Wilhelm I. - „Kartätschenprinz“ oder Liberaler?


Seminararbeit, 2002

24 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Wilhelm I. – „Kartätschenprinz“ oder Liberaler?
2.1 Thesen/ Quellen/ Literatur
2.2 Die Jugend des Prinzen Wilhelm
2.2.1 Kindheit und Erziehung
2.2.2 Erste Liebe und späte Heirat
2.2.3 Politische Grundsätze
2.3 Kronprinz Wilhelm – „Kartätschenprinz“ von 1848?
2.4 Wilhelm als Begründer der „Neuen Ära“?
2.4.1 Der Prinz von Preußen auf dem Abstellgleis
2.4.2 Regnet und König – Eine „Neue Ära“ der Widersprüche

3. Zusammenfassung

4. Literaturverzeichnis
4.1 Quellen
4.2 Literatur

1. Einleitung

Wilhelm I. von Preußen schrieb als Deutscher Kaiser Geschichte. Mit seiner Person verbinden sich ebenso viele Geschichten wie Mythen. In der folgenden Untersuchung wird dabei nicht versucht, das gesamte Leben dieser für die deutsche Geschichte so bedeutsamen Persönlichkeit darzustellen. Der Fokus liegt auf der „vorbismarckschen Zeit“ und im Mittelpunkt der Untersuchung steht die Frage, ob Wilhelm als „Kartätschenprinz“ und/oder als „liberaler Begründer der Neuen Ära“ anzusehen ist. Beide Zuschreibungen erfuhr er durch die öffentliche Meinung. Es soll untersucht werden, warum der Kronprinz in der Revolutionszeit 1848/49 als „Kartätschenprinz“ in das öffentliche Bewusstsein einging. Interessieren soll in der Folge auch der erstaunliche Wandel dieser Wahrnehmung Wilhelms in der Öffentlichkeit. Bei der Übernahme der Regentschaft von seinem Bruder wird er als Vertreter des Liberalismus und der Thornwechsel als Beginn einer „Neuen Ära“ gefeiert.

Dazu soll die Persönlichkeit des späteren Deutschen Kaisers genauer untersucht werden. Zunächst sind dafür Erziehung und die prägenden Ereignisse aus Kindheit und Jugend von Bedeutung. Auch auf die Folgezeit bis zu seiner Heirat soll eingegangen werden. Anschließend wird das Augenmerk auf die Periode als Kronprinz ab 1840 gerichtet, wobei besonders das Verhältnis zu seinem Bruder König Friedrich Wilhelm IV. und dessen Regierung im Mittelpunkt stehen wird. Einen weiteren Schwerpunkt bildet die Untersuchung der Rolle Wilhelms in der revolutionären Zeit um 1848. Ferner ist die Analyse der Koblenzer Zeit, die Phase nach 1848 bis zur Übernahme der Regentschaft für die Gesamtproblematik entscheidend. Um letztendlich zu einem Urteil über den „Kartätschenprinzen“ oder Liberalen zu gelangen, gilt es in einem letzten Schritt den Zeitraum bis zum Heereskonflikt zu betrachten.

2. Wilhelm I. – „Kartätschenprinz“ oder Liberaler?

2.1 Thesen/ Quellen/ Literatur

Wie in der Einleitung bereits angedeutet wurde, unterlag das öffentliche Bild Wilhelms in der Zeit zwischen 1840 und 1862 erheblichen Schwankungen. Es wird zu zeigen sein, dass die Titulierung als „Kartätschenprinz“ auf der einen Seite und als liberaler Regent bzw. Begründer der „Neuen Ära“ auf der anderen nichts weiter waren als Zuschreibungen der Öffentlichkeit.

Es handelt sich in der veränderten Wahrnehmung unseres Protagonisten nicht um grundsätzliche Wandlungen seiner Persönlichkeit. Die konservativen politischen Auffassungen, sein Denken und Handeln hatten ihre Wurzeln in der Kindheit und Jugend. Sie waren dementsprechend stark verfestigt und nur geringfügigen Schwankungen unterworfen. Eine entscheidende Entwicklung Wilhelms ist in der Revolutionszeit von 1848/49 zu beobachten und soll ausführlich dargestellt werden, da vor allem hierin die Hauptgründe für die veränderte öffentliche Wahrnehmung liegen.

