Brauchen wir die Sparkassen? Diese Frage ist aufgrund der besonderen Stellung der Sparkassen in unserer Gesellschaft Gegenstand der Arbeit. Außerdem ist die Frage vor dem Hintergrund der Öffnung des europäischen Binnenmarktes ebenfalls von Bedeutung. An diesen genannten zwei Punkten, der gesellschaftlichen Bedeutung der Sparkassen einerseits und einheitlicher europäischer Bedingungen andererseits, ist der Privatisierungsstreit im Kern festzumachen. Seit den 1990er Jahren gibt es immer wieder Diskussionen über eine Privatisierung öffentlich-rechtlicher Sparkassen in Deutschland. Die nahezu gleichen Geschäftsfelder mit anderen Banken, die zunehmende Konkurrenz und Mobilität durch Internetbanken, sowie Zweifel an der Erfordernis bzw. der Erfüllung des öffentlichen Auftrages geben immer wieder Anlass zur Kritik an den Sparkassen. Des Weiteren ist der deutsche Bankenmarkt mit seiner dreigliedrigen Struktur einzigartig in Europa. Darin kommt den Sparkassen die größte und bedeutendste Rolle zu, weil sie auf der einen Seite die meisten Kunden haben. So hält jeder Zweite in Deutschland eine Geschäftsbeziehung zu einer Sparkasse. Darüber hinaus ist die Sparkassen- Finanzgruppe die größte kreditwirtschaftliche Gruppe der Welt. Zum anderen grenzt sich die Sparkasse durch ihre Geschäftsphilosophie und ihrer Organisationsstruktur von anderen Instituten entscheidend ab. Ihre öffentliche Rechtsform verpflichtet sie, in Verbindung mit ihrem öffentlichen Auftrag, zum gemeinnützigen Handeln. Dadurch kommt der Sparkasse eine besondere gesellschaftliche Bedeutung zu. Der öffentliche Auftrag beinhaltet gemeinwohlorientierte und daseinsvorsorgliche Aufgaben für die Sparkassen. Für das Verständnis der Inhalte dieser Aufgaben werden nach der Darstellung der historischen Wurzeln der Sparkassen unter Punkt 1, die theoretischen Begriffe Gemeinwohl, Daseinsvorsorge und kommunale Selbstverwaltung in Teil 2 der Arbeit erläutert. In 2.1 wird der Begriff des Gemeinwohls erläutert. Dabei wird auf politische, wirtschaftliche, rechtliche und gesellschaftliche Aspekte des Begriffs eingegangen. Nachdem das Gemeinwohl als interessenausgleichender politischer Prozess definiert ist, werden Probleme und Lösungsansätze eines pluralistischen Interessenausgleichs geschildert. Das ist für diese Arbeit deshalb von Bedeutung, weil die Sparkassengruppe in Deutschland eine große Lobby hat. Anschließend werden Marktliberalität und Gemeinwohl in Zusammenhang gebracht. Grundlage dabei ist die Theorie des homo oeconomicus. Dieser Aspekt ist aus wettbewerblichen Gründen bei einer Privatisierung von Sparkassen relevant. Zuletzt werden Verbindungen zwischen homo oeconomicus und dem gesellschaftlichen Problem des Generationenkonfliktes aufgezeigt. Eine flächendeckende Versorgung mit Finanzdienstleistungen gehört heute zu den Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge. Die Sparkassen sind, im Kontext mit ihrem öffentlichen Auftrag, zur Erfüllung dieser Aufgabe angehalten. In Punkt 2.2 werden daher Begriff und Wesensmerkmale der Daseinsvorsorge beschrieben. Sparkassen sind trotz ihrer öffentlichen Rechtsform gleichzeitig wirtschaftliche Unternehmen. Deshalb wird an dieser Stelle auf die Besonderheit der wirtschaftlichen Tätigkeit von öffentlichen Unternehmen eingegangen. Sparkassen sind ein Element der kommunalen Selbstverwaltung. Diese beinhaltet gemeinwohlorientierte und daseinsvorsorgliche Aufgaben. Die Aufgaben sind auch Teil der kommunalen Selbstverwaltung. Darum ist es für diese Arbeit von Bedeutung, die Inhalte der kommunalen Selbstverwaltung zu erläutern. Dies geschieht unter Punkt 2.3 der Arbeit. Im folgenden Teil 3 werden dann die Verflechtungen zwischen der Kommune und ihrer Sparkasse, unter Bezug der theoretischen Erklärungen aus Teil 2, konkretisiert. Dabei werden der öffentliche Auftrag und das Regionalprinzip der Sparkassen als ihre wesentlichen Strukturmerkmale erläutert. Darüber hinaus werden die personellen und wirtschaftlichen Verflechtungen der Sparkasse mit der Region dargestellt. Ziel des dritten Teils ist die Herausarbeitung der regionalen und gesellschaftlichen Bedeutung der Sparkassen, weil dies wiederum Grundlage für die Privatisierungsdiskussion in Teil 4 der Arbeit ist. Hier wird mit der Klärung des Privatisierungsbegriffs in Punkt 4.1 begonnen. Anschließend werden in 4.2 verschiedene Privatisierungsformen aufgezeigt. Nachdem die Gründe für die Privatisierungsdebatte in 4.3 erläutert wurden, wird in Punkt 4.4.auf die Besonderheit der Bankenstruktur in Deutschland eingegangen.
