Die USA, die NATO und der Krieg um den Kosovo

Ein neorealistischer Erklärungsversuch des Kriegsausbruchs


Mémoire d'Examen Intermédiaire, 2006

34 Pages, Note: 1,3


Extrait


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Konfliktbeschreibung
2.1. Konfliktgegenstand
2.1.1. Bestimmung des Sachbereichs
2.1.2. Konkretisierung
2.2. Konfliktparteien und ihre Positionen
2.2.1. Akteure und ihr Verhältnis zueinander
2.2.2. Positionsdifferenzen
2.3. Konfliktverlauf
2.3.1. Vorgeschichte des Konflikts zwischen Kosovo-Albanern und Serben
2.3.2. Verlauf des Konflikts zwischen internationaler Gemeinschaft und den beiden Konfliktparteien im Streit um den Kosovo
2.3.2.2. Manifestierung des Konflikts: März 1998 bis September 1998
2.4. Konfliktaustragung
2.4.1. Versuch und Scheitern eines bilateralen Dialogs: bis zum Herbst 1998
2.4.2. Forcierte Kooperation und Verhandlungen: Herbst 1998 bis Ende 1999
2.4.3. Vorbereitung und Durchführung der Rambouillet-Konferenz: Januar bis März 1999
2.4.4. Fazit

III. Theorie des Neorealismus nach Waltz
3.1. Entstehung
3.2. Grundannahmen über das internationale System
3.2.1. Akteure
3.2.2. Struktur des internationalen Systems
3.3. Kausalmechanismen
3.3.1. Explanans (unabhängige Variable)
3.3.2. Explanandum (abhängige Variable)
3.4. Hypothesen zum Kriegsrisiko
3.5. Kritik
3.5.1. theorieintern
3.5.2. theorieextern

IV. Hypothesengeleitete neorealistische Erklärung des Ausbruchs des Kosovo-Krieges unter besonderer Berücksichtigung der USA
4.1. Einleitung
4. 2. Hypothesen
Hypothese (1): Je gefährdeter ein Staat seine Sicherheits- und strategischen Machtinteressen durch einen anderen Staat sieht, desto höher ist ceteris paribus das Konflikt- und schließlich Kriegsrisiko
Hypothese (2): Je größer die Machtstellung ist, die ein Staat im Vergleich zu den anderen Staaten im internationalen System einnimmt, desto opportunistischer handelt er und desto höher ist ceteris paribus das Kriegsrisiko
Hypothese (3): Je deutlicher ein Staat einem anderen militärisch überlegen ist, desto geringer ist ceteris paribus das Kriegsrisiko (Hegemoniethese)

V. Zusammenfassende Schlussbetrachtung

VI. Literaturverzeichnis

I. Einleitung

Václav Havel, ehemals tschechischer Staatspräsident, sagte einmal: „If one can say of any war that it is ethical, or that it is being waged for ethical reasons, then it is true of this war”. Havel meinte den Krieg um den Kosovo, den die NATO am 24. März 1999 gegen die Bundesrepublik Jugoslawien initiierte. Die internationale Gemeinschaft hat bei der öffentlichen Begründung für ihre Intervention hauptsächlich ethische und moralische Argumente vorgebracht. Die USA, die sowohl bei der Planung als auch bei der Durchführung der Intervention führend waren, erklärten stets, dass durch das militärische Eingreifen den gewaltsamen Repressionen der Serben gegenüber den Kosovo-Albanern ein Ende bereitet werden sollte. Da die USA öffentlich stets bekräftigten, ihre Intervention sei humanitär begründet, stellt sich die Frage, welche nationalen beziehungsweise strategischen Sicherheits- und Machtinteressen hinter der Intervention gestanden haben könnten. Diese Arbeit will eine Antwort auf diese Frage liefern. Mithilfe der Theorie des Neorealismus’ soll untersucht werden, inwieweit die strukturelle Beschaffenheit des internationalen Systems und die daraus resultierenden Implikationen für das Verhalten der Staaten den Ausbruch des Krieges zwischen NATO und Jugoslawien erklären können.

