Haben wir das Gehen erstmal erlernt, steht uns die Welt im Großen und Ganzen offen: Wir gehen wann wir wollen, wohin wir wollen und mit wem wir wollen. Grenzübergänge sind rar geworden in unserer Zeit und speziell in einem zusammenwachsenden Europa. Entsprechend sind Grenzübertritte für den Menschen des 20. Jahrhunderts in unseren Breitengraden beinahe mit Selbstverständlichkeit an der Tagesordnung. Um das Lesen steht es zum Glück nicht schlechter: Wir lesen wann wir wollen, wo wir wollen und meist auch was wir wollen. Dass wir allerdings beim Lesen ebenfalls Grenzen erfahren können und sollen, scheint zunächst eine befremdliche, jedoch nicht abwegige Vorstellung. Lenken wir daher unseren Blick während der mediävistischen Lektüre auf die stark funktionalisierten Figuren eines mittelalterlichen Artusromans wie den um 1190 entstandenen „Iwein“ von Hartmann von Aue oder seine wenig vorher in Frankreich entstandene Vorlage „Yvain“ von Chrétien de Troyes. Mit ein wenig Gespür lassen sich so Grenzen entdecken, die nicht einzig auf der Landkarte verzeichnet sind, sondern auch und gerade im Text. Um eine klare und deutliche Differenzierung der jeweiligen Grenzen und Gegenstandsbereiche zu erreichen, wird nach Metaebene (was passiert mit und durch den Text in der realen Welt) und textimmanenter, also inhaltlicher Ebene (was passiert im und durch den Text in der Romanwelt) unterschieden.
Die Figur der Hartmannschen Laudine soll hier im Zentrum der Betrachtung stehen, da sie m. E. nach programmatisch verschiedene Formen von Grenzen in ganz besonderer Art und Weise überschreitet bzw. kulturelle Räume und Länder betritt, verändert und wieder verlässt. [...] Die Analyse und Interpretation einiger dieser Betonungsverschiebungen durch Hartmann soll hier durch drei verschiedene Theorien, die sich mit geographischen, kulturellen und semantischen Grenz(gäng)en im Bereich der Literatur beschäftigt haben, untermauert werden. Abschließend soll gezeigt werden, dass die Funktionalisierung der Laudine keineswegs nur literarischer Selbstzweck ist, sondern eher ganz im Zeichen der mittelalterlichen Schreiberintentionen steht.
Inhaltsverzeichnis
- I. Erste Schritte...
- II. Erste Reise: Kultur || Zeit........
- III. Zweite Reise: Kultur || Raum
- IV. Fall || Sprung: Knie und Herz...........
- V. Ab || Sprung.
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht die Figur der Laudine im Artusroman „Iwein“ von Hartmann von Aue. Ziel ist es, die verschiedenen Grenzübertritte Laudines in Bezug auf Raum, Kultur und Zeit zu analysieren und ihre Bedeutung im Kontext der mittelalterlichen Literatur zu beleuchten. Der Fokus liegt dabei auf der Frage, wie Hartmann von Aue die Figur Laudines uminterpretiert und in das mittelalterliche Gesellschaftsbild integriert.
- Grenzüberschreitung und kulturelle Transformation
- Das Verhältnis von Raum, Kultur und Zeit im Mittelalter
- Die Figur der Laudine als Mischwesen (Mensch, Tier, Fee)
- Matriarchalische Strukturen und ihre literarische Darstellung
- Die literarische Adaption französischer Vorlagen im deutschen Kontext
Zusammenfassung der Kapitel
I. Erste Schritte
Das Kapitel stellt den Ausgangspunkt der Arbeit dar und erläutert die Konzepte von „Grenzen“ im Text und in der realen Welt. Es wird die Figur der Laudine als Beispiel für ein programmatisches Überschreiten von Grenzen im mittelalterlichen Artusroman herangezogen.
II. Erste Reise: Kultur || Zeit
Dieses Kapitel betrachtet den historischen und soziokulturellen Kontext des 12. Jahrhunderts und zeigt, wie die Figur der Laudine in diesen Kontext eingebettet ist. Dabei wird insbesondere auf die Entwicklung von Märchentexten und die Bedeutung der keltischen Kultur im Mittelalter eingegangen. Die Analyse beleuchtet die Matriarchalität am Laudinehof und die literarische Rezeption dieser Struktur.
III. Zweite Reise: Kultur || Raum
Kapitel III analysiert den räumlichen Kontext der Laudines Reisen und die Verbindung von Kultur und Raum. Es wird die Bedeutung von Grenzen und Grenzüberschreitungen im Roman beleuchtet, wobei der Fokus auf Laudines Herrschaftsterritorium und ihre Rolle als Herrscherin liegt.
IV. Fall || Sprung: Knie und Herz...........
Dieses Kapitel befasst sich mit der Beziehung zwischen Laudine und Iwein, insbesondere mit Laudines Entscheidung, Iwein nach einem Jahr wieder am Hofe zu empfangen. Es untersucht die Spannung zwischen Laudines Macht und Iweins Liebe und wie diese Spannung die Handlung des Romans beeinflusst.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit den Themen mittelalterliche Literatur, Artusroman, Grenzüberschreitung, Kulturtransfer, Matriarchalität, keltische Kultur, Figur der Laudine, Hartmann von Aue, "Iwein" von Chrétien de Troyes, "Yvain" von Chrétien de Troyes.
- Quote paper
- Frank Schmitz (Author), 2007, Laudines Reisen - Grenzübergänge und Metaebenen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/79719