Als 1994 Jacques Chirac Präsident der Französischen Republik wurde, war eine seiner ersten Amtshandlungen eine große Atombomben-Testserie auf dem zu Frankreich gehörenden Mururoa-Atoll. Die europäischen Partner, zumindest die Mehrheit der eher pazifistisch geprägten Bevölkerung war empört, glaubte man doch, nach der erst vier Jahre alten Überwindung des alten Blocksystems der Welt nun in eine immerwährende Periode des Friedens eingetreten zu sein.
Doch ging es Chirac wahrscheinlich weniger um eine wissenschaftliche Erprobung und Weiterentwicklung seiner ,,force de frappe", als vielmehr um eine Demonstration von Stärke. Die Funktionsfähigkeit der von seinem sozialistischen Vorgänger François Mitterrand mit weniger Aufmerksamkeit bedachten Atomwaffen sollte von ihm, dem Parteigänger des von Charles de Gaulle gegründeten Rassemblement pour la République (RPR), demonstriert und so der Weltöffentlichkeit in Erinnerung gerufen werden, dass Frankreich unter den westlichen Staaten einer der mächtigsten, weil eine der drei westlichen Atommächte, ist.
Was im Grunde mehr eine ,,Muskelschau" als ein Akt der Aggressivität in Zeiten der zumindest europaweiten Entspannung war, fügt sich nahtlos ein in das Gebaren vor allem der gaullistischen Präsidenten Frankreichs. Die Tradition des Generals wahrend, wollte Chirac die militärische Macht und Kraft Frankreichs unter Beweis stellen, um seine bedeutende Rolle nicht nur innerhalb der Europäischen Gemeinschaft, sondern vielmehr innerhalb des westlichen Bündnisses NATO zu unterstreichen. In ihm verfügten und verfügen noch heute nur die Vereinigten Staaten, Großbritannien und Frankreich über atomare Waffen und zumindest Frankreich kann - ein Detail von ungemeiner Wichtigkeit - souverän darüber verfügen. Ob es den anderen passt oder nicht.
Woher der Stolz des westlichen Nachbarn Deutschlands rührt und wohin er im Laufe der Geschichte der NATO führte, möchte diese Arbeit ergründen. Dabei geht es nicht nur um einen chronologischen Abriss der Geschehnisse, sondern vor allem um den Versuch einer Analyse sowohl der Ideen und sicherheitspoltischen Maximen des übermächtigen Vaters der Fünften Republik, Charles de Gaulle, als auch der Tragweite ihrer Beeinflussung der französischen Präsidenten in allen Entscheidungen in Bezug auf die NATO und die nationale Verteidigung vom Austritt Frankreichs aus dem militärischen Arm der nordatlantischen Allianz bis zu ihrer Strukturdiskussion der Jahre 1994 bis 1997.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- De Gaulle, Souveränität und Unabhängigkeit
- Frankreich und die USA: Gegenspieler?
- Der Austritt aus dem militärischen Arm der NATO
- Differenzen in der Allianz in den 60er-Jahren
- Frankreichs schleichende Distanzierung
- ,,Der Coup gegen die NATO”
- Frankreich und die Allianz zwischen 1966 und 1997
- Erste Annäherungsversuche
- Intensive Zusammenarbeit nach de Gaulle
- NATO-Reform: Die Chance zur Rückkehr Frankreichs
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht das gespaltene Verhältnis Frankreichs zur NATO, insbesondere im Kontext der gaullistischen Ära. Sie analysiert die sicherheitspolitischen Maximen De Gaulles und deren Einfluss auf die französischen Entscheidungen bezüglich der NATO. Der Fokus liegt auf dem Verständnis der französischen Motive für den Austritt aus dem militärischen Arm der NATO und den späteren Annäherungsversuchen.
- De Gaulles Vorstellung von französischer Souveränität und Unabhängigkeit
- Die Rolle der französischen Atomwaffen in der Sicherheitspolitik
- Das Spannungsverhältnis zwischen Frankreich, den USA und der NATO
- Die Motive hinter Frankreichs Austritt aus dem militärischen NATO-Bündnis
- Die Entwicklung der französisch-NATO-Beziehungen nach dem Austritt
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Arbeit beginnt mit der Beschreibung der Atombombentests unter Präsident Chirac und deren Kontext. Chiracs Handlung wird als Demonstration französischer Stärke und militärischer Macht interpretiert, die die gaullistische Tradition fortsetzt und Frankreichs Position innerhalb der NATO und der Europäischen Gemeinschaft unterstreicht. Die Arbeit kündigt eine Analyse der sicherheitspolitischen Ideen De Gaulles und deren Einfluss auf die französischen Entscheidungen bezüglich der NATO an.
