Wissensmanagementgestützte Unternehmensberatung für kleine Unternehmen


Diploma Thesis, 2007

94 Pages, Grade: 2,0


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Motivation, Arbeitshypothese und Zielsetzung
1.2 Aufbau der Arbeit

2 Unternehmensberatung
2.1 Historische Entwicklung und Definition
2.2 Klassifizierung von Unternehmensberatung
2.2.1 Klassische Unternehmensberatung
2.2.2 Alternative Beratungsansätze

3 Unternehmensberatung bei KMU
3.1 Charakterisierung von KMU
3.1.1 Betriebswirtschaftliche Charakterisierung
3.1.2 Qualitative Abgrenzungsmerkmale
3.2 Interviews – Unternehmensberatung aus der Sicht von KMU
3.2.1 Interview 1
3.2.2 Interview 2
3.2.3 Interview 3
3.2.4 Interview 4
3.3 Perspektiven der Unternehmensberatung für KMU

4 Ein Wissensmanagement-gestütztes Unternehmensberatungskonzept für kleine und mittlere Unternehmen
4.1 Problemkanalisierung im Kontext von Wissen
4.2 Wissensmanagement im Kontext
4.3 Inhalte und Methoden der Unternehmensberatung
4.3.1 Methoden der Analyse
4.3.2 Methoden der Problemlösung (Sollkonzepterstellung)
4.4 Kostensenkende Beratungsansätze
4.4.1 Lean Consulting
4.4.2 Template-driven Consulting
4.5 Wissensmanagement-gestützte Beratungskonzeption
4.5.1 Standardisierung der Beratung
4.5.2 Subscription-Modell
4.5.3 Leistungen
4.5.4 Beraternetzwerk
4.5.5 IT-Unterstützung
4.5.6 Fallstricke
4.5.7 Ausblicke

5 Nachbetrachtung und Schluss
5.1.1 Grenzkostenbetrachtung
5.1.2 Schluss

6 Anhang
6.1 Leitfaden für die Interviews
6.2 Strukturierte Abfrageergebnisse

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

1.1 Motivation, Arbeitshypothese und Zielsetzung

Während des Studiums der Fachrichtung Wissensmanagement gibt es zahlreiche Berührungspunkte mit Sichtweisen und Methoden aus der Unternehmensberatung. Auch Wissensmanagement selbst ist eine Disziplin, die von Unternehmens­beratungen mit entwickelt und im Rahmen von Beratungsaufträgen „eingeführt“ wird. Zahlreiche Lektor/innen im Studiengang Wissensmanagement kommen zudem aus der Unternehmensberatung, um Lehrveranstaltungen beispielsweise zu den Themen Organisations­theorie, Prozess- oder Personal­management, Strategieent­wicklung oder Systemische Organisationsentwick­lung abzuhalten.

Dabei wurde vielfach der Eindruck erweckt,

a. dass Unternehmensberatung sehr stark individualisiert angeboten und durchgeführt werden würde, einheitliche Vorgehensbe­schreibun­gen, z. B. detaillierte Vorgehensmodelle, größtenteils fehlen würden und
b. dass die Kunden von Unternehmensberatungen überwiegend größere Unternehmen wären und die zentrale Leistung der Unternehmensberatung, nämlich „Beratung und Hilfestellung bei der Entwicklung des Unternehmens im wirtschaftlichen, kommunikativen, technischen, administrativen und sozialen Bereich“[1], kleineren Unternehmen vielfach nicht zugute kommen würde.

Dies führte mich zu den zentralen Hypothesen dieser Arbeit:

1. Kleinere Unternehmen nehmen wenig Beratung in Anspruch. Sie verfügen daher vielfach nicht über das Management-Know-how, das für die Weiterentwicklung des Unternehmens nötig wäre.
2. Wesentliche Gründe dafür sind hohe Kosten und die Intransparenz des Kosten-Nutzen-Verhältnisses von Unternehmensberatung.
3. Primärer Kostentreiber und ein Grund für diese Intransparenz ist der starke Individualisierungs­grad in der Unternehmensberatung.

Ein Ziel von Wissensmanagement ist andererseits der optimierte Umgang mit Wissen als Ressource der unternehmerischen Wertschöpfung. Mithilfe der Sichtweisen und Methoden des Wissensmanagement sollte es daher möglich sein, Beratungswissen und Beratungsprozesse derart zu gestalten, dass Unternehmens­beratung, wenigstens für kleinere Unternehmen, nach einem standardisierten Beratungsmodell angeboten werden kann. Die Grenzkosten der Beratung, die die starke individuelle Anpassung eines Konzepts in Vorbereitung, Planung, Begleitung und Nacharbeit beinhalten, sollen in dem hier entwickelten Modell minimiert werden.

