Von der Überlebens- zur Erlebnisgesellschaft - Welche Auswirkungen hat das auf den Sport?


Dossier / Travail, 2001

26 Pages, Note: 1,3


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Von der Überlebensgesellschaft zur Erlebnisgesellschaft
1.1 Die moderne Konsumgesellschaft
1.2 Die neue Innenorientierung des Ichs
1.3 Die Suche nach dem ultimativen Erlebnis

2. Risiko und Sport
2.1 Definition des Begriffs Risiko
2.2.1 Merkmale von Risiko- und Extremsportarten
2.2.2 Sinnzuschreibungen von Risiko- und Extremsport
2.3 Zur psychologischen Erklärung von Risiko- und Extremsport

Resümee

Literaturverzeichnis

Einleitung

Die vorliegende Hausarbeit beschäftigt sich mit der Fragestellung, inwiefern sich der Sport durch eine Wandlung der westlichen Welt von einer, überspitzt gesagt, Überlebensgesellschaft in eine Art „Erlebnisgesellschaft“ schon verändert hat, bzw. sich noch weiter anpassen muss, um auch in Zukunft eine derart bedeutende Rolle in unserer Gesellschaft zu beanspruchen und zu verkörpern. Stichworte für den gegenwärtigen gesellschaftlichen Wandel sind: Individualisierung, Aufgabe familiärer Strukturen, Bindungs- und Orientierungslosigkeit, Eintönigkeit der Städte und Banalisierung unseres Alltags in einer langweiligen, routinierten, vorgefertigten, keimfreien, austauschbaren, monotonen Welt - aber auch: Suche nach tiefen Erlebnissen, Sehnsucht nach spontanem Glück und Bedürfnis nach Spannung und Aktion. Gesellschaften wie die unserige, die immer rationaler und damit körperloser werden, erzeugen ein zunehmendes Wunschpotential nach intensiven, körperbetonten, ,,authentischen" Erlebnissen. Mittlerweile steht solchen Wünschen und Bedürfnissen ein Spektrum an kanalisierenden Befriedigungsangeboten gegenüber, das von Abenteuerreisen, Trekkingtouren und Überlebens-Camps bis hin zu immer gefährlicheren Extremsportarten reicht.

Die Bedeutung des Sports hat sich in den letzten Jahrzehnten demzufolge verändert und ausdifferenziert. Der Sport nimmt einen immer breiteren Raum ein, wobei sich Erscheinungsfeld und Absichten dieses Bereichs beständig verändern. Ein neueres Phänomen ist dabei die Individualisierung und die Suche nach neuen Reizen. Beide Variablen führen zu einer Vielfalt sportlicher Betätigungsmöglichkeiten. Dementsprechend wenden sich immer mehr Menschen den sogenannten Erlebnis-, Abenteuer-, Risiko- sowie Extremsportarten zu und suchen den ,,Weekend-Thrill". Infolge dessen soll es nun in dieser Hausarbeit darum gehen, den Wandel zur Erlebnisgesellschaft zu beschreiben und deren Charakteristik zu erläutern. Ferner soll dargestellt werden, wie sich vor allem die Motive der Menschen bezüglich des Sporttreibens innerhalb der Erlebnisgesellschaft verändert haben, und welche pädagogischen und psychologischen Auswirkungen die Erlebnisgesellschaft auf das Sportsystem hat.

1. Von der Überlebensgesellschaft zur Erlebnisgesellschaft

In diesem Kapitel der Hausarbeit wird auf die Charakteristik der Erlebnisgesellschaft eingegangen. In den letzten Jahrzehnten rückte das Erleben des Lebens durch gesellschaftliche Veränderungen der normalen existentiellen Problemdefinition ins Zentrum des Bewusstseins der Menschen. Unter dem Druck des Imperativs ,,Erleben dein Leben!" entsteht eine fortlaufende Handlungsdynamik, organisiert im Rahmen eines rasant wachsenden Erlebnismarktes, der kollektive Erlebnismuster beeinflusst und soziale Milieus als Erlebnisgemeinschaft prägt. Im Folgenden soll nun die Vermehrung der Möglichkeiten, der Wandel der Lebensauffassungen und der Imperativ der Gegenwart ,,Erlebe dein Leben" näher beleuchtet werden.

1.1 Die moderne Konsumgesellschaft

Durch eine Angebotsexplosion, den Wegfall von Zugangsbeschränkungen, die Ausweitung der Konsumwelt sowie durch Umwandlungen von einer genau vorgegebenen Realität in eine gestaltbare Wirklichkeit, haben sich die Möglichkeiten des Einzelnen enorm erweitert, was letztendlich zu einem Wandel der Lebensauffassungen in unserer Gesellschaft geführt hat.

