Eine Reflexion über Kants Distinktion des Konstitutivs und Regulativs


Term Paper, 2007

21 Pages, Grade: 2,0


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Destination des Verstandes als >> konstitutiv <<
2.1. Inbegriff von Regeln und Grundsätzen
2.2. Konstitution von Erkenntnis und Erfahrung

3. Destination der reinen Vernunft als >> regulativ <<
3.1. Transzendentale Ideen
3.2. Collective Einheit aller möglichen Erfahrung

4. Telos der Determination von Verstand und Vernunft

5. Fazit

6. Bibliographie

7. Eigenständigkeitserklärung

1. Einleitung

Kants Transzendentalphilosophie, welche den Kern der Analyse in der Kritik der reinen Vernunft bildet, fand zunächst nur mäßig Beachtung. Auf Grund der ‚Dunkelheit’, welche das Verständnis des Inhaltes der Kritik der reinen Vernunft erschwerte, veröffentlichte er 1783 die Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können zur Erläuterung und Erhellung.

Ausgehend vom Rationalismus und Empirismus, erörterte Kant in seiner Transzendental- philosophie die Bedingungen der Möglichkeit der Erkenntnis überhaupt. Kant konstatiert, dass die Bedingungen der Möglichkeit von Erkenntnis im Verstand, welcher der Vernunft untergeordnet ist, liegen. Durch diese vorgenommene Vernunftkritik, wird das denkende Subjekt Begründer der Welt. Das bedeutet, dass Erkenntnis nicht länger vom Objekt abhängt, sondern, dass Erkenntnis von den Bedingungen des Subjektes ausgeht. Ergo die Bedingungen der Möglichkeit von Erkenntnis nicht im Objekt, sondern im Subjekt selbst liegen.

„Es ist hiemit eben so, als mit den ersten Gedanken des Copernicus bewandt, der, nachdem es mit der Erklärung der Himmelsbewegung nicht gut fort wollte, wenn er annahm, das ganze Sternenheer drehe sich um den Zuschauer, versuchte, ob es nicht besser gelingen möchte, wenn er den Zuschauer sich drehen und dagegen die Sterne in Ruhe ließ. In der Metaphysik kann man nun, was die Anschauung der Gegenstände betrifft, es auf ähnliche Weise versuchen.“[1]

Diese >> kopernikanische Wende <<, als Revolution der Denkungsart, bezieht sich auf das Bewusstsein des Subjekts, welches präskriptiv auf das empirisch Gegebene wirkt. Dies bedeutet:

„Der Verstand schöpft seine Gesetze (a priori) nicht aus der Natur, sondern schreibt sie dieser vor.“[2]

Anhand dieser Betrachtungsweise möchte ich im Folgenden auf die Destination des gegenstandskonstitutiven Denkens, d.i. der reine Verstand[3], und die damit einhergehende regulative Funktion der reinen Vernunft. Es soll dargelegt werden, was Kant unter reinem Verstand und reiner Vernunft versteht, sowie im welchem Konnex diese in Bezug auf Erkenntnisse stehen. Dabei soll geklärt werden, weshalb man zwischen der konstitutiven und regulativen Funktion des reinen Verstandes bzw. der reinen Vernunft zu unterscheiden hat. Darüber hinaus welches Telos diese Distinktion, aber auch Verknüpfung derselben, für Kant beinhaltet.[4]