Zunächst wird der Konflikt zwischen der internationalen Gemeinschaft und der Bundesrepublik Jugoslawien bis zum Kriegsausbruch ausführlich beschrieben, indem der Konfliktgegenstand, die Konfliktparteien und ihre Positionsdifferenzen, der Konfliktverlauf sowie der Konfliktaustrag näher analysiert werden. Anschließend wird die Theorie des Neorealismus’ vorgestellt, wie sie von Kenneth N. Waltz entwickelt worden ist: Aus dessen Grundannahmen über das internationale System und seine Akteure werden drei Hypothesen abgeleitet, mit denen die Wahrscheinlichkeit eines Kriegsausbruchs erklärt werden kann. Diese Hypothesen werden schließlich fallspezifisch auf den Kosovo-Krieg angewendet. Hierbei soll nicht nur untersucht werden, welche strategischen Macht- und Sicherheitsinteressen die USA in ihrer Kriegsentscheidung geleitet haben, sondern auch der Widerstand Jugoslawiens gegen die ultimativen Forderungen der internationalen Gemeinschaft sowie der Verstoß der USA gegen die Charta der Vereinten Nationen werden Gegenstand der Analyse sein.

Diese Arbeit verfolgt also das Ziel, eine auf dem systemischen Ansatz des Neorealismus’ basierende Erklärung für den Ausbruch des Krieges zwischen der NATO beziehungsweise den USA und der Bundesrepublik Jugoslawien herausarbeiten zu können.

II. Konfliktbeschreibung

2.1. Konfliktgegenstand

2.1.1. Bestimmung des Sachbereichs

Der Gegenstand des Konflikts zwischen der internationalen Gemeinschaft (repräsentiert vor allem durch die Staaten der Balkan-Kontaktgruppe und NATO) als intervenierender Akteur und den beiden unmittelbar gegenüber stehenden Konfliktparteien, nämlich der Regierung der Bundesrepublik Jugoslawien (BRJ) und den politischen Repräsentanten der in Jugoslawien gelegenen Provinz Kosovo, ist hauptsächlich in den Sachbereich „Herrschaft“ einzuordnen. Aber auch der Sachbereich „Sicherheit“ ist für eine Einordnung des Konfliktgegenstandes nicht ungeeignet.[1]

2.1.2. Konkretisierung

Konfliktgegenstand sind die Herrschaftsverhältnisse innerhalb des vorwiegend von Albanern bevölkerten Kosovos, einer 10.877 km² großen Provinz, die südlich an die jugoslawische Teilrepublik Serbien angrenzt und offiziell in derem Herrschaftsbereich liegt (vgl. Troebst 1999: 47 / Universität Hamburg 2006). In dem ab 1981 wieder aufgeheizten Konflikt erheben sowohl die Serben als auch die Kosovo-Albaner einen vollständigen Anspruch auf die Verfügungsmacht über die politischen Verhältnisse im Kosovo-Gebiet.

Die internationale Gemeinschaft verfolgt das Interesse, dass dem Kosovo mehr Autonomie-Rechte gewährt werden müssen. Zudem wird der Sachbereich „Sicherheit“ tangiert: Die Staaten der internationalen Gemeinschaft setzen sich auch dafür ein, dass die gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Serben und Kosovo-Albanern beendet werden. Sie appellieren oft an Serbien, ihre Übergriffe auf die Kosovo-Albaner zu unterlassen und somit ihre Sicherheit nicht zu bedrohen (vgl. Dischl 2002: 335; siehe 2.3.).

