Der 15. März 1991 stellt in der jüngsten Geschichte Deutschlands eine Zäsur dar, deren tiefere Bedeutung einem Großteil der deutschen Öffentlichkeit wohl noch nicht in ihrer ganzen Tragweite zum Bewusstsein gekommen ist. Durch das In-Kraft-Treten des "Zwei-plus-Vier"-Vertrags ist Deutschland erstmals nach mehr als siebzig Jahren wieder ein souveräner und völkerrechtlich vollständig handlungsfähiger Staat mit allen Rechten und Pflichten innerhalb der internationalen Staatengemeinschaft. Diese Tatsache muss zwangsläufig zu einem veränderten Blick auf außenpolitische Bedrohungen führen, da von Deutschland nun (abgesehen vom "worst case" in den Zeiten des Kalten Krieges) auch in lokal begrenzten, weltweiten Konflikten eine aktive militärische Teilnahme erwartet wird. Nirgendwo spiegelt sich diese neue Sichtweise sowie die Hoffnungen und Befürchtungen der Öffentlichkeit deutlicher wider als in den Medien. Innerhalb dieses öffentlichen Diskurses nimmt die gedruckte Zeitung trotz aller Technisierung auf diesem Gebiet auch im 21. Jahrhundert noch eine Position von herausragender Bedeutung ein. Es bietet sich deshalb an, den Blick zurück zu richten auf die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg und zu untersuchen, wie sich eine außenpolitische Krise im Zeitalter des souveränen Deutschen Kaiserreiches in einem typischen Blatt der wilhelminischen Presse darstellte.
Wie kaum ein anderes Menetekel ist die 2. Marokkokrise dazu geeignet, die national aufgewühlte Stimmung im Kaiserreich angesichts der drohenden Kriegsgefahr in Europa und der Welt einzufangen, so dass der äußere Anlass dieser Untersuchung schnell zu bestimmen war. Schwieriger verhält es sich mit der Auswahl einer "typischen" Zeitung, denn die deutsche Presse konnte trotz ihrer frühen Anfänge im 17. Jahrhundert zum Zeitpunkt der genannten Krise im Jahr 1911 erst auf eine relativ kurze Geschichte zurückblicken. Weitgehend unbestritten ist es in der Presseforschung nämlich, "den Zeitraum um 1848 als die entscheidende Zäsur für das Entstehen des modernen Zeitungswesens anzuerkennen".1 Deshalb sollen im ersten Teil dieser Arbeit, nach einem kurzen Überblick über die Anfänge des Pressewesens, die wichtigsten Stationen der etwas mehr als sechzig Jahre beleuchtet werden, die zwischen der Märzrevolution und dem bekannten "Panthersprung" nach Agadir liegen.
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Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Die Entwicklung der Zeitungspresse bis in die Kaiserzeit
- 2.1 Von den Anfängen bis zur Märzrevolution
- 2.2 Die Neuorganisation der Presse.
- 2.3 Der lange Weg zur Pressefreiheit.
- 3. Die Presse in der Ära des Wilhelminismus
- 3.1 Massenpresse und Informationsfluss
- 3.2 Die meinungsbildenden Zeitungen.
- 3.3 Die Einflussnahmemöglichkeiten der Regierung am Beispiel der Marokkofrage....
- 4. Die 2. Marokkokrise im Spiegel des „Fränkischen Kuriers“
- 4.1 Der,,Fränkische Kurier\": Ein liberales Lokalblatt.
- 4.2 Der,,Fränkische Kurier“ und die Regierungslinie während der 2. Marokkokrise.
- 4.3 Die 2. Marokkokrise in der Darstellung des „Fränkischen Kuriers“
- 4.3.1 Die Rechtfertigung des Handelns.
- 4.3.2 Die Frage der Verantwortlichkeit.
- 4.3.3 Die,,flankierenden“ Informationen...
