Das Hörorgan ist ein hochempfindliches Sinneswerkzeug mit einer kunstvollen Hintereinanderschaltung von Schallleitungs-, Verstärkungs- und Rückmeldemechanismen. In Zusammenarbeit sorgen die anatomischen Strukturen und die physiologischen Begebenheiten für eine Umsetzung von Schallwellen in für das Gehirn auswertbare Nervenimpulse.
Die Erforschung des Gehörsinns liegt im Schnittpunkt mehrerer wissenschaftlicher Disziplinen. So beschäftigen sich unter anderem die Medizin, die Akustik aber auch die Psychologie und die Phonetik mit Teilaspekten des Gehörs und der Hörwahrnehmung. Während anatomische Strukturen und zum Teil auch physiologische Abläufe qualitativ und quantitativ beobachtet und analysiert werden können, ist die Hörwahrnehmung der direkten Beobachtung entzogen. Als Teil des individuellen Bewusstseins der Wahrnehmenden ist sie nur über indirekte Beobachtungen durch Indikatoren und Test zugänglich. Jede Form von Untersuchung wiederum stößt schnell an Grenzen, da die beteiligten Sinnesorgane und physiologischen Vorgänge sehr fein, verletzlich und komplex sind und durch minimale Veränderungen in ihrer Funktion gestört werden können. Diese Umstände haben dazu beigetragen, dass noch viele Zusammenhänge der menschlichen Hörwahrnehmung ungeklärt sind.
Diese Arbeit befasst sich mit der Darstellung des Aufbaus und der Funktion der Hörbahn des Menschen aus phonetischer und anatomischer Sicht. Das Ziel dieser Arbeit besteht darin, einen Überblick über die Anatomie und Physiologie des Gehörs zu geben und speziell die otoakustischen Emissionen in ihrer Anwendung als Hilfe zur Diagnosestellung darzustellen. Auch für viele praktische Anwendungen, wie dem Hörscreening und der Diagnosestellung und adäquaten Therapie bei Schwerhörigkeit und Tinnitus, sind diese Kenntnisse eine Grundvoraussetzung.
In der Darstellung dieses komplexen Themas, in dem viele Einzelaspekte miteinander zusammenhängen, kann es nicht ausbleiben, in Erklärungen bestimmte Sachverhalte zu erwähnen, die erst an späterer Stelle ausführlich erörtert werden können. Eine möglichst verständliche Darstellung, auch mit Hilfe von Beispielen zur Veranschaulichung, dient dem Verständnis der oft nicht auf den ersten Blick offensichtlichen Zusammenhänge und Abläufe der Gehöranatomie und -physiologie.
Inhalt
0 Abkürzungen und Symbole
1 Einleitung
2 Grundlagen des Nervensystems und der Akustik
2.1 Das Nervensystem
2.2 Akustische Grundlagen
2.2.1 Schall
2.2.2 Resonanz und Filter
3 Die Anatomie des Hörorgans
3.1 Die Anatomie des Außenohres
3.2 Die Anatomie des Mittelohres
3.2.1 Das Trommelfell
3.2.2 Die Paukenhöhle
3.2.3 Die Eustachische Röhre
3.2.4 Die Gehörknöchelchenkette
3.2.5 Die Mittelohrmuskeln
3.2.6 Die Chorda tympani
3.3 Die Anatomie des Innenohres
3.3.1 Die Struktur des Innenohres
3.3.2 Die Flüssigkeiten des Innenohres
3.3.3 Das Labyrinth
3.3.4 Die Cochlea und ihre Organe
3.3.5 Die Haarzellen
3.3.6 Innervierung
3.4 Die Anatomie des zentralen Hörorgans
3.5 Die vorgeburtliche Entwicklung
4 Die Physiologie des Hörorgans
4.1 Die Physiologie des Außenohres
4.1.1 Die Ohrmuschel
4.1.2 Der äußere Gehörgang
4.2 Die Physiologie des Mittelohres
4.2.1 Anpassung
4.2.2 Verstärkung
4.2.3 Beschaffenheit des Systems
4.2.4 Die Mittelohrmuskeln
4.2.5 Drei Funktionen des Mittelohres
4.3 Die Physiologie der Knochenleitung
4.4 Die Physiologie des Innenohres
4.4.1 Signaltransduktion - Erster Schritt
4.4.2 Signaltransduktion - Zweiter Schritt
4.4.3 Signaltransduktion - Dritter Schritt
4.5 Die Physiologie des zentralen Hörorgans
4.5.1 Antwortratencodierung und Zeitcode
4.5.2 Periodizitätsanalyse
4.5.3 Populationscodierung
4.5.4 Zentrale Hörbahn
4.5.4.1 Nucleus cochlearis
4.5.4.2 Oberer Oliven-Komplex
4.5.4.3 Lemniscus lateralis
4.5.4.4 Colliculus inferior
4.5.4.5 Medialer Kniehöcker - Corpus geniculatum mediale
4.5.4.6 Auditorischer Cortex
5 Perzeptive Eigenschaften des Gehörs
5.1 Die Hörfläche
5.2 Unterschiedsschwellen
5.3 Frequenzgruppen und Skalen
5.4 Tonhöhenwahrnehmung
5.5 Sprachperzeption
5.5.1 Kategoriale Wahrnehmung
5.5.2 Die Motor-Theorie
5.5.3 Auditive Sprachperzeptionstheorien
6 Zwischenfazit
7 Otoakustische Emissionen
7.1 Definition des Begriffes
7.2 Entdeckungsgeschichte
7.3 Physiologische Grundlagen
7.4 Die Einteilung der OAE
7.4.1 SOAE
7.4.2 TEOAE
7.4.3 DPOAE
7.4.4 SFOAE und SEOAE
7.5 Messung der OAE
7.6 Reizformen
7.7 Das diagnostische Spektrum der OAE
7.8 Anwendung der OAE
7.8.1 Neugeborenen-Hörscreening
7.8.2 Weitere Anwendungen
7.8.3 Spezielle Untersuchungen zur Anwendung
7.9 Die Bedeutung der OAE
8 Fazit
9 Literatur und Quellen
10 Darstellungsverzeichnisse
10.1 Abbildungen
10.2 Formeln
0 Abkürzungen und Symbole
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
Das Hörorgan ist ein hochempfindliches Sinneswerkzeug mit einer kunstvollen Hintereinanderschaltung von Schallleitungs-, Verstärkungs- und Rückmeldemechanismen. In Zusammenarbeit sorgen die anatomischen Strukturen und die physiologischen Begebenheiten für eine Umsetzung von Schallwellen in für das Gehirn auswertbare Nervenimpulse. Die Erforschung des Gehörsinns liegt im Schnittpunkt mehrerer wissenschaftlicher Disziplinen. So beschäftigen sich unter anderem die Medizin, die Akustik aber auch die Psychologie und die Phonetik mit Teilaspekten des Gehörs und der Hörwahrnehmung. Während anatomische Strukturen und zum Teil auch physiologische Abläufe qualitativ und quantitativ beobachtet und analysiert werden können, ist die Hörwahrnehmung der direkten Beobachtung entzogen. Als Teil des individuellen Bewusstseins der Wahrnehmenden ist sie nur über indirekte Beobachtungen durch Indikatoren und Test zugänglich. Jede Form von Untersuchung wiederum stößt schnell an Grenzen, da die beteiligten Sinnesorgane und physiologischen Vorgänge sehr fein, verletzlich und komplex sind und durch minimale Veränderungen in ihrer Funktion gestört werden können. Diese Umstände haben dazu beigetragen, dass noch viele Zusammenhänge der menschlichen Hörwahrnehmung ungeklärt sind.
Diese Arbeit befasst sich mit der Darstellung des Aufbaus und der Funktion der Hörbahn des Menschen. Das Ziel dieser Arbeit besteht darin, einen Überblick über die Anatomie und Physiologie des Gehörs zu geben und speziell die otoakustischen Emissionen in ihrer Anwendung als Hilfe zur Diagnosestellung darzustellen. Die Bedeutung der otoakustischen Emissionen in der und für die Phonetik wird ebenfalls behandelt. Die Kenntnis der Abläufe innerhalb der Hörbahn des Menschen ist von elementarer Bedeutung für das Verständnis der Perzeptionsvorgänge und der weiterführenden Entwicklung von Theorien und Denkansätzen. Auch für viele praktische Anwendungen, wie dem Hörscreening und der Diagnosestellung und adäquaten Therapie bei Schwerhörigkeit und Tinnitus, sind diese Kenntnisse eine Grundvoraussetzung.