Die Betrachtungen gründen sich insbesondere auf die vorhandenen Primärquellen. Zumeist handelt es sich dabei um Briefe, Denkschriften und Reden. Da die Denkschriften und Reden für ein öffentliches Publikum verfasst wurden, kann davon ausgegangen werden, dass sie die politischen Vorstellen Wilhelms sehr genau wiedergeben. Die Briefe gewähren darüber hinaus Einblicke in private Probleme und in konkretere, nicht für die Öffentlichkeit bestimmte politische Fragen. Da es nicht möglich ist Dokumente in vollem Umfang wieder zugeben, werden wichtige Passagen ausgewählt und zitiert. In den Untersuchungen werden des Weiteren Fakten aus den Biografien von Herre und Börner einfließen, da der genaue Nachweis aller Einzelheiten anhand von Primärquellen in diesem Umfang nicht möglich wäre. Börner geht in seiner Biographie besonders auf das Verhältnis Wilhelms zu Bismarck ein, was für die folgenden Betrachtungen jedoch nicht von Bedeutung sein wird. Herre zeichnet in seiner sehr umfangreichen Biografie dagegen ein sehr umfassendes Bild des ersten deutschen Kaisers, welches auch die Jahre vor der eigentlichen Machtübernahme sehr genau beleuchtet.

2.2 Die Jugend des Prinzen Wilhelm

2.2.1 Kindheit und Erziehung

Am 22. März 1787 wird Friedrich Wilhelm Ludwig, kurz Wilhelm, geboren. Sein Vater ist Kronprinz Friedrich Wilhelm, der nur wenig später als König Friedrich Wilhelm III. den preußischen Thron besteigt, seine Mutter Luise von Mecklenburg-Strelitz. Als Zweitgeborenem denkt man dem jungen Wilhelm eine typisch preußische Militärlaufbahn an. Schon früh sagt die Mutter über ihren 2. Sohn, dass er wie der Vater werde: einfach, bieder und verständig. Diese Einschätzung sollte sich in jeder Hinsicht bestätigen. Wilhelm offenbart als Kind keine genialen Züge, er war sicher weniger begabt als sein älterer Bruder. Dafür zeigt er ganz im Gegensatz zu diesem ein reges Interesse an allen militärischen Dingen. Seinem Lehrer, Oldwig von Natzmer, wird Wilhelm später für seine Erziehung zu einem ordentlichen Soldaten danken.[1] Der Prinz besitzt in seinen jungen Jahren eine recht schwache Konstitution, was seiner Bestimmung nicht gerade förderlich erscheint, doch schon mit 6 Jahren zieht man ihm erste uniformähnliche Kostüme an, die eigens angefertigt werden müssen.

Die ersten unbeschwerten Jahre der Kindheit nehmen aber mit der Niederlage Preußens gegen das napoleonische Frankreich bei Jena und Auerstedt ein jähes Ende. Wilhelm ist gerade 9 Jahre alt. In einer überstürzten Flucht begibt sich die Familie nach Königsberg. Doch durch die weiter vorrückenden französischen Truppen fühlt man sich gezwungen sich bis in den nordöstlichsten Winkel der Monarchie, nach Memel, zurückzuziehen – auf den Schutz Zaren hoffend.[2]

Nach dem schmählichen Frieden von Tilsit kehrt die Königsfamilie nach Königsberg zurück. Hier wird die Ausbildung nach den Wünschen der Eltern wieder in geregelten Bahnen fortgesetzt. Delbrück, der als Erzieher der Prinzen fungiert, schreibt: „Wilhelm fand vollen Genuss an den militärischen Übungen.“[3] Der Philanthrop Delbrück wird aber bald als Ausbilder durch den 65jährigen Generalleutnant Dierecke ersetzt. Dieser Umstand soll die militärischen Aspekte der Ausbildung weiter betonen. Mit nur 10 Jahren tritt Wilhelm als Fähnrich und somit jüngster Soldat der Monarchie offiziell der Armee bei.

Der relativ frühzeitige Tod seiner Mutter im Jahr 1810 stellt ein weiteres bedeutsames Ereignis in Wilhelms Kindheit dar. Sie war schon auf der Flucht nach Memel an das Krankenbett fesselt. Die Zeitgenossen erzählten sich, die stolze preußische Königin hätte sich von der schmachvollen Niederlage gegen die Franzosen und der demütigenden Behandlung durch Napoleon nie vollständig erholt und wäre vor allem ihrem Kummer erlegen gewesen. Der junge Prinz verinnerlicht diesen Mythos aus einer kindlichen Naivität heraus und nährt zu nicht zuletzt aus diesem Ereignis seine lebenslangen Vorbehalte gegen Frankreich.