- 4.3.4 Die Einbeziehung der gegnerischen Öffentlichkeit.
- 5. Fazit.....
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Zulassungsarbeit befasst sich mit der Darstellung der 2. Marokkokrise in der deutschen Presse während der Kaiserzeit. Sie analysiert die Rolle der Presse als Medium für die Meinungsbildung und die Kommunikation politischer Positionen im Kontext einer außenpolitischen Krise. Die Arbeit untersucht die Entwicklung des deutschen Zeitungswesens bis in die Kaiserzeit, die Rolle der Massenpresse und der Einflussnahme der Regierung auf die Medienlandschaft.
- Entwicklung des deutschen Zeitungswesens von den Anfängen bis in die Kaiserzeit
- Rolle der Massenpresse und der Meinungsbildung im Wilhelminismus
- Einflussnahme der Regierung auf die Presse und die Darstellung der Marokkokrise
- Die 2. Marokkokrise im Spiegel des „Fränkischen Kuriers“ als Beispiel eines bürgerlich-liberalen Lokalblattes
- Analyse der journalistischen Strategien zur Meinungsbildung und der Spannungsfelder zwischen politischer und wirtschaftlicher Ausrichtung
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema ein und beleuchtet die Bedeutung der Presse als Spiegelbild politischer Ereignisse. Sie erläutert die Relevanz der 2. Marokkokrise für die deutsche Öffentlichkeit im Kontext des Wilhelminismus und stellt die Auswahl des „Fränkischen Kuriers“ als typisches Blatt der wilhelminischen Presse vor.
Das zweite Kapitel beleuchtet die Entwicklung der Zeitungspresse in Deutschland von ihren Anfängen bis zur Kaiserzeit. Es beschreibt die Entstehung der politischen Zeitung im Kontext der Konstituierung von Parteien und deren Emanzipation von der staatlichen Bevormundung. Weiterhin wird die Entwicklung der Massenpresse im Kontext technischer und gesellschaftlicher Veränderungen beleuchtet. Abschließend wird die veränderte staatliche Einflussnahme auf die Presse nach dem Wegfall der Zensur durch das Reichspressegesetz von 1874 betrachtet.
Das dritte Kapitel untersucht die Presse in der Ära des Wilhelminismus. Es behandelt die Entstehung der Massenpresse und die Bedeutung des Informationsflusses in dieser Epoche. Des Weiteren wird die Rolle der meinungsbildenden Zeitungen beleuchtet und die Einflussnahmemöglichkeiten der Regierung am Beispiel der Marokko-Frage untersucht.
Das vierte Kapitel befasst sich mit der Darstellung der 2. Marokkokrise im „Fränkischen Kurier“, einem bürgerlich-liberalen Lokalblatt. Es untersucht die politische Ausrichtung des Blattes, die Berichterstattung über die Krise im Verhältnis zur Regierungspresse, die Rechtfertigung des deutschen Vorgehens und die Zuweisung der Verantwortung. Zusätzlich werden die strategischen Mittel analysiert, mit denen das Blatt versuchte, seine Meinung zu verbreiten.
Schlüsselwörter
Die Arbeit konzentriert sich auf die Themen der deutschen Presse in der Kaiserzeit, die 2. Marokkokrise, die Darstellung von außenpolitischen Krisen in der Zeitungspresse, die Rolle der Massenpresse, die Einflussnahme der Regierung auf die Medien und die journalistischen Strategien zur Meinungsbildung. Die Arbeit analysiert den "Fränkischen Kurier" als Beispiel eines bürgerlich-liberalen Lokalblattes und untersucht die Spannungsfelder zwischen politischer und wirtschaftlicher Ausrichtung in der Presse.
- Quote paper
- Eckhard Gärtner (Author), 2002, Die deutsche Presse in der Kaiserzeit: Die 2. Marokkokrise im Spiegel des Fränkischen Kuriers, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/7816