In der Darstellung dieses komplexen Themas, in dem viele Einzelaspekte miteinander zusammenhängen, kann es nicht ausbleiben, in Erklärungen bestimmte Sachverhalte zu erwähnen, die erst an späterer Stelle ausführlich erörtert werden können. Eine möglichst verständliche Darstellung, auch mit Hilfe von Beispielen zur Veranschaulichung, dient dem Verständnis der oft nicht auf den ersten Blick offensichtlichen Zusammenhänge und Abläufe der Gehöranatomie und -physiologie. Grundlagenkenntnisse wie Fachtermini der Phonetik, Akustik und Medizin sowie zum Teil auch der Sprachwissenschaft werden für das Verständnis dieser Arbeit vorausgesetzt und können hier nicht umfassend erläutert werden.
Zur Veranschaulichung wurden viele Abbildungen mit in diese Arbeit übernommen, um über das Beschreibende hinaus auch einen visuellen Eindruck zu vermitteln.
Bei der Sichtung der Literatur zeigte sich, dass sich in den Gebieten der Anatomie und Physiologie eine immense Zahl von Veröffentlichungen vor allem aus dem medizinischen Bereich finden lässt, aus denen eine Auswahl getroffen werden musste. Neben einführenden Werken, die oft eine verkürzte Darstellungsform der Sachverhalte bieten, existiert auch eine Vielzahl von sehr spezifischen Betrachtungen kleinster Teilaspekte, wie etwa in Inaugural-Dissertationen der medizinischen Fakultäten. Das Hauptaugenmerk bei der Auswahl der Literatur liegt auf umfassenden und ausführlichen Werken und ist phonetisch orientiert. Die bestehende Literatur liefert in den Ausführungen zum Innenohr aber auch zur zentralen Hörbahn zum Teil unterschiedliche Angaben und Sichtweisen, die in dieser Arbeit analysiert und gegenübergestellt werden.
Zur Entwicklung neuer Theorien und Forschungsausrichtungen ist eine Auseinandersetzung mit etablierten Vorstellungen und Ansichten unabdingbar. Dass diese Auseinandersetzungen nicht immer vollständig objektiver Natur und rein wissenschaftlich geprägt waren, zeigt beispielsweise das Werk von Ranke & Lullies (1953). Neben einer ausführlichen Darstellung der Physiologie des Gehörs und einer Betrachtung der Aspekte der Hörwahrnehmung, findet sich in den Abschnitten, in denen Theorien und entsprechende Einwände beschrieben werden, deutliche Bemerkungen, die über die reine Diskussion des Themas hinausgehen.
In neu erscheinender Literatur finden sich zuvor beschriebene Erkenntnisse oft mit annähernd identischem Aufbau, aber in deutlich klarerer und besser verständlicher Darstellungsform. Interessanterweise konnten die Beobachtungen aus früheren Untersuchungen und Veröffentlichungen mit Hilfe neuer Techniken in der Mehrzahl der Fälle bestätigt werden. Darüber hinaus sind bezüglich der Bereiche vom Innenohr bis zum Gehirn seit den späten 1970er Jahren viele neue Erkenntnisse gewonnen worden (vgl. Walkowiak 1996 und zusammenfassend Seifert 1995). Entscheidend hierzu beitragen konnte Kemp (1978), der als erster mit validen, reliablen und objektiven Versuchsaufbauten die Existenz der otoakustischen Emissionen nachweisen konnte, nachdem diese durch Gold (1948) bereits 30 Jahre zuvor beschrieben worden waren. Die Forschung auf diesem Gebiet entwickelt stetig neue Möglichkeiten, nicht zuletzt auch für die praktische Anwendung, wie sie sich unter anderem in Hörscreenings von Neugeborenen niederschlägt, einem Verfahren zur Früherkennung von Hörschäden und Fehlentwicklungen des Gehörs (vgl. Hoth & Lenarz 1993, Mrowinski & Scholz 2002 und Hoth & Neumann 2006).
Entsprechend der Thematik sind Kenntnisse der Grundlagen des Aufbaus und der Funktionsweisen der Nerven sowie einiger elementarer Zusammenhänge der Akustik für das Verständnis der weiteren Kapitel dieser Arbeit notwendig. Einige einführende Begriffsbestimmungen zu diesen Gebieten finden sich in Kapitel 2. Anschließend werden in Kapitel 3 und 4 die Anatomie und Physiologie des Hörorgans mit den Mechanismen der Schallweiterleitung und den speziellen Funktionen der einzelnen Bereiche dargestellt. Neben den Verarbeitungsprozesse auf dem Weg zum Gehirn und in dessen Inneren, wird auch die vorgeburtliche Entwicklung beschrieben. Um einen Gesamtüberblick zu geben, wird in Kapitel 5 auf einige spezielle Aspekte der Perzeption des menschlichen Gehörs eingegangen. Im Rahmen dieser Ausführungen wird in einem Überblick der, soweit möglich, letzte Stand der Forschungen auf diesem Gebiet dargestellt. In einem kurzen Zwischenfazit in Kapitel 6 wird das bisher Dargestellte auf die Zielsetzung dieser Arbeit bezogen. Die Verarbeitung und Umsetzung der zunächst mechanisch-akustischen Reize in neuronale Codierungen über den Weg der Integration im sensorischen Nervensystem, stellt die Basis für unterschiedliche Theorienentwicklungen dar, die entsprechend Berücksichtigung in dieser Arbeit finden. In diesem Zusammenhang steht auch die Betrachtung der Theorie und der Praxis der otoakustischen Emissionen in Kapitel 7. Eine zusammenfassendes Fazit in Kapitel 8 schließt die Arbeit ab.
2 Grundlagen des Nervensystems und der Akustik
Für das Verständnis der Abläufe im Hörorgan ist ein Grundlagenwissen sowohl über das menschliche Nervensystem und der Funktionsweise von Nerven, als auch über die Akustik und die Schallfeldgrößen unabdingbar. Dementsprechend wird an dieser Stelle ein kurzer Überblick über diese Grundlagen im Hinblick auf die Ausführungen zur Anatomie und Physiologie des Gehörs gegeben. Für vertiefende Einblicke sei die weiterführende, medizinische Fachliteratur von Keidel 1985, Silbernagl & Despopoulos 2003, Klinke et al. 2005 und Bommas-Ebert et al. 2006 empfohlen.
2.1 Das Nervensystem
Das menschliche Nervensystem wird in das z entrale und das periphere Nervensystem unterteilt. Das zentrale Nervensystem besteht aus dem Rückenmark (Medulla spinalis) und dem Gehirn (Encephalon). Das Gehirn lässt sich in die weiteren Bereiche
- verlängertes Mark (Medulla oblongata)
- Brücke (Pons)
- Mittelhirn (Mesenzephalon)
- Kleinhirn (Zerebellum)
- Zwischenhirn (Dienzephalon)
- End- oder Großhirn (Telenzephalon)
aufteilen. Die Bereiche des verlängerten Marks, der Brücke und des Mittelhirns werden gemeinsam als Hirnstamm bezeichnet (vgl. Silbernagl & Despopoulos 2003, S. 310). Das Großhirn ist in zwei Hemisphären geteilt, die über den Balken (Corpus callosum) miteinander verbunden sind. An der Oberfläche des Großhirns liegt die graue Substanz der Großhirnrinde. Die Großhirnrinde (Cortex cerebri oder auch nur „der Cortex“) ist pro Seite in jeweils fünf Hirnlappen aufgeteilt. Unter der grauen Substanz befindet sich die weiße Substanz (Substantia alba), welche aus den Ausläufern der Nervenzellen (s.u.) besteht. In die weiße Substanz sind ebenfalls Nervenkerne der grauen Substanz eingelagert. Auf Areale der Windungen der Hirnlappen sind Funktionen zugeordnet, hier finden sich beispielsweise das Seh- und auch das Hörzentrum (vgl. Pétursson & Neppert 2002, S. 177-179). Der Cortex wird als der Ursprung aller bewussten und vieler unbewusster Handlungen sowie als Sammelstation aller bewussten Sinneseindrücke und als Sitz des Gedächtnisses angesehen (vgl. Silbernagl & Despopoulos 2003, S. 310).
