgeschlossen.
3) Zwar verfügten die UdSSR über mehr ICBMs, die der USA waren jedoch präziser und zuverläs- siger.
4) Die Qualität US-Amerikanischer Boote und Raketen war um ein vielfaches besser als die der UdSSR.
5) Die USA konnten auf eigene und verbündete Militärbasen rund um das Gebiet der UdSSR zurückgreifen.
6) Die USA hatten im Bereich der MIRVs (multiple independently targetable reentry vehicles) einen technologischen Fortschritt (Talbott 1979: 23-24).

Unter reentry vehicle versteht man den Teil der Rakete, die den Sprengkopf transportiert. Ballistic missiles, die mehrere reentry vehicles transportieren können, werden als MIRVs bezeichnet (May- ers 1986: 46). Der Vorteil von MIRVed Raketen liegt darin, dass eine Verteilung der Gesamt- sprengkraft auf mehrere Sprengköpfe eine strategische Überlegenheit bedeutet. MIRVed Raketen haben den weiteren Vorteil, dass die einzelnen Sprengköpfe unabhängig voneinander gelenkt wer- den können (Krell 1984: 447).

Während die UdSSR mehr Abschussvorrichtungen besaß, so verfügten die USA über mehr Sprengköpfe. Dieses Argumentationspaket führte dann zur Zustimmung des Senats und zur Ratifizierung des SALT-I-Vertrages (Talbott 1979: 23-24).

Aufgrund der Begrenztheit des Interimsabkommens war beiden Seiten klar, dass das SALT-I- „Paket“, das aus ABM-Vereinbarung und Interimsabkommen bestand, keine langfristige Lösung darstellte. SALT I kann folglich als Grundlage für SALT II gesehen werden.

3.2 SALT II

In diesem Abschnitt werden zunächst die wichtigsten Vertragsinhalte dargestellt, um dann im Anschluss den Ablauf der Verhandlungen über diese Themen darzustellen und zu analysieren. Des Weiteren wird in diesem Abschnitt eine Erklärung für das Scheitern von SALT II gegeben und die Folgen der Nicht-Ratifizierung analysiert.

3.2.1 Die Vertragsinhalte

Bevor eine Auseinandersetzung mit den eigentlichen Verhandlungen geschieht, wird zunächst ein- mal eine Zusammenfassung der vertraglich geregelten Inhalte vorgenommen. Diese Darstellung dient als Basis für die spieltheoretische Analyse. Bei den vertraglichen Einigungen geht es um spe- zifische Waffen- und Trägersysteme sowie deren Abschussvorrichtungen. Des Weiteren wird die Thematik der Verschlüsselung von Waffensystemen erläutert. Das Problem der Verschlüsselung ist im Kontext der Verifikation von Rüstungsbegrenzung- und Rüstungskontrollverträgen besonders relevant.

Die wichtigsten Punkte des SALT-II-Vertrages waren die Thematik der multiplen Sprengköpfe (MIRV), und der Abschussvorrichtungen, die Verschlüsselung von Waffentests und der Rahmen der erlaubten Modifizierung bestehender Waffensysteme.3 Der letzte Punkt ist insbesondere für die Frage der Sicherheitsgarantie nach Vertragsabschluss für beide Seiten entscheidend.

Was die Anzahl der verschiedenen Waffensysteme betraf, so einigte man sich im September 1977 auf folgende Bestimmung: Der sowjetische Außenminister Gromyko gab in der Frage von D-und P nach. Des Weiteren akzeptierte er eine Begrenzung für MIRVed ICBMs und zeigte sich damit ein- verstanden die Gesamtbegrenzung der Waffensysteme auf 2400 zu senken. Für die Bereitschaft der US-Amerikaner die mit cruise-missiles bestückten schweren Bomber mit in die Begrenzung für MIRVs von 1320 einzubeziehen, akzeptierte Gromyko ein niedrigeres Limit für MIRVed missiles (Talbott 1979: 130-131).

“But also [...] Gromyko countered with numbers higher than the Americans wanted. Instead of 2,160, 1,200 and 800 for the overall ceiling, the MIRV aggregate and the MIRVed ICBM subceiling respectively, the Soviets wanted a hierarchy of multiples of 50 - 2,250, 1,250 and 850“ (Talbott 1979: 130-131).

