Konzentration und Wettbewerb in der Energiewirtschaft am Beispiel des Strommarktes


Seminararbeit, 2002

23 Seiten, Note: 2.3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1.Einleitung

2. Der Strommarkt vor der Liberalisierung
2.1. Zur Geschichte
2.2. Zur Struktur
2.3. Zur betriebswirtschaftlichen Situation

3. Liberalisierung des Stromhandels in Deutschland
3.1. Zur Entwicklung
3.2. Zur Struktur
3.3. EU-Vorgaben
3.4. Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG)

4. Auswirkungen der Liberalisierung
4.1. Wettbewerb
4.2. Betriebsführung
4.3. Volkswirtschaftliche Situation
4.4. Investitionen und Arbeitsplätze

6. Abschlussbetrachtung

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die Energiewirtschaft und insbesondere die Stromwirtschaft war jahrzehntelang monopolistisch strukturiert; das sollte sich mit der Öffnung des deutschen Marktes 1998 ändern. Daher legt der Verfasser den Schwerpunkt dieser Arbeit auf den Bereich der Stromwirtschaft. Der Strommarkt befindet sich seither in der Phase der Deregulierung, das bedeutet, dass Eingriffe seitens des Staates – erstmals mit der europäischen Stromrichtlinie von 1997 - abgebaut wurden und weiter abgebaut werden, um so Platz für einen wettbewerblich organisierten Markt zu schaffen. Denn: „Wettbewerb ist ein konstitutives Element jeder Marktwirtschaft.“[1] War also bis vor kurzem noch der deutsche Strommarkt von großen Anbietern gekennzeichnet, welche sich hauptsächlich in Staatseigentum befanden und dadurch eine natürliche Monopolstellung inne hatten, so ist die Marktstruktur jetzt eine andere. Der Verbraucher von heute steht nicht mehr einem oder wenigen großen monopolistischen Anbietern gegenüber, sondern einer Vielzahl von Erzeugern: Infolgedessen kann er sich seinen Stromlieferanten frei aussuchen, Preise vergleichen und gegebenenfalls den Anbieter wechseln. Viele, auch kleinere Stromanbieter haben ihre Chance am nun offenen Markt ergriffen und versucht, sich zu etablieren. Inzwischen jedoch geht der Trend hin zur Konzentration. Viele kleinere Stromanbieter werden von größeren Unternehmen übernommen; andere wiederum verschwinden ganz vom Markt. Laut des Energiewirtschaftlichen Instituts (EWI) haben sich in der jüngeren Vergangenheit durch Beteiligungen und Zusammenschlüsse bedeutende Veränderungen in der Unternehmensstruktur auf dem deutschen Stromerzeugungsmarkt ergeben: So schlossen sich EVS und Badenwerk zu gleichwertigen Fusionspartnern zusammen, die Stuttgarter Stadtwerke fusionierten mit den Neckarwerken, das Bayernwerk übernahm die Isar-Amperwerke und in Berlin sicherte sich ein Dreierkonsortium auswärtiger Energieunternehmen - bestehend aus PreussenElektra, VIAG und Southern Company - die Bewag. Mit Ausnahme der Stadtwerke München sind mittlerweile alle großen Stromerzeuger mehr oder weniger intensiv durch Beteiligungen miteinander verflochten.[2] Nicht zuletzt aufgrund der EU-Richtlinien ist es mit der ursprünglichen Marktform auch in Deutschland vorbei: Es ist anzunehmen, dass es eine dem Telekommunikationsmarkt ähnliche Veränderung geben wird. Bisher wurde Strom als ein integriertes Gut an den Endverbraucher verkauft, das heißt, dass die Firmen als Produzenten, Verteiler und Händler gleichzeitig agierten. Die Folge war, dass es mehrere Unternehmen gab, die sich in ihrer Funktion glichen und keine Versuche unternahmen, Wettbewerb zu schaffen. Diese Marktform wird auch als reines Monopol bezeichnet und ist gegeben, „wenn nur ein Unternehmen ein bestimmtes Produkt oder eine bestimmte Dienstleistung in einem bestimmten Land oder einem bestimmten Gebiet anbietet (z.B. die Briefbeförderung der deutschen Post AG oder das örtliche Stromversorgungsunternehmen).“[3] Das Ziel vom vollkommenen Wettbewerb meint eine Strombranche mit vielen Wettbewerbern, die das gleiche Produkt und die gleiche Leistung anbieten – in diesem Fall das homogene Gut Strom.[4] Die Differenzierung über das Produkt selbst, über dessen Qualität, Eigenschaften oder Styling, ist hier nicht gegeben. Deshalb bleiben Werbemaßnahmen in dieser Branche außen vor und werden in dieser Arbeit nicht berücksichtigt. Allein die Differenzierung aufgrund von bspw. Serviceleistungen – beim Preis läge der Fall anders - rechtfertigen noch keine aufwendige Werbekampagne. Hinzu kommt, dass „durch Preisreduzierungen [..] ein Anbieter nur Nachfrage von anderen Anbietern abziehen, jedoch so gut wie keine neue Nachfrage erzeugen“[5] kann. Dabei gibt es verschiedene Ansatzweisen, den Begriff „Wettbewerb“ zu klassifizieren. Aus prozessualer Sicht beschreibt Wettbewerb als Austauschprozess „das Bestreben von Nachfragern, aus einer Mehrzahl von Anbietern denjenigen zum Tauschpartner zu machen, der zur Befriedigung eines bestimmten Bedürfnisses als am besten geeignet erscheint. Man kann Wettbewerb aber auch aus funktionaler Sicht sehen. Dann geht man davon aus, dass Wettbewerb eine Liste gesellschaftlicher Grundwerte innehat, die sich aus Freiheit, Wohlstand und Verteilungsgerechtigkeit zusammensetzen.[6] Dieser Grundkonsens, bestehend aus den eben genannten Grundwerten, liegt auch dieser Arbeit zugrunde. Er soll an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden. Ziel dieser Arbeit ist es zu beschreiben, wie der Elektrizitätsmarkt bis heute gehandhabt wurde und wie er in der Zukunft vermarktet wird. Es wird zunächst der Versuch unternommen, den Strommarkt vor der Liberalisierung zu beschreiben - in diesem Zusammenhang geht der Verfasser vor allem auf Aspekte der betriebswirtschaftlichen Situation ein. Anschließend wird die Marktsituation nach der Liberalisierung abgebildet und die daraus resultierenden betriebswirtschaftlichen Veränderungen. In einem weiteren Teil werden Chancen und Risiken aufgezeigt, die durch die Liberalisierung entstehen können.