Das periphere Nervensystem besteht aus Nervenzellen und ihren Fortläufern, die ihren Anfangs- bzw. Endpunkt im Gehirn haben, dann aus diesem System heraustreten, um zu den verschiedenen Bereichen des Körpers zu gelangen. Es gibt insgesamt zwölf Hirnnerven und 31 Paare von Rückenmarksnerven. Sie treten auf Höhe des Gehirns bzw. des Rückenmarks aus dem zentralen Nervensystem heraus und nehmen eine Verbindung zu den Organen auf (vgl. Pétursson & Neppert 2002, S. 179f).
Beide Nervensysteme bestehen aus mehr als 1010 Nervenzellen, die auch Neurone genannt werden[1]. Neurone sind die funktionell selbständigen Grundeinheiten des Nervensystems. Sie übertragen codierte Informationen in Form von Impulsen. Der Aufbau der Neurone im menschlichen Körper ist grundsätzlich immer gleich. Ein Neuron hat einen Zellkörper (Soma) mit einem Zellkern und zwei Arten von Fortsätzen, die Dendriten und das Axon. Über die meist baumartig verzweigten Dendriten werden Signale von anderen Neuronen aufgenommen und über den Zellkern als Signalsumme addiert. Das Axon hingegen entspringt am Axonhügel des Zellkörpers und überträgt das Nervensignal auf andere Zellen. Zu diesem Zweck verzweigt sich das Axon oft und bildet somit Kollaterale aus. Neurone lassen sich je nach Anzahl ihrer Fortsätze, die aus ihrem Zellkörper entspringen, in unipolare, bipolare und multipolare Nervenzellen einteilen. Die Dendriten bringen die so genannten afferenten Signale in die Nervenzelle hinein, die Axone übertragen die efferenten Signale auf nachgeschaltete Neurone, aber auch auf Muskel- oder Drüsenzellen (vgl. Silbernagl & Despopoulos 2003, S. 42). Die Begriffe afferent und efferent werden werden allgemein dafür benutzt, um auszudrücken, dass ein Signal auf etwas, zum Beispiel das Gehirn, zuläuft (afferent) bzw. von etwas wegläuft (efferent). Bezüglich des Hörorgans werden die Signale, die in der Cochlea (siehe Abschnitt 3.3.4) entspringen und über die Nervenfortleitungen aus Axonen und Dendriten ins Gehirn laufen, als „afferent“, im Sinne von aufsteigend bezeichnet. Signale, die auf der Strecke in entgegengesetzter Richtung laufen, also vom Gehirn in die Cochlea oder entsprechende Organe absteigen, tragen die Bezeichnung „efferent“.
Um die Neurone und auch die Axone herum liegen, nur getrennt durch den dünnen, flüssigkeitsgefüllten Extrazellulärspalt, die Glia zellen und bilden so die Nerven faser. Die Gliazellen halten über Stoffwechselprozesse unter anderem das Milieu um die Neurone konstant. In ihrer Ausbildung als Schwannsche Zellen um periphere Neurone herum und mit Hilfe der zusätzlich ausgebildeten Markscheide (Myelinscheide) bewirken sie eine Isolierung des Axons. Die Myelinisierung ist also die spiralförmige Ummantelung der Nervenfasern mit einer lipidreichen Hülle, die die Fasern gegenüber den umgebenden Strukturen elektrisch isoliert. Diese Myelinscheide umgibt die Nervenfaser und ist etwa alle 1,5 mm durch die Ranvierschen Schnürringe unterbrochen. An den myelinisierten Bereichen des Axons können keine Ionenströme durch die Axonmembran fließen, dies ist nur über die relativ weit entfernt voneinander liegenden Ranvierschen Schnürringe möglich. Myelinisierte Nervenfasern haben daher mit bis zu 120 m/s eine sehr viel höhere Leitungsgeschwindigkeit als nicht-myelinisierte Fasern mit nur etwa 0,5 bis 2 m/s und können dadurch deutlich schneller Informationen übertragen (vgl. Klinke et al. 2005, S. 613, 621).
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Abbildung 1: Schematische Darstellung eines Neurons.
(aus: KEIDEL 1985, S. 14.3, Abb. 14.1).
Aus Abbildung 1 wird der Aufbau eines Neurons mit den geschilderten Teilen deutlich. Es ist zu sehen, dass sich Kollaterale nicht nur an den Endpunkten, sondern auch in anderen Bereichen der Nervenfaser bilden können.
Überschreitet die Signalsumme am Axonhügel einen Schwellenwert, so wird über chemische Prozessabläufe gesteuert, ein Aktionspotential über das Axon abgeschickt (vgl. Silbernagl & Despopoulos 2003, S. 42). Aktionspotentiale (engl. Spikes) bauen sich aus einer impulsartigen Spannungsveränderung auf, die im Vergleich mit dem Ruhepotential der Zelle eine Erhöhung bedeutet. Das Ruhepotential weist aufgrund einer ungleichen Ionenverteilung zwischen den intra- und extrazellulären Flüssigkeiten Werte zwischen -60 bis -90 mV auf[2]. Es bedarf einer Überschreitung der Reizschwelle durch die Zuführung einer Spannungserhöhung über ein vorangegangenes Neuron, um durch Ionentransfer ein Aktionspotential im Innern der Zelle auszulösen. Das Signal wird über divergierende Abfolgefrequenzen der Aktionspotentiale in Bezug auf die Zeit codiert. Eine Erhöhung der Intensität des Reizes bewirkt eine Erhöhung der Anzahl der Aktionspotentiale, jedoch keine Spannungserhöhung. Die Reizweiterleitung in den Neuronen funktioniert nach dem Alles-oder-Nichts-Prinzip. Eine Leistung von 200 bis zu 500 Aktionspotentialen pro Sekunde kann, bedingt durch eine Erholungsphase (Refraktärzeit) der Neurone von 2 bis 5 ms, geleistet werden, für spezialisierte Nervenzellen werden Refraktärzeiten von 1-2 ms angegeben (vgl. Keidel 1985, S. 14.21 und Pétursson & Neppert 2002, S. 182f sowie Abschnitt 4.4.3).
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Abbildung 2: Synapse (Schema).
(aus: Silbernagl & Despopoulos 2003, S. 43, Abb. 3 aus Tafel 2.1).
Die Endknöpfchen des Axons stellen die Verbindung zu den nachfolgenden Neuronen dar. Mit den Dendriten, dem Zellkörper und dem Axon der anschließenden Nervenfasern bzw. -zellen können diese Endknöpfchen Synapsen bilden. Das codierte, elektrische Signal erreicht das Endknöpfchen des Axons und bewirkt, dass an der präsynaptischen Membran ein Überträgerstoff (Neurotransmitter) freigesetzt wird, welcher durch den synaptischen Spalt zur postsynaptischen Membran diffundiert und dort elektrische Veränderungen bewirkt. Hierbei kann die postsynaptische Membran je nach Art des Neurotransmitters erregt oder gehemmt werden. Sie selbst schüttet keine eigenen Überträgerstoffe aus. Folglich hat die Synapse eine Ventilfunktion inne. (vgl. Silbernagl & Despopoulos 2003, S. 42 und Abbildung 2).
Das Netz der Neuronen ist über eine sehr hohe Zahl von Querverschaltungen in einer Größenordnung von 1014 untereinander verbunden (vgl. Klinke et al. 2005, S. 612). Über diese Verschaltungen bildet sich ein neuronales Netzwerk, von dem Regelkreisläufe mit entsprechenden Modifikationen und Koordinationen einzelner Abläufe initiiert werden (vgl. Pétursson & Neppert 2002, S. 183f). Jede Sinneszelle hat einen adäquaten Reiz, der jeweils spezifische sensorische Eindrücke, wie beispielsweise einen Schalleindruck, hervorruft. Diese Eindrücke können in ihrer Qualität abgestuft sein. Hier sind die Frequenz oder die Stärke des Schalls beispielhaft aufzuführen. Wie oben beschrieben, löst der Reiz an der Zelle (Sensorzelle) ein Potential aus, welches bei Überschreitung eines Schwellenwertes die Auslösung eines Aktionspotentials in der Nervenfaser bewirkt, der Reiz wird von einem elektrischen Zustand in einen chemischen transformiert. Wenn sich zwischen Sensor und afferenter Faser eine Synapse befindet, so spricht man von einer sekundären Sinneszelle. Diese finden sich unter anderem bei den Haarzellen des Innenohres (siehe Abschnitt 3.3.5). Hat ein Sensor eine eigene afferente Faser, so handelt es sich um eine primäre Sinneszelle. Dies ist z.B. der Fall bei den Sensoren des Geruchs (vgl. Silbernagl & Despopoulos 2003, S. 312).
