Mitten in die deutsche Wiederbewaffnungsdebatte platzte im März 1952 Stalins Angebot an die westlichen Siegermächte für ein vereinigtes Deutschland. Die Bedingungen: Verzicht auf die deutschen Gebiete jenseits von Oder und Neiße sowie politische und militärische Neutralität des vereinigten Deutschlands. Dieser sogenannten Stalin-Note folgten bis 1955 weitere Deutschland-Initiativen von sowjetischer Seite.
Adenauer lehnte alle diese Angebote unverzüglich und kategorisch ab. Mit den drei Westmächten war er sich einig, dass die Vorstöße aus Moskau im wesentlichen auf die Verhinderung der Integration der Bundesrepublik ins westliche Lager zielten. Für Adenauer war die Stalin-Note nicht mehr als ein „Scheinmanöver“, um die deutsche Öffentlichkeit über die wahren Absichten der Sowjetregierung hinwegzutäuschen.
Diese Bewertung war in der zeitgenössischen Diskussion ebenso heftig umstritten wie im folgenden unter Historikern. Die wissenschaftliche Kontroverse über die Möglichkeiten für eine Vereinigung Deutschlands auf der Basis der damaligen sowjetischen Verhandlungsangebote ist auch nach 1990 nicht abgerissen. Der Zugang zu den bis dahin verschlossenen östlichen Archiven brachte zwar eine Fülle an neuem Material, reproduzierte aber in den daraus gezogenen Schlüssen die konträre historische Beurteilung der sowjetischen Initiativen aus den 1980er Jahren.
Besonderes Augenmerk wird in dieser Arbeit auf die Ziele und Motive sowjetischer Deutschlandpolitik zwischen 1952 und 1955 gelegt. Unter Bezug auf neueres Quellenmaterial und Sekundärliteratur, die ihre Erkenntnisse hauptsächlich aus der Analyse von Aktenmaterial aus den Archiven des sowjetischen Außenministeriums und der SED gewinnt (v.a. Arbeiten von Gerhard Wettig und Wilfried Loth), wird deutlich, dass es in der sowjetischen Deutschlandpolitik dieser Jahre verschiedene Phasen und Tendenzen gab.
Dennoch haben die sowjetischen Angebote im Sinne Adenauers zu keinem Zeitpunkt Optionen für eine Überwindung der deutschen Teilung eröffnet. Da ein neutrales Gesamtdeutschland auch den militärischen und politischen Interessen der Westmächte widersprach, hat es auf Basis der sowjetischen Deutschland-Initiativen in den Jahren 1952 bis 1955 für eine deutsche Wiedervereinigung keine realistischen Möglichkeiten gegeben.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Zwei deutsche Staaten - Die Integration in die Machtblöcke
- Die Bundesrepublik - Souveränität durch Integration
- Die DDR-Unter Moskauer Führung
- Die Notenoffensive Stalins
- Stalins Absichten - Deutungsversuche und Belege
- „Sicherheit für und vor Deutschland“ - Die Reaktion Adenauers und der Westmächte
- „You must organize your own state“ - Die Konsolidierung des Sozialismus in der DDR
- Sowjetische Deutschlandpolitik nach Stalins Tod
- Während des Interregnums - Der „Plan Berijas“ und der „Neue Kurs“
- Im Zeichen des Zwei-Staaten-Kurses und der Pariser Verträge
- Resümee
- Zeittafel
- Abkürzungen
- Quellen und Literatur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit den sowjetischen Deutschland-Initiativen der Jahre 1952 bis 1955. Ziel ist es, die Möglichkeiten zu beleuchten, die diese Initiativen für eine deutsche Wiedervereinigung eröffnet haben mögen. Darüber hinaus werden die sowjetischen Motivationen für eine Herstellung der Einheit Deutschlands und die Ziele der sowjetischen Deutschlandpolitik im Mittelpunkt der Untersuchung stehen.
- Die sowjetischen Deutschland-Initiativen 1952-1955
- Die Möglichkeiten der Wiedervereinigung Deutschlands
- Die sowjetischen Motivationen für eine Wiedervereinigung
- Die Ziele der sowjetischen Deutschlandpolitik
- Die Reaktionen auf die sowjetischen Verhandlungsangebote
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung stellt den historischen Kontext der Arbeit vor und erläutert die Zielsetzung der Untersuchung. Sie beleuchtet die Wiedervereinigung Deutschlands im Kontext des Zwei-plus-Vier-Vertrags und stellt die Diskussion um die sowjetischen Verhandlungsangebote in den Jahren 1952-1955 dar.
- Zwei deutsche Staaten - Die Integration in die Machtblöcke: Dieses Kapitel analysiert die Entstehung der beiden deutschen Staaten im Nachkriegsdeutschland. Es beleuchtet die Abhängigkeit der Bundesrepublik und der DDR von ihren Besatzungsmächten und die stark eingeschränkte Souveränität der beiden Teilstaaten.
- Die Notenoffensive Stalins: Dieses Kapitel analysiert die sowjetischen Noten von 1952, die eine Wiedervereinigung Deutschlands vorschlugen. Es werden die Absichten Stalins sowie die Reaktionen Adenauers und der Westmächte beleuchtet. Zudem wird die Konsolidierung des Sozialismus in der DDR im Kontext dieser Verhandlungsangebote untersucht.
- Sowjetische Deutschlandpolitik nach Stalins Tod: Dieses Kapitel untersucht die sowjetische Deutschlandpolitik nach Stalins Tod. Es beleuchtet die Entwicklung der sowjetischen Politik im Kontext des „Plan Berijas“ und des „Neuen Kurses“ sowie im Zeichen des Zwei-Staaten-Kurses und der Pariser Verträge.
Schlüsselwörter
Die Arbeit konzentriert sich auf die sowjetischen Deutschland-Initiativen zwischen 1952 und 1955. Zentrale Themen sind die Möglichkeiten der Wiedervereinigung Deutschlands, die sowjetischen Motivationen für eine Herstellung der Einheit Deutschlands sowie die Ziele der sowjetischen Deutschlandpolitik. Zu den Schlüsselbegriffen gehören die Stalin-Note, die „vertane Chance“ der Wiedervereinigung, die sowjetische Deutschlandpolitik, die Integration der Bundesrepublik in das westliche Bündnissystem und die Konsolidierung des Sozialismus in der DDR.
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- Victoria Krummel (Autor), 1999, Die sowjetischen Deutschland-Initiativen in den Jahren 1952 bis 1955 , Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/79043