Erlebt die soziale Frage des 19. Jahrhunderts eine Wiedergeburt?


Exposé Écrit pour un Séminaire / Cours, 2004

23 Pages, Note: 1,7


Extrait


Gliederung

1 Darstellung des Themas

2 Hinführung zum Thema

3 Die Gesellschaft und Wirtschaft vor der Industriellen Revolution

4 Die Industrielle Revolution als auslösendes Moment

5 Die soziale Frage des 19. Jahrhunderts

6 Die ersten Reaktionen und Bewegungen in England

7 Die Bewegung in Deutschland
a) Der Marxismus
b) die Sozialbewegung der katholischen Kirche

8 Auffassungen zu einer neuen sozialen Frage
a) nach Heiner Geißler
b) nach Rudolf Weiler

9 Zusammenfassender Vergleich der sozialen Frage des 19. Jahrhunderts mit den vorgestellten „neuen“ sozialen Fragen

10 Eigene Stellungnahme

11 Literaturverzeichnis

1 Darstellung des Themas

Die Industrielle Revolution bedingte sozialpolitische Probleme, die insgesamt unter dem Begriff der sozialen Frage zusammen gefasst sind. Diese Probleme fundieren hauptsächlich aus der Unterprivilegierung der Arbeiter. Die Wirtschaft und Gesellschaft vor der industriellen Revolution, die Industrielle Revolution selbst, als auslösendes Moment der sozialen Frage des 19. Jahrhunderts, die Unterprivilegierung der Arbeiter in all ihren Facetten und einzelne Lösungsversuche der Sozialen Frage werden im Folgenden aufgezeigt. Darüber hinaus sollen exemplarisch zwei Auffassungen zu einer neuen sozialen Frage vorgestellt werden und mit der ursprünglichen sozialen Frage des 19. Jahrhunderts verglichen werden.

2 Hinführung zum Thema

Um die ganze Tragweite der Industriellen Revolution und ihrer Folgen zu erfassen, ist es notwendig sich mit den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten vor der Industrialisierung zu beschäftigen (vgl. Brakelmann 1979, S. 13). Deshalb soll im weiteren Verlaufe der Hausarbeit, ein Bild von den Zuständen vor dem „entscheidenden Ereignis der Neuzeit auf gesellschaftlich-wirtschaftlichem Gebiet“ (Brakelmann 1979, S. 13) gezeichnet werden. Die Entwicklung, der Wirtschaft und Gesellschaft, wird ausgehend von der mittelalterlichen Ständegesellschaft, über die Hausindustrie, bis hin zur Manufaktur aufgezeigt, um das Ausmaß der Entwicklung für den Arbeiter und die Gesellschaft deutlich zu machen.

3 Die Gesellschaft und Wirtschaft vor der Industriellen Revolution

Die Ständegesellschaft des Mittelalters zeichnet sich dadurch aus, dass sich jeder seinem Stand zugehörig fühlt und mit dieser Situation auch zufrieden ist, da sie, als von Gott gegeben hingenommen wird. Neben dem Haupterwerbszweig dieser Zeit, der Landwirtschaft, gibt es den Handelszweig der Handwerker. Ein wesentliches Merkmal der damaligen Handwerksbetriebe, ist die Rolle des Meisters, als Meister seines Handwerks, Produktions- und Verkaufsleiter und Familienvorstand im kleinen Betrieb. Dieser ist zumeist an das Wohnhaus angegliedert, in dem sowohl die Familie, als auch die Beschäftigen des Betriebes leben. Wie viel ein Betrieb produziert, wird von der Zunft geregelt. Man produziert also nur soviel wie erlaubt ist und wie viel man zur Unterhaltung der Familie und zum Halten des Standes benötigt. Diese Art des Wirtschaftens, ist als Bedarfsdeckungswirtschaft zu bezeichnen und steht im Gegensatz zur Erwerbswirtschaft späterer Zeiten (vgl. Brakelmann 1979, S. 13ff).

