Brauchen wir die Sparkassen?

Interessen und Konfliktlinien einer Privatisierung öffentlich-rechtlicher Sparkassen in Deutschland und wesentliche Konsequenzen für Politik und Gesellschaft


Mémoire (de fin d'études), 2007

102 Pages, Note: 1,3


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1 Historie des Sparkassenwesens und heutige Größenordnung
1.1 Internationale Wurzeln des Sparkassengedankens
1.2 Gründungsidee und historische Entwicklung der Sparkassen
in Deutschland
1.3 Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) und
die Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg
1.4 Größe und Zusammensetzung der Sparkassen – Finanzgruppe
1.4.1 Die freien Sparkassen

2 Grundsätzlicher theoretischer Ansatz: Gemeinwohl, Daseinsvorsorge und kommunale Selbstverwaltung
2.1 Gemeinwohl
2.1.1 Einführung und Zielsetzung
2.1.2 Entstehung und neuzeitliche Kritik am Begriff des Gemeinwohls
2.1.3 Direktdemokratische Elemente und verfassungsrechtliche
Verankerung als Garanten des Gemeinwohls
2.1.4 Homo oeconomicus und Gemeinwohl
2.1.5 Gemeinwohl und Generationenvertrag
2.1.6 Fazit
2.2 Daseinsvorsorge
2.2.1 Ursprüngliche Bedeutung des Begriffs Daseinsvorsorge
2.2.2 Modernes Begriffsverständnis und Wesensmerkmale
der Daseinsvorsorge
2.2.3 Problematik der kommunalwirtschaftlichen Betätigung
2.2.4 Fazit
2.3 Kommunale Selbstverwaltung
2.3.1 Entwicklung der kommunalen Selbstverwaltung
2.3.2 Die Gemeinde
2.3.3 Verfassungsrechtliche Grundlagen und Inhalt
2.3.4 Finanzlage der Kommunen und Selbstverwaltung
2.3.5 Fazit

3 Die kommunale Bindung der Sparkassen
3.1 Rechtliche Grundlagen
3.1.1 Der Anstaltsbegriff
3.1.2 Sparkassen als Anstalten des öffentlichen Rechts
3.1.3 Gesetzgebung und rechtliche Integration in die Kommune
3.2 Strukturelle Verflechtungen zwischen Sparkassen und Kommunen
3.2.1 Der Öffentliche Auftrag
3.2.1.1 Begriffsklärung
3.2.1.2 Der öffentliche Auftrag der Sparkassen
3.2.2 Das Regionalprinzip
3.2.2.1 Rechtliche Grundlage und kommunale Einbindung
3.2.2.2 Das Subsidiaritätsprinzip
3.2.2.3 Merkmale und Lockerung des Regionalprinzips
3.2.2.4 Funktionen des Regionalprinzips
3.2.3 Personelle Verflechtungen
3.2.3.1 Wahl und Zusammensetzung des Verwaltungsrates
3.2.3.2 Aufgaben des Verwaltungsrates
3.2.3.3 Das Problem der Sachkompetenz bei Verwaltungsratsmitgliedern
3.2.4 Finanzielle und wirtschaftliche Verflechtungen
3.2.4.1 Staatliche Haftungsgarantien
3.2.4.2 Bedeutung der Sparkasse für die Region
3.2.4.3 Gewinnverwendung
3.2.4.4 Die Kommune als Kunde
3.2.5 Fazit
3.2.6 Erweiterungsmöglichkeiten der kommunalen Verflechtung
3.2.6.1 Demokratietheoretische Aspekte der Aufgabenerweiterung
3.2.6.2 Fazit
3.3 Sparkassen zwischen öffentlichen Auftrag und Wettbewerb
3.3.1 Fazit

