Nach Stalins Tod entwickelte sich bis zur Verhaftung Berijas Anfang Juli 1953 ein Machtkampf zwischen den Mitgliedern der kollektiven Führung, aus dem Chruščev durch seine Wahl zum Ersten Sekretär des Zentralkomitees und damit zum Parteichef als Gewinner hervorging. Mit seiner berühmten Rede auf dem XX. Parteitag wurde Chruščev in der Folgezeit als Initiator der ‚Entstalinisierung’ angesehen. Allerdings muss nach neueren Erkenntnissen „das Bild der Entstalinisierung grundlegend korrigiert werden. Die Bedeutung Chruščevs wurde offensichtlich bisher überbetont, die Rolle Berijas verschwiegen“ , oder von vielen Autoren unterschätzt.
Dieser Fehler resultiert zum großen Teil aus der schwierigen Quellenlage und Forschungssituation, da zum Teil heute noch „russischen wie westlichen Historikern weiterhin entscheidendes Material vorenthalten wird“ . Prägend für die ältere Literatur waren stets die Memoiren Chruščevs als nahezu einzige authentische Quelle. Die neuere Literatur hingegen kann auf wichtige Erkenntnisse zurückgreifen, die das Bild und Wirken Berijas während der kurzen Zeit zwischen März und Juli 1953 relativieren.
In dieser Arbeit soll der These nachgegangen werden, dass Berija zwischen dem Tod Stalins und seiner eigenen Entmachtung auf einer allgemeinen Versammlung des Präsidiums des Ministerrats und des Parteipräsidiums bereits erste Ansätze zur Entstalinisierung gelegt habe, was lange Zeit einzig Chruščev mit seiner berühmten Rede auf dem XX. Parteitag der KPdSU zugesprochen wurde.
Es gab Reformansätze Berijas im Bereich der Aufklärung der Ärzte-Affäre, der Amnestie von Gefangenen, der Nationalitätenpolitik und der Außenpolitik. Als sicher scheint zu gelten, dass aber für beide kommunistischen Politiker die Frage der Macht und des Machterhaltes mitentscheidend für ihr Wirken war.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Berija und Chruščev – Zwischen Reform und Machtstreben
- 2.1 Der Tod Stalins
- 2.2 Der Machtkampf zwischen Berija und Chruščev
- 2.3 Aufdeckung der Ärzte-Affäre und Beendigung der Terrormaßnahmen
- 2.4 Amnestie und Reorganisation des GULAG
- 2.5 Neuerungen in der Nationalitätenpolitik
- 2.6 Berija und die Deutschlandfrage
- 2.7 Die Entmachtung Berijas
- 3. Resümee
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die These, dass Lavrentij Berija zwischen Stalins Tod und seiner eigenen Entmachtung erste Ansätze zur Entstalinisierung unternahm. Lange Zeit wurde dieser Verdienst ausschließlich Nikita Chruschtschow zugeschrieben. Die Analyse konzentriert sich auf Berijas Reformen in verschiedenen Bereichen und hinterfragt den Einfluss von Machtpolitik auf dessen Handeln.
- Berijas Reformen nach Stalins Tod
- Der Machtkampf zwischen Berija und Chruščev
- Die Rolle der Ärzte-Affäre
- Änderungen in der sowjetischen Politik
- Die Frage der Entstalinisierung
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Die Einleitung beschreibt die Situation nach Stalins Tod im März 1953. Stalin vereinigte die Machtbefugnisse von Staat und Partei in seiner Person, was nach seinem Tod zu einem Machtkampf unter den verbliebenen Führungspersönlichkeiten führte. Die Zusammensetzung des neu gebildeten Parteipräsidiums wird erläutert, und die unterschiedlichen Konzepte von Berija, Malenkov und Chruschtschow bezüglich der Machtverteilung werden skizziert. Die Arbeit stellt die These auf, dass Berija bereits vor seiner Entmachtung im Juli 1953 erste Schritte zur Entstalinisierung unternahm, im Gegensatz zur gängigen Darstellung, die Chruschtschow in den Vordergrund stellt. Die schwierige Quellenlage und die einseitige Darstellung in der älteren Literatur, die stark auf Chruschtschows Memoiren beruht, werden hervorgehoben.