2.2. Konfliktparteien und ihre Positionen

2.2.1. Akteure und ihr Verhältnis zueinander

Als unmittelbare Akteure des Konflikts stehen sich die Bundesrepublik Jugoslawien (bestehend aus den Republiken Serbien und Montenegro) und die innerhalb der serbischen Teilrepublik im Kosovo lebende Bevölkerungsmehrheit der Albaner gegenüber. Es handelt sich hier also formell um einen innerstaatlichen Konflikt. Abstrakt formuliert steht die Regierung eines Staates in einem konfrontativen Verhältnis zu einer innerhalb dieses Staates lebenden ethnischen Gruppe. Als intervenierender Akteur schaltet sich später die internationale Staatengemeinschaft in den Konflikt ein[2]: Sie agiert über verschiedene Institutionen, vor allem durch die Balkan-Kontaktgruppe, das Nordatlantikbündnis (NATO), die Vereinten Nationen (UN), die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und die Europäische Union (EU). Die USA handeln mitunter auch eigenständig außerhalb internationaler Kooperationsrahmen, wie anhand ihrer Vermittlungsversuche über ihren Sonderbeauftragten Richard Holbrooke ersichtlich ist (vgl. Loquai 2000: 71 ff.).

2.2.2. Positionsdifferenzen

Die Positionsdifferenzen zwischen der serbischen Regierung und den Vertretern der Kosovo-Albanern sind eindeutig: Während die Serben einen historisch begründeten bedingungslosen Anspruch auf den Kosovo erheben, fordern die Kosovo-Albaner mit Hinweis auf das nationale Selbstbestimmungsrecht des Kosovos die vollständige Unabhängigkeit von Serbien und den Status einer Republik innerhalb der Bundesrepublik Jugoslawien (vgl. Troebst 1999: 49 / Meyer 1999: 60)[3]. In diesem Zusammenhang kommt es zu Kämpfen zwischen serbischen Sicherheitskräften und der kosovarischen Widerstandsgruppe UÇK.

Diese Gewaltakte veranlassen die internationale Gemeinschaft, sich in den Konflikt einzuschalten: Ganz gleich ob über die Balkan-Kontaktgruppe, die NATO oder den Europarat macht die internationale Gemeinschaft in ihren Erklärungen deutlich, dass eine gewaltlose Lösung des Konflikts durch Verhandlungen zwischen Serben und Kosovo-Albaner erreicht werden müsse. So geben von Serben initiierte Gewaltakte dem UN-Sicherheitsrat und der EU immer wieder Anlass, Sanktionen gegen Jugoslawien zu verhängen (vgl. Dischl 2002: 337 ff.). Zudem appelliert die internationale Gemeinschaft an den jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milošević, dem Kosovo unter Berücksichtigung der Rechte der Kosovo-Albaner eine weit gehende Autonomie zu gewähren. EU und OSZE verlangen von Jugoslawien immer wieder, Beobachter im Kosovo-Gebiet zuzulassen (vgl. Dischl 2002: 337, 339). Milošević lehnt eine internationale Mediation zunächst ab. Im Mai 1998 wandelt sich diese Position, als er sich zu Gesprächen mit den Kosovo-Albanern unter Vermittlung der internationalen Gemeinschaft einlässt und mitunter Konzessionen gewährt. Die Kosovo-Albaner dagegen standen von Anfang an einer externen Unterstützung willkommen gegenüber und fordern vor allem die Aufstellung von NATO-Truppen im Kosovo. Schließlich ist Serbien auf der Konferenz von Rambouillet dazu bereit, Autonomierechte zu gewähren (vgl. Loquai 2000: 76 f.). Die Serben sind also von der anfänglichen Position, dem Kosovo keinerlei Autonomierechte zu gewähren, abgerückt. Ihren Widerstand gegen die Implementierung von Friedenstruppen im Kosovo wollten die Serben jedoch bis zuletzt nicht aufgeben.

