Die Lehre von Verfahrensgrundsätzen hat im Einzelzwangsvollstreckungsrecht ähnlich wie im Insolvenzrecht keine, oder doch nur sehr kurze
Tradition. Dies mag bloß daran liegen, dass die Struktur der Zwangsvollstreckung der Prinzipienbildung widerstrebt. Sodann ist fraglich, ob es einen „festen“ Prinzipienkatalog überhaupt geben kann. Einen tradierten Kanon von Vollstreckungsprinzipien scheint es jedenfalls nicht zu geben.
Zwangsvollstreckung ist das Verfahren zur Durchsetzung eines in einem
Vollstreckungstitel für den Gläubiger gegen den Schuldner festgelegten Anspruchs vermittels staatlicher Gewalt. Man spricht hierbei auch von der Einzelzwangsvollstreckung – es greifen einzelne Gläubiger auf einzelne Vermögensgegenstände des Schuldner ( zwangsweise ) zu. Davon zu unterscheiden ist die Gesamtvollstreckung, bei der eine Mehrheit von Gläubigern auf das gesamte Vermögen des Schuldners zugreift.
Das Gesetz unterscheidet nach den möglichen titulierten Ansprüchen die Vollstreckung wegen : Geldforderungen ( §§ 803 – 871 ) Herausgabe von Sachen ( §§ 883 – 886 ); Erzwingung von Handlungen und Unterlassungen ( §§ 887 –893 ); Abgabe von Willenserklärungen ( §§ 894 – 898 ). Nicht schon um Zwangsvollstreckung handelt es sich hingegen bei Arrest und einstweiliger Verfügung ( §§ 916 – 945 ) , die lediglich der Sicherung einer künftigen Vollstreckung dienen. Ferner wird innerhalb der Vollstreckung wegen Geldforderungen nach dem Zugriffsobjekt unterschieden zwischen der Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen ( §§ 808 – 827 : körperliche Sachen; §§ 828 – 863 : Forderungen und andere Vermögensrechte ) und in das unbewegliche Vermögen ( §§ 864 – 871 i.V.m. ZVG ).
Aus der vorangestellten Definition ergibt sich: Aufgabe der Zwangsvollstreckung ist es in erster Linie, dem Gläubiger zu der ihm wegen seines titulierten Anspruchs gegen den Schuldner gebührenden Befriedigung verhelfen. Die Aufgabe der Zwangsvollstreckung ist also die Rechtsverwirklichung. Der staatlichen Gewalt bedarf es deswegen, weil dem Gläubiger eine Selbsthilfe – von Ausnahmen abgesehen ( z.B. §§ 229 f, 562 b, 859 BGB ) – im Interesse des Rechtsfriedens verboten ist. Das Gewaltmonopol liegt beim Staat, und gegen diesen hat der Gläubiger einen vom Justizgewährungsanspruch umfassten Vollstreckungsanspruch ( Art. 2 I, 14, 20 III GG ).
Inhaltsverzeichnis
- Vorüberlegung - Einleitung
- I. Begriff, Regelung und thematische Eingrenzung der Zwangsvollstreckung
- II. Prinzipien und Zwangsvollstreckungsrecht
- 1. Stand der Lehre
- 2. Aufgabe und Natur des Zwangsvollstreckungsrechts
- 3. Vollstreckungsspezifische Prinzipien
- a. Prinzip der dezentralen Organisation
- b. Formalisierungsprinzip
- c. Prinzip der effektiven Vollstreckung
- d. Prioritätsprinzip
- e. Prinzip der Realexecution - kleine Geschichte des Schuldnerschutzes
- f. Prinzip des freien Gläubigerzugriffs
- III. Prinzipien und Verfassungsrecht
- 1. Zu Problem und Relevanz der materiellen Einordnung der Zwangsvollstreckung innerhalb des öffentlichen Rechts
- 2. Konsequenz für die Geltung von Verfassungsgrundsätzen
- 3. Besondere Ausprägungen von Verfassungsgrundsätzen in der Zwangsvollstreckung
- 4. Verfahrensgrundrechte
- IV. Prinzipien und Verfahrensrecht
- 1. Verwaltungsverfahrensrecht
- 2. Erkenntnisverfahren
- 3. Freiwillige Gerichtsbarkeit
- V. Prinzipien und materielles Recht
- 1. Allgemeine Prinzipien
- 2. Sachenrechtliche Prinzipien
- 3. Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge und unbeschränkten Erbenhaftung
- VI. Schlussbetrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Prinzipien der Zwangsvollstreckung im deutschen Recht. Ziel ist es, die verschiedenen Prinzipien zu identifizieren, zu analysieren und ihre Bedeutung im Kontext von Verfassungsrecht, Verfahrensrecht und materiellem Recht zu beleuchten. Die Arbeit konzentriert sich auf die Interaktion und den Einfluss dieser Prinzipien aufeinander.
