Gustav Streseman - der verfassungsmäßige Republikaner


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

22 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Vorrevolutionäre Haltung
II.1. Lobbyist
II.2. Im Reichstag
II.2.1. Im Krieg

III. Entwicklung zum „Vernunftrepublikaner“
III.1. Parteigründung
III.2. Die Frage der Staatsform

IV. Fazit

V. Literaturverzeichnis

I. Einleitung

Mit dieser Arbeit soll versucht werden die Ära Stresemann in der Weimarer Republik darzustellen. Gustav Stresemann zählt noch immer in der Forschung aber auch in der öffentlichen, sofern vorhandenen, Wahrnehmung zu den bedeutendsten Politikern der Weimarer Republik. Besondere Bedeutung kommt hierbei dem so genannten Krisenjahr 1923 zu, in dem Stresemann zum Reichskanzler wurde. Aber auch seine Leistungen als Außenminister finden immer wieder große Beachtung.

Diese Arbeit widmet sich nun explizit dem durchaus ambivalenten Verhältnis Gustav Stresemanns zu der noch jungen Weimarer Republik. Es sollen seine anfängliche Ablehnung und Skepsis der Republik gegenüber, sowie seine Entwicklung zu einem so genannten Vernunftrepublikaner beschrieben werden.

Die Frage, die hierbei beantwortet werden soll, ist, ob es sich bei dieser Entwicklung um eine ebensolche handelt oder, ob sie vielmehr ein geschicktes Anpassen Stresemanns an die Realpolitik war.

Die Arbeit beginnt mit der Beschreibung der politischen Haltung Stresemanns in der Kaiserzeit, in der schon einige Grundsätze seiner späteren Politik erkennbar sind. Darauf soll die Beschreibung seiner Entwicklung zum Vernuftrepublikaner folgen. Später soll dann die Frage beantwortet werden, ob es sich dabei tatsächlich um eine Entwicklung gehandelt hat.

Die Forschungsliteratur zu der Person Gustav Stresemann ist recht umfangreich: Die Quellenlage scheint vollständig ausgeleuchtet und neue Funde sind nicht zu erwarten. Auch viele Aspekte Stresemanns seine Politik und seine Person betreffend scheinen wissenschaftlich abgearbeitet (und das aus deutscher, französischer und englischer Sicht); und dennoch erscheinen in fast regelmäßigen Abständen neue Abhandlungen und Biographien über diesen umstrittenen Politiker. Gerade die europäische Dimension der Stresemannschen Politik und seine sächsische Zeit haben in der letzten Zeit viel Gehör gefunden.

Was diese Arbeit betrifft, werden die Biographien von John P. Birkelund, Felix Hirsch und Kurt Koszyk zu Rate gezogen. Als Sekundärliteratur werden die Werke von Eberhard Kolb, Karl Heinrich Pohl, Ernst Portner und Roland Thimme benutzt werden. Als Primärliteratur dient natürlich das Vermächtnis Gustav Stresemanns.

II. Vorrevolutionäre Haltung

II.1. Lobbyist

Gustav Stresemanns Lebenslauf beginnt schon früh mit bemerkenswerten Einträgen: Mit 24 Jahren war er Syndikus eines schnell wachsenden regionalen Wirtschaftsverbandes; mit 28 Jahren wurde er Stadtverordneter in Dresden, und noch vor seinem 29. Geburtstag zog er als jüngster Abgeordneter in den deutschen Reichstag ein.[1]

Im Januar 1902 übernahm Stresemann die Geschäftsführung des Bezirks Dresden-Bautzen im „Bund der Industriellen“ (BDI). Dort übernahm er sofort die Initiative und reorganisierte den strukturschwachen Verband[2]. Aus dem von ihm initiierten Zusammenschluss seines Bezirkes mit dem Bezirksverein Leipzig-Zwickau-Chemnitz ging der „Verband Sächsischer Industrieller“ im BDI hervor, dessen Syndikus er wurde (und dies bis 1919 blieb).[3] Unter seiner Führung stieg die Zahl der Mitgliedsbetriebe von 180 bei der Gründung auf über 5000 im Jahr 1914[4]. Damit gehörten fast drei Viertel aller sächsischen Industriebetriebe dem Verband an, der zum Vorbild für die Organisierung gleichartiger Landesverbände im BDI wurde, und bei deren Gründung Stresemann anregend und helfend mitwirkte[5].

Ab 1904 erschien die erste Ausgabe der von Stresemann ins Leben gerufenen Wirtschaftszeitung „Sächsische Industrie“. Dort verfasste er Leitartikel und äußerte sich zu wirtschafts- und sozialpolitischen Fragen[6]. Man kann erkennen, dass es Stresemann schon damals zu verstehen wusste, seiner Stellung als Syndikus eine weit über den Rahmen der damals üblichen Tätigkeit eines Verbandsgeschäftsführers hinauszugehende Bedeutung zu verleihen[7].