2. Der Strommarkt vor der Liberalisierung

2.1. Zur Geschichte

In seinen Anfängen war der Strom aufgrund seines Produktionspreises nur den Stadtwerken (die prominentesten Beispiele solcher Unternehmen sind die Bewag in Berlin (1884), die HEW in Hamburg (1894) und die RWE in Essen (1898)) zur Vermarktung zugänglich; das sollte sich erst mit den sog. „Überlandzentralen“ ändern. Diese waren in der Lage, auch ländliche Gebiete und kleinere Gemeinden zu elektrifizieren. An dieser Stelle treten erstmals Konkurrenzsituationen unter den Stromerzeugern auf, denn aufgrund der Überlandzentralen gaben Anfang des 20. Jahrhunderts einige Stadtwerke die eigene Stromerzeugung auf, um sich vom nächsten Überlandwerk beliefern zu lassen. Städtische Netze verflochten sich bald mit denen von Überlandversorgern. Eine zweite Ebene der Stromversorgung entstand so parallel zu den Stadtwerken, aus der die heutigen Regionalversorger hervorgingen. Nach dem ersten Weltkrieg zeichnete sich eine dritte Ebene der Stromversorgung ab, die auch die Netze der Regionalversorger landes- und reichsweit verknüpfte. So gründeten zunächst Bayern und Baden 1921 eigene Gesellschaften für die landesweite Stromversorgung (,,Bayernwerk", ,,Badenwerk"). Es folgten die ,,Vereinigten Elektrizitätswerke Westfalen" (VEW) 1925 und die ,,Preußische Elektrizitäts AG" 1927, in der der preußische Staat seine Strominteressen bündelte. Mitte der 1920er Jahre begann RWE mit dem Bau von ,,Verbundleitungen". Am Ende entstand eine das ganze Reich durchziehende ,,Sammelschiene", die die Leitungen der Landesversorgungen miteinander verknüpfte und zum heutigen Verbundsystem wurde. Und so, wie früher die Überlandwerke die Eigenstromerzeugung der Stadtwerke zurückgedrängt hatten, drängten nunmehr die Verbundunternehmen mit ihren leistungsfähigen Großkraftwerken die Eigenstromerzeugung der Regionalversorger zurück.[7]