2. Destination des Verstandes als >> konstitutiv <<

In Kants kritischer Analyse der reinen Vernunft, werden die Bedingungen der Möglichkeit objektiver allgemeingültiger Erkenntnis examiniert. D.h. es soll untersucht werden, welches die Fundamente für objektive Erkenntnis bzw. Wissen sind. In der Auflösung der diskutierten Frage wird klar, dass wir sicheres, objektives Wissen bzw. Erkenntnis nur qua a priori gegebenen Formen der sinnlichen Anschauung und der Verstandeserkenntnisse erlangen können. Ein wichtiger Anhaltspunkt für objektive Erkenntnis bildet dabei das Urteil a priori, welches in seiner Einteilung in analytische und synthetische Urteile eine wichtige Rolle für die Untersuchung des menschlichen Verstandes bildet. Für Kant ist es eindeutig, dass wir mittels analytischer Urteile a priori[5] bloß den Inhalt des Urteils verdeutlichen können, da das Prädikat bereits im Subjektbegriff enthalten ist. Dadurch erhalten wir jedoch keine Erkenntnis über den Inhalt hinaus, d.h. keine Erweiterung der Erkenntnis. Eine Erkenntniserweiterung, welche notwendig und allgemeingültig sein soll, muss jedoch ebenfalls dem reinen Verstand und der reinen Vernunft entspringen. Solche Erkenntniserweiterungen stellen für Kant die synthetischen Urteile a priori dar. Die Bedingungen der Möglichkeit von Erkenntnis beinhaltet also die Frage nach der Möglichkeit synthetischer Urteile a priori. D.h. dass mit Erkenntnis immer synthetische Erkenntnis gemeint ist. Um erfahrungsunabhängige Aussagen möglich zu machen, welche allgemeingültig und notwendig sind, dienen für ihn als Ausgangspunkt reine Mathematik und reine Naturwissenschaft, welche in reiner Vernunft gründen. Um aus reiner Mathematik und reiner Naturwissenschaft Erkenntnisse zu erlangen, welche objektiv gültig sind, müssen sie synthetische Urteile a priori enthalten.

Im folgenden Kapitel möchte ich auf die entsprechenden Regeln und Grundsätze des reinen Verstandes zu sprechen kommen, um die Möglichkeit synthetischer Urteile a priori in der reinen Mathematik, sowie in der reinen Naturwissenschaft aufzuweisen. Dabei soll anschließend verdeutlicht werden, dass Erkenntnis nach Kant immer nur qua Synthese von Anschauung und Denken zustande kommt, sowie Erfahrung qua synthetischer Verknüpfung von unter Verstandesbegriffen subsumierten Erscheinungen in einem Bewusstsein. Darüber hinaus soll abschließend in dem Kapitel herausgestellt werden, weshalb die Leistung des Verstandes als >> konstitutiv << für Erkenntnisse zu bezeichnen ist.

2.1. Inbegriff von Regeln und Grundsätzen

Kants Hauptfragen zur Möglichkeit einer Metaphysik als Wissenschaft führt an den Hauptgebieten der reinen Mathematik und reinen Naturwissenschaft vorbei, um aus ihnen die Begründung einer Möglichkeit synthetischer Urteile a priori und somit die Möglichkeit von Metaphysik als Wissenschaft darzulegen. D.h. vorerst erörtert er die Aufgaben des reinen Verstandes, welcher uns Erkenntnis der Dinge als Erscheinungen allererst ermöglicht.

Der reine Verstand, welcher den Ausgangspunkt für die Bedingungen der Möglichkeit von Erkenntnis darstellt, beinhaltet verschiedene Momente, i.S.v. Formen, Regeln, Begriffen und Grundsätzen. Diese Momente sollen in Kürze aufgezeigt werden, um folgend die darin enthaltenen konstitutiven Funktionen des reinen Verstandes aufzuzeigen.

In der reinen Mathematik sind synthetische Urteile a priori dadurch möglich, dass konkreten Begriffen nicht notwendig ein konkretes Prädikat zukommt. D.h. dass die Erkenntnis nicht aus den Begriffen selbst stammt, sondern qua Konstruktion der Begriffe und hinzutretender Anschauung eine Erkenntnis – durch Synthese – erlangt wird. Um aber eine Erkenntnis mit objektiver Gültigkeit zu erhalten, muss auch die Anschauung apriorischen Charakter besitzen. Reine Anschauung kann also nur möglich sein, wenn sie nichts Empirisches enthält. Dies kann nach Kant nur durch die Form der Sinnlichkeit von Anschauung geschehen, wodurch wir in Unabhängigkeit vom Gegenstand unsere Erkenntnis erweitern. Die Form mit welcher wir die Dinge a priori anschauen, ist durch Raum und Zeit vorgegeben. Raum und Zeit sind also keine Gegenstände der Erkenntnis, sondern ermöglichen diese erst:

