Frauenbilder bei Tacitus


Seminar Paper, 2002

21 Pages, Grade: 1,7


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

I. Forschungsstand zu den Frauenbildern bei Tacitus

II. Tacitus Bild römischer Frauen
1. Interaktionäre Beziehungen zwischen Frauen innerhalb der domus
a) Positive unberechnete Beziehungen
b) Positive berechnete Beziehungen
c) Negative berechnete Beziehungen
d) Zwischenergebnis
2. Interaktionäre Beziehungen zwischen Frau und Mann innerhalb der domus
a) Liviabild bei Tacitus
b) Historische Würdigung des Liviabildes bei Tacitus
c) Zwischenergebnis

III. Frauenbild der Germaninnen bei Tacitus
1. Sittsamkeit der Germaninnen
2. Frauenverehrung
3. Zwischenergebnis

Fazit

Einleitung

Cornelius Tacitus, der von zirka 55 bis 120 n. Chr. lebte, wird vielerorts als der größte, zumindest jedoch als einer der größten Geschichtsschreiber im antiken Rom beurteilt. Mit dieser Hausarbeit habe ich mir zur Aufgabe gestellt, die „Frauenbilder bei Tacitus“ zu erfassen, zu erläutern und zu bewerten.

Der formulierte Arbeitstitel lässt vor dem Hintergrund, dass Tacitus „sein eigenes Urteil meist sorgfältig zurück[hielt] hinter der Darlegung der Widersprüchlichkeiten seiner Zeit“[1] offen, wie anteilig die Frauenbilder zu werten sind, eher aufgrund der von Historikern im weiteren Rahmen als objektiv eingeschätzten Geschichtsschreibung des Tacitus oder aber eher in Bezug auf das private Frauenbild des Tacitus, sprich auch aufgrund seiner suggestiv erkennbaren subjektiven Meinung. Wichtig erscheint hier, zumindest keine Ambivalenz aufkommen zu lassen.

Erleichternd könnte mir entgegen kommen, dass wie Syme[2] und Späth[3] aufzeigen, die Frauen das Bild der römischen Geschichte, anders als männliche Hauptpersonen, nicht aufgrund von Posten und Machtpositionen imponieren, sondern einzig allein als Frauen. Ob diese These jedoch tatsächlich hier im ganz konkreten Falle und auf alle Frauen zutrifft, wird im Rahmen dieser Arbeit zu klären sein. Zweifel, ob sich Frauen dem entziehen konnten, bestehen jedenfalls, da auch von Albrecht den Menschen bei Tacitus nicht so sehr an seiner Persönlichkeit gemessen, sondern diesen „im Spannungsfeld von Mächten und Gruppen“[4] sieht.

Die Aufarbeitung dieses Themas wird somit neben den historischen auch frauensoziologische Züge tragen und wird deshalb vom Verfasser als Beitrag zur gesellschaftshistorischen Untersuchung angesehen. Ziel ist es jedoch nicht nach rein namentlich-biographischen und frauengeschichtlichen Aspekten vorzugehen, sondern eher die Frau als Individuum innerhalb einer Gruppe darzustellen.

Anzumerken bleibt allgemein, dass eine repräsentative Untersuchung des Frauenbildes an sich weitgehend nur im Rahmen des damaligen Verständnisses von familia und domus erfolgen kann, da Frauen zum ganz überwiegenden Teil nur dort präsent waren[5], und dass das spezielle Frauenbild des Tacitus eingeengt ist durch seine Fixierung des Gesichtskreises vor allem auf die oberen Gesellschaftsschichten und auf das Kaiserhaus des 1. Jh. n. Chr., wie der Verfasser übereinstimmend mit Deissmann[6] feststellen musste.