Weitere Erkenntnis kann man über die Ausprägung seines Weltbildes erlangen: Die stark exportorientierte sächsische Industrie war abhängig von der Entwicklung der Außenhandelsbeziehungen des Deutschen Reiches. So lässt sich erklären, dass Stresemann sich für eine maßvolle Zollpolitik eintrat, und sich zugleich für Flottenbau und Kolonialpolitik zu begeistern begann[8].

II.2. Im Reichstag

Im Jahr 1903 trat Stresemann der Nationalliberalen Partei (NLP) bei. Wieder zeigte sich sein enormes Engagement, denn noch im gleichen Jahr begann er sich im Wahlkampf agitatorisch für seinen Freund und Kollegen Dr. Kurt Kuntze zu betätigen[9]. Drei Jahre (Ende 1906) später konnte Stresemann als 28jähriger ein Mandat als Dresdener Stadtverordneter erringen[10].

Dann auf dem nationalliberalen Parteitag in Goslar im Oktober 1906 machten seine Parteikollegen Bekanntschaft mit seiner rhetorischen Fähigkeit. Dort trat er als Kritiker der regierungsfrommen Politik der Nationalliberalen auf und forderte mehr Macht und Einfluß im Staat sowie die Öffnung der Nationalliberalen Partei, die er als eine Organisation von Professoren und Kommerzienräten bezeichnete[11]. Stresemann verlangte: „Wir müssen mit allen Schichten, mit Handwerkern, mit den Arbeitern Fühlung suchen.“[12]

Damit erregte er nicht nur Aufsehen innerhalb der NLP, sondern auch zunächst den empörten Widerspruch des Parteivorsitzenden Ernst Bassermann[13]. Gleichzeitig verschaffte dieser Auftritt Stresemann seine Reichstagskandidatur. Ein anderer sächsischer Delegierter, Stadtrat Gustav Slesina aus Annaberg im Erzgebirge, war so von Stresemanns Rede angetan, dass er ihm noch am gleichen Tag die Kandidatur im 21. sächsischen Reichstagswahlkeis (Annaberg-Schwarzenberg) anbot[14]. Bei den so genannten Hottentottenwahlen von 1907 konnte Stresemann den bisherigen Mandatsinhaber, den Sozialdemokraten Ernst August Grenz besiegen und zog mit 29 Jahren als jüngster Abgeordneter in den deutschen Reichstag ein. Zu seinen ersten Gratulanten zählte Ernst Bassermann, der Gefallen an dem jungen Abgeordneten gefunden hatte, und fortan der zu einem seiner Gönner werden sollte[15].

Im Reichstag entfaltete er wieder eine große Aktivität – in der Legislaturperiode 1907-1911 hatte er mehr als dreißig Mal das Wort im Plenum ergriffen[16].

In Stresemanns politischen Überzeugungen dieser Zeit lassen sich zukunftsweisende und reaktionäre Aspekte erkennen. Wirtschaftspolitisch war er ein Vertreter des Mittelstandes und der verarbeitenden Industrie. Weltpolitisch verfocht er eine aggressive Linie[17]: So betonte er die Bedeutung des Außenhandels, die Sorgen der Heimarbeiter, die Notwendigkeit freier Organisationen von Gewerkschaften und Arbeitgebern und den Gedanken der Tarifautonomie und der absoluten Koalitionsfreiheit[18]. Gleichzeitig gab er im Zuge der Anpassung an die politischen Realitäten seine kritische Haltung gegenüber der nationalistischen Begeisterung für den Erwerb von Kolonien und den Ausbau der Flotte auf[19]. Es festigte sich in Stresemann die Auffassung, dass sich das aufstrebende Deutschland aus dem „Würgegriff“ Großbritanniens befreien müsse[20]. Eine Auffassung, die sich auf den Einfluss seines Gönners und Mentors Bassermann zurückführen lässt[21].

Stresemanns Karriere hielt sich bis 1912 in erfolgreichen Bahnen, doch mit den Wahlen dieses Jahres kam ein rapider Einschnitt. Die Sozialdemokraten erreichten ihren größten Sieg und eroberten auch den Wahlkreis Annaberg[22]. Damit schien Stresemanns politische Karriere abrupt beendet, zumal er auch noch seinen Sitz im Zentralvorstand der NLP verlor[23].

Doch im Jahr 1914 ergab sich für Stresemann eine Chance für ein politisches Comeback: Er übernahm den Wahlkreis Wittmund-Aurich des im Streben liegenden Nationalliberalen Semler, in dem wegen des zu erwartenden Todes eine Nachwahl stattfinden sollte. Stresemann setzte sich gegen den Widerstand des rechten Parteiflügels der NLP durch und engagierte sich im Wahlkampf[24]. Dieser wurde jedoch durch den Beginn des 1. Weltkrieges beendet. Der „Burgfrieden“ zwischen den Parteien sicherte diesen die Mandate zu, die sie vor Ausbruch des Krieges hatten, und so wurde Stresemann regelrecht in den Reichstag zurückkatapultiert[25].

