Strukturanalyse des Liebesmotives bei Erec und Enite im "Erec" Hartmanns von Aue


Seminararbeit, 2007

19 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Höfische Liebe – die Minne
2.1 Die Liebe zwischen Erec und Enite: Entstehung
2.2 Die Liebe zwischen Erec und Enite: Das verligen
2.3 Die Liebe zwischen Erec und Enite: die Ausfahrt

3. Zusammenfassung: Die Struktur des Liebesmotives

4. Anmerkungen zum Schluß

5. Literaturverzeichnis

6. Eidesstattliche Erklärung

1. Einleitung

Erec und Enite sind ein Paar aus der höfischen Literatur, das den klassischen aventiure-Weg beschreitet. Als sie sich kennen lernen, wird Enite vom ihrem Vater Karolus dem Erec mit einer Rüstung, praktisch als Dreingabe, übergeben. Von Liebe in dem Sinn und von einer Liebesheirat im heutigen Sinn kann also keine Rede sein. Wie im Mittelalter üblich, wurde diese Ehe arrangiert, wenn auch aus anderen Gründen als üblich.

Hier stand weder der wirtschaftliche, noch der heiratspolitische Gedanke im Vordergrund, sondern der Rachegedanke. Erec war nämlich unterwegs, um erlittene Schmach aus einer Züchtigung zu rächen und gedachte dies bei einem Sperberkampf zu tun. Da ihm aber die Rüstung fehlte, sprach er seinen Wirt um dessen Rüstung an, und da es bei diesem Kampf vordergründig um einen Wettbewerb um die Schönheit der Frau handelte, musste Erec auch eine Frau mitnehmen. So kam Erec in den Besitz der Rüstung und Enites.

Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Entstehung und dem Verlauf der Liebe zwischen den beiden. einerseits und den verschiedenen Ausprägungen der Liebe andererseits. Die einzelnen Stadien der Liebe werden voneinander abgegrenzt und in Relation zueinander gesetzt. Hierbei werde ich zeigen, dass die Struktur des Motivs Liebe als kausale, in sich stringente Linie zu sehen ist, welche einerseits dem finalen Erzählstil geschuldet ist, aber auch durchaus die Möglichkeiten eines Scheiterns der Liebe zulässt.

Der Begriff der Ehe ist in diesem Zusammenhang nicht in der heutigen Bedeutung zu sehen, die Ehe wird zwar als Rechtfertigung für die ehelichen Zärtlichkeiten gesehen, aber immer nur begrenzt durch die ritterlichen Tugenden. Das mittelalterliche Tugendsystem hat hierbei grundsätzliche Gültigkeit, da es die kulturellen und soziologischen Strukturen vorgibt.

Unterschieden werden auch die verschiedenen Wertungen der Liebe welche im mittelalterlichen Wortlaut alle nur unzureichend differenziert werden. Die Interpretation der einzelnen Passagen beginnt damit mit dem Versuch der Übersetzung der zentralen mittelalterlichen Begriffe ins heute verständliche Deutsch.

2. Höfische Liebe – die Minne

Der Begriff der Minne ist für heutige Leser nicht leicht zu fassen. Er kann nicht einfach mit „Liebe“ übersetzt werden, da sich die historische Semantik verschoben hat. Während die heutige Generation unter „Liebe“ ein Gefühl versteht, welches das ganze Leben beeinflussen kann und als Entscheidungsgrund fungiert, war die Liebe im heutigen Sinne im Mittelalter eine schöne Beigabe, aber hatte nicht den Status, den sie heute oftmals in der westlichen Kultur hat. Erst seit der Frühen Neuzeit werden Ehen in Europa als Liebe und nicht als Zweckehen geschlossen[1]. Insofern muss der heutige Leser eines mittelalterlichen Artusromans, uns als solcher ist der Erec Hartmanns von Aue zu verstehen, den Liebesbegriff des Mittelalters beachten. Im Mittelhochdeutschen Wörterbuch wird der Begriff der minne sehr weit gefasst als „freundliches gedenken, erinnerung, […] religiöse liebe,[…] elternliebe, freundschaft, liebe, zuneigung, wohlwollen, […] gütliche beilegung, die geschlechtliche, sinnliche liebe […]“[2]

In der Höfischen Epik werden speziell zwei Formen von minne unterschieden: Zum einen die hohe Minne oder höfische Liebe, welche als Charakterisierung und als gemeinsames Kennzeichen aller Erscheinungsformen die „Einbettung in den höfischen Gesellschaftsentwurf“ voraussetzt.[3] Die interessante Konstruktion der Minnebeziehung, dass nämlich die Frau als Herrin erscheint und der Mann als Diener „verkehrt das Verhältnis der Geschlechter […] ins Gegenteil.“[4]

Im Gegensatz zur hohen Minne dient die niedere Minne der Befriedigung von individuellen Gelüsten und bewegt sich damit außerhalb der höfischen Gesellschaft. Wenn die Kennzeichen der höfischen Liebe und hohen Minne „Rationalisierung der Liebe, Kontrolle der Affekte, Sublimierung der Triebhaftigkeit“[5] waren, dann waren die Empfindsame, also nur dem Gefühl und nicht dem Verstand unterworfene Liebe, die Affektionalität der Handlungen und die Auslebung der Triebhaftigkeit die Kennzeichen der niederen Minne.