Die Frauenbilder des Tacitus werden anhand dreier unterschiedlicher Untersuchungsfelder analysiert und bewertet: Erstens – das taciteische Frauenbild der Frauen im domus unter sich. Zweitens – das Bild der Frau-Mann-Beziehungen, am Beispiel der Livia. Drittens – das Germanenfrauenbild des Tacitus außerhalb der römischen Gesellschaft. Alle drei Untersuchungsfelder ergeben eine ausführliche Skizze, die jedoch nicht den Anspruch einer umfassenden Darstellung hat und lassen so allgemeingültige Wertungen und Erkenntnisse zu, die im Fazit präsentiert werden.

I. Forschungsstand zu den Frauenbildern bei Tacitus

Das zentrale Quellenwerk auf das sich diese Arbeit und zum weiten Teil auch die Sekundärliteratur stützt, sind die „Annalen“[7] des Tacitus, die etwas 110 bis 120 n. Chr. entstanden. Sie behandeln die Zeit vom Regierungsantritt des Tiberius 14 n. Chr. bis zum Tode Neros im Jahre 68 n. Chr. und erlauben es, trotz nur noch teilweiser vollständig erhaltener Bücher, Ergebnisse zu oben formulierter Aufgabenstellung zu präsentieren. Weitere genutzte taciteische Werke sind: „Germania“[8] und „Die Historien“[9].

Der Fundus der wissenschaftlichen Sekundärliteratur zu den Frauenbildern bei Tacitus ist aus meiner Sicht, gemessen an der eher thematischen Enge, recht voluminös[10] und geht jedoch dabei über den Focus dieser Hausarbeit hinaus.

Aus Verfassersicht bleibt jedoch kritisch zu bemerken, dass im Vergleich zu den bisherigen historischen Untersuchungen aller Personen bei Tacitus, die frauengeschlechtliche Perspektive bisher nicht adäquat belichtet ist. Anders sind auch Beiträge von Römer[11] bzw. Krohn[12] schwer zu werten, in denen trotz markanter und geschlechterunspezifischer Titelstichworte wie „Kontrastfiguren“ oder „Personendarstellungen“ in keiner Weise Frauen als Figuren kontrastiert bzw. als Personen dargestellt werden.

Vor allem Späth[13] schafft es mit seinen historischen Beiträgen über das weibliche Geschlecht bei Tacitus zu imponieren. Diese bestimmen den Stand der aktuellen Forschung. Ältere Monographien von Königer[14], dessen Arbeit Wallace[15] immerhin rühmt, die erste umfassende Publikation zu dem Thema, wenn auch mit Schwächen gewesen zu sein, und von Schürenberg[16] schufen zu diesem Problemkreis erste deutschsprachige Werke, die wissenschaftlichen Ansprüchen gerecht werden.

Weiterhin stützt sich diese Arbeit auf diverse Aufsätze oder Beiträge in Sammelbänden, sowie anerkannte Nachschlagewerke der Antiken Geschichte, die an dieser Stelle nicht im Einzelnen benannt werden.

II. Tacitus Bild römischer Frauen

Im Folgenden werden die von Tacitus beschriebenen Beziehungen innerhalb der domus exemplarisch unter Frauen, aber auch zwischen Mann und Frau beschrieben und versucht Erkenntnisse in Höhe des Forschungsstandes zu vermitteln.

1. Interaktionäre Beziehungen zwischen Frauen innerhalb der domus

Frauen können in unterschiedlichen Verwandtschaftsverhältnissen, so in einer Mutter-Tochter-, einer Großmutter-Enkelinnen- oder einer Herrinnen-Sklaven-Beziehung zu einander stehen. Im Verwandtschaftsverhältnis können Frauen des Weiteren Positionen der Schwester, Cousine, Schwiegermutter oder -tochter innehabe.