Die Frage nach D-und-P betraf 180 Abschusssilos in den zwei ungarischen Städten Derazhnya und Pervomaisk (seitens der USA nur als D-und-P bezeichnet), bei denen nicht erkennbar war, ob sie MIRVed oder Nicht-MIRVed ICBMs lagerten. Diese Frage war für die Überprüfung der Vertragsinhalte von Relevanz.

Die Frage nach der Verschlüsselung der Waffentests war Teil des Verifikationsproblems des Ver- trages. Hierbei ging es um die Verschlüsselung solcher telemetrischer Daten, die der jeweils ande- ren Seite Aufschluss über die Waffensysteme des Gegners gaben. Diese Thematik wird in Kapitel fünf der Arbeit noch einmal aufgegriffen. Zwar verbot schon SALT I sämtliche Maßnahmen, wel- che die Überwachung der Vertragsbestimmungen durch „national technical means“ (gemeint wa- ren Überwachungstechniken) verhinderten, aber die Sowjetunion hatten während zweier Tests am 29.07. und 21.12.1978 die telemetrischen Daten derart verschlüsselt, dass die US-Amerikanische Seite die Verifikation des Vertrages gefährdet sah und man sich im April 1979 auf folgenden USAmerikanischen Vorschlag einigte:

„The note [gemeint ist eine schriftliche diplomatische Note an die sowjetische Seite, (S.G.)] would explain the contrary to the Soviet interpretation, the U.S. was not suggesting that SALT should forbid all encryption; rather, it should ban only encryption that impedes verification, as it sometimes does - as, indeed, it did on July 29 and December 21“ (Talbott 1979: 259).

Die Übereinkunft bezüglich der Modifikation der Waffensysteme darzustellen. Diese wird in Kapi- tel fünf spieltheoretisch analysiert werden. Die endgültige Vereinbarung sah folgendermaßen aus: Die USA boten für die Festlegung auf eine strikte plus oder minus fünf Prozent Begrenzung an, dass man die letzten drei Parameter wegfallen ließ. Damit betraf die Regelung nur noch die Länge, den Durchmesser und das Start- und Wurfgewicht. Die USA waren jedoch zu einem Einschnitt be- reit: Verringerungen von mehr als fünf Prozent für Start- und Wurfgewicht waren erlaubt, aller- dings nur dann, wenn diese durch ein Abladen von reentry vehicles, decoy warheads und der ent- sprechenden Menge an Treibstoff erreicht wurden. Diese Einigung wurde ebenfalls im April 1979 erzielt (Talbott 1979: 273).

Die letzten Verhandlungen betrafen Fragen nach dem fractionation freeze und den damit verbundenen feint-type release simulations. Unter ersterem versteht man eine Regelung, die festlegte, dass kein ICBM-Typ mit mehr reentry vehicels getestet werden durfte, als ursprünglich mit diesem Typ bereits getestet worden waren (Talbott 1979: 264).

Unter release simulations ist zu verstehen, dass das post-boost-vehicle (der Teil der Rakete auf dem die Sprengköpfe montiert sind) die erlaubte Anzahl von Sprengköpfen abschießt, dann aber durch eine bestimmte Flugbahn simuliert, dass weitere Sprengköpfe abgeschossen werden, obwohl diese nicht mehr vorhanden sind. So genannte feint-type release simulations bedeuten konkret, dass die entsprechende Rakete die technische Möglichkeit besitzt, mehr Sprengköpfe abzuschießen als er- laubt und vereinbart wurde. Die erlaubte Menge an Sprengköpfen ist unter dem Stichwort Fraktio- nisierung zusammengefasst: „The division of bomber or missile payload into separate re-entry ve- hicles“ (Mayers 1986: 113).