2. Berija und Chruščev – Zwischen Reform und Machtstreben: Dieses Kapitel beleuchtet den Machtkampf zwischen Berija und Chruščev nach Stalins Tod. Es wird der Tod Stalins im Kontext der "Ärzte-Affäre" betrachtet, wobei die unterschiedlichen Interpretationen der Ereignisse und das jeweilige Risiko für Berija und Chruščev unter Stalins Herrschaft erörtert werden. Berijas Rolle bei der Aufdeckung der Affäre als von Stalin konstruierte Intrige wird thematisiert, ebenso wie widersprüchliche Darstellungen seines Verhaltens am Sterbebett Stalins, wobei Chruschtschows Memoiren kritisch betrachtet werden. Die Kapitel analysieren die verschiedenen Reformansätze Berijas wie die Amnestie von Gefangenen, die Reformen im GULAG und in der Nationalitätenpolitik. Auch Berijas Rolle in Bezug auf die Deutschlandfrage und schließlich seine Entmachtung werden umfassend behandelt.
Schlüsselwörter
Entstalinisierung, Lavrentij Berija, Nikita Chruščev, Machtkampf, Ärzte-Affäre, Amnestie, GULAG, Nationalitätenpolitik, Sowjetunion, Reform, Stalinismus.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu: Berija und Chruschtschow – Zwischen Reform und Machtstreben
Was ist der Gegenstand der vorliegenden Arbeit?
Die Arbeit untersucht die These, dass Lavrentij Berija nach Stalins Tod erste Ansätze zur Entstalinisierung unternahm, bevor er selbst entmachtet wurde. Im Gegensatz zu gängiger Darstellung, die diesen Verdienst Chruschtschow zuschreibt, konzentriert sich die Analyse auf Berijas Reformen und den Einfluss von Machtpolitik auf sein Handeln.
Welche Themen werden im Detail behandelt?
Die Arbeit behandelt Berijas Reformen nach Stalins Tod, den Machtkampf zwischen Berija und Chruschtschow, die Rolle der Ärzte-Affäre, Änderungen in der sowjetischen Politik und die Frage der Entstalinisierung im Kontext des Übergangs nach Stalins Tod.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit gliedert sich in eine Einleitung, ein Hauptkapitel ("Berija und Chruschtschow – Zwischen Reform und Machtstreben"), und ein Resümee. Das Hauptkapitel analysiert verschiedene Aspekte von Berijas Wirken, darunter den Tod Stalins, den Machtkampf mit Chruschtschow, die Aufdeckung der Ärzte-Affäre, Amnestie und Reformen im GULAG, Neuerungen in der Nationalitätenpolitik, Berijas Rolle in der Deutschlandfrage und schließlich seine Entmachtung.
Welche Quellen werden verwendet?
Die Arbeit thematisiert die schwierige Quellenlage und die einseitige Darstellung in der älteren Literatur, die stark auf Chruschtschows Memoiren beruht. Die Arbeit hinterfragt kritisch diese einseitige Perspektive.
Welche Rolle spielt die Ärzte-Affäre?
Die Arbeit betrachtet den Tod Stalins im Kontext der Ärzte-Affäre und erörtert die unterschiedlichen Interpretationen der Ereignisse und das jeweilige Risiko für Berija und Chruschtschow unter Stalins Herrschaft. Berijas Rolle bei der Aufdeckung der Affäre als von Stalin konstruierte Intrige wird thematisiert.
Welche Reformen werden Berija zugeschrieben?
Der Arbeit zufolge unternahm Berija Reformen in verschiedenen Bereichen, einschließlich Amnestie von Gefangenen, Reformen im GULAG und in der Nationalitätenpolitik. Die Arbeit analysiert diese Reformen und deren Kontext.
Wie wird der Machtkampf zwischen Berija und Chruschtschow dargestellt?
Das Hauptkapitel beleuchtet den Machtkampf zwischen Berija und Chruschtschow nach Stalins Tod. Es werden die unterschiedlichen Konzepte der beiden bezüglich der Machtverteilung und die sich daraus ergebenden Konflikte analysiert.
Welche Schlussfolgerung zieht die Arbeit?
Die Arbeit argumentiert, dass Berija im Gegensatz zur landläufigen Meinung bereits vor seiner Entmachtung erste Schritte zur Entstalinisierung unternahm. Diese Schlussfolgerung wird durch die Analyse von Berijas Reformen und seinem Handeln im Kontext des Machtkampfes mit Chruschtschow gestützt.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Entstalinisierung, Lavrentij Berija, Nikita Chruschtschow, Machtkampf, Ärzte-Affäre, Amnestie, GULAG, Nationalitätenpolitik, Sowjetunion, Reform, Stalinismus.
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- David Hohm (Autor), 2007, Berijas Reformen nach Stalins Tod - Erste Ansätze zur Entstalinisierung?, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/78706