Späth differenziert Tacitus Bild der Frauen anhand den von fünf Aspekten bestimmten Beziehungen untereinander: „Schutz, Vermittlung gesellschaftlichen Ansehens, Respekt, Identifizierung [und] Feindschaft“[17].

a) Positive unberechnete Beziehungen

Späth kommt aufgrund seiner Analyse an 626 in den Annalen genannten Personen zu dem Schluss, dass es zwar keine reine Herzensliebe seitens der Mutter gegenüber einer Tochter und genauso keine reine, auf Gewinn bedachte Unterstützung zwischen Frauen innerhalb der domus gab[18], jedoch lässt sich in der Tat eine Schutzfunktion darin vermuten, wenn eine Mutter ihre Kinder auf eine Reise in den Osten begleitend zur Seite steht, so wie es Agrippina maior tat.[19] Einen Hinweis auf Trauer und Zuneigung, zweier – aus heutiger Perspektive und aus Verfassersicht beurteilt – recht persönlichen Gefühle zwischen Menschen, vermitteln die Textstellen, wo Munatia Plancia den Tod ihrer Schwester betrauert, indirekt zu erkennen an dem langen Tragen von dunkler Trauerkleidung[20] und wo Sextia im engen verwandtschaftlichen Verhältnis zu ihrer Enkelin stehend, sich gemeinsam mit ihr, der Pollitta, den Tod gibt.[21]

Trauer, Zuneigung und Mitgefühl sind also die in den Annalen des Tacitus am stärksten ausgedrückten emotionalen Gefühle zwischen Frauen innerhalb der domus. Lediglich, so zeigt Späth auf, kann von „besonderem Vertrauen […] und […] besondere[r] Treue“[22] die Rede sein, wenn es um die Beziehung zwischen der Herrin und den Sklavinnen geht, also einer Beziehungsstruktur innerhalb der domus, die jedoch nicht aus einem blutsverwandtschaftlichen Verhältnis resultiert.

Die aufgeführten Beziehungen, die – zusammengefasst – aus Motiven der persönlichen Gefühle zwischen Frauen eines Hauses entstanden sind, subsumiert Späth unter den Aspekt des Schutzes und, da nicht anders zu ersehen, auch unter den Aspekt des Respekts und verstärkt sie mit den Attributen „Unterstützung und Zuneigung“.

Aus Verfassersicht ist diese Differenzierung zu wenig abstrahiert, da Schutz und Respekt allein schon für die zitierten Passagen nicht immer als übergeordneter Begriff greift. Dies kann hier jedoch dahingestellt bleiben, da zumindest unverfänglich diese von Tacitus beschriebenen Beziehungen zwischen Frauen, an dieser Stelle als positive, nicht berechnete Beziehungen bezeichnet werden können.

Folglich ist als erste Erkenntnis festzuhalten, dass Tacitus das Frauenbild durchaus nicht nur politisch zeichnet, sondern Motive persönlicher Gefühle erkennen lässt und somit das Frauenbild teilweise schlicht menschlich wirkt, auch wenn keine Hinweise in den Annalen gefunden werden konnten, die von Gefühlen der Mutterliebe etc. sprechen. Analytisch gesehen macht Tacitus hier keine eigene subjektive Anmerkung, weswegen hier von einer Kongruenz des von Tacitus beschriebenen historischen Frauenbildes mit dem seines persönlichen ausgegangen werden kann.

[...]


[1] Lamer, Hans/Kroh, Paul (Hrsg.): Wörterbuch der Antike, Stuttgart 199510, S. 733.

[2] Syme, Ronald: The Augustan Aristocracy, Oxford 1986, S. 168.

[3] Späth, Thomas: Männlichkeit und Weiblichkeit bei Tacitus. Zur Konstruktion der Geschlechter in der

römischen Kaiserzeit, Frankfurt a. M., New York 1994, S. 9.

[4] Albrecht, Michael von: Die Gedankenwelt des Tacitus zwischen Tradition und Zukunft; in: Der

Altsprachliche Unterricht. 31, 1988, S. 60.

[5] Herrmann-Otto, Elisabeth: Soziologie der Geschlechter; in: Soziologische Revue, München 18, 1995,

S. 379.

[6] Deissmann, Marie-Luise: Aufgabe, Rollen und Räume von Mann und Frau im antiken Rom; in: Martin,

Jochen/Zoepfel, Renate: Aufgaben, Rollen und Räume von Frau und Mann, Freiburg, München 1989,

S. 501.

[7] Tacitus, Publicus Cornelius: Annalen, hrsg. von Koestermann, Erich, 4 Bände, Heidelberg 1963-1968.