Der erneute politische Umschwung der politischen Großwetterlage in Europa soll dem jungen Wilhelm weitere wichtige Erfahrungen bescheren. Nach dem katastrophalen Ende des napoleonischen Russlandfeldzuges, als Preußen nach einigem Zögern auf Seiten der Russen und Österreicher in den Krieg gegen Napoleon eingreift, kann es Wilhelm kaum erwarten selbst an den Kampfhandlungen teilzunehmen, es ist dies sein größter Wunsch zum 16. Geburtstag. Erst nach der Völkerschlacht bei Leipzig darf sich der frisch ernannte Kapitän mit seinem Vater zum Stab des Hauptheeres begeben. Aus den Tagebüchern Wilhelms lässt sich rekonstruieren wie die Kriegserlebnisse auf ihn gewirkt haben. Wilhelm schreibt hier über seine Feuertaufe bei Bar-sur-Aube:

„Diese Attacke machten wir auf dem rechten Flügel des Regiments bis auf 60 Schritt im stärksten Kleingewehrfeuer mit, da ritt aber Thile dem König vor und bat ihn, zurückzureiten. Wir jagten ein Eckchen zurück, aber nicht außer dem Schuss, denn nun flogen die kleinen Kugeln uns immer zwischen und unter die Pferde. Dies war ein unbeschreiblich seliger Moment..., die ersten kleinen Kugeln gehört zu haben und so recht warm aus dem Laufe.“[4]

Die unlängst vorhandene Liebe für alles Militärische hatte sich – insofern dies noch möglich war – zu einer wahren Begeisterung gesteigert. Bei seinem Aufenthalt im besiegten Paris lernt er Nikolaus, den Bruder des russischen Zaren, kennen und schätzen. Die Erfahrungen aus der Zeit der Befreiungskriege sollen das Denken und Handeln des jungen Wilhelm auf lange Sicht beeinflussen. Er kehrt als Major aus dem Felde zurück, behangen mit dem Eisernen Kreuz und dem russischen Georgsorden. Er war beeindruckt von der preußisch-russischen Waffenbrüderschaft und geprägt vom Kampf gegen das revolutionäre Frankreich.

Um die Heilige Allianz von 1815 auch dynastisch zu bestärken, wird seine Schwester Charlotte im Juli 1817 Nikolaus heiraten. Wilhelm begleitet seine Schwester nach Russland, besucht St. Petersburg und Moskau. Der lange Aufenthalt in Russland wird seine Zuneigung zu dem Land und seinem Herrscher weiter festigen und vertiefen.

[...]


[1] Brief Wilhelms an Natzmer vom 7. Januar 1857. In: Berner, Ernst (Hg.): Kaiser Wilhelms des Großen Briefe, Reden und Schriften. 1797-1861. Berlin 1906. S. 405-406.

[2] Die Zustände in Memel waren einer königlichen Familie nicht angemessen. Der gesamte Hofstaat hatte darunter zu leiden. Näheres zum Aufenthalt in Memel siehe: Schuster, Georg (Hg.): Die Jugend des Königs Friedrich Wilhelm IV. von Preußen und des Kaisers Wilhelm I. Tagebuchblätter ihres Erziehers Friedrich Delbrück (1800-1809). Teil II (1806-1808). Berlin 1907. S. 89-440.

[3] Aussage Delbrücks. In: Schuster, Georg (Hg.): Die Jugend des Königs Friedrich Wilhelm IV. von Preußen und des Kaisers Wilhelm I. Tagebuchblätter ihres Erziehers Friedrich Delbrück (1800-1809). Teil III (1808-1809). Berlin 1907. S. 89.

[4] Tagebucheintrag Wilhelms vom 27. Februar 1814. In: Brandenburg, Erich (Hg.): Briefe Kaiser Wilhelms des Ersten. Nebst Denkschriften und anderen Aufzeichnungen in Auswahl. Leipzig 1911. S. 6-8, hier S. 7 f.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Wilhelm I. - „Kartätschenprinz“ oder Liberaler?
Hochschule
Universität Potsdam  (Historisches Institut)
Veranstaltung
Monarchen und Minister – Probleme historischer Biografien
Note
1,0
Autor
Jahr
2002
Seiten
24
Katalognummer
V78080
ISBN (eBook)
9783638835879
ISBN (Buch)
9783656520153
Dateigröße
490 KB
Sprache
Deutsch
Arbeit zitieren
Berno Bahro (Autor:in), 2002, Wilhelm I. - „Kartätschenprinz“ oder Liberaler?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/78080

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