4 Privatisierung von Sparkassen
4.1 Begriff der Privatisierung
4.2 Privatisierungsformen
4.2.1 Die formelle Privatisierung
4.2.2 Die materielle Privatisierung
4.3 Ursachen der Privatisierungsdiskussion
4.4 Die Bankenstruktur in Deutschland
4.5 Rechtliche Möglichkeiten und Grenzen bei der Privatisierung
von Sparkassen
4.5.1 Privatisierung und Europäisches Recht
4.5.2 Die private Mitbestimmung
4.5.3 Die private Kapitalbeteiligung
4.5.3.1 Stammkapital bei Sparkassen
4.5.3.2 Die Sparkasse als Aktiengesellschaft
4.5.4 Fazit
4.6 Die Interessen der Akteure
4.6.1 Die Europäische Kommission
4.6.2 Die Stellung der Deutschen Politik
4.6.2.1 Die Interessen der Bundes
4.6.2.2 Die Interessen der Länder
4.6.2.3 Die Interessen der Kommunen und ihrer Spitzenverbände
4.6.3 Die Interessen der Sparkassen- Finanzgruppe
4.6.4 Die Interessen der Privatbanken
4.6.5 Fazit
4.7 Argumentationslinien der Privatisierungsdiskussion
4.7.1 Konfliktlinien
4.7.2 Pro Privatisierung oder Contra Sparkasse
4.7.2.1 Kritik an der Wahrnehmung des öffentlichen Auftrages
4.7.2.2 Kritik am Regionalprinzip
4.7.2.3 Kritik an der Effizienz von Sparkassen
4.7.2.4 Demokratietheoretische Bedenken
4.7.2.5 Privatisierungserlöse für die öffentliche Hand
4.7.3 Contra Privatisierung oder Pro Sparkasse
4.7.3.1 Die Kommunale Bindung als Nutzengewinn für die Region
4.7.3.2 Die Wettbewerbsfördernde und deregulierende Funktion
der Sparkassen
4.7.4 Fazit
4.8 Mögliche Auswirkungen einer Privatisierung
4.8.1 Folgen für den Bankenmarkt
4.8.2 Folgen für den Bürger
4.8.3 Folgen für die Politik und Verwaltung
4.8.4 Fazit
4.9 Praktische Beispiele für Privatisierungsbemühungen
4.9.1 Der Privatisierungsversuch in Stralsund
4.9.2 Der Verkauf des Anteils des Landes Berlin an der Bankgesellschaft Berlin