Nach schulze (1992, 55) leben wir heute in einer Gesellschaft, in der es im Vergleich zu früher und zu anderen Gesellschaften nicht mehr um das Überleben geht. Die Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland hat auf die Veränderungen der Lebensbedingungen mit einer Veränderung der Lebensweise reagiert. Immer mehr Menschen handeln erlebnisorientiert.

Die Suche nach dem ultimativen Erlebnis ist zu einem relevanten Bestandteil des Alltags geworden. Dieser Wandel lässt sich demnach auch als Weg von der Überlebensorientierung zur Erlebnisorientierung beschreiben. Die daraus entstandene Erlebnisgesellschaft ist eine Gesellschaft, in der Grundbedürfnisse und Mittel zum Überleben gesichert sind, und dementsprechend andere Bedürfnisse, wie das Erlebnis, im Vordergrund stehen (vgl. schulze 1992, 59).

Desweiteren stellt schulze (1992, 58) die These auf, dass wir uns nicht mehr unter einem existentiellen Entscheidungsdruck befinden, sondern eher in einer Situation stecken, die man als ,,Entscheidungssog" bezeichnen könnte. „Für das Einschalten oder Nichteinschalten des Radios besteht kein dringender Bedarf; der Kauf des x-ten Paares Schuhe erfolgt ohne Notwendigkeit; das gerade erstandene Buch wird vielleicht niemals gelesen; man geht ins Restaurant, obwohl man gerade zu Abend gegessen hat. Es kommt nicht darauf an, aber man ..., nimmt irgend etwas im Vorbeigehen noch mit, findet etwas anderes ganz nett und holt es sich. Man muss sich nicht entscheiden, aber man entscheidet sich doch, wie jemand, der im Zustand der Sättigung gedankenverloren in eine Pralinenschachtel greift" (ebd.).

1.2 Die neue Innenorientierung des Ichs

Während in der Mangel- bzw. Überlebensgesellschaft die Außenorientierung des Ichs galt, gilt in der Erlebnisgesellschaft die Innenorientierung. In unserer Gesellschaft ist der kleinste gemeinsame Nenner von Lebensauffassungen, die Gestaltungsidee eines schönen, interessanten, subjektiv als lohnend empfundenen Lebens.

An dieser Stelle taucht die Frage auf, ob ,,das Projekt des schönen Lebens" nicht nur ein anderer Ausdruck für Lebensauffassungen ist. Diese Vermutung lässt sich durch den Hinweis auf Lebensauffassungen widerlegen. Denn die innenorientierte Lebensauffassung zeichnet sich nach schulze (1992, 32) durch das ,,Projekt des schönen Lebens" aus und unterscheidet sich von außenorientierten Lebensauffassungen wie z.B. das ,,Projekt des dienenden, einer Sache untergeordneten Lebens" oder das ,,Projekt des bloßen physischen Überlebens". Die Unterscheidung von Außenorientierung und Innenorientierung markiert eine vorläufige Grenze. Primär zielen außenorietierte Lebensauffassungen auf eine Wirklichkeit ab, die sich der Mensch außerhalb seiner selbst vorstellt, innenorientierte Lebensauffassungen verweisen auf das Subjekt . Trotz der Tatsache, dass außenorietierte Lebensauffassungen in Beziehung zum Subjekt stehen, sind sie eindeutig von innenorientierten Lebensauffassungen unterscheidbar: Erfolg ist unabhängig vom Subjekt definiert. Bei einer außenorientierten Lebensauffassung gilt beispielsweise das Ziel, Kinder zu haben, dann als erreicht, wenn die Kinder existieren, bei einer innenorientierten Lebensauffassung erst dann, wenn sie die Eltern glücklich machen oder ihnen wenigsten nicht zu sehr auf die Nerven gehen. Außenorientiertes Handeln ist in vielen Bereichen des Alltagslebens zurückgegangen, während innenorientiertes Handeln vorgedrungen ist: Partnerschaft, Kleidung, Essen, Gartenarbeit, Instandhaltung der Wohnung, Beruf, Bildung etc. (vgl. schulze 1992, 37). Die Innenorientierung , wie sie hier verstanden wird , hat nichts mit Introvertiertheit zu tun. Gemeint ist, dass sich ein Mensch vornimmt, Prozesse auszulösen, die sich in ihm selbst vollziehen. Für schulze (1992, 38) ist, wie bereits angedeutet, die Innenorientierung mit der Erlebnisorientierung gleichzusetzen. ,,Das Projekt des schönen Lebens ist das Projekt, etwas zu erleben."