Ziele dieser Arbeit sind

a. die Überprüfung der genannten Hypothesen und
b. die Entwicklung eines Beratungsmodells mit minimierten Grenzkosten.

Bei den Aufgabenstellungen der Unternehmensberatung handelt es sich überwiegend um komplexe Probleme in nicht-trivialen Systemen[2]. Ich sehe als Herausforderung dieser Arbeit an, ein standardisiertes Vorgehen mit den Erfordernissen einer systemisch-ganzheitlichen Vorgehensweise zu vereinen.

Systems Thinking. A cloud masses, the sky darkens, leaves twist upward, and we know that it will rain. We also know the storm runoff will feed into groundwater miles away, and the sky will clear by tomorrow. All these events are distant in time and space, and yet they are all connected within the same pattern.”[3]

1.2 Aufbau der Arbeit

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

In dieser Arbeit kläre ich zunächst den Begriff Unternehmens­beratung.

Ich untersuche KMU und deren besondere Anfor­derungen an die Unter­nehmens­beratung anhand von Recherchen und von vier exempla­risch geführten, qualitativen Interviews.

Daraus entwickle ich Perspektiven der Unter­nehmensberatung für KMU.

Ich führe diese Perspektiven in Handlungs­optionen zur Gestaltung der Beratung über. Dies erfolgt anhand der Kernprozesse des Wissens­management nach Probst et al., sowie nach den Arten des Kundenwissens nach Korell, Spath.

Ich führe Methoden zur Unterstützung dieser Handlungsoptionen an und entwickle sonach ein umfassendes Wissens­manage­ment-gestütztes Beratungs­konzept.

2 Unternehmensberatung

2.1 Historische Entwicklung und Definition

Die Entstehung der Unternehmensberatung erfolgte aus zwei Strömungen, einerseits aus den beratenden Ingenieuren, als deren Ursprung das ‚Scientific Management’ um Frederick Winslow Taylor gesehen wird und andererseits aus dem Revisions- und Treuhandwesen, das durch rechtliche Regelungen, wie die Einführung der Gesellschaftssteuer in den USA 1913 und der ‚kleinen Aktienrechtsreform’ in Deutschland 1931 einen Aufschwung erlebte.[4] Edwin Booz gründete das Unternehmen Business Research Services 1914, James O. McKinsey startete 1926 mit McKinsey & Company.[5] Die erste Anerkennung der Unternehmensberatung als Profession erfolgte in den USA 1929 mit der Gründung der ACME (Association of Consulting Management Engineers, heute: Association of Management Consulting Firms).[6] In den zwanziger Jahren entstanden auch in Europa die ersten Beratungsunternehmen.[7]

Die wichtigsten Impulse erhielt die Branche in den sechziger Jahren. 1960 schlossen sich europäische Beraterverbände zur Féderation Européenne des Associations de Conseils en Organisation (FAECO) zusammen, die das Ziel einer Förderung des Beratungsgedankens in Hinblick auf eine Regulierung des Berufsstandes verfolgte. In Österreich zählt der Fachverband Unternehmensberatung und Datenverarbeitung seit 1976 seine ersten Mitglieder.[8]

Heute firmiert in Österreich der Dachverband in der Wirtschaftskammer Österreich und somit die gesetzliche Interessenvertretung seiner gewerblichen Mitglieder unter Fachverband Unternehmensberatung und Informations­technologie (UBIT). Zum Stichtag 2005 zählte der Fachverband 40 965 Berechtigungen, davon 10 796 in der Unternehmensberatung.[9]

Der Begriff Unternehmensberatung ist nicht eindeutig belegt.[10] Sicher ist, bei Unternehmensberatung handelt es sich um eine Dienstleistung, genauer gesagt, um ein Kontraktgut, das heißt, sie kommt erst durch den Austausch zwischen Berater und Klient zustande.[11]

Eine mögliche Definition lautet: „Unternehmensberatung wird definiert als höherwertige, persönliche Dienstleistung, die durch eine oder mehrere unabhängige und qualifizierte Person(en) erbracht wird. Sie hat zum Inhalt, Probleme zu identifizieren, zu definieren und zu analysieren, welche die Kultur, Strategien, Organisation, Prozesse, Verfahren und Methoden des Unternehmens des Auftraggebers betreffen. Es sind Problemlösungen (Sollkonzepte) zu erarbeiten, zu planen und im Unternehmen umzusetzen. Dabei bringt der Berater seine branchenübergreifende Erfahrung und sein Expertenwissen ein.“[12] Hier stehen also als Gegenstand für die Unternehmensberatung immer ein Problem und die Ausarbeitung dessen Lösung im Vordergrund.