Schlusswort

Abkürzungsverzeichnis

Literaturverzeichnis

Anhang

Vorwort

Brauchen wir die Sparkassen? Diese Frage ist aufgrund der besonderen Stellung der Sparkassen in unserer Gesellschaft Gegenstand der Arbeit. Außerdem ist die Frage vor dem Hintergrund der Öffnung des europäischen Binnenmarktes ebenfalls von Bedeutung. An diesen genannten zwei Punkten, der gesellschaftlichen Bedeutung der Sparkassen einerseits und einheitlicher europäischer Bedingungen andererseits, ist der Privatisierungsstreit im Kern festzumachen. Seit den 1990er Jahren gibt es immer wieder Diskussionen über eine Privatisierung öffentlich-rechtlicher Sparkassen in Deutschland. Die nahezu gleichen Geschäftsfelder mit anderen Banken, die zunehmende Konkurrenz und Mobilität durch Internetbanken, sowie Zweifel an der Erfordernis bzw. der Erfüllung des öffentlichen Auftrages geben immer wieder Anlass zur Kritik an den Sparkassen. Des Weiteren ist der deutsche Bankenmarkt mit seiner dreigliedrigen Struktur einzigartig in Europa. Darin kommt den Sparkassen die größte und bedeutendste Rolle zu, weil sie auf der einen Seite die meisten Kunden haben. So hält jeder Zweite in Deutschland eine Geschäftsbeziehung zu einer Sparkasse. Darüber hinaus ist die Sparkassen- Finanzgruppe die größte kreditwirtschaftliche Gruppe der Welt. Zum anderen grenzt sich die Sparkasse durch ihre Geschäftsphilosophie und ihrer Organisationsstruktur von anderen Instituten entscheidend ab. Ihre öffentliche Rechtsform verpflichtet sie, in Verbindung mit ihrem öffentlichen Auftrag, zum gemeinnützigen Handeln. Dadurch kommt der Sparkasse eine besondere gesellschaftliche Bedeutung zu. Der öffentliche Auftrag beinhaltet gemeinwohlorientierte und daseinsvorsorgliche Aufgaben für die Sparkassen. Für das Verständnis der Inhalte dieser Aufgaben werden nach der Darstellung der historischen Wurzeln der Sparkassen unter Punkt 1, die theoretischen Begriffe Gemeinwohl, Daseinsvorsorge und kommunale Selbstverwaltung in Teil 2 der Arbeit erläutert. In 2.1 wird der Begriff des Gemeinwohls erläutert. Dabei wird auf politische, wirtschaftliche, rechtliche und gesellschaftliche Aspekte des Begriffs eingegangen. Nachdem das Gemeinwohl als interessenausgleichender politischer Prozess definiert ist, werden Probleme und Lösungsansätze eines pluralistischen Interessenausgleichs geschildert. Das ist für diese Arbeit deshalb von Bedeutung, weil die Sparkassengruppe in Deutschland eine große Lobby hat. Anschließend werden Marktliberalität und Gemeinwohl in Zusammenhang gebracht. Grundlage dabei ist die Theorie des homo oeconomicus. Dieser Aspekt ist aus wettbewerblichen Gründen bei einer Privatisierung von Sparkassen relevant. Zuletzt werden Verbindungen zwischen homo oeconomicus und dem gesellschaftlichen Problem des Generationenkonfliktes aufgezeigt. Eine flächendeckende Versorgung mit Finanzdienstleistungen gehört heute zu den Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge. Die Sparkassen sind, im Kontext mit ihrem öffentlichen Auftrag, zur Erfüllung dieser Aufgabe angehalten. In Punkt 2.2 werden daher Begriff und Wesensmerkmale der Daseinsvorsorge beschrieben. Sparkassen sind trotz ihrer öffentlichen Rechtsform gleichzeitig wirtschaftliche Unternehmen. Deshalb wird an dieser Stelle auf die Besonderheit der wirtschaftlichen Tätigkeit von öffentlichen Unternehmen eingegangen. Sparkassen sind ein Element der kommunalen Selbstverwaltung. Diese beinhaltet gemeinwohlorientierte und daseinsvorsorgliche Aufgaben. Die Aufgaben sind auch Teil der kommunalen Selbstverwaltung. Darum ist es für diese Arbeit von Bedeutung, die Inhalte der kommunalen Selbstverwaltung zu erläutern. Dies geschieht unter Punkt 2.3 der Arbeit. Im folgenden Teil 3 werden dann die Verflechtungen zwischen der Kommune und ihrer Sparkasse, unter Bezug der theoretischen Erklärungen aus Teil 2, konkretisiert. Dabei werden der öffentliche Auftrag und das Regionalprinzip der Sparkassen als ihre wesentlichen Strukturmerkmale erläutert. Darüber hinaus werden die personellen und wirtschaftlichen Verflechtungen der Sparkasse mit der Region dargestellt. Ziel des dritten Teils ist die Herausarbeitung der regionalen und gesellschaftlichen Bedeutung der Sparkassen, weil dies wiederum Grundlage für die Privatisierungsdiskussion in Teil 4 der Arbeit ist. Hier wird mit der Klärung des Privatisierungsbegriffs in Punkt 4.1 begonnen. Anschließend werden in 4.2 verschiedene Privatisierungsformen aufgezeigt. Nachdem die Gründe für die Privatisierungsdebatte in 4.3 erläutert wurden, wird in Punkt 4.4.auf die Besonderheit der Bankenstruktur in Deutschland eingegangen. Darin wird die Dreigliedrigkeit des Bankensystems dargestellt, bevor in Punkt 4.5 die Rechtslage für eine Privatisierung von Sparkassen behandelt wird. Anschließend wird in die praktische Diskussion einer Privatisierung von Sparkassen eingestiegen. Darin werden zuerst die Akteure mit ihren jeweiligen Interessen skizziert (4.6). Hier werden die Sichtweisen der verschieden politischen Ebenen und der verschiedenen Lager der Kreditwirtschaft aufgezeigt, bevor unter Punkt 4.7 Pro- und Contra-Argumente einer Privatisierung öffentlicher Sparkassen gegenübergestellt werden. Im darauf folgenden Punkt 4.8 werden mögliche Auswirkungen einer Privatisierung beschrieben. Dabei wird zwischen den Folgen für den deutschen Bankenmarkt, möglichen Konsequenzen für den Bürger und den Auswirkungen auf die Politik unterschieden. Die Darstellung möglicher Konsequenzen bei einer Privatisierung von Sparkassen ist die Grundvorraussetzung für die Beantwortung der Forschungsfrage. Im letzten Punkt wird unter 4.9 die praktische Relevanz des Themas Privatisierung von Sparkassen anhand der Beispiele aus Stralsund und Berlin vergegenwärtigt. Brauchen wir die Sparkassen? Diese Frage wird im Schlussteil der Arbeit differenziert beantwortet.