Die darauf folgende Frühkapitalistische Zeit, ist beherrscht durch den Absolutismus. Die Stände fangen an zu bröckeln und verlieren sowohl Macht, als auch gesellschaftliche Bedeutung. Darüber hinaus werden zwei neue, dem absolutistischen Fürsten näher stehende Stände geschaffen, der Beamten- und Offiziersstand. Auch in der Wirtschaft treten zwei neue Betriebsformen auf, die Hausindustrie und die Manufaktur, mit denen auch das Auftreten der sogenannten Verleger und Unternehmer einhergeht (vgl. a.a.O., S. 16).

Mit der Hausindustrie, tritt die erste kapitalistisch geprägte Betriebsform auf. Aufgrund des größeren Absatzmarktes und des Fernhandels, übernimmt der Verleger den Verkauf der Produkte und fasst im weiteren Verlauf mehrere Kleinbetriebe zu Mengenproduktionen zusammen. Der Verleger kümmert sich jetzt auch um die Auftragseingänge und hat sich somit in den Betrieb geschoben und die Produktion und den Absatz voneinander getrennt. Er handelt um sein eigenes Kapital zu mehren. Hier lässt sich der erste, einschneidende Bruch mit der mittelalterlichen Tradition festmachen. Der Meister produziert nicht länger im Auftrag und für Leute die er kennt und darüber hinaus, gibt er Aufgaben, die er vorher wahrgenommen hat an dritte weiter (vgl. a.a.O., S. 17). Bald übernimmt der Verleger auch die Rohstoffbelieferung und wird schnell zur zentralen Figur des Systems. Der Hausindustrielle stellt sich unter diesen Umständen als freier Lohnarbeiter dar (vgl. a.a.O., S. 18). „Aus der Werkstatt ist ein Betrieb unter kapitalistischen Bedingungen geworden.“ (Brakelmann 1979, S.18)

Im Gegensatz zur Hauswirtschaft, ist bei der Manufaktur auch die Produktion zentralisiert. Sie findet nicht länger in dem Haus des Meisters statt, zu dessen Familie man ein Stück weit gehört, sondern alle Prozesse laufen jetzt in den Räumen des Unternehmers ab. Somit wird, durch die Zusammenfassung von mehreren Hausindustriellen unter zentraler Leitung in einer fremden Werkstatt, die Trennung von Lebens- und Arbeitsraum und die Trennung von Familie und Betrieb vollzogen. Der Unternehmer übernimmt jetzt alle Aufgaben, die dem Meister früher zu Teil wurden. Die Arbeitskraft der ehemaligen Hausindustriellen wird jetzt verkauft und die moderne Lohnarbeit wird geboren (vgl. Brakelmann 1979, S.18). Der „Haushalt wird zum reinen Konsumhaushalt.“ (Brakelmann 1979, S. 18) Im Folgenden vollzieht sich nicht nur eine Teilung von Arbeits- und Lebensraum, sondern auch eine Teilung im Arbeitsprozess. Die Herstellung verschiedenster Güter, wird nun in verschiedene Teilabschnitte gegliedert, was in seiner Folge, zu einer Spezialisierung und der Entstehung von neuen Berufen führt. Aus Gründen der „großen Fertigkeit und Übung“ (a.a.O., S. 19), „der Zeitersparnis“ (a.a.O., S.20), der „Vervollkommnung und neuen Erfindungen“ (ebd.), sieht zum Beispiel der Nationalökonom Adam Smith, in dieser Arbeitsteilung die Ursache für den wachsenden Wohlstand. Die Tatsache aber, dass in den Manufakturen unter Zeitdruck und vor den Augen von Aufsehern gearbeitet wird, führt gerade während den Anfängen zu seelischen Krisen der Mitarbeiter (vgl. Brakelmann 1979, S.20).

Wie bereits erwähnt, sind die ersten Arbeiter in diesen Manufakturen ehemalige Hausindustrielle. Darüber hinaus stammen die Arbeitskräfte auch aus Armen- und Waisenhäusern und auch Menschen aus Arbeits- und Zuchthäusern werden dort beschäftigt. Man sieht in der strengen Arbeitsdisziplin der Manufakturen eine Möglichkeit, Menschen zur Arbeit zu erziehen und sie in Verbindung mit langen Arbeitszeiten und niedrigen Löhnen „fleißiger, anspruchsloser und unanfälliger für liederliches Leben“ (Brakelmann 1979, S. 21) zu machen. Hier begegnen einem schon soziale Missstände, die sich im 19. Jahrhundert verstärkt haben und schließlich zu den Arbeiterprotesten geführt haben, wie Hungerlöhne, überlange Arbeitszeiten, Frauen- und Kinderarbeit und das Versammlungsverbot (vgl. Brakelmann 1979, S. 20f).