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort
- 1 Historie des Sparkassenwesens und heutige Größenordnung
- 1.1 Internationale Wurzeln des Sparkassengedankens
- 1.2 Gründungsidee und historische Entwicklung der Sparkassen in Deutschland
- 1.3 Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) und die Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg
- 1.4 Größe und Zusammensetzung der Sparkassen – Finanzgruppe
- 1.4.1 Die freien Sparkassen
- 2 Grundsätzlicher theoretischer Ansatz: Gemeinwohl, Daseinsvorsorge und kommunale Selbstverwaltung
- 2.1 Gemeinwohl
- 2.1.1 Einführung und Zielsetzung
- 2.1.2 Entstehung und neuzeitliche Kritik am Begriff des Gemeinwohls
- 2.1.3 Direktdemokratische Elemente und verfassungsrechtliche Verankerung als Garanten des Gemeinwohls
- 2.1.4 Homo oeconomicus und Gemeinwohl
- 2.1.5 Gemeinwohl und Generationenvertrag
- 2.1.6 Fazit
- 2.2 Daseinsvorsorge
- 2.2.1 Ursprüngliche Bedeutung des Begriffs Daseinsvorsorge
- 2.2.2 Modernes Begriffsverständnis und Wesensmerkmale der Daseinsvorsorge
- 2.2.3 Problematik der kommunalwirtschaftlichen Betätigung
- 2.2.4 Fazit
- 2.3 Kommunale Selbstverwaltung
- 2.3.1 Entwicklung der kommunalen Selbstverwaltung
- 2.3.2 Die Gemeinde
- 2.3.3 Verfassungsrechtliche Grundlagen und Inhalt
- 2.3.4 Finanzlage der Kommunen und Selbstverwaltung
- 2.3.5 Fazit
- 3 Die kommunale Bindung der Sparkassen
- 3.1 Rechtliche Grundlagen
- 3.1.1 Der Anstaltsbegriff
- 3.1.2 Sparkassen als Anstalten des öffentlichen Rechts
- 3.1.3 Gesetzgebung und rechtliche Integration in die Kommune
- 3.2 Strukturelle Verflechtungen zwischen Sparkassen und Kommunen
- 3.2.1 Der Öffentliche Auftrag
- 3.2.1.1 Begriffsklärung
- 3.2.1.2 Der öffentliche Auftrag der Sparkassen
- 3.2.2 Das Regionalprinzip
- 3.2.2.1 Rechtliche Grundlage und kommunale Einbindung
- 3.2.2.2 Das Subsidiaritätsprinzip
- 3.2.2.3 Merkmale und Lockerung des Regionalprinzips
- 3.2.2.4 Funktionen des Regionalprinzips
- 3.2.3 Personelle Verflechtungen
- 3.2.3.1 Wahl und Zusammensetzung des Verwaltungsrates
- 3.2.3.2 Aufgaben des Verwaltungsrates
- 3.2.3.3 Das Problem der Sachkompetenz bei Verwaltungsratsmitgliedern
- 3.2.4 Finanzielle und wirtschaftliche Verflechtungen
- 3.2.4.1 Staatliche Haftungsgarantien
- 3.2.4.2 Bedeutung der Sparkasse für die Region
- 3.2.4.3 Gewinnverwendung
- 3.2.4.4 Die Kommune als Kunde
- 3.2.5 Fazit
- 3.2.6 Erweiterungsmöglichkeiten der kommunalen Verflechtung
- 3.2.6.1 Demokratietheoretische Aspekte der Aufgabenerweiterung
- 3.2.6.2 Fazit
- 3.3 Sparkassen zwischen öffentlichen Auftrag und Wettbewerb
- 3.3.1 Fazit
- 4 Privatisierung von Sparkassen
- 4.1 Begriff der Privatisierung
- 4.2 Privatisierungsformen
- 4.2.1 Die formelle Privatisierung
- 4.2.2 Die materielle Privatisierung
- 4.3 Ursachen der Privatisierungsdiskussion
- 4.4 Die Bankenstruktur in Deutschland
- 4.5 Rechtliche Möglichkeiten und Grenzen bei der Privatisierung von Sparkassen
- 4.5.1 Privatisierung und Europäisches Recht
- 4.5.2 Die private Mitbestimmung
- 4.5.3 Die private Kapitalbeteiligung
- 4.5.3.1 Stammkapital bei Sparkassen
- 4.5.3.2 Die Sparkasse als Aktiengesellschaft
- 4.5.4 Fazit
- 4.6 Die Interessen der Akteure
- 4.6.1 Die Europäische Kommission
- 4.6.2 Die Stellung der Deutschen Politik
- 4.6.2.1 Die Interessen der Bundes
- 4.6.2.2 Die Interessen der Länder
- 4.6.2.3 Die Interessen der Kommunen und ihrer Spitzenverbände