1 Historie des Sparkassenwesens und heutige Größenordnung

1.1 Internationale Wurzeln des Sparkassengedankens

Die ursprüngliche Idee hinter der Gründung von Sparkassen war die Förderung des Sparsinns und der Vermögensbildung der Bürger, sowie die Sicherstellung der kreditwirtschaftlichen Versorgung der Bevölkerung. Damit unterscheidet sich die Sparkasse in ihrer Gründungsintention von der Entwicklung anderer Kreditinstitute, die allein auf den Gewinn orientiert sind. Auch wenn Sparkassen und Privatbanken heute als Universalbanken agieren und nahezu dieselben Geschäftsfelder bedienen, und somit rein angebotspolitisch für den Bürger kein Unterschied feststellbar ist, so unterscheiden sich Sparkassen dennoch in ihrer Organisation, in ihrer rechtlichen Ausgestaltung und in ihrer gesellschaftlichen Bedeutung von anderen Kreditinstituten.[1] Die Idee sparkassenähnlicher Institute ist fast 400 Jahre alt.[2] Der genannte Sparkassengedanke wurde erstmals bereits 1611 von dem Franzosen Hugues Delestre in seiner Schrift „Le Premier Plaut du Mont conscare a Dien“ erwähnt. Darin forderte er eine Kasse für untere gesellschaftliche Schichten, um ihnen Zinsen auf Ersparnisse zu ermöglichen. Danach kam der Gedanke im Jahre 1697 erstmals in England von Daniel Defoe auf. Defoe ist auch als Autor von „Robinson Crusoe“ bekannt. Er wollte jedem das Sparen ermöglichen und so dem Bettelwesen und der Armut entgegenwirken. So sollten die Menschen während ihres Beruflebens einen Teil ihres Verdienstes sicheren Institutionen für ihre finanzielle Vorsorge anvertrauen. In Amerika war es niemand anderes als Benjamin Franklin, der die Sparkassenidee förderte.[3]