Einen pragmatischen Zugang findet Alfred Harl, indem er die Problematik einer Definition umgeht und stattdessen auf die Leistung des Unternehmens­beraters fokussiert: „Die Leistung des Unternehmensberaters ist die Schaffung von Nutzen für Unternehmen, Betriebe und Organisationen; dies geschieht durch Beratung und Hilfestellung bei der Entwicklung des Unternehmens im wirtschaft­lichen, kommunikativen, technischen, administrativen und sozialen Bereich. Ziele sind die Vermehrung und Wahrung von Chancen, die Aufarbeitung und Vermeidung von Risiken sowie die Hilfestellung bei der Umsetzung von Strategien und Maßnahmen.“[13] Nach dieser Beschreibung, die aufgrund ihrer Quelle als die offizielle Sichtweise des UBIT und somit der Wirtschaftskammer Österreich angesehen werden kann, ist die Aufgabe des Unternehmensberaters also viel allgemeiner in der „Beratung und Hilfestellung bei der Entwicklung des Unternehmens“ zu sehen.

In der Beschreibung der Zugangsvoraussetzungen für das ‚Gewerbe der Unternehmensberatung einschließlich der Unternehmen­sorganisation’ werden in der österreichischen Gewerbeordnung unter ‚fachlich einschlägiger Tätigkeiten’ „Tätig­keiten im Gewerbe der Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthaltenUnterneh­mens­be­ra­tung, der Leitung von Unternehmen, im leitenden Management oder als Wirtschaftstreuhänder [verstanden], die die umfassende Analyse von Organisationen oder ihres Umfeldes, die Entwicklung von Lösungsansätzen und deren allfällige Umsetzung durch Beratung und Intervention sowie die Steuerung von Beratungs- und Kommunikationsprozessen innerhalb von Organisationen und gegenüber dem Markt zum Gegenstand haben“ (Unternehmensberatungs-Verordnung, BGBl. II 2003/94, § 1).

Und ‚Unternehmensberatung im engeren Sinn’ ist gemäß Wagner „die entgeltliche Dienstleistung einer externen, unabhängigen, weisungsfreien und rechtlich selbständigen Person, für die auftragsindividuelle Lösung aperiodisch auftretender betriebswirtschaftlicher Probleme. Die Leistungserstellung selbst erfolgt im Rahmen eines interaktiven Prozesses mit dem Klienten.“[14] Wagner grenzt „periodisch wiederkehrende, vom Beratungsgebiet her weitgehend gleich bleibende Aufgaben“ explizit von Unternehmensberatung im engeren Sinn ab. Zu den Unternehmensberatern im weiteren Sinn zählt er „jene Personen oder Organisationen, die Beratung nicht ausschließlich oder zumindest nicht überwiegend betreiben, und deren Berufsbild folglich auch nicht durch die Erbringung von Beratungsleistungen dominiert wird“.[15]

2.2 Klassifizierung von Unternehmensberatung

Wagner hat seine Kategorisierung auf bestehende Klassifikationen aufgebaut und diese erweitert.[16] Die folgende Übersicht listet die verwendeten Kategorien und Beratungsthemen nach Wagner auf.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Beratungsfelder in Österreich (Quelle: eigene Darstellung nach Wagner[17])

Die Auflistung beinhaltet einerseits Beratungsthemen, das sind Strategie, Organisation, IT, Marketing, Personal, Finanzen, Technologie, Umwelt und Logistik, also tatsächliche Handlungsfelder in Unternehmen. Andererseits sind mit Training, Coaching und Wirtschaftsmediation Methoden der Wissens­vermittlung, Kommunikation bzw. Intervention aufgezählt, die bei genauerer Betrachtung orthogonal zu den erstgenannten stehen sollten.

Allgemein ist hinzuzufügen, dass die Berufsbezeichnung Unternehmensberater europaweit nicht geschützt ist.[18] Eine Ausnahme bildet Österreich, wo ‚Unternehmensberatung einschließlich der Unternehmensorganisation’ zu den reglementierten Gewerben in der Gewerbeordnung zählen.[19] (Siehe auch S. 9) Sowohl in der Definition der Begriffe Unternehmens­beratung oder Unternehmensberater, als auch bei der Kategorisierung nach Tätigkeitsbereichen (siehe Tabelle 1) oder nach Beratungsansätzen (klassische vs. alternative; s. u.) sind daher in der Literatur und im umgangssprachlichen Verständnis Unschärfen auszumachen.