Der Amerikanische Vorschlag bezüglich dieses Themenkomplexes sah dann wie folgt aus:

„[...] the language of the fractionation freeze would have to be tightened in a way that the sum of reentry vehicles actually released plus feint-type release simulations could not exceed the maximum fractionation of that type of missile (ten for the MX and SS-18, fourteen for the Trident, etc.); furthermore, any maneuver relating to penetration aids over and above that maximum must be „different“ from the „procedure“ used to dispense warheads“ (Talbott 1979: 267)

Unter penetration aids ist jegliche Art von Technologie definiert, die ein Eindringen in den feindlichen Raum erleichtert. Dies geschieht beispielsweise durch „Lockvögel-Sprengköpfe“ (decoy warheads), welche feindliche ABM-Stellungen täuschen, oder andere Systeme mit gleicher beziehungsweise ähnlicher Zielsetzung (Talbott 1979: 266).

3.2.2 Verhandlungen

Die sieben Jahre andauernden Verhandlungen können hier nicht bis ins letzte Detail dargestellt werden. Daher konzentriert sich die Ausführung auf wichtige Kernpunkte von SALT II.4 Diese Kernpunkte sind die Vladivostok-Einigung, die daraus hervorgegangenen Vladivostock-Optionen, der Verhandlungsdurchbruch im September 1977, sowie die Einigungen bezüglich der in 3.2.1 schon angesprochenen Vereinbarung über die Verschlüsselung telemetrischer Daten, die Frage nach den Abschussvorrichtungen, sowie die Verhandlungen über die Modifikation von Waffensystemen. Im Juni 1979 wurde SALT II vom US-Präsidenten Carter und dem sowjetischen Generalsekretär Brezhnev unterzeichnet. Die letzten Absprachen vor der Unterzeichnung wurden erst auf dem Abschlussgipfel in Wien erzielt (Talbott 1979: 7-15).

Mit Nixon als US-Präsident hatten die Verhandlungen im November 1972 begonnen. Die Nixon- Administration hatte die klare Vorgabe des US-Amerikanischen Senats: „[...] that SALT II must entail identical numerical limits for both sides“ (Talbott 1979: 31). Als Ende 1974 eine Einigung bezüglich der Laufzeit des Vertrages geschlossen wurde (bis 1985), war es nicht mehr Richard Ni- xon sondern Gerald Ford, der als amerikanischer Präsident die Entscheidungen zu treffen hatte. Ein Treffen zwischen Ford und Brezhnev im November 1974 führte zur Vladivostok-Einigung. Man verständigte auch sich auf 2400 SNLV (strategic nuclear launch vehicles - Abschussvorrichtungen für strategische Nuklearwaffen) und eine Begrenzung auf 1320 Abschussvorrichtungen für multiple Sprengköpfe für beide Seiten.

Ein weiterer Erfolg dieses Treffens war aus US-Amerikanischer Sicht das sowjetische Zugeständ- nis, die Anzahl US-Amerikanischen Atomwaffen in Europa nicht durch SALT II zu begrenzen. Im Gegenzug mussten die USA allerdings darauf Verzichten, dass die Sowjetunion eine Reduzierung ihrer heavy missiles vornehmen musste. Ebenfalls gestanden die USA ein, dass die 2400er (später 2160er) Begrenzung der strategischen Waffen in SALT II schwere Bomber5 mit einschloss. Hier gelangten die Verhandlungen an einen charakteristischen Punkt: man stieß auf ein Definitionsprob- lem. Eine genaue Definition davon, welche Flugzeuge als schweren Bomber galten, gab es nicht. Das B-52-Stratofortress auf amerikanischer und die sowjetische Mya-4 galten als schwere Bomber, jedoch blieb die Frage offen, wie die neue sowjetische Tu-26 - besser bekannt als Backfire - zu bewerten sei. Die Backfire-Frage - endgültig erst durch eine schriftliche Stellungnahme der Sow- jetunion 1979 geklärt6 - war symptomatisch für die beiden de-facto stattfindenden Verhandlungen zu SALT II: Die Gespräche zwischen den USA und den UdSSR einerseits, und denen innerhalb der US-Amerikanischen Administration andererseits (Talbott 1979: 31-35).

1976 gab es erneut einen Wechsel an der Spitze der US-Amerikanischen Administration und Jimmy Carter wurde zum Präsidenten der USA gewählt. Unter dessen Administration wurden die Vladi- vostok-Optionen erarbeitet. Hierbei handelt es sich um drei Varianten der Vladivostok-Einigung von 1974: Basic Vladivostok, Vladivostok Plus und Vladivostok Minus7 (Talbott 1979: 38 - 47).