„Reine Mathematik ist, als synthetische Erkenntnis a priori, nur dadurch möglich, daß sie auf keine andere als bloße Gegenstände der Sinne geht, deren empirischer Anschauung eine reine Anschauung ( des Raumes und der Zeit ) und zwar a priori zum Grunde liegt, und darum zum Grunde liegen kann, weil diese nichts anders als die bloße Form der Sinnlichkeit ist, welche vor der wirklichen Erscheinung der Gegenstände vorhergeht, indem sie dieselbe in der Tat allererst möglich macht.“[6]

Kant betont, dass wir die Dinge zwar qua Raum und Zeit anschauen können, aber nur so wie sie den Sinnen erscheinen können und nicht als Dinge an sich. Aber auch Raum und Zeit, als reine Anschauungsformen, sind nicht den Dingen an sich zuzuordnen, sondern dienen nur zur Bestimmung des Verhältnisses der Dinge untereinander und unserer Wahrnehmung bezüglich der Dinge. Durch diesen Nachweis, wie sich die Begriffe a priori auf Gegenstände beziehen können, d.i. transzendentale Deduktion, wird ebenso dargelegt, dass eben die Begriffe wie Raum und Zeit die Bedingungen der Möglichkeit objektiver Erkenntnis darstellen. Wodurch ebenso die Möglichkeit reiner Mathematik gegeben ist. Kurz zusammengefasst ist zu sagen, dass Raum und Zeit Konstituenten von möglicher Erfahrung bzw. Erkenntnis sind und gehen somit jeder empirischen Anschauung voraus. D.h. Raum und Zeit stellen bloß die Form dar, in welcher äußere Gegenstände wahrgenommen werden können.

In der reinen Naturwissenschaft ist es ebenso von Zweck ihre objektive Gültigkeit mittels des Nachweises der Möglichkeit synthetischer Urteile a priori zu erbringen. Dabei erörtert Kant, ob es überhaupt reine Naturwissenschaft gibt, sowie welchen Gegenstand sie beinhaltet und wie allgemeingültige Gesetze in der Naturwissenschaft möglich sind. In § 15 hält Kant fest, dass es reine Naturwissenschaft gibt, welche

„ a priori und mit aller derjenigen Notwendigkeit, welche zu apodiktischen Sätzen erforderlich ist, Gesetze vorträgt, unter denen die Natur steht.“[7]

Wobei für Kant Natur materialiter den Inbegriff für alle Gegenstände der Erfahrung darstellt[8], sowie das Dasein der Dinge, welches nach allgemeinen Gesetzen bestimmt ist, verkörpert.[9] Das heißt, dass Natur als Gesetzmäßigkeit die Erscheinungen der Dinge, nicht die Dinge an sich, bestimmt. In der allgemeinen Naturwissenschaft, welche reine Naturwissenschaft beinhaltet, sind aber auch erfahrungsabhängige Begriffe wie Materie enthalten. Kant betont, dass von diesen Begriffen für eine allgemeingültige, notwendige Erkenntnis der Dinge Abstand zu nehmen ist, und er sich in seiner Erörterung nur auf die a priori gültigen allgemeinen Naturgesetze, d.i. reine Naturwissenschaft, konzentriert. Aus den Auffassungen Kants, was Natur exponiert und beinhaltet – d.h. dass sie die Gesamtheit aller Erfahrungsgegenstände darstellt, die Gesetzmäßigkeit der Dinge als Erscheinungen, sowie die Gesetzmäßigkeit der Erfahrungsgegenstände bestimmt – , wird die Frage nach der Möglichkeit der Erkenntnis a priori der notwendigen Gesetzmäßigkeit der Dinge als Gegenstände der Erfahrung aufgeworfen. D.h. es soll geklärt werden, welches die Bedingungen der Erkenntnis der Dinge als Gegenstände der Erfahrung sind, bzw. wie Erfahrung möglich ist, um Erkenntnisse über die Natur als Gegenstand der Erfahrung zu erhalten. Diese Bedingungen liegen nach Kant im reinen Verstand, womit antizipativ festgehalten werden kann, dass auch diese den konstitutiven Leistungen des reinen Verstandes zugeteilt werden können. Um die a priori- Bedingungen der Möglichkeit von Erfahrung zu bestimmen, muss der Aufnahme der Erscheinungen der Dinge als Wahrnehmungen der Sinnlichkeit nachgegangen werden. Erfahrung wird nach Kant jedoch erst dann objektiv und allgemeingültig, wenn die logisch verknüpften Wahrnehmungen der Erscheinungen der Dinge, welche in der Erfahrung enthalten sind, unter a priori-Begriffen des reinen Verstandes subsumiert werden können.[10] Somit ist zu konstatieren, dass Erfahrungsurteilen ein anschaulicher Teil (Wahrnehmungen durch Sinnlichkeit), sowie ein verstandesmäßiger Teil zuzuordnen ist, bzw. Erfahrung aus Wahrnehmungen und Urteilen besteht. Wobei die Urteile eine Verstandesleistung sind, welche dann notwendig und allgemeingültig sind, wenn diese Urteile zusätzlich unter Verstandesbegriffen[11] subsumiert werden. Zu diesem Zweck erstellte Kant die Tafeln[12], in welchen die Momente des reinen Verstandes festgehalten werden und der Inhalt der Tafeln klärt