[8] Tacitus, Publicus Cornelius: Germania, hrsg. von Lund, Allan A., Heidelberg 1988.

[9] Tacitus, Publicus Cornelius: Die Historien, hrsg. von Heubner, Heinz Germania, 5. Bände, Heidelberg

1963-1982.

[10] Wallace verschafft einen Überblick über die Forschungsentwicklung zum Thema „Frauen bei Tacitus“

seit Beginn des letzten Jahrhunderts und deutet methodische Phasen der Frauenforschung an.

Vgl. Wallace, Kristine Gilmartin: Women in Tacitus 1903-1986; in: ANRW II 33.5, 1991, S. 3556-

3574.

[11] Römer, Franz: Kontrastfiguren in den Annalen des Tacitus; in: Acta antiqua Academiae Scientiarum

Hungaricae 39, 1999, S. 297-313.

[12] Krohn, Friedrich: Personendarstellungen bei Tacitus, Leipzig 1935.

[13] Vgl. Späth: Männlichkeit und Weiblichkeit bei Tacitus; ferner Späth, Thomas: ‚Frauenmacht’ in der

frühen römischen Kaiserzeit? Ein kritischer Blick auf die Konstruktion der ’Kaiserfrauen’; in:

Dettenhofer, Maria H.: Reine Männersache? Frauen in Männerdomänen der antiken Welt, Köln 1994,

S. 159-205; ferner Späth, Thomas/Wagner-Hasel, Beate: Frauenwelten in der Antike.

Geschlechterordnung und weibliche Lebenspraxis, Stuttgart [u.a.] 2000.

[14] Königer, Hans: Gestalt und Welt der Frau bei Tacitus, Erlangen, Nürnberg 1966.

[15] Wallace: Women in Tacitus, S. 3556.

[16] Schürenberg, Dorothee: Stellung und Bedeutung der Frau in der Geschichtsschreibung des Tacitus,

Marburg, Lahn 1975.

[17] Späth: Männlichkeit und Weiblichkeit bei Tacitus, S. 36.

[18] Ebenda, S. 37.

[19] Vgl. Tacitus: Annalen, 2.54.1 (Reise in den Osten), 2.75.1 und 3.1.4 (Rückkehr nach Rom).

[20] Vgl. Tacitus: Annalen, 2.75.2.

[21] Ebenda, 16.11.2; Koestermann kommentiert dazu: „Die Art, wie Menschen in den unvermeidlich

gewordenen Tod gehen, nimmt […] in steigenden Maße die Aufmerksamkeit des Historikers in

Anspruch“!

[22] Späth: Männlichkeit und Weiblichkeit bei Tacitus, S. 37.

Excerpt out of 21 pages

Details

Title
Frauenbilder bei Tacitus
College
Humboldt-University of Berlin  (Institut für Geschichtswissenschaften)
Course
Proseminar: Kluge Männer, unvernünbftige Frauen? Bildung und Geschlechterverhältnisse in der römischen Antike!
Grade
1,7
Author
Year
2002
Pages
21
Catalog Number
V7927
ISBN (eBook)
9783638150262
ISBN (Book)
9783638746311
File size
541 KB
Language
German
Notes
In dieser Hausarbeit werden im soziohistorischen Ansatz die Frauenbilder des Tacitus untersucht. Der Autor kommt dabei zu einem Ergebnis eines ambivalenten Gesamtfrauenbild bei Tacitus. 157 KB
Keywords
Tacitus, Frauen, Antike, Geschlechter, Gender, Cornelius Tacitus, Frauenbilder, Frauenbilder bei Tacitus, Germania, römische Frauen, domus, Männlichkeit und Weiblichkeit bei Tacitus, Munatia Plancia, Agrippina maior, Liviabild, Livia, Germaninnen, Vestalinnen, Sklavinnen
Quote paper
Marc Castillon (Author), 2002, Frauenbilder bei Tacitus, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/7927

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