Nach diversen Schwierigkeiten und Uneinigkeiten gelang im September 1977, während eines Besu- ches des sowjetischen Außenministers Andrei Gromykos in Washington, ein Verhandlungsdurchbruch, dessen Endergebnis in der in Abschnitt 3.2.1 dargestellten Einigung bezüglich der Anzahl von Waffensystemen und der Frage der Abschussvorrichtungen schon dargestellt wurde. Nach einigen Verhandlungstagen präsentierten die US-Amerikaner einen Vorschlag in Bezug auf die Begrenzung der Waffensysteme.

Jede Seite konnte 2400 SNLVs, deren Zahl während der Laufzeit des Vertrags 2160 reduziert wer- den sollte, 1320 multiple warhead SNLV und 1200 MIRVed missiles, sowie 800 MIRVed ICBMs stationieren. Die SNLVs beinhalteten cruise-missile-carrying Bomber und MIRVed ballistic missi- les. Die Begrenzung von 1200 MIRVed missiles beinhaltete land-stationierte ICBMs und SLBMS (Talbott 1979: 126).

Als der sowjetischen Seite das US-Amerikanische Angebot vorgelegt wurde, reagierte Gromyko zunächst positiv darauf. Die Amerikaner machten jedoch deutlich, dass alle 180 Abschusssilos in D-und-P vollständig zu der 800er Begrenzung für MIRVed ICBMs gezählt werden sollten. Dieser Erweiterung der Vereinbarung begegnete Gromyko mit Ablehnung (Talbott 1979: 111-119; 128). Trotz dieses Disputs kam es dann wie schon oben erläutert zu einer Einigung.

Anfang des Jahres 1979, als für die Verhandlungspartner eine Einigung absehbar schien, sorgten zwei Faktoren für Verunsicherung, und schränkten die positive Einschätzung beider Seiten bezüg- lich SALT II wieder ein: Zum einen der Besuch des Chinesischen Generalsekretärs Deng Xiaoping im Februar in den USA und zum anderen die islamische Revolution im Iran. Ersteres führte zu gro- ßem Unmut bei den Sowjets, letzteres zum Verlust von zwei US-Amerikanischen Abhörstationen. Diese beiden Abhörstationen in der Nähe des Kaspischen Meeres waren für eine genaue Überprü- fung von Marschflugkörper-Tests der Sowjetunion notwendig (Talbott 1979: 249-253).

Damit wurden neue Konflikte und Diskussionspunkte aufgeworfen, die einen negativen Einfluss auf die Verhandlungen über den Abschluss von SALT II hatten. Die Sowjets fürchteten eine chinesisch-amerikanische Allianz und sahen sich dadurch in eine erhöhte Bedrohungslage versetzt. Für die US-Amerikaner hatte sich durch den Verlust der beiden Abhörstationen ihre Fähigkeiten zur Überwachung sowjetischer Waffentests verringert.

Ein letztes großes Problem stand jedoch noch zur Debatte: Die Frage, inwieweit Modifikationen der von SALT II zugelassenen Waffensysteme erlaubt waren (so genannte new types), dass heißt welche Parameter verändert werden durften. In vorangegangen Verhandlungen hatte man sich auf folgende Parameter geeinigt:

1) Länge der Trägerrakete
2) Maximaler Durchmesser der Trägerrakete
3) Anzahl der Raketenstufen
4) Brennstofftyp der Trägerrakete
5) Wurfgewicht
6) Startgewicht (Talbott 1979: 260).

Die strittige Frage hierbei war der zulässige Umfang der Modifikationen. Die USA forderten eine fünfprozentige Abweichung nach oben und unten für alle Parameter. Die Sowjetunion lehnte dies jedoch ab, und begründete es folgendermaßen: „You [gemeint sind die USA, (S.G.)] ask for more parameters than we do, and they go beyond our ability to verify them by national technical means“ (Talbott 1979: 260).