1.2 Gründungsidee und historische Entwicklung der Sparkassen in Deutschland

Die ersten Sparkassen entstanden auf privater Initiative. Dazu zählte die im Jahr 1778 als allgemeine Versorgungsanstalt in Hamburg gegründete Sparkasse. Dahinter steckte die Intention von sozial denkenden Bürgern das Problem der Armut durch Ersparnisbildung und Vermögensaufbau weiter Teile der Bevölkerung zu bekämpfen. Schwächeren sollte so die Chance zum gesellschaftlichen Aufstieg gegeben werden. Dabei sollten die Anlagegelder der Bürger mehr der wirtschaftlichen Entwicklung in der Region dienen, als irgendwelchen kreditwirtschaftlichen und gewinnmaximierenden Anlagestrategien. Darauf folgte im Jahre 1786 die Gründung in Oldenburg und 1796 in Kiel.[4] Norddeutschland war also Vorreiter bei der Gründung von Sparkassen. Verblüffend ist, dass die Sparkasse Hamburg, auch wenn sie als freie und private Sparkasse agiert, heute noch die größte Sparkasse Deutschlands ist. Hauptzweck der Sparkassenidee war also die Hilfe zur Selbsthilfe und die Förderung der Selbstverantwortung des Individuums. Demnach sollten die Bürger zum vorsorglichen Sparen animiert werden, um nicht auf staatliche Eingriffe in finanziellen Notlagen angewiesen zu sein. So sollte auch die finanzielle Belastung der Kommunen durch Fürsorgeaufwendungen gemildert werden. Mit Beginn der Sparkassenidee spielt also neben dem humanitären- auch der kommunalpolitische Aspekt eine Rolle.[5] Diese Erkenntnis führte zum Anstieg der Anzahl öffentlicher Sparkassen im 19. Jahrhundert. Bisherige Bedenken der Kommunalpolitiker über zu hohe Unterhaltungs- und Verwaltungskosten bei einem Betreiben einer Sparkasse wurden ausgeräumt.[6] Nachdem also anfangs der Staat den Sparkassengründungen passiv gegenüberstand und lediglich ihr Dasein, ohne jegliche gesetzliche Regelungen, zur Kenntnis nahm, kam es erstmals 1801 zur Gründung der ersten kommunalen Sparkasse in Göttingen. Als der Staat zunehmend den Erfolg und den Nutzen der Sparkassen erkannte, folgten weitere Gründungen von kommunalen Sparkassen. Begünstigt durch die Schaffung der kommunalen Selbstverwaltung und den damit einhergehenden günstigen Vorraussetzungen entstanden zu dieser Zeit kommunale Sparkassen vorrangig in Preußen. Hier ließen sich erstmals kommunale Aufgaben der Gemeinwohlsorge mit den regional verankerten und gemeinnützigen Sparkassen verbinden. Im Jahre 1838 entstand im Rahmen des Preußischen Reglements das erste Sparkassengesetz. Das war die Basis für das gesamte spätere Sparkassenwesen. Darin wurden erstmals Bedingungen der Geschäftstätigkeit und dem Kundenkreis formuliert. Diese Elemente sind bis heute Bestandteile der Sparkassengesetze der Bundesländer.[7] Anders als heute waren Sparkassen damals meist rechtlich unselbständige Anstalten der Kommunen und vollständiger Bestandteil der Kommunalverwaltung. Sie waren somit der kommunalen Aufsicht unterstellt. Die Einlagen galten dadurch als Sondervermögen des Staates.[8]

Ein wichtiger Punkt in der historischen Entwicklung der Sparkassen ist die rechtliche Verselbständigung als Folge der Bankenkrise von 1931. Entscheidender Auslöser war dabei der Zusammenbruch der Darmstädter und Nationalbank (Danatbank) am 13.07.1931. Folglich zogen binnen kürzester Zeit die Bürger ihre Einlagen ab. Das trieb die Kommunen in akute Finanznot. Als Reaktion der daraus resultierenden Liquidationsprobleme der Sparkassen erging am 6. Oktober 1931 die dritte Reichsnotverordnung. Ziel war es, die Sparkassen von den Kommunen zu lösen und ihnen den Status der rechtlichen Selbständigkeit zu verleihen. Dadurch wurden künftige Haftungsansprüche der Sparkassen für Schulden der Gemeinden ausgeschlossen. Andersherum blieb aber die Gewährträgerhaftung[9] der Kommune weiterhin bestehen. Zusätzlich wurden die Sparkassen einer Bankenaufsicht unterstellt. Diese Maßnahmen sollten dazu dienen, dem Bürger das Vertrauen hinsichtlich seiner Spareinlagen zurückzugeben. Die Bankenkrise und die damit verbundenen Reaktionen prägen bis heute die Struktur der Sparkassen.[10]

1.3 Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) und die Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg

