Um ein besseres Verständnis für die Theorien der beiden Klassiker der Pädagogik, Georg Kerschensteiner (1854-1932) und Eduard Spranger (1882-1963) gewinnen zu können, muss man einen kurzen Blick auf die geschichtlichen Hintergründe der damaligen Berufserziehung werfen. Das Ende des 19. Jahrhunderts war geprägt von einer Periode der Großen Depression, die der entscheidenden Wende zum Wirtschaftswachstum zugrunde liegt. Durch die zunehmende Industrialisierung brachte „der endgültige Übergang zum Massenzeitalter […] den alten Mittelstand, insbesondere das Handwerk in massive ökonomisch-existentielle Bedrängnis.“ (Greinert, 1998, S. 38) Durch diese Entwicklung wurden die Heranwachsenden immer mehr als reine Werksarbeiter erzogen, die nur für die Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit ausgebildet wurden. Die weit umfassende Ausbildung bei den „Handwerkerfamilien“ konnte nicht mehr gewährleistet werden. „Beim Handwerk zeigt sich dieser Strukturwandel als Auflösung der ständischen Welt des „ganzen Hauses“, einem Sozialzusammenhang, der zugleich die sittliche, kulturelle, politische und beruflich-fachliche Erziehung der Lehrlinge garantierte.“ (ebenda, S. 46) Den großen Betrieben, die die Jugend zur Massenproduktion „missbrauchten“ war es „nicht mehr möglich […] eine im Sinne sozialer Handlungsorientierung umfassende erzieherische Wirkung auszuüben.“ (ebenda, S. 46/47)
Folge dieser Entwicklung war eine Erziehungslücke, die durch den frühen Abbruch der Volksschule und dem erst später einsetzenden Militärdienst entstand. Ein Umdenken in der Frage der Berufsausbildung war aus gesellschaftlichen Gesichtspunkten unabdingbar.
Inhaltsverzeichnis
- Problemstellung
- Berufsbildung
- Berufsbildung nach Georg Kerschensteiner
- Berufsbildung nach Eduard Spranger
- Bildungsverständnis der höheren Allgemeinbildung
- Höhere Allgemeinbildung nach Georg Kerschensteiner
- Höhere Allgemeinbildung nach Eduard Spranger
- Konfliktpunkte der beiden Theorien
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit befasst sich mit den Theorien von Georg Kerschensteiner und Eduard Spranger im Hinblick auf die Berufsbildung und die höhere Allgemeinbildung. Ziel ist es, die Konfliktpunkte zwischen den beiden Pädagogen im Kontext der Berufsbildung aufzuzeigen, indem ihre unterschiedlichen Bildungsverständnisse und Anforderungen an die Berufsbildung beleuchtet werden.
- Die unterschiedlichen Ansichten über die Berufswahl und den inneren Beruf
- Die zeitliche Einordnung der höheren Allgemeinbildung
- Die verschiedenen Anforderungen an den Zustand der Allgemeinbildung
- Die Rolle der praktischen Arbeit und des „learning-by-doing“ in der Berufsbildung
- Die Bedeutung von Werkkönnen und Werkwissen für die Berufsausübung
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel führt in die Problematik der Berufsbildung im frühen 20. Jahrhundert ein. Es wird die historische Entwicklung der Berufsbildung im Kontext der Industrialisierung und der daraus resultierenden Veränderungen in der Gesellschaft beleuchtet. Der zweite Teil der Arbeit beschäftigt sich mit der Theorie Georg Kerschensteiners und Eduard Sprangers zur Berufsbildung. Hier werden die jeweiligen Konzepte und Ansichten über die Rolle der Berufsbildung und die Bedeutung des „learning-by-doing“ erläutert. Das dritte Kapitel analysiert das Bildungsverständnis der höheren Allgemeinbildung, sowohl nach Kerschensteiner als auch nach Spranger. Es wird untersucht, wie die beiden Pädagogen den Prozess der höheren Allgemeinbildung in Bezug auf die Berufsbildung einordnen und welche Anforderungen sie an diese Bildungsebene stellen. Das vierte und letzte Kapitel befasst sich mit den Konfliktpunkten zwischen den beiden Theorien, wobei die Unterschiede in ihren Bildungsverständnissen, ihren Anforderungen an die Berufsbildung und ihre Sicht auf die Rolle der höheren Allgemeinbildung im Kontext der Berufsbildung im Vordergrund stehen.
Schlüsselwörter
Berufsbildung, höhere Allgemeinbildung, Georg Kerschensteiner, Eduard Spranger, Duales System, Berufsschule, Werkkönnen, Werkwissen, „learning-by-doing“, Handwerk, Industrialisierung, Reformbewegung.
- Citar trabajo
- Thomas Melzl (Autor), 2006, Georg Kerschensteiner und Eduard Spranger - Konfliktlinien in der Berufsbildung in Hinblick auf die höhere Allgemeinbildung, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/79137