Die Manufaktur wird durch das Wirtschaftssystem des Merkantilismus begünstigt. Es wird eine Politik gegen die Zünfte betrieben und diese verschwinden nach und nach. Die Zünfte, sind nämlich im Gegensatz zu den Manufakturen und der Hauswirtschaft, nicht in der Lage, den Bedarf des Hofes und Armee zu decken. Zweitgenannte ermöglichen aber die erste Massenproduktion im Laufe der Geschichte. Die Existenz von Manufakturen und Hausindustrien werden zum Beispiel durch Schutzzölle und Auftragserteilung durch den Staat gesichert und die aus dem Bürgertum stammenden Unternehmer, werden wirtschaftlich immer mächtiger. Die daraus bedingte Diskrepanz zwischen „gesellschaftlich-ökonomischer Bedeutung“ (Brakelmann 1979, S. 21) und der gesellschaftlich-politischen Stellung, war eines der auslösenden Momente der französischen Revolution von 1789 (vgl. Brakelmann 1979, S. 21).

4 Die Industrielle Revolution als auslösendes Moment

Ohne die Erfindungen des ausgehenden 18. Jahrhunderts, wäre die Industrielle Revolution nicht eingetreten. Sie ermöglichen den Einzug der Maschinen in die Produktion und die Schaffung der Fabriken. Maßgeblich sind darunter die Erfindung der Spinnmaschine 1769, des mechanischen Webstuhls 1786 und die Entwicklung der Dampfmaschine durch James Watt 1769. Der „Ersetzung der Handarbeit durch maschinelle Apparaturen“ (Brakelmann 1979, S. 22) sind somit die Wege geebnet. Die Umsetzung dieser Ersetzung, erfolgt sehr schnell und eine drastische Produktionssteigerung ist unausweichlich. Die Maschinen revolutionieren jedoch nicht nur die Produktion, sondern auch den Verkehr, durch die Erfindung der Lokomotive 1814. Durch sie, ist die Voraussetzung für den Handel im großen Stil zwischen Völkern geschaffen (vgl. Brakelmann 1979, S. 22).

Voraussetzung für diese neuen Erfindungen und die Industrielle Revolution ist der „Geist der Aufklärung und des Liberalismus“ (Brakelmann 1979, S. 23). Aus seiner Symbiose mit dem kapitalistischen Erwerbsstreben, ergeben sich die Forderungen des ökonomischen Liberalismus. Diese beinhalten den Anspruch auf ein Nichteingreifen des Staates in allen wirtschaftlichen Belangen, eine Nicht-Wirtschaftstätigkeit des Staates und Freiheit des Wettbewerbs und der Konkurrenz. Darüber hinaus fordert er die Vertragsfreiheit, sowohl zwischen Käufer und Verkäufer, als auch zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Die Liberalisten gehen dabei davon aus, dass die „Wahrnahme des wohlverstandenen Eigeninteresses dieser Individuen (...) in der Gesamtgesellschaft zur natürlichen Interessensharmonie [führt]“ (ebd.). Aufgabe des Staates dabei ist lediglich der Schutz und die Förderung dieser Praktiken. Dieser Geist, der sich in alle Bereiche des öffentlichen Lebens trägt ist auf die Formel: „die Summe der Einzelinteressen ergibt das Gesamtinteresse“ (Brakelmann 1979, S. 24) zu bringen und führt in den Fabriken zur Ausformung des ökonomischen Rationalismus. Gerade Mitglieder von protestantischen Freikirchen mit calvinistischer Prägung standen unbeirrbar hinter dieser Wirtschaftsgesinnung. Das ist damit zu erklären, dass sie in ihrem irdischen Erfolg den Segen Gottes sehen und ihr fleißiges Wirtschaften als Gottesdienst empfinden (vgl. Brakelmann 1979, S. 24). Betrachtet man die Tatsache, von wem diese neuen Gedanken und diese neue Wirtschaftssicht getragen werden, ist es nicht verwunderlich, dass England die Wiege der Industriellen Revolution ist.

