Ludwig Börne: Biographische Skizze - allgemeine Bemerkungen zur Literatur und zu seinem Selbstverständnis


Dossier / Travail de Séminaire, 1997

16 Pages, Note: 1,5


Extrait


Inhalt

1. Ludwig Börnes publizistische Entwicklung bis 1820
1.1 Herausbildung der Grundlagen seines Selbstverständnisses und seiner politischen Haltung durch Erziehung und Lebenserfahrung
1.2 Erster Ruhm durch sozialkritische und politische Tendenzen in seiner Publizistik - Börne und die Zensur

2. Etablierung als Schriftsteller in den 20er Jahren

3. Börne als politischer Schriftsteller - praktische Anwendung politischer Ideen (Aufenthalte in Paris 1830 - 37)
3.1 Börnes radikale Haltung - die Entwicklung zum Republikaner
3.2 Kritik am Regime: die "Briefe aus Paris" und die praktische Anwendung politischer Ideen
3.3 Die Auseinandersetzung mit Menzel - Börnes "literarisches Testament"

4. Allgemeine Bemerkungen zum Selbstverständnis und zur Literatur Ludwig Börnes

5. Literatur

1. Ludwig Börnes publizistische Entwicklung bis 1820

1.1 Herausbildung der Grundlagen seines Selbstverständnisses und seiner politischen Haltung durch Erziehung und Lebenserfahrung

Laut Urkunde wird Ludwig Börne am 24. Mai 1786 als Juda Löw Baruch in Frankfurt am Main geboren. Zu dieser Zeit besitzen die Juden dort noch keine bürgerlichen Rechte und werden öffentlich diskriminiert. Später erinnert er sich an die menschenunwürdigen Zustände im Ghetto: "Die Kinder schwimmen in der Gosse herum, sie keuchen im Kote umher, unzählig wie ein Gewürm, von der Sonne Kraft auf dem Miste ausgebrütet. Wohl, wenn der Kindheit Spiel das Vorbild ist von des Lebens Ernst, dann muß die Wiege dieser Kindheit das Grab sein allen Mutes, aller Hochherzigkeit aller Freundschaft und jeder Lebensfreude."[1]

Aufgrund dieser Umstände baut sich Börne eine positive Gegenwelt durch Lektüre auf.

Seine erste Erziehung erhält er durch seinen Hauslehrer Hans Jakob Sachs. Dieser bringt ihm auch aufklärerische Gedanken nahe, die offensichtlich seine spätere Haltung beeinflussen. Im Jahr 1800 tritt Juda in das Internat des Orientalisten Hetzel in Gießen ein, wo er Latein, Französisch, Italienisch, Geschichte, Geographie, Kalligraphie, Rechnen und die deutsche Sprache lernt. Zwei Jahre später erweitert er seine Ausbildung bei dem berühmten Mediziner Marcus Herz in Berlin, in dessen Haus zu dieser Zeit die geistige Prominenz verkehrt. Auf Wunsch seines Vaters studiert er ab 1804 Medizin in Halle, wechselt jedoch 3 Jahre später den Studiengang und studiert in Heidelberg Nationalökonomie und promoviert ein Jahr danach (1808) beim Staatsrechtler und Kameralwissenschaftler Crome in Gießen mit zwei Essays zum "Doktor der Philosophie".

- Schon vor 1811 beschäftigt sich Baruch intensiv mit Studien zu Fragen der Rechtsstellung von Juden; ein Beispiel hierfür ist die kritische Schrift "Freimütige Bemerkungen über die Stättigkeit und Schutzordnung für die Judenschaft in Frankfurt am Main". Der Code Napoleon ermöglicht ihm eine Stelle als Polizeiaktuar in Frankfurt anzunehmen und eine Beamtenlaufbahn einzuschlagen. Doch schon 1815 verliert er seine Stelle wieder, da Frankfurt wieder zur freien Reichsstadt erklärt wird. Baruch wird mit einer kleinen jährlichen Pension abgespeist. Nun erfährt er am eigenen Leib, daß die "Befreiung vom fremden Joch" direkt in die Unfreiheit führt, was er später in seinen "Briefen aus Paris" wie folgt kommentiert:

"Als wir aber aus dem Kampfe zurückkehrten [...] fanden wir unsere Väter und Brüder, die wir als freie Bürger verließen, als Knechte wieder, und das sind wir geblieben bis auf heute".[2]

Auch jetzt beschäftigt er sich wieder mit der staatsrechtlichen Stellung der Juden und greift in den Bürgerrechtskampf der Frankfurter Judengemeinde mit der kurz darauf unterdrückten Publikation "Die Juden der freyen Stadt Frankfurt und ihre Gegner" ein. Vermutlich waren seine Erfahrungen als Jude und seine Erziehung die Grundsteine für Börnes Selbstverständnis (nähere Ausführungen dazu im Referat von Frau Immel!) und auch für die Entwicklung seiner politischen Einstellung.

