V. S. Naipauls Texte sind Geschichten, die um die Möglichkeit von Identität kreisen in einer Welt, in der die Moderne einen unwiderruflichen Bruch geschaffen hat zwischen der Wahrnehmung der Welt und der Rolle des Menschen in ihr. Autobiographie als selbst-reflexiver und selbst-kritischer Akt lenkt die Aufmerksamkeit auf das Subjekt als verantworliche Handlungsinstanz. Dabei ist das autobiographische Projekt per Definition ein unabschließbares und zirkuläres Unterfangen, welches in seiner Prozesshaftigkeit der Natur des Selbst gleicht, das sich seiner Identität ständig neu versichern muss.
In Naipauls Literatur steht die schriftstellerische Identität als Synthese von Selbst und Leben im Vordergrund. Dazu verbindet er journalistische Recherche und literarische Erzählung mit autobiographischen Elementen. Die Romane "The Enigma of Arrival" und "A Way in the World" identifizieren deutlicher als zuvor den Ich-Erzähler mit dem Autor Naipaul. Sie sind der Versuch, die Erfahrung der Kindheit und Jugend im kolonialen Trinidad mit der kulturellen Bildung und Entwicklung als Schriftsteller in England zu vereinen, um eine synthetische Identität zu etablieren.
The Enigma of Arrival und A Way in the World erzählen die gleiche Geschichte, aber doch anders. Beide zeigen die Entwicklung der schriftstellerischen Identität von einer angepassten, kritiklosen Rollenakzeptanz hin zu der Integration und Anerkennung der eigenen Exilerfahrung. Dabei sind die Romane bestimmt von Ich-Erzählern, die den schriftstellerischen Möglichkeitsraum exemplarisch als Bedingung für Identität in seinem Potenzial und seinen Beschränkungen analysieren. Die Literatur wird dabei zum Schauplatz der autobiographischen Identitätsfindung, indem der Autor den fiktionalen Raum als ein sich ständig neu definierender und korrigierender Erzähler umstrukturiert und damit die Entwicklung seiner schriftstellerischen Identität reflektiert. Dabei schreibt Naipaul die konkurrierenden Identitätsmodelle der kulturellen Tradition und der kolonialen Gemeinschaft als Prozesselemente durch die Trope des Reisens in den Raum ein: „I travel to discover other states of mind.“ Die Idee der Reise als geographischer Ortswechsel verbindet sich mit der metaphorischen Deplazierung der eigenen Person und wird dabei zum intellektuellen Abenteuer.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- The Enigma of Arrival: Transformation der kulturellen Tradition
- Aneignung von Identität
- Spaltung von Identität
- Loslösung von Einheitsidentität
- A Way in the World: Integration der kolonialen Perspektive
- Distanzierung von Identität
- Entfremdung von Identität
- Akzeptanz von Exilidentität
- Schluss
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit analysiert die Romane „The Enigma of Arrival“ und „A Way in the World“ von V. S. Naipaul und befasst sich mit der Darstellung von Identität und Reise im Kontext der postkolonialen Gesellschaft. Die Arbeit untersucht, wie Naipaul durch seine Protagonisten die Konzepte von Identität und Zugehörigkeit in einer Welt der kulturellen und sozialen Umbrüche hinterfragt und analysiert.
- Identitätskonstruktion in der postkolonialen Gesellschaft
- Die Rolle von Reise und Exil in der Suche nach Identität
- Kulturelle und soziale Konflikte im Kontext von Migration und Globalisierung
- Die Fragmentierung von Identität in einer modernen Welt
- Die Bedeutung von Erinnerung und Geschichte für die individuelle und kollektive Identität
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung
Die Einleitung erläutert den theoretischen Rahmen der Arbeit, der sich auf die Konzepte von Identität, Dekonstruktion und dem Wandel von traditionellen Ordnungen in der Moderne bezieht. Sie führt in die zentralen Themen der Arbeit ein und stellt die Romane von V. S. Naipaul im Kontext der postkolonialen Gesellschaft vor.
2. The Enigma of Arrival: Transformation der kulturellen Tradition
Dieses Kapitel befasst sich mit der Darstellung von Identität im Roman „The Enigma of Arrival“. Es analysiert, wie der Protagonist durch seine Erfahrungen in Afrika und England seine eigene kulturelle Tradition und Identität in Frage stellt. Die Kapitel untersuchen die Themen der Aneignung und Spaltung von Identität sowie die Loslösung von einer einheitlichen Identität.
3. A Way in the World: Integration der kolonialen Perspektive
Das Kapitel analysiert den Roman „A Way in the World“ und konzentriert sich auf die Integration der kolonialen Perspektive in die Konstruktion von Identität. Es untersucht, wie der Protagonist durch seine Erfahrungen in Trinidad und England mit den Folgen des Kolonialismus konfrontiert wird und seine eigene Identität als Teil der postkolonialen Welt begreift. Die Kapitel thematisieren die Distanzierung und Entfremdung von Identität sowie die Akzeptanz einer Exilidentität.
Schlüsselwörter
Identität, Reise, Postkolonialismus, Kultur, Globalisierung, Migration, Dekonstruktion, Fragmentierung, Exil, Zugehörigkeit, Erinnerung, Geschichte, V. S. Naipaul, The Enigma of Arrival, A Way in the World.
- Quote paper
- Simone Linde (Author), 2004, "I travel to discover other states of mind": Identität und Reise in V. S. Naipauls "The Enigma of Arrival" und "A Way in the World", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/80363