Die Einigung wurde in diesem Fall durch ein Entgegenkommen der USA ermöglicht. Die USA stimmten einem Verbot von Tests für MIRVed ALCMs während der Laufzeit von SALT II zu. Die Sowjets waren mit der fünf Prozent Begrenzung nach oben einverstanden, forderten jedoch für Mo- difikationen nach unten eine Spielraum von 10 bis 12 Prozent. Diese Forderung war jedoch für die USA nicht akzeptabel, da sie befürchteten, dass die Sowjetunion kleinere und kompaktere - und damit modernere - Versionen ihrer ICBMs entwickelte. Die endgültige Einigung in Bezug auf die Modifikationen wurde im April 1979 erzielt, und ist bereits in 3.2.1 dargestellt worden. Damit wur- de der Weg frei für die letzten Hürden, die einem Abschluss von SALT II im Weg standen: Der fractionation freeze, welcher die Begrenzung der Sprengkopfanzahl pro Trägerrakete festlegte.

Der fractionation freeze betraf folgende Waffensysteme: Auf der sowjetischen Seite waren die SS- 18, ein Modell der MIRVed heavy missiles, und auf der US-Amerikanischen Seite der Trident (ein SLBM), sowie die MX (Missile Experimental) betroffen. Am 01.05.1979 überreichte Dobrynin Vance (Secretary of State) der Amerikanischen Seite eine so genannte mündliche Note8 mit den aktuellen sowjetischen Positionen zu offenen Punkten. Die US-Amerikanische Forderung nach ei- ner Begrenzung von release simulations war erfüllt und damit waren die großen Uneinigkeiten bezüglich SALT II endgültig gelöst (Talbott 1979: 268). Der Vertrag wurde am 18.06.1979 beim Gipfeltreffen zwischen Carter und Brezhnev in Wien unterzeichnet (Lübkemeier 2000: 350).

3.2.3 Das Scheitern von SALT II

Hier geht es um eine Darstellung der Ereignisse und Faktoren, die dazu führten, dass der US- Amerikanische Senat SALT II nach dem erfolgreichen Abschließen der Verhandlungen nicht ratifi- zierte. Zwei der Ausschlag gebenden Faktoren, der Afghanistan-Konflikt Ende 1979 und die Reden des US-Präsidenten Jimmy Carter 1979/1980, werden detailliert in Abschnitt 5.4.2 dieser Arbeit erläutert.

Betrachtet man die Kritik an SALT II innerhalb der US-Amerikanischen Politik, so lassen sich diese Kritik und ihr Umfeld in sechs Kategorien aufteilen:

1) Die Frage nach der Ausgewogenheit des Vertrages;
2) Das Problem des militärischen Gleichgewichts;
3) Die Problematik der Verifikation von SALT II;
4) Die Frage, ob SALT II überhaupt ein Rüstungskontrollvertrag sei;
5) Die Verbindung (Linkage) zwischen SALT und anderen Themen in der Beziehung zwischen UdSSR und USA;
6) Die Verbindung zwischen SALT II einerseits und der NATO und der Sicherheit Europas anderseits (Krell 1982: 6-51).

In diesem Kapitel wird auf die Punkte 1) und 5) Bezug genommen, da diese für die Fragstellung der Arbeit von besonderer Relevanz sind. An der Frage nach der Ausgewogenheit des Vertrages wird die Problematik des Vergleiches verschiedener Waffensysteme deutlich. Die Linkage-Thematik wurde in den Verhandlungen mehrfach diskutiert. Die Frage der Verifikation wird in Abschnitt 5.3 dieser Arbeit mit Hilfe der Spieltheorie untersucht.

3.2.3.1 Die Ausgewogenheit des Vertrages

Die Frage nach der Ausgewogenheit des Vertrages ist in sofern kompliziert, als dass Gleichheit bei Rüstungskontrolle und Rüstungsbegrenzung schwierig zu definieren ist. Die Frage nach Gleichheit ist eng verbunden mit dem Begriff des Gleichgewichts. Dieses Gleichgewicht bedeutete im Kalten Krieg Stabilität zwischen den beiden Supermächten. Neuneck definiert drei verschiedene Arten von Stabilität: Politische Stabilität, Stabilität in der Krise und Rüstungskontrollstabilität. Auf die Bipo- larität des Kalten Krieges angewendet, wurden drei Stabilitätsaspekte charakterisiert: first-strike stability (auch gesicherte Zweitschlagfähigkeit: vgl. 2.3 in dieser Arbeit), crisis stability und arms control stability (Neuneck 1995: 222). Entscheidend für die Analyse des Scheiterns von SALT II ist die Rüstungskontrollstabilität (arms control stability).