- 4.6.3 Die Interessen der Sparkassen- Finanzgruppe
- 4.6.4 Die Interessen der Privatbanken
- 4.6.5 Fazit
- 4.7 Argumentationslinien der Privatisierungsdiskussion
- 4.7.1 Konfliktlinien
- 4.7.2 Pro Privatisierung oder Contra Sparkasse
- 4.7.2.1 Kritik an der Wahrnehmung des öffentlichen Auftrages
- 4.7.2.2 Kritik am Regionalprinzip
- 4.7.2.3 Kritik an der Effizienz von Sparkassen
- 4.7.2.4 Demokratietheoretische Bedenken
- 4.7.2.5 Privatisierungserlöse für die öffentliche Hand
- 4.7.3 Contra Privatisierung oder Pro Sparkasse
- 4.7.3.1 Die Kommunale Bindung als Nutzengewinn für die Region
- Die historische Entwicklung des Sparkassenwesens und die Rolle des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV)
- Die kommunale Bindung der Sparkassen und die Bedeutung des öffentlichen Auftrags
- Die rechtlichen Rahmenbedingungen und die verschiedenen Privatisierungsformen
- Die Interessen verschiedener Akteure, wie der Europäischen Kommission, der Bundesregierung, der Länder und der Privatbanken
- Die Argumentationslinien der Privatisierungsdiskussion und die damit verbundenen Konfliktlinien
- Kapitel 1 beleuchtet die historische Entwicklung des Sparkassenwesens in Deutschland und stellt die heutige Größenordnung der Sparkassen-Finanzgruppe dar. Es werden die internationalen Wurzeln des Sparkassengedankens sowie die Gründungsidee und die Entwicklung der Sparkassen in Deutschland behandelt.
- Kapitel 2 untersucht die theoretischen Grundlagen des Sparkassenwesens, indem es die Konzepte von Gemeinwohl, Daseinsvorsorge und kommunaler Selbstverwaltung analysiert. Es werden die Entstehung und Kritik an den Begriffen, die verfassungsrechtliche Verankerung und die Verbindung zum Homo oeconomicus beleuchtet.
- Kapitel 3 befasst sich mit der kommunalen Bindung der Sparkassen. Es untersucht die rechtlichen Grundlagen, die strukturellen Verflechtungen, die personellen Verbindungen und die finanziellen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Sparkassen und Kommunen. Es werden zudem Erweiterungsmöglichkeiten der kommunalen Verflechtung und die Position der Sparkassen zwischen öffentlichem Auftrag und Wettbewerb beleuchtet.
- Kapitel 4 analysiert die Privatisierung von Sparkassen. Es werden der Begriff der Privatisierung, verschiedene Privatisierungsformen, die Ursachen der Privatisierungsdiskussion und die rechtlichen Möglichkeiten und Grenzen bei einer Privatisierung von Sparkassen untersucht. Weiterhin werden die Interessen der verschiedenen Akteure und die Argumentationslinien der Privatisierungsdiskussion beleuchtet.
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Diplomarbeit "Brauchen wir die Sparkassen?" analysiert die Interessen und Konfliktlinien einer möglichen Privatisierung öffentlich-rechtlicher Sparkassen in Deutschland. Sie untersucht die Auswirkungen einer Privatisierung auf Politik und Gesellschaft und hinterfragt die Notwendigkeit von Sparkassen im heutigen Kontext.
Zusammenfassung der Kapitel
Schlüsselwörter
Sparkassen, Privatisierung, Gemeinwohl, Daseinsvorsorge, kommunale Selbstverwaltung, öffentlicher Auftrag, Regionalprinzip, Bankenstruktur, Interessen, Konfliktlinien, Europäische Kommission, Bundesregierung, Länder, Privatbanken, Argumentationslinien.
- Arbeit zitieren
- Mathias Schulz (Autor:in), 2007, Brauchen wir die Sparkassen? , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/80585