2.2 Akustische Grundlagen
Die Akustik ist eine Wissenschaft, die sich mit den Schwingungen in elastischen Medien befasst. Sie lässt sich in die Unterbereiche physikalische, physiologische und psychologische Akustik aufteilen. Die physikalische Akustik wird als Teilgebiet der Mechanik gesehen, die physiologische Akustik als Teilgebiet der sensorischen Physiologie und die psychologische Akustik als Teilgebiet der Wahrnehmungspsychologie. Ein Sondergebiet ist die musikalische Akustik (vgl. Hellbrück & Ellermeier 2004, S. 17). Im folgenden Abschnitt werden neben der Darlegung der Maßsysteme der für die Physiologie des Gehörs ausschlaggebenden Bereiche der Akustik auch einige für das Verständnis der nachfolgenden Ausführungen wichtige Begriffe der Schwingungslehre aufgeführt und erläutert. Es werden Bereiche der physikalischen und der physiologischen Akustik beschrieben. Grundzusammenhänge werden als bekannt vorausgesetzt, eine umfassende Betrachtung bezüglich des Schalls, insbesondere des Sprech schalls kann an dieser Stelle nicht stattfinden, hier sei auf die entsprechenden Abschnitte der einführenden Literatur von Neppert (1999), Pétursson & Neppert (2002) und auch Pompino-Marschall (1995), sowie Reetz (1999) verwiesen. Für einen Einblick in die überaus interessante Geschichte der Akustik seien Hellbrück & Ellermeier (2004, S. 27-51) empfohlen.
2.2.1 Schall
Schall wird in die Bereiche physikalisches Schallereignis, der Wahrnehmung und der Bedeutung dieser Wahrnehmung für den Hörenden differenziert, wobei die beiden letztgenannten Bereiche aufgrund von erlernten Zuschreibungen der Bedeutung zu bestimmten Wahrnehmungen nicht immer voneinander zu trennen sind.[3] Aus dem Blickwinkel einer rein physikalischen Sichtweise kann Schall auch ohne Kenntnis der Bedeutung wahrgenommen werden. Im Folgenden wird als Schall bzw. Schallereignis der Reiz bezeichnet, der zu einer Hörempfindung führt. (vgl. Hellbrück & Ellermeier 2004).
Schall besteht aus Schwingungen von Luftmolekülen, die von einer Schall quelle ausgehen und sich in einem elastischen Medium wellenförmig und meist auch kugelförmig verteilen. Hierbei breiten sich Zonen von Über- und Unterdruck in Form von Wellen um die Schallquelle herum mit einer Geschwindigkeit in Luft von etwa 335 m/s aus[4]. Schall wellen sind also Luftdruckunterschiede, die sich im Raum oder in einem bestimmten Medium ausbreiten, ohne dass sich die einzelnen Moleküle des Mediums dabei von ihrer Position wegbewegen. Die Moleküle schwingen um ihre Mittellage. Die Ausbreitung ist also an ein Trägermedium gebunden, welches die Geschwindigkeit der Fortpflanzung der Welle durch seine Materialbeschaffenheit bestimmt und dabei elastische Eigenschaften aufweist. Elastizität ist die Eigenschaft eines Körpers oder Materials, unter Krafteinwirkung formveränderlich zu sein. Nach der Krafteinwirkung kehrt das Material in seinen Ursprungszustand zurück; die dahinter stehende Kraft wird Rückstellkraft genannt (vgl. Klinke et al. 2005, S. 658). Der sich ausbreitenden Welle setzt jedes Medium einen bestimmten Widerstand entgegen. Beim Übergang von einem Medium in ein anderes kann nicht die gesamte Energie aufgenommen werden, sondern es wird am Ort des Übergangs ein Teil der Energie reflektiert. Je größer der Widerstand des nachfolgenden Mediums im Vergleich zu dem des vorhergehenden ist, desto stärker ist diese Reflektion (vgl. Clasen & Geršić 1975, S. 103).
Der entstehende Wechseldruck bei der Ausbreitung eines Schalls wird Schalldruck genannt und in Pascal (auch Newton/m2) angegeben. Für die Quantifizierung wird allerdings das Maß des Schalldruckpegels (auch einfach Pegel) genutzt, welcher in Dezibel (dB) angegeben wird.[5] Dieses logarithmische Maß stellt ein Verhältnis zu einem festgelegtem Bezugs schalldruck (p0) von 2∙10-5 Pascal (entspricht 20 μPa) dar. Dies ist der Schalldruck, der im empfindlichsten Frequenzbereich des Gehörs (s.u.) gerade eben eine Empfindung auslöst. Um deutlich zu machen, dass die Skala mit dem Bezugsschalldruck von 20 μPa benutzt wird, wird der Pegel mit dB SPL gekennzeichnet, SPL steht für Sound Pressure Level, dem englischsprachigen Ausdruck für Schalldruckpegel (vgl. Klinke et al. 2005, S. 658). Die Gleichung für den Schalldruckpegel L lautet:
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Formel 1: Definitionsgleichung für den Schalldruckpegel.
(Eigene Darstellung).
Px ist derjenige Schalldruck, dessen Pegel L berechnet werden soll. Eine Pegelerhöhung von 20 dB SPL bedeutet eine Verzehnfachung des Schalldrucks; bei einer Verdopplung des Schalldrucks wäre der Schalldruckpegel entsprechend Formel 1 um 6 dB erhöht.
Der Beschreibung von Schallwellen bzw. -schwingungen dienen die Begriffe Frequenz, Amplitude und Phase (vgl. Reetz 1999, S. 3). Mit Frequenz (f) wird das Verhältnis von Zahl der Schwingungen pro Zeiteinheit angegeben. Die Frequenz gibt also an, wie oft an einer Stelle des Schallfeldes eine Schwankung des Schalldrucks auftritt und wird in der Einheit Hertz (Hz) angegeben (vgl. Pétursson & Neppert 2002, S. 125f). Hierbei gilt also dass f = 1/s ist. Die Dauer einer einzelnen Schwingung ist die Periodendauer (T). Die Amplitude beschreibt die maximale Auslenkung einer Schwingung oder einer Welle aus der Mittellage, während Elongation der Begriff für die momentane Auslenkung ist (vgl. Reetz 1999, S. 18f). Es verhält sich so, dass sich zwei Töne (s.u.) mit gleicher Frequenz und gleicher Amplitude sich durch die Phase unterscheiden können. Hellbrück & Ellermeier (2004) beschreiben die Phase mit Hilfe eines Beispiels: Zwei Fahrradpedale, die entsprechend ihrer Funktion mit gleicher Geschwindigkeit in einer Kreisbewegung laufen, gehen aus der horizontalen Ausrichtung in zwei verschiedene Richtungen. Während das eine Pedal nach oben geht, geht das andere zur gleichen Zeit nach unten. In der Darstellung als Zeitfunktion ergeben sich zwei gegenläufige Sinusfunktionen, die um 180° gegeneinander phasenverschoben sind. Die Phase beschreibt also den Schwingungszustand zu bestimmten Zeitpunkten. Für den Vergleich zweier Schwingungen ist der Begriff des Nullphasenwinkels von Bedeutung. Dieser beschreibt den Winkel, in dem ein Luftteilchen zu Beginn der Beobachtung abgebildet wird (vgl. Hellbrück & Ellermeier 2004, S. 58).