Um sich im System der Kreditwirtschaft zu behaupten wurde im Jahr 1924 der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) als Dachverband der gesamtdeutschen Sparkassen- Finanzgruppe mit Sitz in Berlin gegründet. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der DSGV als eingetragener Verein 1953 in Bonn weitergeführt.[11] Heute hat er seinen Sitz wieder in Berlin. Aufgrund der Währungsreform nach dem Zweiten Weltkrieg, bei der die Einlagen von 48 Mrd. Reichsmark auf 2,3 Mrd. DM umgewertet wurden, vollzog sich der Wiederaufbau der Sparkassenorganisation nach dem Zweiten Weltkrieg nur langsam. Zudem gerieten die Sparkassen nach 1948 in eine Liquiditätskrise, da viele Sparer verunsichert waren und ihre Einlagen abheben wollten. Mit dem Beginn des Wirtschaftswunders in den 1950er Jahren verbesserten sich das Geschäft der Sparkassen und ihre Entwicklung. Ein Meilenstein für die Entwicklung der Sparkassen war die Einführung von bargeldlosen Lohnzahlungen. Viele Bürger eröffneten ein Girokonto und bevorzugten dabei die Sparkassen, weil sie in dieser Hinsicht den Privatbanken weniger vertrauten. In den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts vollendeten die Sparkassen ihre Entwicklung hin zu Kreditinstituten mit einem breiten Angebot an Finanzdienstleistungen.[12]

1.4 Größe und Zusammensetzung der Sparkassen – Finanzgruppe

Der folgende Abschnitt soll einen Einblick in die organisatorischen und geschäftlichen Dimensionen der Sparkassen- Finanzgruppe geben. Gemessen an der Bilanzsumme von 3,3 Billionen Euro ist sie mit Abstand die größte Bankengruppe der Welt und mehr als dreimal so groß wie die amerikanische Citigroup.[13] Die Gesamte Organisation hat 21.800 Geschäftstellen. Davon entfallen 16.183 Filialen auf die 463 Sparkassen. Der Rest sind Niederlassungen der 11 Landesbanken, 11 Landesbausparkassen und 12 öffentlichen Versicherungen. Die Sparkassen- Finanzgruppe beschäftigt 377.000 Mitarbeiter. Davon sind 365.000 im Innland angestellt. Weiterhin gehören beispielsweise die Deka Bank als Fondsgesellschaft, die Deutsche Leasing, der Sparkassen Broker und 80 Kapitalbeteiligungsgesellschaften zum Verbund. Daneben gehören zu den Sparkassen 12 regionale Sparkassen- und Giroverbände. Unter den angesiedelten Verbänden ist der Deutsche Sparkassen- und Giroverband[14] der Dachverband. Den Verbänden sind 11 Sparkassenakademien angesiedelt, sowie der Deutsche Sparkassenverlag (DSV). Insgesamt gehören 619 Stiftungen zur Gruppe, welche das vielseitige gesellschaftliche Engagement fördern.[15] Die große Herausforderung einer solch komplexen und vielseitigen Organisation liegt in der Schaffung einer grundlegenden und einheitlichen Wirkung nach Außen. Gleichzeitig jedoch sollen die dezentrale Struktur und die regionale Selbständigkeit der Sparkassen gewahrt bleiben. Auch wenn es gewisse Machtzentren, wie etwa bei den Verbänden, innerhalb der Sparkassenorganisation gibt, ist es allen Akteuren auf allen Ebenen möglich, ihre politischen Ziele zu formulieren und auch umzusetzen. Hier unterscheidet sich der öffentliche Sektor vom privaten Bankensektor, wo Vieles auf zentrale Entscheidungsstrukturen ausgerichtet ist.[16]

