1976 veröffentlichte Fritz W. SCHARPF in Zusammenarbeit mit Bernd REISSERT und Fritz SCHNABEL die Monographie „Politikverflechtung: Theorie und Empirie des kooperativen Föderalismus in der Bundesrepublik“, in der sie die Ergebnisse eines Forschungsprojekts präsentierten. Gegenstand des Forschungsprojekts war die Finanzierungs- und Planungsverbindung zwischen Bund und Ländern in der Bundesrepublik Deutschland in den 60er und 70er Jahren in Form der „Gemeinschaftsaufgaben“ nach Art. 91a GG (alt) und der „Investitionshilfen“ nach Art. 104 GG (alt). SCHARPF et al. haben mit ihren Untersuchungen einen direkten Zusammenhang der genannten Politikverflechtungsgebiete auf den politischen Prozess nachweisen können, der sich in einer Vielzahl von Problemen äußert. Im schlimmsten Fall konkretisieren sich diese festgefahrenen Strukturen in einer „Politikverflechtungsfalle“ in Form von nicht aufzulösenden Blockaden.
Seit der Veröffentlichung von SCHARPFs Werk sind mehr als 25 Jahre vergangen, die Möglichkeiten der Politikverflechtung sind in dieser Zeit vielseitiger geworden, unter anderem durch den Prozess der deutschen Wiedervereinigung und den der Europäisierung. Mit Einsetzen der „Gemeinsamen Kommission zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung“ am 16. und 17. Oktober 2003 sind die deutschen Probleme der Aufgabenverflechtung gezielt thematisiert worden.
Die vorliegende Arbeit widmet sich dieser Problematik, in dem sie untersucht, in wie weit die Gefahr einer Politikverflechtungsfalle in der Bundesrepublik Deutschland in Zeiten vor der Föderalismuskommission I bestand und in wie weit die strukturellen Gegebenheiten durch die Reform verbessert wurden. Ist Deutschland durch seinen kooperativen Föderalismus in der Politikverflechtungsfalle gefangen? Dies soll die zentrale Frage dieser Arbeit sein, die durch folgende Schritte eine Klärung erfährt:
In einem ersten Schritt werden die Gegebenheiten des deutschen Föderalismus mit seinen zahlreichen Vernetzungen, ausgehend von den historischen Grundlagen, vorgestellt. Im zweiten Schritt werden das theoretische Konzept der deutschen Politikverflechtung sowie das der Politikverflechtungsfalle nach SCHARPF et al. knapp umrissen und die Vor- und Nachteile für die Bundesrepublik zusammengefasst. In einem dritten Schritt werden die gesetzlichen und administrativen Gegebenheiten des Föderalismus in der Bundesrepublik Deutschland daraufhin untersucht, ob ein Lähmungspotenzial für den politischen Prozess gegeben ist.
Inhaltsverzeichnis
- 1. VORWORT
- 2. DER DEUTSCHE FÖDERALISMUS
- 2.1 Die Grundlagen der deutschen Politikverflechtung
- 2.2 Vertikale Politikverflechtung
- 2.3 Horizontale Politikverflechtung
- 2.4 Die Verflechtung der Parteien
- 2.5 Die Finanzverfassungsreform von 1969
- 3. DIE THEORIE DER POLITIKVERFLECHTUNG
- 3.1 Die Untersuchungen von 1976 und deren Ergebnisse
- 3.2 Das Lähmungspotenzial der Politikverflechtung
- 3.3 Die Politikverflechtungsfalle
- 3.4 Lösungsansätze und genereller Nutzen von Politikverflechtung
- 3.5 Aktuelle Probleme: Wiedervereinigung und Europäisierung
- 4. IST DIE BUNDESREPUBLIK IN DER POLITIKVERFLECHTUNGSFALLE GEFANGEN?
- 4.1 Ergebnisse der Föderalismuskommission I
- 4.2 Interpretation der Ergebnisse
- 4.3 Ausstehende Probleme: Länderneugliederung und Länderfinanzausgleich
- 5. ZUSAMMENFASSUNG
- LITERATUR
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit der Problematik der Politikverflechtung im deutschen Föderalismus, insbesondere im Kontext der Theorie von Fritz W. Scharpf. Sie analysiert, ob die Bundesrepublik Deutschland in der Politikverflechtungsfalle gefangen ist, und untersucht, inwiefern die Föderalismusreform I die strukturellen Gegebenheiten verbessert hat.
- Der deutsche kooperative Föderalismus und seine Verflechtungsstrukturen
- Die Theorie der Politikverflechtung nach Scharpf und das Lähmungspotenzial
- Die Auswirkungen der Wiedervereinigung und der Europäisierung auf die Politikverflechtung
- Die Ergebnisse der Föderalismuskommission I und deren Auswirkungen auf den deutschen Föderalismus
- Die Leistungspotenziale des deutschen kooperativen Föderalismus im Kontext der Politikverflechtungstheorie
Zusammenfassung der Kapitel
Kapitel 2 erläutert die Grundlagen des deutschen Föderalismus, wobei der Schwerpunkt auf der Verflechtung der Politikbereiche und der daraus resultierenden Strukturen liegt. Es wird ein Überblick über die vertikale und horizontale Politikverflechtung sowie die Verflechtung der Parteien gegeben. Zudem wird die Bedeutung der Finanzverfassungsreform von 1969 beleuchtet.
Kapitel 3 befasst sich mit der Theorie der Politikverflechtung nach Scharpf. Es werden die Untersuchungen von 1976 und deren Ergebnisse vorgestellt, die sich mit der Finanzierungs- und Planungsverbindung zwischen Bund und Ländern befassen. Die Gefahren des Lähmungspotenzials und die Politikverflechtungsfalle werden analysiert, und es werden Lösungsansätze und der generelle Nutzen von Politikverflechtung diskutiert. Die aktuellen Probleme im Kontext der Wiedervereinigung und der Europäisierung werden ebenfalls betrachtet.
Kapitel 4 untersucht, ob die Bundesrepublik Deutschland in der Politikverflechtungsfalle gefangen ist. Es werden die Ergebnisse der Föderalismuskommission I kritisch beleuchtet und die aktuellen Gegebenheiten des Länderfinanzausgleichs und des Solidarpakts II analysiert.
Schlüsselwörter
Kooperativer Föderalismus, Politikverflechtung, Politikverflechtungsfalle, Fritz W. Scharpf, Föderalismusreform, Länderfinanzausgleich, Solidarpakt, Wiedervereinigung, Europäisierung, Bundesstaat, Kompetenzverteilung, Vertikale und horizontale Politikverflechtung, Lähmungspotenzial.
- Arbeit zitieren
- Henry Mayer (Autor:in), 2007, Der kooperative Föderalismus der Bundesrepublik Deutschland und die Politikverflechtungsfalle nach Fritz W. Scharpf, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/78081