- Prinzipien der Zwangsvollstreckung im deutschen Recht
- Beziehung zwischen den Prinzipien der Zwangsvollstreckung und dem Verfassungsrecht
- Einfluss von Verfahrensrecht und materiellem Recht auf die Prinzipien der Zwangsvollstreckung
- Die Rolle des Schuldner- und Gläubigerschutzes
- Analyse der dezentralen Organisation der Zwangsvollstreckung
Zusammenfassung der Kapitel
Vorüberlegung - Einleitung: Die Einleitung führt in das Thema der Zwangsvollstreckung ein und skizziert den Aufbau und die Zielsetzung der Arbeit. Sie definiert den Untersuchungsgegenstand und grenzt ihn thematisch ein, um den Rahmen der folgenden Analyse abzustecken. Der Fokus liegt auf der Identifizierung und Analyse der Prinzipien, welche die Zwangsvollstreckung prägen.
I. Begriff, Regelung und thematische Eingrenzung der Zwangsvollstreckung: Dieses Kapitel beschreibt den Begriff der Zwangsvollstreckung, beleuchtet die relevanten gesetzlichen Regelungen und grenzt den thematischen Fokus der Arbeit präzise ein. Es legt die Grundlage für das Verständnis der nachfolgenden Analysen der zugrundeliegenden Prinzipien.
II. Prinzipien und Zwangsvollstreckungsrecht: Dieses zentrale Kapitel untersucht die Prinzipien, die das Zwangsvollstreckungsrecht bestimmen. Es analysiert den Stand der Rechtslehre, die Aufgabe und Natur des Rechtsgebietes und beleuchtet im Detail verschiedene spezifische Prinzipien wie das der dezentralen Organisation, das Formalisierungsprinzip, das Prinzip der effektiven Vollstreckung, das Prioritätsprinzip, das Prinzip der Realexecution und das Prinzip des freien Gläubigerzugriffs. Jedes Prinzip wird einzeln erklärt und seine Bedeutung im Kontext des Zwangsvollstreckungsverfahrens erörtert, wobei die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Prinzipien hervorgehoben werden.
III. Prinzipien und Verfassungsrecht: Dieses Kapitel analysiert die Beziehung zwischen den Prinzipien der Zwangsvollstreckung und dem deutschen Verfassungsrecht. Es untersucht die Relevanz der Einordnung der Zwangsvollstreckung im öffentlichen Recht und die Konsequenzen für die Geltung von Verfassungsgrundsätzen. Der Schwerpunkt liegt auf der Betrachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips, der Grundrechte und ihrer Ausprägungen im Kontext der Zwangsvollstreckung, insbesondere des Gläubiger- und Schuldnerschutzes. Die Rolle von Verfahrensgrundrechten wie dem aufgeschobenen Gehör und dem fairen Verfahren wird ebenfalls diskutiert.
IV. Prinzipien und Verfahrensrecht: Hier wird der Einfluss des Verwaltungsverfahrensrechts, des Erkenntnisverfahrens und der freiwilligen Gerichtsbarkeit auf die Prinzipien der Zwangsvollstreckung untersucht. Die Analyse umfasst Grundsätze wie die bloße Anfechtbarkeit, den Dispositionsgrundsatz, den Verhandlungsgrundsatz, die Parteiöffentlichkeit, den Grundsatz der materiellen Prozessleitung, die Offizialmaxime und den Amtsbetrieb. Die spezifischen Verfahrensregeln werden im Kontext der zugrundeliegenden Prinzipien interpretiert.
V. Prinzipien und materielles Recht: Dieses Kapitel befasst sich mit der Interaktion der Prinzipien der Zwangsvollstreckung mit dem materiellen Recht. Es analysiert allgemeine Prinzipien wie die eingeschränkte Vertragsfreiheit, den Grundsatz von Treu und Glauben und das Prioritätsprinzip. Weiterhin werden sachenrechtliche Prinzipien wie der Numerus clausus, die Publizität, die Bestimmtheit und Spezialität sowie Prinzipien beschränkter Verwertungsrechte, insbesondere die dingliche Surrogation und der Erhalt wirtschaftlicher Einheiten, untersucht. Schließlich wird das Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge und der unbeschränkten Erbenhaftung erörtert.