Die ersten Arbeiter der Fabriken sind Menschen, die keine andere Wahl haben, als in die dunklen, alten Produktionshallen schuften zu gehen und das mit Maschinen mit denen man sich geistig und seelisch noch nicht auseinandergesetzt hat. Es waren meist verarmte Kleinbauern, ehemalige Soldaten und Menschen aus Armen- und Waisenhäusern. Man war nur unter Androhung von Sanktionen bereit, sich dem fremden Takt der Maschinen anzupassen. Das änderte sich auch bei der nächsten Generation der Arbeiter, bestehend aus Landarbeiter und Kleinbauern, die durch Gesetze um ihr Land gebracht wurden, nicht. Durch die Landreform, im Zuge derer Kleinbauern enteignet wurden, um rentableren Großbetrieben Land zu verschaffen, um die Bevölkerung zu ernähren, ist die Landbevölkerung gezwungen in den Fabriken zu arbeiten. Es ist schwer vorstellbar, dass diesen Menschen die Umstellung auf die Arbeit mit leichtfällt. Persönliche Krisen sind somit die logische Folge. Die Tatsache, dass die Unternehmer die Arbeiter lediglich als Betriebsmittel sehen, dass jederzeit austauschbar ist und die Gegebenheit, dass die Zahl der Industriearbeiter ständig steigt, verschlimmern diese Krise zunehmend. Diesen Wachstumsprozess bezeichnet Brakelmann als Produkt der industriellen Revolution und den damit entstehenden 4. Stand, das Proletariat gesellschaftlich gesehen sogar, als „das entscheidende Produkt des neuen Fabriksystems.“ (Brakelmann 1979, S. 25).

Neben diesen geschichtlichen, wirtschaftlichen und technischen Auslösemomenten, sieht Weiler andere Ursachen der sozialen Frage. Grundsätzlich bedingt sie die „Unvollkommenheit des Menschen und der Gesellschaft“ (Weiler 1991, S. 72). Die Sittlichkeit und die selbstzweckfreie Organisation, werden wohl nie erreicht und so kann eine Lösung der sozialen Frage nur vorläufig bestand haben und das perfekte soziale System bleibt Utopie (vgl. Weiler 1991, S. 72).

Der Einfluss der Ideologien, die Interessen rechtfertigen die dem Gemeinwohl gerade nicht dienlich sind, ist für ihn mit Ursache der sozialen Frage. Auch die Institutionen, die in einer Gesellschaft unerlässlich sind, werden dem Zeitgeist unterworfen und sind zu Selbstzwecken zu missbrauchen (vgl. a.a.O., S. 73). Im 19. Jahrhundert war es die Ideologie des Liberalismus, der die Unmenschlichkeit in der Wirtschaft rechtfertigte und die Institutionen des absolutistischen Staates, die diese Ideologie wegen Egoismus unterstützten und schützten.

[...]

Fin de l'extrait de 23 pages

Résumé des informations

Titre
Erlebt die soziale Frage des 19. Jahrhunderts eine Wiedergeburt?
Université
Catholic University of Applied Sciences Saarbrücken
Cours
Christliche Gesellschaftslehre
Note
1,7
Auteur
Année
2004
Pages
23
N° de catalogue
V79339
ISBN (ebook)
9783638867719
Taille d'un fichier
457 KB
Langue
danois
Annotations
Hausarbeit aus Fachsemester 2 22 Seiten inklusive Lit.-Verzeichnis
Mots clés
Erlebt, Frage, Jahrhunderts, Wiedergeburt, Christliche, Gesellschaftslehre
Citation du texte
Heidrun Hau (Auteur), 2004, Erlebt die soziale Frage des 19. Jahrhunderts eine Wiedergeburt?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/79339

Commentaires

  • Pas encore de commentaires.
Lire l'ebook
Titre: Erlebt die soziale Frage des 19. Jahrhunderts eine Wiedergeburt?



Télécharger textes

Votre devoir / mémoire:

- Publication en tant qu'eBook et livre
- Honoraires élevés sur les ventes
- Pour vous complètement gratuit - avec ISBN
- Cela dure que 5 minutes
- Chaque œuvre trouve des lecteurs

Devenir un auteur