2.2.1 Klassische Unternehmensberatung

Die klassische Form der Durchführung einer Unternehmensberatung besteht darin, dass der Unternehmensberater oder ein Team von Beratern im Unternehmen des Auftraggebers mit berufsüblichen Methoden den Ist-Zustand analysieren, nach einer standardisierten oder innovativen Problemlösungsmethode das Sollkonzept erstellen und dieses Konzept umsetzen.[20]

Dabei wird oft nach einem Phasenmodell vorgegangen. Niederreichholz nennt die folgenden Phasen der Unternehmensberatung[21]:

- Ist-Analyse
- Erstellung des Soll-Konzepts
- Realisierungsplanung
- Realisierung
- Nachbearbeitung, Evaluation

Ein ähnliches Phasenmodell findet sich bei Harl[22].

Die Auftragsdurchführung beginnt mit der Ist-Analyse oder Informationsbe­schaffung. Dabei werden einerseits die Beherrschung von Analysetechniken und

-inhalten vorausgesetzt. Andererseits zählt es zu einer wesentlichen Kompetenz des Beraters, jene Motive des Kunden, die hinter dem Auftrag zur Informationsbeschaffung liegen, zu erkennen.

Danach erwartet der Klient in den meisten Fällen, dass die Ziele des Beratungsauftrags qualifiziert und nach Möglichkeit auch quantifiziert werden. Dem Unternehmensberater obliegt die Verantwortung, mit dem Klienten zu klären, ob die Erfüllung des Klientenauftrages tatsächlich eine Problemlösung bewirken kann.

In der Phase der Realisierungsplanung werden die umzusetzenden Maßnahmen formuliert und ihre Machbarkeit und ihr Wirkungsgrad überprüft. Diagnose­ergebnisse und Maßnahmen werden in geeigneter Form dokumentiert bzw. dem Auftraggeber zur Kenntnis gebracht.

Die Realisierung bzw. Implementierung ist der konkrete Vollzug der geplanten Maßnahmen. Als wesentliche Erfolgsfaktoren bei der Implementierung werden Fortschritts­kontrolle, ein hohes Maß an Engagement auf beiden Seiten und die Umsetzungs- und Interventionsfähigkeit des Beraters genannt.

In der Auftragsnachbereitung werden das methodische Vorgehen, die Wirtschaft­lich­keit und der Zielerreichungsgrad überprüft.[23] [24]

Die klassische Unternehmensberatung wird nach wie vor von der überwiegenden Anzahl der Beratungsanbieter in Österreich angeboten. Im deutschsprachigen Vergleich ist am österreichischen Beratungsmarkt jedoch ein verhältnismäßig großer Anteil an alternativen Beratungsansätzen zu verzeichnen. Diese unterscheiden sich vom klassischen Beratungsverständnis deutlich in ihrer Herangehensweise.[25]

Als idealtypische Beratungsansätze werden von Exner et al. genannt:

- Gutachter
- Fachberater (Manager bzw. Spezialist auf Zeit)
- prozess­orientierte Fachberater (oder auch „Prozessberater“)
- Organisationsentwickler
- Systemische Berater[26]

Wagner räumt jedoch ein, dass diese Kategorisierung eine erhebliche Reduktion der Fülle praktizierter Beratungsansätze bedeutet.[27] Jedoch „[erweist sich] aufgrund der häufigen Rezeption dieser Klassifikation und in Ermangelung einer bis dato empirisch abgesicherten Untergliederung (…) eine Anlehnung an diese Aufteilung als die praktikabelste.“[28]

Niedereichholz verzichtet auf die Einbeziehung der Gutachter-Rolle in ihrer Beschreibung von Beratungsansätzen und grenzt Prozessberatung, Organisations­entwicklung und Systemische Beratung vom Begriff der (klassischen) Unter­neh­mens­beratung ab.[29] Wagner versteht unter ‚Fachberatung’ in Anlehnung an Titscher „die sachliche Bearbeitung eines, vom Auftraggeber definierten inhaltlichen Problem(feld)s“[30].