Bei den Schällen lassen sich die verschiedenen Kategorien Töne, Klänge und Geräusche unterschieden. Ein Ton wird durch seine Amplitude, seine Frequenz und seine Phase beschrieben, wobei Amplitude und Frequenz den Empfindungen der Lautheit (s.u.) und der Tonhöhe (s.u.) entsprechen, während die Phase meist nicht wahrgenommen wird. Ein Ton hat genau genommen nur eine einzige Frequenz. Ein Klang wird als Zusammensetzung aus einer Grundfrequenz und mehreren harmonischen Obertönen beschrieben, die Obertöne sind also Vielfache der Grundfrequenz. Beim Ton und beim Klang wiederholen sich die Schalldruckpegel- und Frequenzverläufe periodisch. Die zeitliche Verteilung der Schallfrequenzen und des Schalldruckpegels beim Geräusch wiederholt sich im Gegensatz zu der des Tones oder Klanges nicht, ist also aperiodisch (vgl. Keidel 1985, S. 18.3 und Klinke et al. 2005, S. 659). In Abbildung 3 sind die beschriebenen Schallsorten in Form eines Amplituden/Zeit-Verlaufs dargestellt. Mit λ ist die Wellenlänge, also der Abstand zweier benachbarter Orte gleichen Schalldrucks, bezeichnet.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Wellenlänge, Amplitude und Schwingungsformen.
(aus: SILBERNAGL & DESPOPOULOS 2003, S. 363, Abb. 3 von Tafel 12.27).
Die Wellenlänge λ ergibt sich aus dem Quotienten von Schallgeschwindigkeit c durch die Frequenz f (vgl. Hellbrück & Ellermeier 2004, S. 60). Die Frequenz 1000 Hz hat bei einer angenommenen Schallgeschwindigkeit von 340 m/s also eine Wellenlänge von λ = 340/1000 = 0,34 m.
Als weitere energetische Größe ist die Schall intensität anzuführen. Unter ihr versteht man die pro Zeiteinheit auf eine Fläche auftretende Schallenergie. Dadurch, dass die Intensität zum Quadrat des Schalldrucks proportional ist, entsteht eine Verdopplung der Schallintensität, wenn der Schalldruckpegel um 3 dB erhöht wird (vgl. Klinke et al. 2005, S. 659). Aus dem Verhältnis von Energieumsatz pro Zeiteinheit, welches als Leistung bewertet werden kann, besteht die Möglichkeit, die Beziehung von Schallleistung pro Flächeninhalt zu betrachten. Somit ergibt sich die Einheit der Schallintensität von Watt pro Quadratmeter (1 W/m2, entspricht 104 W/cm2. (vgl. Neppert 1999, S. 78).
Mit zunehmender Entfernung von einer Schallquelle wird die Dämpfung immer größer und hat Auswirkungen auf das Schallsignal. Wenn eine Schallwelle auf ein Hindernis trifft, welches kleiner als ihre Wellenlänge ist, wird die Schallwelle an den Kanten des Hindernisses gebeugt. Hindernisse müssen also relativ groß sein, um tieffrequenten Schall[6] wirksam abzudämpfen. So wird beispielsweise bei einem Gewitter der Donner als grell wahrgenommen, wenn das Gewitter nahe ist, die hohen Frequenzen dringen noch verhältnismäßig ungedämpft bis zum Ohr. Zieht das Gewitter weiter, so gelangen nur noch die tiefen Frequenzen des Donners relativ ungedämpft an das Ohr und der Donner wird als dumpf und grollend wahrgenommen (vgl. Hellbrück & Ellermeier 2004, S. 62f).
Die Größen der Lautstärke und der Lautheit, welche in P hon bzw. in S one gemessen werden und im Zusammenhang mit dem Schalldruck stehen, finden ebenso wie die entsprechenden Skalen im Kapitel über die perzeptiven Eigenschaften des Gehörs Berücksichtigung.
2.2.2 Resonanz und Filter
Die Eigenfrequenz ist diejenige Frequenz, mit der ein Körper mit der größtmöglichen Amplitude schwingt, nachdem er eine Anregung von außen erfahren hat und anschließend sich selbst überlassen wird; der schwingende Körper wirkt dann als Resonator. Ein schwingungsfähiger Körper kann eine oder mehrere Eigenfrequenzen besitzen, die stärker hervortreten, während die anderen Frequenzen der Anregung gedämpft werden. (vgl. Pétursson & Neppert 2002, S. 132f).
Die Wellenlänge spielt bei der Betrachtung von Luftsäulenresonanzen eine wichtige Rolle. Der äußere Gehörgang (s.a. Abschnitte 3.1 und 4.1.2) kann als einseitig offenes Rohr betrachtet werden. Es gilt, dass „diejenige Frequenz, deren zugehörige Wellenlänge mit ¼ λ in die Rohrlänge(l) passt, die erste (tiefste) Resonanzfrequenz (=Eigenfrequenz) der in diesem Rohr befindlichen Luftsäule ist“ (Pétursson & Neppert 2002, S. 135). Für die zweite Resonanzfrequenz gilt bezüglich der Rohrlänge der Wert ¾ λ. Entsprechend kann die Reihe weiter fortgeführt werden, es gilt also für die n/4 λ Wellenlänge die n-te Resonanzfrequenz (vgl. Pétursson & Neppert 2002, S. 134f und Abbildung 4).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Stehende Wellen.[7]
(aus: Pétursson & Neppert 2002, S. 134, Abb. 48).
Mit Filter werden in der Akustik Vorrichtungen bezeichnet, die Schwingungen in Abhängigkeit von der Frequenz dämpfen. Akustische Filter lassen je nach Beschaffenheit bestimmte Frequenzbereiche eines Schallereignisses durch ein System hindurch, während andere Bereiche gedämpft oder gesperrt, also annähernd vollständig unterdrückt werden. Es werden Tiefpass-, Hochpass- und Bandpass filter unterschieden. Gemäß ihren Namen lassen diese Schall bis zu einer bestimmten Frequenz (Tiefpass) und ab einer bestimmten Frequenz (Hochpass) passieren, während die jeweils anderen Frequenzen gedämpft werden. Der Durchlassbereich bei einem Bandpassfilter ist durch zwei Grenzfrequenzen markiert; Frequenzen, die außerhalb dieser Grenzfrequenzen liegen, werden gedämpft. Mit der Güte eines Filters wird die Schärfe, mit der Frequenzen herausgefiltert werden, bezeichnet. Die Flanken eines Filters können mehr oder weniger steil sein, hierbei sind steile Filter schärfer abgestimmt als flachere Filter. Die Flankensteilheit, als Maß der Güte eines Filters, wird in dB/Oktave angegeben. Je höher der dB-Wert pro Oktave ist, desto größer ist die Steilheit und desto schärfer ist die Abstimmung. Der äußere Gehörgang filtert mit Hilfe seiner Resonanzen die eintreffenden Schallwellen und kann als Bandpassfilter angesehen werden (vgl. Hellbrück & Ellermeier 2004, S. 73ff).
3 Die Anatomie des Hörorgans
Aufgrund der Vielzahl von Reizen, die permanent auf das Ohr treffen, bedarf es komplexer Regelungsmechanismen, um eine Sinnesüberflutung zu verhindern. So müssen diese Reize gefiltert, zum Teil verstärkt und zum Teil abgeschwächt werden, um innerhalb der bestehenden Strukturen adäquat verarbeitet und weitergeleitet werden zu können. Hierfür sind einige anatomische Besonderheiten auf der Hörbahn angelegt, die im Folgenden näher erläutert werden.
Der Vollständigkeit halber finden hier auch die medizinisch gebräuchlichen lateinischen bzw. griechischen Bezeichnungen bei der Nennung des Organteils Erwähnung. Teilweise werden auch die englischsprachigen Ausdrücke eingeführt. Aus Gründen der einfacheren Verständlichkeit und Lesbarkeit wird dann im Weiteren die in der verwendeten Literatur gebräuchlichste Kennzeichnung verwendet.
Auf eine allzu detaillierte Unterteilung in makro- und mikroskopische Anatomie wurde zugunsten einer umfassenderen Aufteilung in die Bereiche Anatomie und Physiologie verzichtet, um ausgehend von einer klaren Vorstellung der organischen, anatomischen Strukturen auf eine Verständnisebene der physiologischen Funktion des Hörorgans zu gelangen, ohne jeweils sämtliche Details bis in die untersten Zellebenen hinein zu eröffnen. Für weitergehende Einblicke sei hier die medizinische Fachliteratur aus dem medizinischen Hals-Nasen-Ohren Bereich von Berghaus et al. (1996), Boenninghaus & Lenarz (2006) und Schünke et al. (2006) empfohlen.