De Gaulle, Souveränität und Unabhängigkeit: Dieses Kapitel beleuchtet De Gaulles sicherheitspolitische Vision, die stark von seinen militärischen Erfahrungen geprägt war. Sein Hauptanliegen war die Verteidigung Frankreichs und die Aufrechterhaltung der nationalen Souveränität. De Gaulle sah die NATO-Struktur als eine Einschränkung dieser Souveränität und lehnte die Unterordnung der französischen Streitkräfte unter ein nicht-nationales Kommando ab. Die Entwicklung der französischen Atomwaffen wurde als Garant für die Unabhängigkeit und als Mittel zur Stärkung des internationalen Status Frankreichs betrachtet. De Gaulles Sicht auf die Befreiung Frankreichs und seine negative Einschätzung des Verhältnisses zu den USA werden ebenfalls thematisiert.
Frankreich und die USA - Gegenspieler?: Dieses Kapitel thematisiert das schwierige Verhältnis zwischen Frankreich und den USA im Kontext der NATO. Es wird der Eindruck vermittelt, dass Frankreich und die USA oft als Gegenspieler wahrgenommen wurden, ein Aspekt, der stark durch De Gaulles sicherheitspolitische Vorstellungen beeinflusst war. Die Kapitelüberschrift "Gegenspieler: Frankreich und die Vereinigten Staaten" aus Kissingers Buch "Was wird aus der westlichen Allianz?" wird zitiert, um diese Spannungen zu unterstreichen.
Schlüsselwörter
Charles de Gaulle, Frankreich, NATO, Souveränität, Unabhängigkeit, Atomwaffen, Sicherheitspolitik, transatlantische Beziehungen, französisch-amerikanische Beziehungen, Gaullismus.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu: Frankreichs Verhältnis zur NATO
Was ist der zentrale Gegenstand dieser Arbeit?
Die Arbeit analysiert das komplexe Verhältnis Frankreichs zur NATO, insbesondere während der gaullistischen Ära. Der Fokus liegt auf den Motiven für Frankreichs Austritt aus dem militärischen Arm der NATO und den anschließenden Annäherungsversuchen. Die sicherheitspolitischen Maximen De Gaulles und deren Einfluss auf die französischen Entscheidungen stehen im Mittelpunkt.
Welche Themen werden im Detail behandelt?
Die Arbeit beleuchtet De Gaulles Vorstellung von französischer Souveränität und Unabhängigkeit, die Rolle der französischen Atomwaffen, das Spannungsverhältnis zwischen Frankreich, den USA und der NATO, die Gründe für den Austritt aus dem militärischen NATO-Bündnis und die Entwicklung der französisch-NATO-Beziehungen danach.
Wie beginnt die Arbeit?
Die Einleitung beschreibt die Atombombentests unter Präsident Chirac als Demonstration französischer Stärke und militärischer Macht, die die gaullistische Tradition fortsetzt. Sie kündigt eine Analyse der sicherheitspolitischen Ideen De Gaulles und deren Einfluss auf die Entscheidungen bezüglich der NATO an.
Welche Rolle spielt De Gaulle in der Analyse?
De Gaulle und seine sicherheitspolitische Vision, geprägt von seinen militärischen Erfahrungen und dem Bestreben nach nationaler Souveränität, bilden den Kern der Analyse. Sein Widerstand gegen die Unterordnung der französischen Streitkräfte unter ein nicht-nationales Kommando und die Entwicklung der französischen Atomwaffen als Garant für Unabhängigkeit werden detailliert untersucht.
Wie wird das Verhältnis Frankreichs zu den USA dargestellt?
Das Verhältnis zwischen Frankreich und den USA wird als schwierig und von einer gewissen Gegenspielerrolle geprägt dargestellt, stark beeinflusst durch De Gaulles sicherheitspolitische Vorstellungen. Die Arbeit zitiert Kissinger, um diese Spannungen zu unterstreichen.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit umfasst Kapitel zu Einleitung, De Gaulle, Souveränität und Unabhängigkeit, Frankreich und die USA: Gegenspieler?, Frankreichs Austritt aus dem militärischen Arm der NATO (inkl. Unterkapitel zu Differenzen in der Allianz, Frankreichs Distanzierung und dem "Coup gegen die NATO"), Frankreich und die Allianz zwischen 1966 und 1997 (inkl. Unterkapitel zu Annäherungsversuchen und intensiver Zusammenarbeit nach De Gaulle) und schließlich zur NATO-Reform als Chance für Frankreichs Rückkehr.
Welche Schlüsselwörter sind relevant?
Die wichtigsten Schlüsselwörter sind: Charles de Gaulle, Frankreich, NATO, Souveränität, Unabhängigkeit, Atomwaffen, Sicherheitspolitik, transatlantische Beziehungen, französisch-amerikanische Beziehungen, Gaullismus.
Für wen ist diese Arbeit gedacht?
Diese Arbeit ist für akademische Zwecke bestimmt und dient der Analyse von Themen im Bereich der Sicherheitspolitik und der internationalen Beziehungen. Sie richtet sich an Wissenschaftler und Studenten, die sich mit der Geschichte des französisch-amerikanischen Verhältnisses und der Rolle Frankreichs in der NATO befassen.
- Arbeit zitieren
- Sebastian Kölsch (Autor:in), 2001, De Gaulles langer Schatten – Frankreichs gespaltenes Verhältnis zur NATO, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/802