Im Versuch einer Verschränkung der genannten Kategorisierungen verwende ich nachstehend die folgende Untergliederung:

- Klassische Unternehmensberatung oder Fachberatung. Gutachtertätigkeit subsumiere ich als möglichen Teil des klassischen Unternehmens­beratungs­ansatzes.
- Alternative Ansätze der Unternehmensberatung. Hierzu zählen Prozess­beratung, Organisationsentwicklung und Systemische Beratung.

2.2.2 Alternative Beratungsansätze

Prozessberatung

Prozessberatung (oder Prozessorientierte Fachberatung) konzentriert sich auf die sozialen Dimensionen des betrieblichen Geschehens und zielt auf die Interaktionen und Handlungsmuster der in die Beratung einbezogenen Teilnehmer ab.[31] Der Prozessberater wird als ‚Veränderungshelfer’ charakterisiert, der das Kommunikations- und Problemlösungsverhalten Betroffener moderierend beeinflusst, ohne inhaltliche Problemlösungsexpertise einzubringen.[32] „Die Organisation (…) soll befähigt werden, nach unvoreingenommener Analyse die zweckmäßigste Lösung selbst zu finden.“[33] Das unterscheidet den Ansatz der Prozessberatung fundamental von der klassischen Unternehmensberatung, in der die Umsetzung – wie beschrieben – durch den Berater, meist mittels probater Methoden erfolgt.

„Prozessberatung ist der Aufbau einer Beziehung mit dem Klienten, die es diesem erlaubt, die in seinem internen und externen Umfeld auftretenden Prozessereignisse wahrzunehmen, zu verstehen und darauf zu reagieren, um die Situation, so wie er sie definiert, zu verbessern.“[34]

Der hier verwendete Begriff Prozess meint die Fokussierung auf den Ablauf des Beratungsauftrags und auf die Interaktion mit dem Klienten in Abgrenzung zur klassischen Unternehmensberatung, in der die Leistungserbringung primär durch die Bereitstellung bzw. Anwendung inhaltlicher Expertise erfolgt. Der Begriff ist zu unterscheiden von (Geschäfts-) Prozess in der Ablauforganisation der betrieblichen Leistungserstellung, wo „Prozess­berater (…) vor allem bei der Einführung des Geschäftsprozess­managements benötigt [werden]“[35].

Organisationsentwicklung

Die Organisationsentwicklung (OE) hat sich seit den 1970er Jahren als ein Spezialzweig innerhalb der Organisationstheorie entwickelt, der sich ganz und gar der Thematik des Wandels widmet.[36] Entgegen einer mechanistischen Sichtweise rückt sie den Menschen in den Mittelpunkt der Betrachtung und Intervention; geschichtlich gesehen ist sie die Reaktion auf den Taylorismus. Ihr Ursprung geht auf das Jahr 1945 zurück, wo sie am Center for Group Dynamics am Massachusetts Institute of Technology unter maßgeblicher Beteiligung von Kurt Lewin ihren Ausgang nahm.[37]

Versucht man, die Merkmale herauszustellen, die am häufigsten mit dem Begriff Organisationsentwicklung verbunden werden, so sind vor allem die folgenden fünf zu nennen:

Geplanter Wandel: Gegenstand der Bemühungen ist eine wohldurchdachte, gezielte Herbeiführung eines konkreten Wandelprozesses in Organisationen.

Ganzheitlicher Ansatz: OE zielt darauf ab, das gesamte System (oder zumindest größere, geschlossene Einheiten) einem Wandel zu unterziehen.

Anwendung sozialwissenschaftlicher Theorien: Die initiierten Wandelprozesse stützen sich in ihrer Wirkungsvermutung auf sozialwissenschaftliche Theorien.

Struktur und Verhalten: Die Programme zielen sowohl auf Veränderungen des Verhaltens als auch der Organisationsstruktur ab.

Intervention durch Spezialisten: Die Wandelprozesse werden von Spezialisten konzipiert und gesteuert; dazu bedarf es einer gezielten Ausbildung.[38]

Überschneidungen der Begriffe Prozessberatung und Organisationsentwicklung sind evident. So scheint es unabdingbar zu sein, dass die Durchführung von Projekten in der Organisationsentwicklung von qualifizierten Prozessberatern gemäß der dargelegten Charakterisierung unterstützt werden muss.[39] Schreyögg zählt Prozessberatung als ein Modell der Organisations­entwicklung neben dem Survey-Feedback-Ansatz, dem Konfrontations­treffen, dem Verhaltens­gitter und der System- und kommunikations­theoretisch orientierten Organisationsent­wicklung auf.[40]

Systemische Beratung

Systemische Beratung, oder genauer Systemische Organisationsberatung, ist ein Begriff, der in der Literatur primär einerseits durch seine Entwicklungsgeschichte und andererseits durch einige wenige Interventionsmethoden charakterisiert wird. Zudem fallen auch die Ansichten über diese Merkmale unterschiedlich aus.