Unterstützung fand Jugoslawien bei Russland, das schon seit jeher ein wichtiger Bündnispartner gewesen war, weil die Bevölkerungen beider Staaten mehrheitlich slawischer Abstammung sind und somit eine ethnische Verbundenheit besteht (Kurth 2001: 90). 1995 etwa vereinbarten beide Staaten ein militärisches Kooperationsabkommen (vgl. Dischl 2002: 334). Im Konflikt um den Kosovo hat Russland immer wieder die Option eines militärischen Vorgehens gegen Jugoslawien zurückgewiesen (vgl. Dischl 2002: 338, 339, 341 / HSFK 1999: 5). Auch China weigerte sich, im UN-Sicherheitsrat eine Resolution zu unterstützen, die eine Intervention autorisiert hätte (vgl. Dischl 2002: 339).

2.3. Konfliktverlauf

2.3.1. Vorgeschichte des Konflikts zwischen Kosovo-Albanern und Serben

1981 demonstrierten Studenten im Kosovo nicht nur gegen die Wirtschaftsmisere, sondern vor allem gegen die nationale Unterdrückung durch die Serben: Sie forderten die Aufnahme des Kosovos in die „Sozialistische Föderative Republik Jugoslawiens“ (SFRY) als eigenständige Republik. Am 2. Juli 1990 proklamierten die albanischen Abgeordneten des Kosovo-Parlaments die Unabhängigkeit der „Republik Kosova“, woraufhin Belgrad Regierung und Parlament im Kosovo auflöst, Albaner aus dem öffentlichen Dienst entlässt, Medien, Schulen und Universitäten gleichschaltet und somit im Kosovo „alles Albanische in einer Art Apartheid drangsalierte“ (vgl. HSFK 1999: 3). Nichtsdestotrotz gaben sich die Kosovo-Albaner im September 1990 eine eigene von Serbien nicht anerkannte Verfassung und bestimmten Ibrahim Rugova zu ihrem Präsidenten (Hummer 2000: 27). Noch im selben Monat, nämlich am 28. September, bewirkte der serbische Präsident Slobodan Milošević mit der neuen serbischen Verfassung die totale Revision des autonomen Status’ des Kosovos und die Einverleibung in die serbische Teilrepublik (vgl. Hummer 2000: 27). Im Gegenzug riefen die Kosovo-Albaner ihre Unabhängigkeit aus. Der Konflikt eskalierte, als im Januar 1996 die „Befreiungsarmee für den Kosovo“ (UÇK) erstmals öffentlich in Erscheinung trat und sich zu einer Reihe von Bombenattentaten auf serbische Einrichtungen bekannte (Dischl 2002: 63). Zahlreiche Gewaltakte wie etwa Bombenanschläge, Attentate und Entführungen folgten (vgl. Dischl 2002: 334 f.). Die sich daraus entwickelte Gewaltspirale war schließlich die Initialzündung für die Einmischung der internationalen Staatengemeinschaft in den Konflikt. Am 23. Juni 1997 wurde Slobodan Milošević zum Staatspräsidenten der BRJ gewählt.

2.3.2. Verlauf des Konflikts zwischen internationaler Gemeinschaft und den beiden Konfliktparteien im Streit um den Kosovo

2.3.2.1. Latenter Konflikt: bis März 1998

Lange Zeit hatte der Kampf um den Kosovo keine große internationale Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Selbst als mit dem Auftreten der UÇK und ihrem Bekenntnis zu Anschlägen eine Eskalation des Konflikts eingetreten war, spielte er auf der internationalen Agenda nur eine untergeordnete Rolle (vgl. Loquai 2000: 68). Die Staaten waren mehr um die Aushandlung und Implementierung des Abkommens von Dayton bemüht, um Frieden in dem vom Bürgerkrieg gezeichneten Bosnien-Herzegowina zu sichern (vgl. Hummer 2000: 13 ff).