1.3 Die Suche nach dem ultimativen Erlebnis

Die Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland hat, wie bereits geschildert, auf die Veränderung der Lebensbedingungen mit einer Veränderung der Lebensweise sowie Lebensauffassung reagiert. Immer mehr Menschen handeln erlebnisorientiert. Die Suche nach dem ,,schönen" Erlebnis ist zu einem wichtigen Bestandteil des Alltags geworden. Unter einem ,,schönen" Erlebnis versteht man die positive innere Reaktion auf eine Situation. Die Erlebnisorientierung ist letztendlich die unmittelbarste Form der Suche nach Glück.

Das Handlungsmuster der aufgeschobenen Befriedigung , kennzeichnend etwa für das Sparen, das langfristige Liebeswerben, den zähen politischen Kampf, für vorbeugendes Verhalten aller Art, für Entsagung und Askese etc., wäre das Gegenteil der Erlebnisorientierung. Die Glückshoffnung wird bei Handlungen dieses Typs in eine ferne Zukunft projiziert, während sich beim erlebnisorientierten Handeln der Anspruch auf die aktuelle Handlungssituation richtet. Man investiert Geld, Zeit, Aktivität und erwartet sofort den Gegenwert, nämlich ,,das Glück" (vgl. schulze 1992, 14).

2. Risiko und Sport

Dieses Kapitel wird von der These getragen, dass sich der Sport infolge der Erlebnisgesellschaft, als System immer stärker ausdifferenziert. Ferner entsteht diese Ausdifferenzierung auch durch den Wunsch, neue Herausforderungen im Sport anzunehmen, wobei Leistungssteigerungen und Lustgewinn die tragenden Säulen darstellen. Neue Herausforderungen bedeuten gleichzeitig aber auch, aus dem Gewohnten auszusteigen und sich in Situationen zu begeben, die ein unterschiedliches Risikopotential beinhalten. Charakteristische Kriterien wie das Neue und Fremde, das Überraschende und das Gefährliche tauchen vor allem in den Extrem- und Risikosportarten auf (vgl. schleske 1977, 33). Im Sprachgebrauch stehen die Begriffe Risiko und Wagnis häufig für das Synonym Risikoverhalten und werden kaum differenziert voneinander betrachtet.

2.1 Definition des Begriffs Risiko

Nach röthig (1992, 385) ist die allgemeine Bedeutung des Phänomens Risiko, ,,als Wagnis bzw. Gefahr in einer unsicheren / ungewissen Unternehmung" zu bezeichnen. Ferner erfährt das Risiko ,,unter sportwissenschaftlichen Sichtweisen eine Reihe von akzeptanzbezogenen Differenzierungen. So bietet Sport generell die Möglichkeit, mit Risiken unterschiedlicher Art umzugehen, sie sinnvoll zu dosieren und zu kalkulieren." Bereits das Kind lernt das Risiko im Verhältnis zu seinen Fähigkeiten abzuschätzen und auf der Basis seines Könnens Risikobereitschaft zu entwickeln.

undeutsch (1988, 3) spricht von Risiko, ,,wenn bei einem bestimmten Verhalten das Verfehlen des angestrebten Zielzustandes und, damit verbunden, das Eintreten eines Nachteils für das Subjekt möglich ist." Ferner ist mit dem Begriff Risiko das Maß für die Größe einer Gefahr gemeint, die eine Bedrohung für Leib und Leben darstellt. Häufig wird dem Begriff Risiko eine negative Bedeutung zugeordnet, obwohl dieser eigentlich ein neutraler Begriff ist. Aufgrund einer weit verbreiteten Zeitideologie erfährt das Wort Risiko in diesem Zusammenhang eine weitere Einengung. Der Mensch ist ein Bürger zweier Welten: Er lebt als Lebewesen in einem mehr oder weniger naturgegebenen Umfeld, gleichzeitig lebt er auch in einer Welt der modernen, jedoch oftmals von Technik abhängigen Zivilisation, wodurch der Mensch zudem den Gefahren der von ihm geschaffenen künstlichen Welt der technischen Zivilisation ausgesetzt ist (vgl. undeutsch 1988, 3 f.).

[...]

Fin de l'extrait de 26 pages

Résumé des informations

Titre
Von der Überlebens- zur Erlebnisgesellschaft - Welche Auswirkungen hat das auf den Sport?
Université
Bielefeld University  (Fakultät für Psychologie und Sportwissenschaft)
Note
1,3
Auteur
Année
2001
Pages
26
N° de catalogue
V79191
ISBN (ebook)
9783638857055
ISBN (Livre)
9783640204236
Taille d'un fichier
448 KB
Langue
allemand
Mots clés
Erlebnisgesellschaft, Welche, Auswirkungen, Sport
Citation du texte
Wolfgang Holste (Auteur), 2001, Von der Überlebens- zur Erlebnisgesellschaft - Welche Auswirkungen hat das auf den Sport?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/79191

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