Nach Exner et al. hat sich die Systemische Beratung entwicklungsgeschichtlich aus drei Strömungen heraus entwickelt[41]:

- der Mailänder Schule unter Leitung der Psychotherapeutin M. Selvini-Palazzoli und ihren Mitarbeitern
- den Naturwissenschaften mit dem Konzept der Autopoiesis von Humberto Maturana und Francisco Varela[42]
- der Theorie sozialer Systeme von Niklas Luhmann

Zum Beispiel Schreyögg lehnt jedoch Maturana/Varela und Luhmann als Mitväter ‚system- und kommunikationstheoretisch orientierter Organisationsentwicklung’ ab, „(…) nachdem es (…) vorläufig als theoretisch völlig ungeklärt gelten muss, ob und wie aus einer biologischen Theorie autonom-reproduktiver Systeme eine Theorie geplanten organisatorischen Wandels entstehen kann (…)“[43]

Ähnlich wie in der Prozessberatung dient der Berater hier als Impulsgeber um Widersprüche von Verhaltensmustern aufzubrechen. Das geschieht durch Interventionen wie beispielsweise zirkuläres Fragen oder paradoxe Interventionen. „Die systemische Beratung ist nicht als gezielte Intervention mit bekannter Wirkung gedacht, sondern als Möglichkeit zur Verunsicherung der bestehenden Wahrnehmungs- und Erklärungsmuster, die für die Aufrechterhaltung des Problems konstitutiv sind.“[44]

Zusammenfassend erscheint mir die Untergliederung alternativer Beratungs­ansätze in Prozessberatung, Organisationsentwicklung und Systemische Beratung wenig sinnvoll, da diese Ansätze Überschneidungen aufweisen. Sinnvoller wäre meines Erachtens ein Begreifen dieser Unterscheidungen ausschließlich als Erklärungshilfe für die Entstehungsgeschichte alternativer Beratungsansätze. Prozessberatung, systemische Sichtweisen und Methoden verstehe ich als Werkzeuge, als Basiswissen oder als Handlungsrahmen der Organisations­beratung im engeren bzw. der Unternehmensberatung im weiteren Sinne. (Siehe auch Kategorisierung nach Wagner, Tabelle 1, S. 12)

Ein solches Verständnis kann dazu beitragen, das Spannungs­verhältnis zwischen klassischen und alternativen Beratungsansätzen zu lockern. „Statt Fronten zu bilden, ist es fruchtbarer, die ‚harten’ und ‚weichen’ Beratungsansätze, die inhaltliche und die soziale Kompetenz in den Fällen, in denen es sinnvoll ist, zusammenzuführen.“[45]

Auf Basis dieser Analyse schlage ich ein zweidimensionales, umfassendes Verständnis von Unternehmensberatung vor:

(1) Beratungsthemen, mit den Kategorien nach Wagner[46]:

- Strategieberatung
- Organisationsberatung
- IT-Beratung
- Marketingberatung
- Personalberatung
- Finanzberatung
- Technologieberatung
- Umweltberatung
- Logistikberatung
- Sonstiges

Zur Beratung in einem oder mehreren Beratungsthemen ist domänenspezifisches Beratungswissen nötig, also Erfahrung und Know-how in dem entsprechenden Bereich. Darunter wäre auch branchen­spezifisches Wissen zu verstehen, wobei – genau genommen – Branchen-Know-how eine weitere orthogonale Dimension in dieser Struktur bilden könnte.

(2) Handlungsoptionen, beinhalten Beratungsmodelle, Methoden und Werkzeuge:

- Expertenberatung, entspricht der klassischen oder Fach-Beratung
- Prozessberatung, Organisationsentwicklung, Systemische Beratung
- Training
- Coaching
- Wirtschaftsmediation

Als Basiswissen, um aus den Handlungsoptionen wählen zu können, umfasst strategisches Beratungswissen allgemeine Prozeduren, die nicht an eine Wissens­domäne gebunden sind, sondern in unterschiedlichen Situationen eingesetzt werden können. Die genannten Handlungsfelder sollen dabei als Überbegriffe für ein Sammelsurium von Modellen, Methoden und Werkzeugen fungieren, die in der Beratung zum Einsatz kommen können.