„Es herrscht Rüstungskontrollstabilität, wenn keine Seite befürchten muß, daß der Gegner neue Waffen entwickelt, die die Krisenstabilität oder die Stabilität gegenüber einem Erstschlag bedro- hen. Andernfalls ist ein qualitatives Wettrüsten in bestimmten Waffensektoren die Folge“ (Neuneck 1995: 222).

Die Kritik innerhalb der USA an der Ausgewogenheit des Vertrages soll exemplarisch am Backfire- Problem und an der Frage der Waffensysteme außerhalb von SALT deutlich gemacht werden (vgl. 3.2.1). Die Kritiker von SALT II sahen beim Backfire die Schwierigkeit, dass dieser tatsächlich die USA erreichen könnte, wenn er am richtigen Ort stationiert würde. Die Argumentation einer Ein- Weg-Mission des Backfires beziehungsweise die Möglichkeiten des Auftankens des Backfires in der Luft sind jedoch strategisch für die UdSSR nicht sinnvoll gewesen und auch technisch äußerst schwierig zu realisieren. So ist eine theoretisch mögliche interkontinentale Reichweite äußerst un- wahrscheinlich, und von der sowjetischen Seite auch offiziell als nicht geplant definiert worden (vgl. 3.2.1).

Auch die Waffensysteme außerhalb von SALT II wurden als Kritikpunkt angeführt, müssen jedoch ebenfalls als solche abgelehnt werden. Denn ebenso wenig wie der sowjetische Backfire bei SALT II einbezogen worden ist, wurden auch die US-Amerikanischen GLCMs (Ground-Launched Cruise Missiles) mit einbezogen. Diese stellten aus sowjetischer Sicht ein ähnliches Bedrohungspotential dar, wie der Backfire für die USA: Das Zusatzprotokoll zu diesen landgestützten Marschflugkör- pern im SALT II Vertrag wurde durch den Nachrüstungsbeschluss der USA und die geplante Stati- onierung von Pershing II Raketen in Europa de-facto außer Kraft gesetzt (Krell 1982: 13-15).

3.2.3.2 SALT II und die Verbindungen zu außenpolitischen Ereignissen

Die Annahme der SALT-II-Kritiker bestand darin, dass SALT II für die Sowjets lediglich ein Deckmantel sei, der dafür genutzt werde, die politische und militärische Position der Sowjetunion auszubauen. In diesem Zusammenhang sprachen die Kritiker des Vertrages davon, dass es sich bei SALT II um Beschwichtigungspolitik (policy of appeasement) handele. Henry Kissinger, der in der Anfangsphase von SALT II noch als Chef-Unterhändler auf US-Amerikanischer Seite fungierte, kritisierte, dass die Sowjets das internationale Machtgleichgewicht - entstanden durch das bipolare System - angreifen würden. Ebenfalls empfanden die Kritiker den gesamten SALT-Prozess als Zeichen der Schwäche seitens der USA. Da die SALT-II-Kritiker der Ansicht waren, eine Entspannung hätte nie stattgefunden, konnte ihrer Meinung nach auch SALT II als Teil einer Entspannungspolitik keine positive Auswirkungen haben.

Hier lag ein Missverständnis des Konzepts der Entspannungspolitik vor. Dieses Konzept wurde seitens der Kritiker als eine Lösung sämtlicher Konflikte zwischen der UdSSR und den USA gesehen. Für einen solchen Lösungsansatz war SALT aus Sicht der Skeptiker nicht ausreichend mit der sowjetischen Außenpolitik verbunden.