Mit ihrer ersten Erklärung schaltet sich die Balkan-Kontaktgruppe am 24. September 1997 in den Kosovo-Konflikt ein[4]. Die Außenminister fordern die beiden Konfliktparteien zu einer friedlichen Lösung des Konflikts auf und verlangen einen verbesserten Status für den Kosovo innerhalb der Bundesrepublik Jugoslawien mit Berücksichtigung der Menschenrechte der albanischen Bevölkerung gemäß völkerrechtlichen Bestimmungen (vgl. Loquai 2000: 68). Während die Kosovo-Albaner immer wieder internationale Unterstützung fordern, glaubt Serbien, auf eine Vermittlung durch die internationale Gemeinschaft verzichten zu können (vgl. Loquai 2000: 68-69).

Auch innerhalb des NATO-Bündnisses wird der Konflikt lange Zeit nicht groß thematisiert[5]: Auf der NATO-Außenministerkonferenz in Brüssel am 16. Dezember äußern sich die Außenminister lediglich besorgt über die Entwicklungen im Kosovo und rufen die beiden Konfliktparteien zu einem friedlichen Dialog auf (vgl. Dischl 2002: 336 / Loquai 2000: 95).

Bis dato kann die Situation als ein latenter Konflikt definiert werden, in dem die Akteure ihre verschiedenen Positionen artikulierten. Die internationale Gemeinschaft als intervenierender Akteur verdeutlichte, dass sie an einer friedlichen Lösung des Kosovo-Konflikts interessiert ist, während die Serben eine Vermittlung durch andere Staaten strikt zurückwiesen. Eine militärische Intervention war in diesem Zeitraum noch nicht zu befürchten.

2.3.2.2. Manifestierung des Konflikts: März 1998 bis September 1998

Am 28. Februar initiieren die Serben in der Talregion Drenica im Kosovo eine militärische Offensive gegen die UÇK, bei der insgesamt 180 Kosovo-Albaner ums Leben kommen (Dischl 2002: 336 f.). Fortan wird die Unvereinbarkeit der Positionsdifferenzen zwischen der internationalen Gemeinschaft und den Serben handlungsbestimmend. Der Konflikt manifestiert sich:

Auf ihrem Treffen in London am 9. März setzen die Staaten der Kontaktgruppe den Serben ein zehntägiges Ultimatum für den Rückzug der serbischen Sicherheitskräfte aus Drenica und drohen direkt mit Sanktionen gegen Serbien. US-Sonderbotschafter Robert Gelbard droht unterdessen mit einer militärischen Intervention der USA (vgl. Dischl 2002: 337 / Fischer Weltalmanach 1999: 402). Zwei Tage später erklärt der Ständige Rat der OSZE, der Kosovo-Konflikt sei wegen „‚seiner bedeutenden Auswirkungen auf die Sicherheit der Region (…) nicht nur eine interne Angelegenheit der Bundesrepublik Jugoslawien‘“ (HSFK 1999: 319). Auch der UN-Sicherheitsrat befasst sich mit den Vorfällen: Am 31. März verabschiedet er Resolution 1160, in der er – ebenso wie die Kontaktgruppe zuvor – neben der territorialen Integrität der BRJ einen verbesserten Autonomiestatus für den Kosovo fordert (vgl. Loquai 2000: 70). Erstmals ist die Krise im Kosovo auf der Tagesordnung des Nordatlantik-Bündnisses nach ganz oben gerückt: Am 28. Mai beschließt die NATO-Außenministerkonferenz die Untersuchung und Planung einer militärischen Intervention gegen Jugoslawien. Unter dem Druck der Clinton-Administration einigen sich Milošević und Rugova im selben Monat auf wöchentliche Verhandlungen. Ende Mai findet jedoch nur eine dieser geplanten Verhandlungen statt. Schließlich weist die kosovo-albanische Seite weitere Treffen zurück (Loquai 2000: 70 f). Die Europäische Union zieht ebenfalls Konsequenzen daraus: Im Juni beschließt sie ein Investitionsembargo gegen Serbien sowie ein Start- und Landeverbot für jugoslawische Flugzeuge. Um ihre Bereitschaft zur militärischen Intervention zu demonstrieren, führt die NATO in ihrer Operation „Determined Falcon“ Luftmanöver über Albanien und Mazedonien durch. Ein Ende der serbischen Gewalt kann damit jedoch nicht erreicht werden (vgl. Dischl 2002: 339). Währenddessen gelingt es Russland und den USA, Verhandlungen mit Milošević zu führen (vgl. Dischl 2002: 339). Am 28. Juli wird ein „erster diplomatischer Durchbruch“ erzielt: Im Auftrag der Balkan-Kontaktgruppe berät der mazedonische US-Botschafter Christopher Hill mit den Kosovo-Albanern die Zusammensetzung einer Delegation für Friedensgespräche (vgl. Dischl 2002: 340). Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass sich die internationale Gemeinschaft nach der serbischen Offensive in Drenica nicht mehr nur größtenteils auf verbale Forderungen beschränkte, sondern auch ernsthafte Maßnahmen gegen Serbien beschloss, wie etwa den Planungsauftrag einer militärischen Intervention auf der NATO-Außenministerkonferenz in Luxemburg. Zwar wurde vereinzelt mit einem Militärschlag gedroht, vor allem vonseiten der USA, doch auf eine diplomatische Lösung wurde stets hingearbeitet.