Schlüsselwörter
Zwangsvollstreckung, Prinzipien, Verfassungsrecht, Verfahrensrecht, materielles Recht, Gläubigerschutz, Schuldnerschutz, Dezentrale Organisation, Formalisierung, Effektivität, Priorität, Realexecution, freier Gläubigerzugriff, Verhältnismäßigkeit, Verfahrensgrundrechte, Sachenrecht.
Häufig gestellte Fragen zur Arbeit: Prinzipien der Zwangsvollstreckung im deutschen Recht
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Die Arbeit untersucht die Prinzipien der Zwangsvollstreckung im deutschen Recht. Sie analysiert die verschiedenen Prinzipien, ihre Bedeutung im Kontext von Verfassungsrecht, Verfahrensrecht und materiellem Recht und deren Interaktion.
Welche Prinzipien der Zwangsvollstreckung werden behandelt?
Die Arbeit behandelt zahlreiche Prinzipien, darunter die dezentrale Organisation, das Formalisierungsprinzip, das Prinzip der effektiven Vollstreckung, das Prioritätsprinzip, das Prinzip der Realexecution, das Prinzip des freien Gläubigerzugriffs, sowie die Interaktion mit verfassungsrechtlichen Grundsätzen wie dem Verhältnismäßigkeitsprinzip und Grundrechten.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit gliedert sich in sechs Kapitel: Einleitung, Begriff und Eingrenzung der Zwangsvollstreckung, Prinzipien und Zwangsvollstreckungsrecht, Prinzipien und Verfassungsrecht, Prinzipien und Verfahrensrecht, Prinzipien und materielles Recht, sowie eine Schlussbetrachtung. Jedes Kapitel befasst sich mit einem spezifischen Aspekt der Prinzipien der Zwangsvollstreckung.
Welche Rolle spielt das Verfassungsrecht?
Die Arbeit analysiert die Beziehung zwischen den Prinzipien der Zwangsvollstreckung und dem deutschen Verfassungsrecht. Sie untersucht die Relevanz der Einordnung der Zwangsvollstreckung im öffentlichen Recht und die Konsequenzen für die Geltung von Verfassungsgrundsätzen, insbesondere Grundrechte und den Gläubiger- und Schuldnerschutz.
Wie beeinflusst das Verfahrensrecht die Prinzipien der Zwangsvollstreckung?
Die Arbeit untersucht den Einfluss des Verwaltungsverfahrensrechts, des Erkenntnisverfahrens und der freiwilligen Gerichtsbarkeit auf die Prinzipien der Zwangsvollstreckung. Sie analysiert die Relevanz von Grundsätzen wie der bloßen Anfechtbarkeit, dem Dispositionsgrundsatz etc. im Kontext der Zwangsvollstreckung.
Welche Rolle spielt das materielle Recht?
Die Arbeit analysiert die Interaktion der Prinzipien der Zwangsvollstreckung mit dem materiellen Recht, einschließlich allgemeiner Prinzipien (z.B. eingeschränkte Vertragsfreiheit, Treu und Glauben), sachenrechtlicher Prinzipien (z.B. Numerus clausus, Publizität) und dem Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge.
Was ist das Ziel der Arbeit?
Ziel der Arbeit ist es, die verschiedenen Prinzipien der Zwangsvollstreckung zu identifizieren, zu analysieren und ihre Bedeutung im Kontext von Verfassungsrecht, Verfahrensrecht und materiellem Recht zu beleuchten. Der Fokus liegt auf der Interaktion und dem Einfluss dieser Prinzipien aufeinander.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Zwangsvollstreckung, Prinzipien, Verfassungsrecht, Verfahrensrecht, materielles Recht, Gläubigerschutz, Schuldnerschutz, Dezentrale Organisation, Formalisierung, Effektivität, Priorität, Realexecution, freier Gläubigerzugriff, Verhältnismäßigkeit, Verfahrensgrundrechte, Sachenrecht.
Gibt es Kapitelzusammenfassungen?
Ja, die Arbeit enthält detaillierte Zusammenfassungen jedes Kapitels, die die wichtigsten Punkte und Ergebnisse jedes Abschnitts zusammenfassen.
Für wen ist diese Arbeit bestimmt?
Diese Arbeit ist für Wissenschaftler und Studierende im Bereich des Rechts, insbesondere des Zivilrechts und des Zwangsvollstreckungsrechts, bestimmt. Sie dient der akademischen Auseinandersetzung mit dem Thema und der Analyse der Prinzipien der Zwangsvollstreckung.
- Citar trabajo
- Benjamin Engelhardt (Autor), 2007, Welche Prinzipien gelten in der Zwangsvollstreckung?, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/78999