Ausgehend vom Vergleich typischer Erzählverfahren im historischen Roman des 19. Jahrhunderts mit historiographischen Werken der nämlichen Epoche lassen sich - allgemein begründet im Geschichtsverständnis der Zeit - zwei wesentliche Kategorien des jeweils Dargestellten ausmachen: die Beschreibung von Ereignissen in der Bedingtheit ihrer Anlage und Folgewirkung einerseits, sowie insbesondere die Deskription bzw. Ausgestaltung der handelnden Figuren in Physionomie, Charakterbild und Bedeutungsschwere für den Her- und Fortgang des Geschehens andererseits.
Diese Darstellungsverfahren im historiographischen wie im narrativen Diskurs stehen in nachweislicher Abhängigkeit sowohl zur Geschichtskonzeption des jeweiligen Autors allgemein, als auch zu seinem Verständnis bzw. Bild von der betreffenden darzustellenden Epoche im Besonderen, das in Zusammenhang steht mit einer Problematisierung der Erfaßbarkeit bestimmender Konstituenten menschlicher Existenz.
Schwerpunkt dieser Arbeit soll sein, jene erzähltechnischen Strukturen der Figurendarstellung basierend auf der zugrunde gelegten Geschichtskonzeption anhand zweier Beispiele aus dem narrativen und historiographischen Diskurs des 19. Jahrhunderts herauszuarbeiten und vergleichend zu erläutern.
Inhaltsverzeichnis
- 0. Einleitung/Problemstellung der Arbeit
- 1. Geschichtsbewußtsein und Geschichtsschreibung vor dem 19. Jahrhundert
- 2. Geschichtsbewußtsein im Zeichen des Individuums
- 2.1. Chateaubriand
- 2.2. 'Deshistorisation' und Ursprungssuche
- 3. Problematik der Historiographie
- 3.1. Strukturen historiographischer Formen
- 3.2. Prämissen historiographischer Diskursformen
- 4. Bedeutung der 'historischen Imagination'
- 5. Parallelität von 'romantischem' Historiograph und Romanautor
- 6. Geschichtskonzeption des Historiographen Michelet
- 6.1. Narrative Struktur in Michelets Historiographie
- 6.2. Konspiration von Cinq-Mars und De Thou
- 6.2.1. Cinq-Mars
- 6.2.2. De Thou
- 6.2.3. Le peuple
- 7. Geschichtskonzeption des 'Poeten' Vigny
- 7.1. Dramennahe Figurendarstellung
- 7.2. Konspiration von Cinq-Mars
- 7.2.1. Der Protagonist Cinq-Mars
- 7.2.2. Parallelisierung der Figuren: Cinq-Mars - König
- 7.2.3. Le peuple
- 8. Schlußwort
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit analysiert die Figurengestaltung im historischen Roman und in der Historiographie des 19. Jahrhunderts am Beispiel von Alfred de Vigny und Jules Michelet. Der Fokus liegt auf der Untersuchung der narrativen Strukturen der Figuren und deren Beziehung zur Geschichtskonzeption der jeweiligen Autoren.
- Geschichtsbewußtsein im 19. Jahrhundert und seine Auswirkungen auf die Darstellung von Geschichte in Literatur und Historiographie
- Die Bedeutung der 'historischen Imagination' für die Figurengestaltung im historischen Roman und in der Historiographie
- Der Vergleich der narrativen Strukturen in Michelets Historiographie und Vignys historischem Roman "Cinq-Mars"
- Die Bedeutung von Figuren wie Cinq-Mars, De Thou und "Le peuple" für die Geschichtskonzeptionen von Michelet und Vigny
- Die Auswirkungen der 'discontinuité' auf dem "champs épistémologique" auf die tradierten Diskursformen der Historiographie und des historischen Romans
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung der Arbeit stellt die Problematik der Figurengestaltung in der narrativen Darstellung des historischen Romans und der Historiographie dar. Sie zeigt die Abhängigkeit der Darstellungsformen von der Geschichtskonzeption des jeweiligen Autors sowie von seinem Verständnis der darzustellenden Epoche.
Kapitel 1 beleuchtet das Geschichtsbewußtsein und die Geschichtsschreibung vor dem 19. Jahrhundert als Grundlage für das Verständnis der Entwicklungen im 19. Jahrhundert. Kapitel 2 widmet sich dem Geschichtsbewußtsein im Zeichen des Individuums und analysiert die Entwicklungen im Kontext der 'Deshistorisation' und der Ursprungssuche. Kapitel 3 untersucht die Problematik der Historiographie, insbesondere die Strukturen historiographischer Formen und die Prämissen historiographischer Diskursformen.
Kapitel 4 beleuchtet die Bedeutung der 'historischen Imagination' und ihre Rolle in der Gestaltung von Figuren. Kapitel 5 betrachtet die Parallelität zwischen dem 'romantischen' Historiographen und dem Romanautor. Kapitel 6 analysiert die Geschichtskonzeption des Historiographen Michelet, insbesondere die narrative Struktur in seiner Historiographie und die Konspiration von Cinq-Mars und De Thou. Die einzelnen Figuren, Cinq-Mars, De Thou und "Le peuple", werden im Detail betrachtet.
Kapitel 7 widmet sich der Geschichtskonzeption des 'Poeten' Vigny und untersucht seine dramennahe Figurendarstellung sowie die Konspiration von Cinq-Mars. Die Parallelisierung der Figuren Cinq-Mars und des Königs sowie die Bedeutung von "Le peuple" werden ebenfalls beleuchtet.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit der Figurengestaltung in der narrativen Darstellung des historischen Romans und der Historiographie, wobei die Geschichtskonzeptionen von Alfred de Vigny und Jules Michelet im Mittelpunkt stehen. Die Arbeit untersucht wichtige Themen wie 'historische Imagination', 'Deshistorisation', 'champs épistémologique', 'discontinuité', 'narrative Strukturen' und 'Figurencharakterisierung'.
- Citation du texte
- Gerdi Ziegler (Auteur), 1998, Die Figurengestaltung in der narrativen Darstellung des historischen Romans und der Historiographie bei Alfred de Vigny und Jules Michelet: ein Vergleich, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/7798