Das Hörsystem des Menschen wird durch die Unterteilung in peripheres und zentrales Hörorgan gegliedert. Das periphere Hör- und Gleichgewichtsorgan liegt im Schläfenbein (Os temporale), dieses lässt sich weiter in Paukenteil (Pars tympanica), Felsenbein (Pars petrosa), Warzenfortsatz (Pars mastoidea) und Schuppe (pars squamosa) unterteilen. Eine Unterteilung nach klinischen Gesichtspunkten erscheint an dieser Stelle sinnvoller als eine Aufteilung nach rein anatomischen Aspekten. Hierbei werden das äußere Ohr, das Mittelohr und das Innenohr zusammengefasst als periphere Hörbahn beschrieben. Alle weiteren Bereiche, die bis zur eigentlichen Interpretation des Gehörten nötig sind, gelten als Teil der zentralen Hörbahn (vgl. Boenninghaus 1977, S. 5).
Eine Unterteilung des peripheren Hörorganes in die drei Teilbereiche Außen- Mittel- und Innenohr, wie sie aus Abbildung 5 ersichtlich ist, findet sich in der Literatur entsprechend wieder und wird demgemäß hier ebenso übernommen (vgl. Berghaus et al. 1996; Boenninghaus 1977; Clasen & Geršić 1975; Frick et al. 1980; Hellbrück & Ellermeier 2004; Huppelsberger & Walter 2005; Keidel 1975 und 1985; Neppert 1999; Pétursson & Neppert 2002; Schünke et al. 2006; Seifert 1995; Wendler & Seidner 1996; Zwicker 1982). An den Stellen, an denen eine genaue Abgrenzung der einzelnen Bereiche des Ohres zum Verständnis der Anatomie nötig ist, wurden diese Grenzziehungen ausgewählt. In der überwiegenden Zahl der Veröffentlichungen erscheinen sie auch auf diese Weise. Aufgrund der gut erforschten anatomischen Strukturen des peripheren Hörorgans bis zum Innenohr ist der Forschungsgegenstand klar und die Beschreibungen einheitlich.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: Übersicht über äußeres Ohr, Mittelohr und Innenohr.
(aus Boenninghaus 1977, S. 4, Abb. 1).
[mit eigenen Ergänzungen, O. Le].
3.1 Die Anatomie des Außenohres
Die zum Außenohr gehörende Ohrmuschel (Auricula) besteht aus einem mit Haut überdeckten Knorpel (Cartilago auriculae), der elastische Eigenschaften aufweist, aus einem Stück besteht und an den Muskelfasern ansetzen. Der Bewegungsmöglichkeit der Ohrmuschel durch die Muskelfasern wird gemeinhin keine weitere Bedeutung zugemessen (vgl. Clasen & Geršić, 1975, S. 92). Neben einer Schutzfunktion für den äußeren Gehörgang, wird der Ohrmuschel vor allem die Funktion als Schalltrichter bzw. als Schallwand oder auch als Röhre zugeschrieben. Auf diesen Bereich wird in dem anschließenden Kapitel über die Physiologie des Außenohres (Abschnitt 4.1) näher eingegangen.
Aus Abbildung 6 ist deutlich die starke Faltung des Ohrknorpels ersichtlich, aus der sich Gräben und Erhebungen ergeben, welche jeweils eigene Bezeichnungen tragen. Der äußere Rand der Ohrmuschel wird Helix genannt. Parallel zur Helix, getrennt durch eine enge gekrümmte Falte (Scapha), verläuft als deutlich hervortretender Wulst die sichelförmige Anthelix. Sie teilt sich an ihrem zum Kopf hin gewandten (kranialen) Ende in zwei separate Falten, die obere (Crura superius anthelicis) und die untere (Crura inferius anthelicis). Die dazwischen liegende, dreieckig geformte Vertiefung trägt den Namen Fossa triangularis. Die Cavum conchae stellt den Übergang zum äußeren Gehörgang (Meatus acusticus externus) dar. An den Tragus und den Antitragus schließt sich unterhalb das knorpelfreie Ohrläppchen (Lobulus auricularis) an (vgl. Boenninghaus 1977, S. 5f und Seifert 1995, S. 12f).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 6: Ohrmuschel.
(aus: Boenninghaus 1977, S. 4, Abb. 2).
Durch die zwei ersten Halsnerven findet die sensible Innervierung der Ohrmuschel und des äußeren Gehörganges statt. Der zum Rücken gelegene (dorsale) Ast des N. cervicalis I. innerviert als N. occipitalis die zur Mitte hin gelegene (mediale) Außenfläche der Auricula. Die seitlichen Außen- und die Innenflächen der Ohrmuschel und der Gehörgang werden vom N. auricularis magnus, der aus dem bauchwärts gelegenen (ventralen) Ast des N. cervicalis II. stammt, versorgt (vgl. Seifert 1995, S. 13).
Für den äußeren Gehörgang, der eine rinnenförmige Fortführung des Ohrmuschelknorpels ist, werden Längen zwischen 2,3 bis 3,5 cm und ein Durchmesser von 0,6 bis 0,8 cm angegeben. Des Weiteren scheint der Gehörgang von Mensch zu Mensch unterschiedlich in der Ausprägung zu sein, eine leichte konvexe Krümmung nach hinten und oben ist allerdings immer zu finden (vgl. Boenninghaus 1977, S. 5; Seifert 1995, S. 13; Pétursson & Neppert 2002, S. 172 und Hellbrück & Ellermeier 2004, S. 91). Die relativ große Spannbreite dieser Angabe konnte nicht abschließend geklärt werden. Die Annahme, dass die Längenmessungen an Menschen unterschiedlichen Alters bzw. Geschlechts und somit auch divergierenden Wachstumsphasen/-größen vorgenommen wurden, liegt nahe.
Der von außen kommend erste, knorpelige Bereich des Gehörgangs hat ein Dach aus Bindegewebe und lässt sich elastisch verschieben. In ihm sind Haare und Talgdrüsen vorhanden, die zusammen ein fetthaltiges Sekret, den Ohrenschmalz (Cerumen) bilden, welcher vor allem das empfindliche Trommelfell (Membrana tympani) schützen soll. Im knöchernen Teil des Gehörganges, der eine starre Struktur aufweist, ist die Haut dünner und fest mit der Knochenhaut (Periost), einer bindegewebartigen Hülle, die den Knochen umgibt, verwachsen. Vom knorpeligen zum knöchernen Teil weist der Gehörgang eine Krümmung auf. Diese kann durch Ziehen der Ohrmuschel nach hinten begradigt werden, um beispielsweise Spiegeluntersuchungen am Trommelfell durchzuführen. Hierbei wird der knorpelige Teil des Gehörganges gestreckt, der Gehörgang gerade ausgerichtet und der Trichter eines Untersuchungsinstrumentes (z.B. Otoskop) kann eingeführt werden. Das Trommelfell schließt den Gehörgang ab und stellt den Übergang zum Mittelohr dar (vgl. Boenninghaus 1977, S. 5).
3.2 Die Anatomie des Mittelohres
Während Clasen & Geršić das Trommelfell als zum Außenohr gehörend beschreiben (1975, S. 93), findet sich in jüngeren Werken durchgehend eine Zuordnung zum Mittelohr (vgl. Hellbrück & Ellermeier 2004; Pétursson & Neppert 2002; Seifert 1995 u.a.). Da das Trommelfell aus anatomischer Sicht genau zwischen äußerem Ohr und Mittelohr gelegen ist, erscheint eine Zuordnung weitestgehend arbiträr. Aufgrund der Tatsache, dass sich die Funktionalitäten der beiden Organe einander bedingen, wird in dieser Arbeit das Trommelfell als zum Mittelohr gehörig beschrieben.
Wie aus Abbildung 7 hervorgeht, umfasst das Mittelohr (Auris media) das Trommelfell, die Pauken- oder Mittelohrhöhle (Cavitas tympani) und die Gehörknöchelchen (Ossicula auditus) Hammer, Amboß und Steigbügel (Malleus, Incus und Stapes) mit den beiden Mittelohrmuskeln M. tensor tympani und M. stapedius, die Eustachische Röhre (Tuba auditiva Eustachii, auch Ohrtrompete oder Tube). Die pneumatischen, also luftgefüllten Räume sind ebenfalls Bestandteile des Mittelohres (vgl. Buhl 1995, S. 8 und Hellbrück & Ellermeier 2004, S. 92).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 7: Gehörknöchelchenkette in der Paukenhöhle (Cavitas tympani).
(aus: SCHÜNKE ET AL. 2006, S. 147, Abb. C).