2.2. Zur Struktur

Vor der Liberalisierung herrschte in Deutschland auf den regionalen Strommärkten ein Gebietsmonopol auf Anbieterseite. Es gab regionale Monopole privater Versorger, die von zentralen Vorschriften des allgemeinen Wettbewerbsrechts ausgenommen waren. Jahrzehntelang hatte der Strommarkt eine Sonderstellung in der deutschen Wirtschaft. Das marktwirtschaftliche Prinzip des Angebotspluralismus war willentlich ausgesetzt worden und prägte nachhaltig die Entwicklung des gesamten Wirtschaftsbereiches Elektrizität.

2.3. Zur betriebswirtschaftlichen Situation

Die Angebot -und Nachfragesituation auf dem Strommarkt war jahrzehntelang durch dessen Sonderstellung in der deutschen Wirtschaft geprägt. Bedingt durch ihre Monopolstellung mussten die Anbieter den Strom nicht im eigentlichen Sinne verkaufen; er wurde vielmehr zugeteilt. Die Abnehmer waren gezwungen, bei dem jeweils für ihren Standort zuständigen Monopolisten zu kaufen. Bei ungünstigen Preisen oder Vertragskonditionen hatten sie nicht die Möglichkeit, einen anderen Anbieter zu wählen. Infolge der Abhängigkeit von einem Anbieter war der sich den Nachfragern bietende Verhandlungsspielraum entsprechend gering. Lediglich industriellen Großabnehmern wurden Sonderkonditionen zugestanden, während Haushalte und Kleingewerbe den festgesetzten und behördlich genehmigten Tarif bezahlen mussten.

Ein Wettbewerb unter den Stromanbietern, im eigentlichen Sinn, fand nicht statt. Sie hatten den Markt für die Stromversorgung unter sich aufgeteilt und es war vertraglich und gesetzlich vereinbart, dass kein Energieversorgungsunternehmen (EVU) außerhalb seines Gebietsmonopols Strom anbot. Lediglich in Konkurrenz zu anderen Energieformen entstand ein Wettbewerb. Dies war vor allem im Bereich der Wärmeerzeugung der Fall, wo es den Nachfragern möglich war, Strom durch andere Energieträger zu substituieren.

Eine direkte Art von Konkurrenz stellte außerdem die Eigenerzeugung von Strom durch die Nachfrager da. Diese Alternative zum Einkauf beim Monopolisten nutzten in erster Linie Industrieunternehmen, die eigene Kraftwerke betrieben (z.B. Wacker) und so einen Teil des Energiebedarfs ihrer Produktionsbetriebe decken konnten.
Es sollte an dieser Stelle allerdings erwähnt werden, dass die Art dieser Konkurrenz eher fiktiv denn real oder tatsächlich bedrohlich für die „Stromriesen“ war, denn der Anteil an Strom, der auf diese Weise produziert wurde, war schwindend gering und konnte so meist nur einen kleinen Teil ihres eigentlichen Bedarfs decken.
Der Großteil der Kosten entstand aus Leitungsbau, Systemstabilisierung und Übertragungsverlusten. Aufgrund ihrer Monopolstellung, der kontinuierlich hohen Nachfrage und der daraus resultierenden guten Ertragslage sahen sich die Stromerzeuger nicht genötigt, diese Kosten fortwährend im Auge zu behalten, „denn während die Kosten ungefähr proportional in der Höhe der Spannung steigen, wächst die Übertragungskapazität in der Höhe der Spannung überproportional, so daß die durchschnittlichen Kosten pro Lasteinheit sinken.“[8] Dies stellt Abbildung 1 dar.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1 (Eigene Darstellung): Natürliches Monopol mit sinkenden Stückkosten (durchschnittliche Kosten pro ausgebrachter Einheit)