Ein Phasenmodell der klassischen Unternehmensberatung[47] soll nach dieser Auffassung also ebenso zum Repertoire eines Beraters gehören, wie auch die Herangehensweisen aus alternativen Beratungsansätzen, beispielsweise Prozessberatung. Um die Lösung für ein bestehendes Problem zu finden, sollte das gerade beste Mittel eingesetzt werden, ohne dass sich der Berater durch „Klassendenken“ selbst einschränkt.

3 Unternehmensberatung bei KMU

3.1 Charakterisierung von KMU

Die Europäische Union unterstützt die kleinen und mittleren Unternehmen.

„Kleinstunternehmen sowie kleine und mittlere Unternehmen (KMU) spielen in der europäischen Wirtschaft eine zentrale Rolle. Sie bilden eine wichtige Quelle für unternehmerische Fähigkeiten, Innovation und Beschäftigung. In den 25 Mitgliedstaaten der erweiterten Europäischen Union gibt es etwa 23 Mio. KMU, die rund 75 Mio. Arbeitsplätze stellen und 99 % des Unternehmensbestands ausmachen.”[48]

Mit ein Grund für eine EU-weit einheitliche Definition von KMU ist die Schaffung von einheitlichen Förderungsrichtlinien in allen Mitgliedsstaaten „und weil vermieden werden muss, dass die Gemeinschaft ihre Maßnahmen auf eine andere Art von KMU ausrichtet als die Mitgliedstaaten“ (Amtsblatt der Europäischen Union L 124/36 vom 6. Mai 2003, Gründe (1)).

Kleine, mittlere und Kleinstunternehmen werden nach Empfehlung der Europäischen Kommission folgendermaßen klassifiziert:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2: Einteilung von KMU gemäß Empfehlung der Europäischen Kommission (Amtsblatt der Europäischen Union L 124/36 vom 6. Mai 2003, Artikel 2)

Dabei gilt die Mitarbeiteranzahl als fixe Obergrenze, damit ein Unternehmen als KMU gelten kann. Für die Arbeit von Personen, die nicht das ganze Jahr gearbeitet haben oder die im Rahmen einer Teilzeitregelung tätig waren, und für Saisonarbeit wird der jeweilige Bruchteil an Jahresarbeitseinheiten gezählt (vgl. Amtsblatt der Europäischen Union L 124/36 vom 6. Mai 2003, Artikel 5). Beim Jahresumsatz und bei der Jahresbilanzsumme reicht es, wenn nur einer der beiden Werte unterschritten wird, um einer Einteilung in die Kategorie gerecht zu werden (vgl. Amtsblatt der Europäischen Union L 124/36 vom 6. Mai 2003, Artikel 2).

Kleinst- und kleine Unternehmen machen den weitaus größten Anteil österreichischer wie europäischer Unternehmen aus, wie die folgende Gegenüberstellung zeigt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 3: Unternehmen nach Beschäftigtengrößenklassen (Quelle: KMU Forschung Austria)[49]

Der Vergleich zeigt, dass der Anteil kleiner und mittlerer Unternehmen in der EU größer ist als in Österreich, das jedoch oftmals als Land mit großem KMU-Anteil genannt wird.

Die folgende Tabelle ordnet den Unternehmensgrößenklassen die Anzahl der jeweiligen Beschäftigten zu:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 4: Beschäftigte nach Beschäftigtengrößenklassen (Quelle: KMU Forschung Austria)[50]

3.1.1 Betriebswirtschaftliche Charakterisierung

Inwieweit sich KMU von größeren Unternehmen unterscheiden, kann anhand von Statistiken über betriebswirtschaftliche Kennzahlen untersucht werden. Die nachfolgenden Kennzahlen wurden auf Basis von Daten ermittelt, die von der österreichischen Nationalbank bereitgestellt werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 5: Betriebswirtschaftliche Kennzahlen österreichischer Unternehmen 2004, eigene Darstellung (Quelle: Österreichische Nationalbank, Online-Abfrage)[51]

[...]