3.2.1 Das Trommelfell
Der äußere Gehörgang wird mit Hilfe des Trommelfells gegen die Paukenhöhle schräg abgeschlossen. Hierbei steht das Trommelfell oben ungefähr 6 mm weiter nach außen als unten (vgl. Clasen & Geršić 1975, S. 93). Anders ausgedrückt lässt sich sagen, dass die „laterale Fläche des Trommelfells (...) nach vorne und unten um ca. 45° und gegen die Sagittalebene um 50° geneigt“ (Bommas-Ebert Et Al. 2006, S. 514) ist. Die Größe des Trommelfells wird mit 10 mm Durchmesser (vgl. Hellbrück & Ellermeier 2004, S. 91), einer mittleren Fläche von 0,85 cm2, von der etwa 0,55 cm2 bei der Auslenkung ansprechen und einer ungefähren Dicke von 0,1 mm (vgl. Clasen & Geršić 1975, S. 93, 108) beschrieben.
In Abbildung 8 ist der Aufbau des Trommelfells anschaulich dargestellt. Die häutige Membran ist mittels eines Faserrings (Anulus fibrocartilagineus oder auch Anulus fibrosus) in den Knochen eingefügt. Es wird zwischen einem kleinen, schlaffen Abschnitt (Pars flaccida oder auch Shrapnell-Membran) und einem größeren, gespannten Bereich (Pars tensa) differenziert. Der letztgenannte Teil ist trichterförmig zum Nabel (Umbo) eingezogen. Dieser Nabel bildet das untere Ende des mit dem Trommelfell verwachsenen Hammergriffs, welcher als heller Streifen (Stria mallearis) durch die Pars tensa hindurchschimmert. Die Pars tensa besteht aus drei Schichten, einer Epithelschicht, einer Faserschicht und einer Schleimhautschicht, während die Pars flaccida nur aus der Epithel- und der Schleimhautschicht aufgebaut ist. Das Trommelfell wird im Uhrzeigersinn in vier Quadranten eingeteilt: I entspricht v.o. (vorne oben), II v.u.(vorne unten), III h.u.(hinten unten) und IV h.o.(hinten oben). Die Einteilung erfolgt entlang der Stria mellearis und einer Senkrechten darauf, wobei der Umbo den Schnittpunkt darstellt. Diese Einteilung ist klinisch gesehen von Wichtigkeit, da sie der Beschreibung der Lokalisation von krankhaften Veränderungen dient (vgl. Boenninghaus 1977, S. 7ff). Die Teile des Trommelfells werden sensibel sowohl über den N. tympanicus, welcher aus dem IX. Hirnnerv (N. glossopharyngeus) stammt, als auch über den Ramus auricularis, einem Ast des X. Hirnnervs (N. vagus) und den N. auriculotemporalis innerviert (vgl. Bommas-Ebert et al. 2006, S. 520).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 8: Rechtes Trommelfell.
(aus: Boenninghaus 1977, S. 6, Abb. 3).
3.2.2 Die Paukenhöhle
Zum pneumatischen Raum der Paukenhöhle sind nach gehörphysiologischen bzw. anatomischen Gesichtspunkten die Eustachische Röhre, die drei Gehörknöchelchen, die Chorda tympani, die Bänder zur Halterung der Gehörknöchelchen, sowie die beiden Mittelohrmuskeln M. tensor tymphani und M. stapedius zu rechnen (vgl. Seifert 1995, S. 16).
Die laterale, außen gelegene Wand der Paukenhöhle (Paries membranacea) wird zum überwiegenden Teil vom Trommelfell gebildet. Die mediale, zur Mitte gelegene Wand (Paries labyrinthicus) wölbt sich in die Paukenhöhle hinein. Diese Vorwölbung (auch Promontorium) entsteht durch die unterste Windung der Schnecke des Innenohres (siehe Abschnitt 3.3.4). Über dem Promontorium befindet sich das ovale und das runde Fenster (Fenestra vestibuli und Fenestra cochleae) der Cochlea (siehe Abschnitt 3.3). Das runde Fenster ist durch eine dicke Membran (Membrana tympani secundaria) gegen das Mittelohr verschlossen. Das knöcherne Dach (Paries tegmentalis) der Paukenhöhle grenzt an die Oberfläche des Felsenbeins. An der rückwärtigen Wand (Paries mastoideus) befindet sich die Öffnung zum Mastoid. Diese Wand wird vom Mastoidknochen des Schläfenbeins gebildet und stellt durch ihren spezifischen Aufbau keinen vollständigen Abschluss dar. Der untere Abschluss (Paries jugularis) der Paukenhöhle wird durch eine dünne Knochenschicht von der Jugularvene (Vena jugularis interna, auch innere Drosselvene) getrennt. Die vordere Wand (Paries caroticus) stellt die Öffnung zur Eustachischen Röhre dar und verbindet somit das Mittelohr mit dem oberen, zum Nasenraum gelegenen Teil des Rachens, der Epipharynx, genauer gesagt dem Pars nasalis pharyngis (vgl. Clasen & Geršić 1975, S. 94f und Schünke et al. 2006, S. 144f).
Um eine genauere Lokalisation von bestimmten Bereichen vornehmen zu können, besteht eine weitere Möglichkeit der Einteilung der Paukenhöhle. Während das Epitympanon den Bereich oberhalb des Trommelfells bezeichnet und mit den Mastoidzellen verbunden ist, wird mit Mesotympanon der Teilbereich umschrieben, der sich auf Höhe des Trommelfells befindet. Der übrige Bereich, der mit der Eustachischen Röhre verbunden ist, wird als Hypotympanon bezeichnet. Die Verbindung über das Epitympanon zum Mastoid, der aus kleinen, luftgefüllten Zellen (den erwähnten Mastoidzellen) besteht, stellt eine gewisse Gefahr dar, da hierüber Keime aus dem Rachen bis in das Mastoid vordringen und an dieser Stelle ursächlich für Entzündungen sein können. Aufgrund des direkten Zuganges der Paukenhöhle zur Außenluft, wird die Paukenhöhle auch als spezialisierte Nasennebenhöhle angesehen, in der häufig Infektionen vorkommen, die sich als Mittelohrentzündung manifestieren können. Die Paukenhöhle ist 12 bis 15 mm lang und 3 bis 7 mm breit und mit Schleimhaut ausgekleidet, ihr Binnenvolumen beträgt etwa 1 cm3 (vgl. Schünke et al. 2006, S. 145, 147). Die Innervierung der Schleimhaut der Paukenhöhle erfolgt über den N. tympanicus, welcher eine Aufzweigung des N. glossopharyngeus darstellt, und das anschließende Paukengeflecht (Plexus tympanicus) (vgl. Bommas-Ebert 2006, S. 520).
3.2.3 Die Eustachische Röhre
Die Eustachische Röhre/Tube ist mit respiratorischem Flimmerepithel ausgelegt. Die Flimmerhärchen bewegen sich in Richtung Pharynx und halten so Keime von der Paukenhöhle fern. Die Tube besteht zu einem Drittel aus einem knöchernen und zu zwei Dritteln aus einem knorpeligen Teil und ist zwischen 30 und 35 mm lang. Der knöcherne Teil (Pars ossea) liegt im Felsenbein, der knorpelige Teil (Pars cartilaginea) geht weiter bis zum Pharynx und erweitert sich in Form einer Trompete trichterförmig. Hierbei wird eine Art Haken (Hamulus) gebildet, der dafür sorgt, dass eine permanente Öffnung der Tube immer bestehen bleibt. Dies gewährleistet eine fortwährende Belüftung des Mittelohrs über die normale Öffnung der Eustachischen Röhre beim Schlucken hinaus. Die Tube wird mit Hilfe der Muskeln des Gaumensegels (M. tensor veli und M. levator veli palatini) und durch einen Teil des oberen Schlundmuskels (M. salpingophyryngeus) geöffnet. Wenn der M. tensor veli palatini beim Schlucken das Gaumensegel spannt, wird gleichzeitig die Tube geöffnet (vgl. Schünke et al. 2006, S. 144ff).