[...]


[1] Kant, I.: Kritik der reinen Vernunft. S. 33 (Hervorh. i. Orig.)

[2] Kant, I.: Prolegomena. S. 88 § 36

[3] Dazu werde ich Bezug auf reine Mathematik und reine Naturwissenschaft nehmen, wobei „rein“ ein Synonym für Unabhängigkeit von Erfahrung darstellt, wodurch der Nachweis erbracht werden soll, objektives Wissen bzw. Erkenntnis ohne den empirischen, subjektiven Einfluss zu erhalten. D.h. aus dem reinem Verstande entspringend.

[4] Für die Erarbeitung der Hausarbeit habe ich mich bewusst nur auf die Hauptquellen (Prolegomena und KrV) konzentriert

[5] D.h. durch Begriffszerlegung, ohne Erfahrung, analytische Urteile zu bilden, welche notwendig sind und nach

dem Satz des Widerspruchs eingesehen werden können.

[6] Kant, I.: Prolegomena. S. 41 § 11

[7] Ebd. S. 56 § 15

[8] Ebd. S. 57 § 16

[9] Ebd. S. 55 § 14

[10] Kant unterscheidet subjektiv gültige empirische Urteile (Wahrnehmungsurteil) und objektive gültige emp. Urteile (Erfahrungsurteil). Wobei subjektiv gültige emp. Urteile eine Verknüpfung von Wahrnehmungen sind und objektiv gültige emp. Urteile eine Verknüpfung von Wahrnehmungen bedeutet, welche unter Verstandesbegriffen subsumiert wird und somit zu Erfahrung wird.

[11] Der Verstandesbegriff, welcher a priori gegeben ist, bestimmt auf welche Art und Weise eine gegebene Erscheinung bzw. Wahrnehmung in einem Urteil verwendet wird.

[12] Die logische Tafel der Urteile, die transzendentale Tafel der Verstandesbegriffe (Kategorien), die physiologische Tafel der allgemeinen Grundsätze der Naturwissenschaft

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Details

Title
Eine Reflexion über Kants Distinktion des Konstitutivs und Regulativs
College
Johannes Gutenberg University Mainz
Grade
2,0
Author
Year
2007
Pages
21
Catalog Number
V78438
ISBN (eBook)
9783638839532
File size
468 KB
Language
German
Keywords
Eine, Reflexion, Kants, Distinktion, Konstitutivs, Regulativs
Quote paper
Stefanie Barth (Author), 2007, Eine Reflexion über Kants Distinktion des Konstitutivs und Regulativs, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/78438

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