Das Nibelungenlied zwischen Schriftlichkeit und Mündlichkeit: Folgen für die Vorstellung von der Stoffgeschichte und Überlieferung des Nibelungenliedes


Seminar Paper, 2002

15 Pages, Grade: 2


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

1. Problematik der Nibelungenforschung in Bezug auf die Entstehungsgeschichte und die Überlieferung

2. Die Überlieferung des Nibelungenliedes
2.1 Die mündliche Überlieferung des Nibelungenliedes
2.2 Die schriftliche Überlieferung des Nibelungenliedes
2.2.1 Handschriften und Editionen
2.2.2 Ansätze zur Entstehung und Komposition des Nibelungenliedes

3. Fazit: Theorie einer „Nibelungen-Werkstatt“

Literaturverzeichnis

1. Problematik der Nibelungenforschung in Bezug auf die Entstehungsgeschichte und die Überlieferung

Obwohl nun seit mehr als 200 Jahren Forschung bezüglich der Nibelungen und des Nibelungenliedes betrieben wird, ist es bisher nicht gelungen, eindeutige Ergebnisse in Bezug auf die Autorfrage und Entstehungsgeschichte zu erzielen. Ältere und jüngere Forschung weichen teilweise stark voneinander ab. Den zentralen Forschungsgegenstand bilden zahlreiche Handschriften des Nibelungenliedes, welche allerdings bis heute nicht vollständig im Detail miteinander verglichen wurden. Das Interesse der Wissenschaftler konzentriert sich insbesondere auf die Frage nach dem Alter der Handschriften und somit auch auf die Frage, welche Handschrift dem Original am nächsten steht. Hierbei ist anzumerken, dass bisher nicht bewiesen werden konnte, ob tatsächlich ein schriftliches Original des Nibelungenliedes existierte.

Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, Ansätze, welche die Stoffgeschichte und die Überlieferung des Nibelungenliedes betreffen, herauszustellen, wobei sowohl die ältere als auch die jüngere aktuelle Forschung einbezogen wird.

2. Die Überlieferung des Nibelungenliedes

2.1 Die mündliche Überlieferung des Nibelungenliedes

Die Nibelungenüberlieferung war während des Mittelalters in Deutschland lebendig. Es gibt keinen Grund zur Vermutung, dass außer dem Nibelungenlied in nennenswertem Umfang schriftliche Nibelungendichtung existierte.[1] Man geht deshalb davon aus, dass die Überlieferung des Nibelungenliedes, dessen Wurzeln etwa in der Zeit der Völkerwanderung angesetzt werden können, bis zum Ende des 12. Jahrhunderts mündlich erfolgte. Die heutigen Vorstellungen der mündlichen Überlieferung mittelalterlicher Heldensagen wurden entscheidend durch die Beobachtungen der amerikanischen Homer-Forscher Milman Parry und Albert B. Lord beeinflusst. Die Kontinuität der Überlieferung wurde keineswegs dadurch gewährleistet, dass die Sänger die Lieder auswendig lernten. Stattdessen wurden die Lieder bei jedem Vortrag mit Hilfe eines Inventars von Formeln und formelhaften Wendungen sowie von schablonenhaften Handlungsschemata neu aufgebaut. Eine Folge davon war, dass es keine identischen Vortragsfassungen gab. Die einzelnen Fassungen wichen zum Teil beträchtlich voneinander ab.[2] Obwohl es zahlreiche Versuche gab, durch Analysen die Formelhaftigkeit und somit die Abhängigkeit der Dichtung von der mündlichen Tradition nachzuweisen, finden sich heute nur noch wenige Befürworter dieser „oral poetry“-Forschung.[3]

Die Tatsache, dass die Überlieferung des Nibelungenstoffes mündlich erfolgte und dass die ältesten historischen für das Nibelungenlied relevanten Ereignisse zur Zeit seiner schriftlichen Fixierung etwa 700 Jahre zurücklagen, veranlasste zahlreiche Forscher, historische Zusammenhänge zu ermitteln und somit Ansätze zur Klärung der Frage nach der Stoffgeschichte zu erstellen.

Andreas Heusler veröffentlichte im Jahr 1921 in seinem Werk „Nibelungensage und Nibelungenlied, die Stoffgeschichte des deutschen Heldenepos“ einen Stammbaum zur Vorgeschichte des Nibelungenliedes, der allgemeine Zustimmung errungen und fast kanonische Geltung gewonnen hat.[4] Bis zur ersten schriftlichen Fixierung des Nibelungenliedes im Jahr 1204[5] existierten Siegfried-Brünhild- und Burgundensage lange Zeit als getrennte Liedfabeln. Den Ausgang für die Dichtungszweige bildete je ein stabreimendes kurzes Lied von der Stilform der älteren Edda-Lieder. Auch der Inhalt ist im Wesentlichen der skandinavischen Dichtung zu entnehmen.

Abb. 1: Stemma zur Vorgeschichte des Nibelungenliedes[6]:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der Burgundenzweig erstreckt sich über zwei Stufen, bis er im Jahr 1160 nochmals durch einen österreichischen Spielmann bearbeitet wurde, der „die Fabel durch bedeutende Zutaten bereicherte und (...) in die eben von seinem Landsmann, dem Kürenberger, erfundene Strophenform umgoß“[7].

[...]


[1] vgl. Heinzle, S. 55

[2] vgl. Heinzle, S. 28

[3] ebd., S. 29

[4] vgl. Panzer, S. 58

[5] Über die exakte Jahreszahl ist sich die Forschung nicht einig. Bei Müller lautet die Datierung „kurz vor 1200“, vgl. Müller, S. 41

[6] nach einer Skizze von Andreas Heusler, vgl. Heusler, S. 49

[7] Panzer, S. 58

Excerpt out of 15 pages

Details

Title
Das Nibelungenlied zwischen Schriftlichkeit und Mündlichkeit: Folgen für die Vorstellung von der Stoffgeschichte und Überlieferung des Nibelungenliedes
College
Catholic University Eichstätt-Ingolstadt
Grade
2
Author
Year
2002
Pages
15
Catalog Number
V78127
ISBN (eBook)
9783638836272
ISBN (Book)
9783638836296
File size
414 KB
Language
German
Keywords
Nibelungenlied, Schriftlichkeit, Mündlichkeit, Folgen, Vorstellung, Stoffgeschichte, Nibelungenliedes, Mittelhochdeutsch, Mediävistik, ÄDL, Literaturwissenschaft
Quote paper
Wolfgang Kulzer (Author), 2002, Das Nibelungenlied zwischen Schriftlichkeit und Mündlichkeit: Folgen für die Vorstellung von der Stoffgeschichte und Überlieferung des Nibelungenliedes, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/78127

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