2.1 Die Liebe zwischen Erec und Enite: Entstehung

Die Liebe zwischen Erec und Enite entwickelt sich analog zur Entwicklung Erecs hin zum tugendhaften Ritter. Als er in Tulmein ankam bei der Verfolgung des Zwerges, der ihn geschlagen hatte (vgl. V95-98)[6], war er habelôs (V.238) , unerkant (V.245) und wîselos (V.250) . Als solcher findet er Herberge bei einem alten Mann namens Karolus. Dessen Tochter Enite wird vom Erzähler von Anfang an als diu was ein diu schoeniste maget von der uns ie wart gesagt (V. 310) beschrieben. Ihr Vater beauftragt sie mit der Versorgung des Pferdes Erec und sie gehorcht sofort, wie es sich für eine gute Tochter gehört. Auch wenn der Erzähler ihren Körper hier bereits ausführlich schildert als lîp war lobelich (V.323) und sie mit einem Schwan vergleicht: wîz alsam ein swan (V.330) schenkt Erec ihr keine weitere Beachtung. Der Erzähler beschreibt zweimal die zerrissene Kleidung Enites:

der roc was grüener varwe,
gezerret begarwe,
abehaere über al.
Dar unter was îr hemde sal
und ouch zebrochen eteswâ (V. 324-328)
Und kurz darauf:
ir lîp schein durch ir salwe wât
alsam diu lilje, dâ si stât
under swarzen dornen wîz. (V. 336-338)

Die ausgeprägte Finalität des Artusromas scheint hier bereits durch: Das Aschenputtelmotiv verweist auf das Ende des Romans und dessen märchenhaften Ausgang.

Von Liebe ist allerdings noch keine Rede, die einzige Regung Erecs besteht darin, dass er moute îr ungemach (V.342). Nachdem Erec die Möglichkeit[7] sieht, Rache zu nehmen für den Peitschenhieb, indem er den Sperberkampf gewinnt, erklärt er Karolus den Grund für seine Reise und bittet ihn um Beistand:

[...]


[1] Eine ausführliche Darstellung der historischen Hintergründe findet sich bei Wiegand, Ernst: Studien zu Minne und Ehe in Wolframs Parzival und Hartmanns Artusepik (Quellen und Forschungen zur Sprach- und Kulturgeschichte der germanischen Völker. Neue Folge 49) deGruyter: Berlin, New York 1972. S. 14ff.

[2] Lexer, Matthias: Art: minne In: Ders: Mittelhochdeutschers Wörterbuch. Mit Nachträgen von Ulrich Pretzel. 38. unver. Auflage. S. Hirzel: Stuttgart 1992. S. 140.

[3] Bumke, Joachim: Höfische Kultur. Literatur und Gesellschaft im hohen Mittelalter. Band 2. 4.Auflage. Deutscher Taschenbuch Verlag: München 1986. S.505.

[4] Bumke. Höfische Kultur. S. 453.

[5] Bumke. Höfische Kultur. S. 520.

[6] Der Einfachheit halber gebe ich die Verweise und Zitate des Primärtextes direkt danach in Klammern an. Alle so gekennzeichneten Stellen beziehen sich auf: Hartmann von Aue: Erec. Mittelhochdeutscher Text und Übertragung von Thomas Cramer. Fischer: Frankfurt a. M. 1972.

[7] Herbert Wiegand kommt in seinen „Studien zur Minne und Ehe“ zu dem Schluss, dass das Eheangebot nicht der Begeisterung über die Schönheit Enites oder dem Willen, der verarmten Grafenfamilie zu helfen entspringt, sondern Mittel zum Zweck ist, seine verlorene Ehre wieder her zu stellen.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Strukturanalyse des Liebesmotives bei Erec und Enite im "Erec" Hartmanns von Aue
Hochschule
Universität Mannheim
Veranstaltung
Erec
Note
2,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
19
Katalognummer
V78535
ISBN (eBook)
9783638849920
ISBN (Buch)
9783638849289
Dateigröße
445 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Strukturanalyse, Liebesmotives, Erec, Enite, Erec, Hartmanns, Erec, Hartmann von Aue, Liebe, Artusroman, MIttelalter, Minne
Arbeit zitieren
Sandra Schwab (Autor:in), 2007, Strukturanalyse des Liebesmotives bei Erec und Enite im "Erec" Hartmanns von Aue, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/78535

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