3.2.4 Die Gehörknöchelchenkette
Aus Abbildung 7 wird ebenfalls der Aufbau der Gehörknöchelchenkette ersichtlich. Der Hammer ist aus Griff, kurzem Fortsatz, Hals und Kopf (Manubrium mallei, Processus lateralis mallei, Collum mallei und Caput mallei) aufgebaut. Der Hammergriff und der kurze Fortsatz sind fest mit dem Trommelfell verwachsen und übertragen die Schwingungen des Trommelfells mit Hilfe einer Verbindung über ein Sattelgelenk auf den Amboss körper. Der Amboss besteht neben dem Körper aus einem kurzen und einem langen Schenkel (Corpus incudis, Crus breve und Crus longum). Der lange Schenkel ist ebenfalls gelenkig mit dem Steigbügelkopf verbunden. Kopf, vorderer und hinterer Schenkel sowie Fußplatte (Caput stapedis, Crus anterius und Crus posterius sowie Basis stapedis) sind die Bauelemente des Steigbügels. Die Fußplatte des Steigbügels setzt am ovalen Fenster des Innenohres an und schließt somit den Schallleitungsapparat zwischen Trommelfell und Innenohr (vgl. Pétursson & Neppert 2002, S. 172 und Boenninghaus 1977, S. 14). Die Fußplatte des Steigbügels hat eine Fläche von ungefähr 3,2 mm2 (vgl. Hellbrück & Ellermeier 2004, S. 92).
Die Gehörknöchelchen werden von einem Bandapparat in ihrer Position gehalten. Hierbei wird die Platte des Steigbügels durch das Ligamentum anulare stapedis an der Paukenhöhleninnenwand am Rand des ovalen Fensters des Innenohres gehalten und schließt dieses ab. Das Ligamentum incudis posterius fixiert den kurzen Schenkel des Amboss´ an der unteren Wand des Schläfenbeins, das Ligamentum incudis superius dessen Körper an der oberen Wand. Der Hammer ist durch die Bänder L. mallei superius, L. mallei anterior und L. mallei lateralis befestigt (vgl. Clasen & Geršić 1975, S. 97 und Abbildung 7). Die Gehörknöchelchen sind aufgrund ihrer Konstruktion und der Aufhängung durch die genannten Bänder so konzipiert, dass sie fast ohne Widerstand um ihren Schwerpunkt schwingen können (vgl. Walkowiak 1996, S. 212).
Ebenso wie die Paukenhöhle und alle anderen darin liegenden Strukturen sind die Gehörknöchelchen von einer Schleimhaut überzogen, welche dünn und gefäßarm ist (vgl. Schünke et al. 2006, S. 147).
3.2.5 Die Mittelohrmuskeln
Die beiden Muskeln des Mittelohres sind der M. tensor tympani und der M. stapedius. Der Stapediusmuskel setzt als Sehne am Kopf des Steigbügels an. Sein Ursprung liegt in einer Knochenerhebung im unteren, hinteren Teil der Paukenhöhlenwand (Paris mastoideus). Der Muskel kann den Steigbügelkopf nach hinten ziehen, wobei der zum Rücken gelegene Teil der Steigbügelplatte in das ovale Fenster gekippt wird, während der bauchseitige Teil der Platte leicht herausgezogen wird. Der M. tensor tympani verläuft durch den über der Eustachischen Röhre gelegenen Halbkanal und endet als Sehne in der Paukenhöhle in einer Abwinkelung am Griff des Hammers. Die Kontraktion des M. tensor tympani hat zur Folge, dass der Hammer einwärts und somit auch das Trommelfell stärker nach innen gezogen wird. Dadurch wird das Trommelfell stärker gespannt und die Gehörknöchelchenkette versteift (vgl. Clasen & Geršić 1975, S. 97 und Abbildung 7). Innerviert wird der M. stapedius durch den N. stapedius, der ein Endast des Gesichtsnervs (N. facialis) darstellt. Die Innervation des M. tensor tympani erfolgt über den N. tensor tympani, welcher aus dem N. mandibularis, einem Ast des V. Hirnnervs (N. trigeminus), entspringt. Eine willentliche Kontraktion der beiden Mittelohrmuskeln lässt sich nicht beobachten, ein Zusammenziehen findet nur reflektorisch statt (vgl. Seifert 1995, S. 18). Die Funktionsbeschreibungen dieser beiden Muskeln und deren Dämpfungseigenschaften werden entsprechend im Abschnitt über die Physiologie behandelt.
3.2.6 Die Chorda tympani
Der Vollständigkeit halber findet an dieser Stelle auch die Chorda tympani, ein Ast des N. lingualis, welcher aus dem N. facialis stammt, Berücksichtigung. Die Chorda tympani besteht aus Fasern und ist neben der efferenten Versorgung von Speicheldrüsen im Unterkieferbereich auch für die afferente Versorgung von sensorischen Geschmacksreizen der vorderen zwei Drittel der Zunge zuständig. Sie verläuft durch die Paukenhöhle zwischen Amboss und Hammergriff (vgl. Boenninghaus 1977, S. 16f). Eine Verletzung dieses Faserstranges, wie sie bei Operationen des Mittelohres vorkommen kann, führt entsprechend zum Verlust oder Beeinträchtigung von Teilen des Geschmacksinnes und der Speichelproduktion (vgl. Frick et al. 1980, S. 58).
3.3 Die Anatomie des Innenohres
Das Innenohr (Auris interna) liegt im Inneren des Felsenbeins, einem Teil des Schläfenbeins, welches den härtesten Teil des menschlichen Schädels darstellt (vgl. Clasen & Geršić 1975, S. 70).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 9: Labyrinth: Einteilung und Abschnitte.
(aus: Vorlesungsskript Präperationskurs WS 2006, Uni Tübingen, S. 15, o. Abb.nr.).
3.3.1 Die Struktur des Innenohres
Die Organe des Innenohres befinden sich in einem Hohlraumsystem, welches von einer harten Knochenkapsel (knöchernes Labyrinth) umgeben ist. Der Inhalt dieser grob schneckenförmigen Kapsel wird als häutiges Labyrinth bezeichnet. Zwischen diesen beiden Systemen liegt ein schmaler Spaltraum (Spatium perilymphaticum), welcher mit Perilymphe gefüllt ist und durch einen Kanal (Ductus perilymphaticus) mit dem Subarachnoidalraum und somit mit den Gehirnhäuten in Verbindung steht (vgl. Boenninghaus 1977, S. 17). Schünke et al. (2006) beschreiben die Situation so, dass das mit Endolymphe gefüllte häutige Labyrinth quasi innerhalb des mit Perilymphe gefüllten knöchernen Labyrinthes schwimmt, allerdings seien die beiden Systeme miteinander durch Bindegewebsfasern verbunden (vgl. Schünke et al. 2006, S. 148). Abbildung 9 verdeutlicht den Aufbau des Innenohres.
[...]
[1] Andere Autoren gehen von mehr als 1011 Nervenzellen des zentralen Nervensystems aus (vgl. Klinke et al. 2005, S. 612).
[2] Je nach Zelltyp finden sich auch Werte zwischen -50 bis -100 mV (vgl. Silbernagl & Despopoulos 2003, S. 44).
[3] Hierzu sei das Beispiel einer Autohupe angeführt, die nur dann als Autohupe wahrgenommen wird, wenn gewusst wird, was eine Autohupe ist und das Hören im passenden Kontext vorkommt.
[4] Zu der Schallgeschwindigkeit (c) in der Luft gibt es unterschiedliche Angaben, bei Silbernagl & Despopoulos (2003) findet sich c = 332 m/s bei 0° Celsius; Neppert (1999) differenziert stärker, hier ist c bei 20° Celsius in Luft mit ≈340 m/s angegeben und für Körpertemperatur 36°-37° Celsius mit ≈350 m/s (vgl. Silbernagl & Despopoulos 2003, S. 362 u. Neppert 1999, S. 75).
[5] Die Einheit Bel wurde in Erinnerung an Alexander Graham Bell, einen für die Hörforschung und Akustik sehr wichtigen Erfinder so benannt, gemessen wird Dezibel, also einem Zehntel Bel (vgl. Hellbrück & Ellermeier 2004, S. 68).
[6] Schall von einer Frequenz von 500 Hz hat gemäß der Formel λ= c/f eine Wellenlänge von etwa 68 cm, bei 100 Hz sind es allerdings schon etwa 3,4 m.
[7] Der gesamte Beschriftungstext der Abbildung lautet: Stehende Wellen als Ursache für Eigenresonanzen in Luftsäulen in einseitig geschlossenen und anderseitig offenen Rohren. Modell zur Entstehung der Vokalformanten des idealen Neutralvokals [ə] (vgl. Pétursson & Neppert 2002, S. 134).
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