Des Weiteren kam der Vorwurf auf, die US-Administration unter Carter habe SALT nicht dazu verwendet, Einfluss auf die sowjetische Außen- und Innenpolitik zu nehmen. Ein letzter Kritik- punkt an SALT II bestand in der Frage nach der Sicherheit der NATO-Verbündeten. Die Gegner von SALT II sahen in dem Vertrag eine Gefährdung der westlichen Alliierten und der NATO zu sehen. Krell analysiert zusammenfassend zur gesamten US-amerikanischen SALT II Debatte:

„SALT II wurde das Opfer einer allgemeinen, in vieler Hinsicht irrationalen politischen Stimmungslage, die mit dem Vertrag selbst nichts oder nur sehr wenig zu tun hat, und einer Verfassungs-Bestimmung, die ihre Existenz mehr der Zufälligkeit einer ökonomischen Interessenskonstellation zwischen sich gerade föderativ zusammenschließenden Einzelstatten gegen Ende des 18. Jahrhunderts verdankt und nur schwer mit den Erfordernissen der Diplomatie im 20. Jahrhundert in Einklang zu bringen ist.“ (Krell 1982: 47).

3.2.4 Folgen der Nicht-Ratifizierung

„ Wenn einst die Historiker des Jahres 1990 auf das Jahr 1980 zurückblicken, so wird wahrschein- lich ein grundlegender Fehler festgestellt werden können: das Versäumnis der Ratifizierung des SALT-II-Vertrages. Ohne diesen Vertrag wird in beiden Gesellschaftssystemen weniger Wert dar- auf gelegt werden, Meinungsverschiedenheiten ohne Konflikt aus der Welt zu räumen.“ (Krell 1982: Außenumschlag).

Dieses Zitat des ehemaligen US-Amerikanischen Außenministers Cyrus Vance vom Juni 1980 soll in diesem Kapitel genauer untersucht werden: Was waren die Folgen der Nicht-Ratifizierung durch den US-Amerikanischen Senat?

Zunächst einmal lässt sich feststellen, dass sich beide Seiten trotz der Nicht-Ratifizierung weitest- gehend an die Bestimmungen aus SALT II hielten (Lübkemeier 2000: 350). Die größte Wirkung hatte das Scheitern von SALT II sicherlich auf die Beziehungen zwischen den beiden Staaten. Wie in Kapitel zwei dieser Arbeit bereits ausgeführt, dauerte es bis in die Mitte der 1980er Jahre ehe mit START I ein neuer Anlauf unternommen wurde, der erstmalig auf Abrüstung zielte. Dieser fand allerdings erst 1991 einen Abschluss (Lübkemeier 2000: 350-351). Eine weitere Auswirkung war eine Änderung der US-Amerikanischen Sicherheitspolitik. Im Januar 1981 war Reagan in den USA an die Macht gekommen. Nach dem Scheitern von SALT II setzte er zunächst auf den Ausbau der militärischen Stärke, und die damit verbundene drastische Erhöhung der US-Rüstungsausgaben, sowie die definitive Ablehnung von SALT II. Die Rüstungskontrollbemühungen der USA konzent- rierten sich in den 1980er Jahren auf ballistische Raketen und den daraus folgenden START- Verhandlungen (Lübkemeier 2000: 351).

Abschließend lässt sich also feststellen, dass die Nicht-Ratifizierung von SALT II zwar zunächst ein Ende des Dialogs zwischen beiden Seiten bedeutete, dieser negative Effekt jedoch aufgrund der innenpolitischen Reformen in der UdSSR ab 1985 und der daraus folgenden erneuten Aufnahme von Rüstungsbegrenzungs- und Rüstungskontrollverhandlungen nicht lange anhielt.

4.0 Spieltheorie und ihre Anwendung in der Politikwissen- schaft

In Kapitel vier dieser Arbeit wird zunächst eine kurze Einführung der Spieltheorie aus sozialwis- senschaftlicher Sicht gegeben um dann die Spieltheorie in den Kontext der Theorien der Internatio- nalen Beziehung zu setzen. Im dritten Teil dieses Kapitels erfolgt dann eine Einführung in die Grundmodelle und Grundbegriffe der Spieltheorie. Dies geschieht mit der Zielsetzung die methodi- sche Grundlage für die spieltheoretische Analyse von SALT II in Kapitel fünf dieser Arbeit zu schaffen.

4.1 Spieltheorie aus sozialwissenschaftlicher Sicht

Ursprünglich wurde die Spieltheorie lediglich für die Analyse von strategischen Entscheidungssituationen in der Ökonomie benutzt, beispielsweise um Kartellabsprachen in einem Dyopol oder die Problematik von öffentlichen Gütern zu analysieren9 (Holler 2003: 7-9).