Die gesamte Stromversorgung hatte in Zeiten vor der Liberalisierung den Charakter eines natürlichen Monopols. Fallende Stückkosten sind in diesem Zusammenhang wenn auch keine notwendige, so doch eine hinreichende Bedingung. Generell lässt sich sagen, dass ein natürliches Monopol dann vor liegt, „wenn die Marktversorgung von Skaleneffekten und/oder Verbundvorteilen am kostengünstigsten durch ein einziges Unternehmen realisiert werden kann (Subadditivität der Kosten).“[9]

Dies führte zu ,,öffentlich-rechtlichen" Strukturen, d.h. es wurde mehr Personal beschäftigt als nötig und nicht mit maximaler Kosteneffizienz produziert. Die Verwaltungs- und sonstigen Kosten lagen ebenfalls unnötig hoch, da die Anbieter häufig nicht sehr sparsam haushielten, sondern z.B. repräsentative, große Verwaltungsgebäude in Innenstadtlagen (RWE oder Avacon in Lüneburg) bauten und unproduktive Kraftwerke nicht vom Netz nahmen. Durch diesen geringen Kostendruck konnten die Stromversorger andererseits qualifiziertes Personal bei guter Bezahlung beschäftigen, einen ortsnahen technischen Service, sowie hohe Versorgungssicherheit und Stromqualität sicher stellen. Es bestand keine Veranlassung, die gewachsenen und bewährten Strukturen zu ändern. Deshalb existierten viele kleine eigenständige Energieversorgungs- oder Tochterunternehmen, oftmals mit Beteiligungen von Ländern und Gemeinden. Erzeugung, Stromnetze und Verteilung waren zumeist in einem Betrieb zusammengefasst. „Die enge Verbindung zwischen Stromübertragung und Erzeugung (einerseits und Verteilung andererseits) wird häufig als Komplementarität des Elektrizitätsangebots interpretiert“.[10] Doch bereits 1996 war klar, dass zwar Skalenerträge und Verbundvorteile bestehen, die aber die Titulierung „natürliches Monopol“ nicht rechtfertigen und somit einer wettberwerblichen Öffnung dieses Bereiches nichts entgegen zu bringen ist. Das Ausland hatte es zu diesem Zeitpunkt bereits vorgemacht.[11]

[...]


[1] Drasdo, Peter: Konzentration und Wettbewerb in der deutschen Energiewirtschaft, S.2.

[2] Vgl. ders., ebd., S.249ff.

[3] Kotler, Philip / Bliemel, Friedhelm: Marketing-Management, S.394.

[4] Vgl. dies., ebd., S.395.

[5] Monopolkommission: Wettbewerbspolitik in Netzstrukturen, S.69.

[6] Drasdo, Peter: Konzentration und Wettbewerb in der deutschen Energiewirtschaft, S.4.

[7] Vgl. http://www.steweag.at/steweag/gesch.htm;

vgl. http://www.steweag.at/steweag/gesch1.htm.

[8] Drasdo, Peter: Konzentration und Wettbewerb in der deutschen Energiewirtschaft, S.33.

[9] Hoster, Frank: Auswirkungen des europäischen Binnenmarktes für Energie auf die deutsche Elektrizitätswirtschaft, S.3.

[10] Drasdo, Peter: Konzentration und Wettbewerb in der deutschen Energiewirtschaft, S.33.

[11] Vgl. Hoster, Frank: Auswirkungen des europäischen Binnenmarktes für Energie auf die deutsche Elektrizitätswirtschaft, S.4f.

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Konzentration und Wettbewerb in der Energiewirtschaft am Beispiel des Strommarktes
Hochschule
Universität Lüneburg
Veranstaltung
Energiewirtschaft in Theorie und Praxis
Note
2.3
Autor
Jahr
2002
Seiten
23
Katalognummer
V78704
ISBN (eBook)
9783638851015
Dateigröße
460 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Konzentration, Wettbewerb, Energiewirtschaft, Beispiel, Strommarktes, Energiewirtschaft, Theorie, Praxis
Arbeit zitieren
Robert Nagel (Autor:in), 2002, Konzentration und Wettbewerb in der Energiewirtschaft am Beispiel des Strommarktes, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/78704

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