[...]


[1] Als Politik gilt einer Definition von Ernst-Otto Czempiel zufolge die „autoritativ (herrschaftlich) oder über den Modus der Macht erfolgende Verteilung (und Erzeugung) von Werten in den Sachbereichen Sicherheit, Wohlfahrt, Herrschaft, die vom Politischen System oder von gesellschaftlichen Akteuren innerhalb des gesellschaftlichen Umfeldes einer Einheit oder innerhalb der Internationalen Umwelt vorgenommen wird“ (Czempiel 2004: 6).

[2] Die internationale Gemeinschaft schaltete sich das erste Mal über die Balkan-Kontaktgruppe ein (siehe 2.3.2.1).

[3] Am 28. September 1990 verlor der Kosovo durch die neue serbische Verfassung seine Autonomie und gehörte fortan formal zur Teilrepublik Serbien (vgl. Hummer 2000: 27).

[4] Die Balkan-Kontaktgruppe wurde 1993 von den USA, Russland, Großbritannien, Frankreich, Deutschland und Italien gegründet, um in dem Krieg in Bosnien-Herzegowina eine friedliche Lösung zu erarbeiten (vgl. Dischl 2002: 64).

[5] Die NATO (North Atlantic Treaty Organisation) ist ein Bündnis europäischer und nordamerikanischer Staaten, das 1949 gegründet worden ist, um die Sicherheit seiner Mitglieder zu garantieren (vgl. Hummer 2000: 317 f.)

Fin de l'extrait de 34 pages

Résumé des informations

Titre
Die USA, die NATO und der Krieg um den Kosovo
Sous-titre
Ein neorealistischer Erklärungsversuch des Kriegsausbruchs
Université
University of Tubingen  (Institut für Politikwissenschaft)
Note
1,3
Auteur
Année
2006
Pages
34
N° de catalogue
V80463
ISBN (ebook)
9783638892506
ISBN (Livre)
9783638892551
Taille d'un fichier
630 KB
Langue
allemand
Mots clés
NATO, Krieg, Kosovo, neorealismus, vereinte nationen, waltz
Citation du texte
Christian Kreß (Auteur), 2006, Die USA, die NATO und der Krieg um den Kosovo, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/80463

Commentaires

  • invité le 30/10/2011

    eine sehr umfangreiche Analyse und leicht verständlich geschrieben! prima Arbeit!

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Titre: Die USA, die NATO und der Krieg um den Kosovo



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