II.2.1. Im Krieg

Während der Weltkriegjahre kam es zu der Ausformulierung der nationalistischen Politik Stresemanns, die ihm in der Republik (und sogar noch nach seinem Tod) Schwierigkeiten bereiten sollte.

Seit August 1914 sah Stresemann in England den Hauptfeind Deutschlands; dementsprechend verfocht er – im völligen Einklang mit der großen Mehrheit seiner Partei – ein breit gefächertes Kriegszielprogramm[26]. Er verlangte umfangreiche Gebietserweiterungen, trat vehement für den uneingeschränkten U-Boot-Krieg ein und arbeitete zielstrebig auf den Sturz des Reichskanzlers Bethmann Hollweg hin, weil er ihn für unfähig zur kraftvollen Vertretung der deutschen Interessen hielt. Stresemann wollte einen Siegfrieden – er selbst sprach meist von „Machtfrieden“ – und glaubte bis in den Herbst 1918 hinein, dass ein solcher möglich sein werde[27]. Was seine annexionistischen Bestrebungen betrifft, so bewegte er sich damit innerhalb des Zeitgeistes, der nicht nur auf das Deutsche Reich oder auf nationalistische Bevölkerungsgruppierungen beschränkt werden kann[28].

Gleichzeitig verfolgte Stresemann (seit 1916) das Ziel einer stärkeren Einflussnahme des Parlaments auf die Reichsexekutive – und zwar entschiedener als selbst die Linksliberalen[29]. Er trat für die Abschaffung des preußischen Dreiklassenwahlrechts ein, also für eine „freiheitliche Entwicklung im Innern“, wie er es selbst immer wieder formulierte[30]. „Macht und Freiheit“, so der Titel einer 1918 erschienenen Sammlung seiner Vorträge und Aufsätze, bezeichnet gut die Schwerpunkte der Stresemannschen Kriegspolitik[31].

[...]


[1] Kolb, Eberhard: Gustav Stresemann, München 2003, S. 23. Im Folgenden zitiert als: Kolb: Stresemann.

[2] Birkelund, John P.: Gustav Stresemann. Patriot und Staatsmann, Hamburg 2003, S. 36. Im Folgenden zitiert als Birkelund: Patriot.

[3] Birkelund: Patriot, S. 36.

[4] Kolb: Stresemann, S. 24.

[5] Kolb: Stresemann, S. 24.

[6] Birkelund: Patriot, S. 36.

[7] Kolb: Stresemann, S. 25.

[8] Kolb: Stresemann, S. 25.

[9] Kolb: Stresemann, S. 30.

[10] Koszyk, Kurt: Gustav Stresemann. Der kaisertreue Demokrat, Köln 1989, S. 92. Im Folgenden zitiert als: Koszyk: Kaisertreuer Demokrat.

[11] Koszyk: Kaisertreuer Demokrat, S. 93.

[12] Zitiert nach Koszyk: Kaisertreuer Demokrat, S. 93.

[13] Kolb: Stresemann, S. 30.

[14] Kolb: Stresemann, S. 30.

[15] Koszyk: Kaisertreuer Demokrat, S. 93f.

[16] Kolb: Stresemann, S. 32.

[17] Koszyk: Kaisertreuer Demokrat, S. 94.

[18] Koszyk: Kaisertreuer Demokrat, S. 94.

[19] Birkelund: Patriot, S. 56.

[20] Birkelund: Patriot, S. 56.

[21] Birkelund: Patriot, S. 56.

[22] Hirsch, Felix: Gustav Stresemann. Patriot und Europäer, Frankfurt a.M. 1964, S. 29. Im Folgenden zitiert als Hirsch: Europäer.

[23] Hirsch: Europäer, S. 29.

[24] Kolb: Stresemann, S. 39.

[25] Koszyk: Kaisertreuer Demokrat, S. 134.

[26] Kolb: Stresemann, S. 41.

[27] Kolb: Stresemann, S. 41.

[28] Koszyk: Kaisertreuer Demokrat, S. 135.

[29] Kolb: Stresemann, S. 41.

[30] Kolb: Stresemann, S. 41.

[31] Kolb: Stresemann, S. 41.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Gustav Streseman - der verfassungsmäßige Republikaner
Hochschule
Ruhr-Universität Bochum  (Historisches Institut)
Veranstaltung
Weltanschauungen in der Weimarer Republik
Note
1,7
Autor
Jahr
2007
Seiten
22
Katalognummer
V80158
ISBN (eBook)
9783638869942
ISBN (Buch)
9783638918978
Dateigröße
455 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gustav, Streseman, Republikaner, Weltanschauungen, Weimarer, Republik
Arbeit zitieren
B.A. Marco Schulz (Autor:in), 2007, Gustav Streseman - der verfassungsmäßige Republikaner, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/80158

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