Ihre Anwendung in den Sozialwissenschaften, speziell im Teilbereich Friedens- und Konfliktforschung der Politikwissenschaft, erläutert Neuneck in seinem 1995 erschienenen Buch „Die mathematische Modellierung von konventioneller Stabilität und Abrüstung“ (Neuneck 1995).

„Bei der Modellierung von sicherheits- und friedenspolitischen Problemen wird insbesondere auf die Spieltheorie und die Theorie dynamischer Systeme zurückgegriffen. Im Bereich analytischer Modelle sind diese Teilgebiete der Mathematik am weitesten fortentwickelt“ (Neuneck 1995: 107).

Myerson stellt ebenfalls fest: „Game theory provides general mathematical techniques for analyz- ing situations in which two ore more individuals make decisions that will influence one another’s welfare. As such, game theory offers insights of fundamental importance for scholars in all branches of the social sciences, as well as for practical decision-makers“ (Neuneck 1995: 108).

[...]


1 Eine detaillierte Darstellung der Verhandlungen und Vertragsinhalte von SALT II wird in Kapitel drei dieser Arbeit vorgenommen.

2 Die Begriffe UdSSR und Sowjetunion werden in dieser Arbeit synonym verwendet.

3 Der Vollständige Vertragstext findet sich im Anhang der Arbeit.

4 Eine detaillierte Darstellung der SALT II Verhandlungen liefert Talbott in seinem auch hier in dieser Arbeit mehrfach zitiertem Buch: „Endgame - The Inside Story of SALT II“ (Talbott 1979).

5 Unter schweren Bombern versteht man solche Flugzeuge, die strategische Nuklear oder Nicht-nuklear Waffen über interkontinentale Distanzen transportieren konnten (Mayers 1986: 61)

6 In der „Sowjetischen Erklärung betreffend „Backfire“ vom 16. Juni 1979 erklärte Generalsekretär Brezhnev, dass es sich beim Backfire um einen Mittelstreckenbomber handelt, und die UdSSR nicht beabsichtigt, dieses Flugzeug mit interkontinentaler Reichweite auszustatten (Krell und Lutz 1980: 213).

7 Basic Vladivostok zählte den Backfire nicht zur 2400er Begrenzung, die US-Amerikanischen Bomber mit Cruise Missiles zählten dagegen mit zur 1320er Begrenzung für das multiple Sprengkopfsystem. Vladivostok Plus war die ursprüngliche Vladivostok-Einigung plus einer zusätzlichen Vereinbarung bezüglich des Backfires und Vladisvostok Minus war die Vladivostok-Einigung mit einer zusätzlichen Vereinbarung bezüglich des sowjetischen Backfires und den amerikanischen cruise missiles.

8 Unter einer Note versteht man in der Diplomatie ein „[..][p]ersönliches Schreiben des Außenministers oder eines Staatssekretärs an einen ausländischen Botschafter.“ Manchmal werden diese Noten auch vor der Übergabe verlesen, um Ihnen mehr Gewicht zu verleihen (Brandt und Buck 2003: 358)

9 Die Problematik bei öffentlichern Gütern besteht darin, dass Einzelne von ihrer Nutzung nicht ausgeschlossen werden können, auch wenn sie nicht bereit sind dafür zu bezahlen. Ein Beispiel wäre hier die Landesverteidigung (Bundeszentrale für politische Bildung 2004: 184)

Excerpt out of 98 pages

Details

Title
Rüstungsbegrenzung und Rüstungskontrolle im Kalten Krieg am Beispiel von SALT II
Subtitle
Eine spieltheoretische Analyse
College
University of Osnabrück  (Fachbereich Sozialwissenschaften)
Grade
1,3
Author
Year
2006
Pages
98
Catalog Number
V77955
ISBN (eBook)
9783638780698
ISBN (Book)
9783638807685
File size
1607 KB
Language
German
Keywords
Rüstungsbegrenzung, Rüstungskontrolle, Kalten, Krieg, Beispiel, SALT
Quote paper
B.A. Sassan Gholiagha (Author), 2006, Rüstungsbegrenzung und Rüstungskontrolle im Kalten Krieg am Beispiel von SALT II, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/77955

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