1.2 Erster Ruhm durch sozialkritische und politische Tendenzen in seiner Publizistik - Börne und die Zensur

1816 lernt Baruch Jeannette Wohl kennen, der er sein ganzes Leben lang verbunden bleibt; sie wird später seine publizistische Tätigkeit anregen. Aufgrund der judenfeindlichen Umgebung kann er sich zu diesem Zeitpunkt publizistisch nicht so entfalten, wie er möchte und stellt deshalb im Jahr 1818 einen Antrag auf Namensänderung an den Frankfurter Senat:

"Ich bin willens, eine in dem Auslande herauszugebende, vorzüglich staatsrechtlich und politischen Erörterungen gewidmete Zeitschrift zu unternehmen. Da außer dem Drang, meine Ansichten auszusprechen, auch der Wunsch, mir eine Erwerbsquelle zu eröffnen, mich zu diesem literarischen Unternehmen bestimmt, so darf ich nicht unbeachtet lassen, was hierbei Gedeihliches oder Hinderliches eintreten könnte. Aber ein Umstand letzterer Art wäre der Name, den ich führe, indem er mein Religionsverhältnis zu unverkennbar bezeichnet und dem Zutrauen des lesenden Publikums in den Weg tritt, das ich gleich zum voraus in Anspruch nehmen muß, um den mit der Herausgabe einer Zeitschrift zu verbindenden ökonomischen Vorteil mir durch Bildung einer Abonnentenliste sicherzustellen."[3]

Im Juni dieses Jahres wird er getauft und erhält nun den Namen Börne. Die Zeitschrift, von der er gesprochen hat, ist "Die Waage, eine Zeitschrift für Bürgerleben, Wissenschaft und Kunst", die er zunächst regelmäßg einmal im Monat herausgibt. Ihr Ziel ist die Vermittlung einer kritischen Gesamtschau der verschiedensten Erscheinungen des öffentlichen Lebens. Besonders durch Theater - und Literaturkritiken mit aktuellen politischen Anspielungen wird Börnes erster Ruhm begründet. Dies sind zB. politische Wendungen gegen Goethe (vgl. H. Heine - Referat!). Börne stellt immer wieder Realitätsbezüge her: er bewertet die Kunst nach politischen und sozialen Leistungen und stellt die Defizite des Ästhetikbegriffes bloß; "schön" ist für ihn nur der Sinn für das Öffentliche, der Ästhetizismus bedeutet für ihn die verantwortungslose Flucht vor der sozialen und geschichtlichen Wirklichkeit.[4]

Friedrich Genz, Publizist und Politiker - eigentlich ein Gegner Börnes - beschreibt Börnes Veröffentlichungen, sie seien das Geistreichste, Witzigste, was jetzt geschrieben werde, seit Lessing seien solche Theaterkritiken nicht erschienen.

1819 redigiert Börne zusätzlich die "Zeitung der freyen Stadt Frankfurt", wird jedoch bald ein Opfer der Zensur. Der Zensor über Börne:

"Es ist keine Übertreibung, wenn ich behaupte, daß mir während neun Jahren alle hiesigen Zeitungsredaktoren zusammengenommen die Erfüllung meiner Pflicht als Zensor nicht so sehr erschwert und ich darf wohl sagen so verhaßt gemacht haben als dieser einzige Mann in fünf Monaten. Gleich beim Entstehen dieser Zeitung konnte man die schädliche Tendenz deutlich wahrnehmen, wonach der Verfasser strebt, und in der Folge sprach sich sein revolutionärer, alle bestehende Ordnung verhöhnender Geist bis zur Gewissenheit aus.".[5]

Der Druck der Zensur verstärkt sich durch die Karlsbader Beschlüsse vom August 1819. Nun sollen nicht nur nationale sondern auch demokratische und liberale Ansätze im Keim erstickt werden. Eine Zentraluntersuchungskommission in Mainz soll die Umtriebe überwachen, doch Börne gelingt es, ein verschärftes Pressegesetz durch die Erweiterung des Umfangs seiner Ausgaben zu umgehen. Auch mehrere Spitzelberichte zeigen, daß sich Börne gegen die Zensur "auflehnt".

[...]


[1] Walter Hinderer "Ludwig Börne" In: "Deutsche Dichter Bd. 5 Romantik, Biedermeier und Vormärz" Reclam Verlag: Stuttgart 1993, S. 252.

[2] Ludwig Börne "Briefe aus Paris", Reclam Verlag: Stuttgart 1986, S. 163.

[3] Inge und Peter Rippmann "Ludwig Börne. Sämtliche Schriften." Joseph Metzler Verlag 1965, S. 998.

[4] Vgl. hierzu die Ausführungen von Rippmann / Labuhn (Hg.) "Die Kunst - eine Tochter der Zeit." Aisthesis Verlag: Bielefeld, 1988 und die Bemerkungen von Walter Hinderer "Ludwig Börne" S. 255f.

[5] Inge und Peter Rippmann "Ludwig Börne. Sämtliche Schriften.". S. 1001

Fin de l'extrait de 16 pages

Résumé des informations

Titre
Ludwig Börne: Biographische Skizze - allgemeine Bemerkungen zur Literatur und zu seinem Selbstverständnis
Université
Justus-Liebig-University Giessen
Cours
Hauptseminar "Literatur des Vormärz"
Note
1,5
Auteur
Année
1997
Pages
16
N° de catalogue
V79205
ISBN (ebook)
9783638857130
Taille d'un fichier
375 KB
Langue
allemand
Mots clés
Ludwig, Börne, Biographische, Skizze, Bemerkungen, Literatur, Selbstverständnis, Hauptseminar, Literatur, Vormärz
Citation du texte
Stephan Becht (Auteur), 1997, Ludwig Börne: Biographische Skizze - allgemeine Bemerkungen zur Literatur und zu seinem Selbstverständnis, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/79205

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