[1] Harl, A.: Berufsbild des Unternehmensberaters. Ausgabe 2004, S. 4. Verfügbar: http://www.wko.at/ubit/UB/berufsbild_ub.pdf [15.10.2006]

[2] Vgl. Triviale vs. Nicht-triviale Maschinen, Foerster (1993), S. 244ff

[3] Senge (2006), S. 6

[4] Vgl. Wagner (2004), S. 19

[5] Vgl. Niedereichholz (2004), S. 6

[6] Vgl. Wagner (2004), S. 19

[7] Vgl. Niedereichholz (2004), S. 6

[8] Vgl. Wagner (2004), S. 20

[9] Vgl. UBIT Jahresbericht 2005, S. 6. Verfügbar: http://www.wko.at/ubit/FV/jahresbericht2005.pdf [22.10.2006]

[10] Vgl. Wagner (2004), S. 21

[11] Vgl. Wagner (2004), S. 23

[12] Niedereichholz (2004), S. 1

[13] Harl, A.: Berufsbild des Unternehmensberaters. Ausgabe 2004, S. 4. Verfügbar: http://www.wko.at/ubit/UB/berufsbild_ub.pdf [15.10.2006]

[14] Wagner (2004), S. 28

[15] Wagner (2004), S. 26

[16] Vgl. Wagner (2004), S. 41

[17] Vgl. Wagner (2004), S. 44ff

[18] Vgl. Niedereichholz (2004), S. 1

[19] Vgl. Gewerbeordnung 1994, § 1

[20] Vgl. Niedereichholz (2004), S. 45

[21] Vgl. Niedereichholz (2006), S 8

[22] Vgl. Harl, A.: Berufsbild des Unternehmensberaters. Ausgabe 2004, S. 5. Verfügbar: http://www.wko.at/ubit/UB/berufsbild_ub.pdf [15.10.2006]

[23] Vgl. Niedereichholz (2004), S. 10f und S. 44

[24] Vgl. Harl, A.: Berufsbild des Unternehmensberaters. Ausgabe 2004, S. 5ff. Verfügbar: http://www.wko.at/ubit/UB/berufsbild_ub.pdf [15.10.2006]

[25] Vgl. Wagner (2004), S. 29

[26] Vgl. Exner, Königswieser, Titscher (1992), S. 222ff

[27] Vgl. Wagner (2004), S. 29

[28] Wagner (2004), S. 29

[29] Vgl. Niedereichholz (2004), S. 3f

[30] Wagner (2004), S. 31f

[31] Vgl. Titscher (2001), S. 48

[32] Vgl. Niedereichholz (2004), S. 4

[33] Schreyögg (2003), S. 522

[34] Schein (2003), S. 39

[35] Schmelzer, Sesselmann (2004), S. 104

[36] Vgl. Schreyögg (2003), S. 512

[37] Vgl. Wagner (2004), S. 33

[38] Vgl. Schreyögg (2003), S. 513f

[39] Vgl. Niedereichholz (2004), S. 4f

[40] Vgl. Schreyögg (2003), S. 517ff

[41] Vgl. Exner, Königswieser, Titscher (1992), S. 204f

[42] Vgl. Maturana, Varela (1987)

[43] Schreyögg (2003), S. 526ff

[44] Wagner (2004), S. 33

[45] Niedereichholz (2004), S. 5

[46] Siehe Kategorisierung nach Wagner, Tabelle 1, S. 12

[47] Siehe auch S. 13

[48] Die neue KMU-Definition. Benutzerhandbuch und Mustererklärung. Europäische Gemeinschaften 2006. S. 5. Verfügbar: http://ec.europa.eu/enterprise/enterprise_policy/sme_definition/sme_user_guide_de.pdf [27.11.2006]

[49] Vgl. KMU Forschung Austria. KMU in Österreich. Verfügbar: http://www.kmuforschung.ac.at/de/Forschungsberichte/
Vortr%C3%A4ge/KMU%20in%20%C3%96sterreich%2024-02-2005.pdf [06.01.2007]

[50] Vgl. KMU Forschung Austria. KMU in Österreich. Verfügbar: http://www.kmuforschung.ac.at/de/Forschungsberichte/
Vortr%C3%A4ge/KMU%20in%20%C3%96sterreich%2024-02-2005.pdf [06.01.2007]

[51] Vgl. Österreichische Nationalbank. Jahresabschlusskennzahlen Österreich. Verfügbar: http://www.oenb.at/de/stat_melders/datenangebot/realwirtschaft/jahresabschlusskennzahlen/
jahresabschlusskennzahlen_oesterreich.jsp [29.11.2006]

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Details

Title
Wissensmanagementgestützte Unternehmensberatung für kleine Unternehmen
Grade
2,0
Author
Year
2007
Pages
94
Catalog Number
V78622
ISBN (eBook)
9783638872713
ISBN (Book)
9783638872775
File size
927 KB
Language
German
Keywords
Wissensmanagementgestützte, Unternehmensberatung, Unternehmen
Quote paper
Oliver Scharf (Author), 2007, Wissensmanagementgestützte Unternehmensberatung für kleine Unternehmen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/78622

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