1.4.1 Die freien Sparkassen

Neben den öffentlich rechtlichen Sparkassen existieren einige so genannte freie Sparkassen in Deutschland. Sparkassen wurden in der Regel aus privater Initiative heraus gegründet. Davon bestehen bis heute die genannten Sparkassen in privater Rechtsform. Die Gründung einer Sparkasse als juristische Person des Privatrechts ist heute aufgrund des § 40 KWG nicht mehr möglich. Darin ist gesetzlich geregelt, dass nur öffentlich rechtliche Kreditinstitute sich Sparkassen nennen dürfen.[17] Die freien Sparkassen werden entweder als wirtschaftlicher Verein (Bordesholm und Bremen), als Stiftung des privaten Rechts (Brestedt, Hamburg und Lübeck) oder als Aktiengesellschaft (Mittelholstein) geführt. Die freien Sparkassen unterliegen nicht der regionalen Bindung. Darüber hinaus galten für sie auch nicht die staatlichen Haftungsgarantien[18] bis zum Juli 2005.[19] Gemeinsamkeiten der freien Sparkassen zu den öffentlich rechtlichen kommunalen Sparkassen bestehen in ihrer historischen Entwicklung, ihrer Gründungsidee und ihrer geschäftlichen Tätigkeit. Sie haben unabhängig von ihrer Rechtsform die gleiche Geschäftsphilosophie wie öffentlich rechtliche Institute und sind demzufolge auch gemeinwohlorientiert ausgerichtet. Deshalb sind die freien Sparkassen auch Mitglieder der jeweiligen Sparkassen- und Giroverbände und damit Bestandteil der Organisation der Sparkassen–Finanzgruppe.[20] Wie eben erwähnt, orientieren sich die Sparkassen bei ihrer geschäftlichen Tätigkeit am Gemeinwohl. Um dies zu verdeutlichen ist es wichtig den Begriff des Gemeinwohls näher zu erläutern.

2 Grundsätzlicher theoretischer Ansatz: Gemeinwohl, Daseinsvorsorge und kommunale Selbstverwaltung

2.1 Gemeinwohl

2.1.1 Einführung und Zielsetzung

Was verstehen wir eigentlich unter Gemeinwohl? Definiert es sich über die materialistische Grundversorgung einer Gesellschaft? Ist es etwa die Aufgabe die Sicherheit der Bevölkerung zu gewährleisten? Beschreibt es vielleicht die verfassungsrechtliche Verankerung von Grund- und Menschenrechten zur Sicherung der existenziellen Lebensbedingungen? Oder umfasst es die gesundheitliche und soziale Grundversorgung der Bevölkerung? Eins ist sicherlich bei allen genannten Punkten auszumachen. Gemeinwohl setzt bestimmte Bedürfnisse von einer Mehrheit, wenn nicht sogar allen Menschen, voraus. Laut ökonomischer Schlussfolgerung entstehen aus Bedürfnissen Bedarfe. Im Unterschied zu der rein wirtschaftswissenschaftlichen Betrachtung, bei der sich der Einzelne überwiegend selbst für die Befriedigung seiner individuellen Bedürfnisse sorgt, geht es bei der Erfüllung gemeindlicher Bedürfnisse um die Bereitstellung des Gemeinwohls. Ein wichtiger Akteur für die Sorge um das Wohl der Allgemeinheit ist dabei der Staat. Dies hat den Grund, dass nicht alle Bereiche des Gemeinwohls durch andere Akteure, etwa private Unternehmen, erfüllt werden können. Entweder sind einzelne Aufgaben inhaltlich nicht auf andere Organisationen übertragbar oder für diese wirtschaftlich nicht lukrativ genug oder nicht finanzierbar. Ein Beispiel dafür sind unübertragbare hoheitliche Aufgaben des Staates wie etwa die innere-, aber mehr noch die äußere Sicherheit. Abseits der Staatsaufgaben kann auch jeder Einzelne, etwa durch gesellschaftliches Engagement oder durch Steuerzahlungen zum Gemeinwohl beitragen. An dieser Stelle spielt der Aspekt der Umverteilung eine große Rolle.

Im sich nun anschließenden Abschnitt soll versucht werden den Inhalt und die Bedeutung des Begriffs des Gemeinwohls zu erfassen. Ziel dieses Kapitels soll es sein, den Begriff des Gemeinwohls so herauszuarbeiten, dass er für die später folgende Erläuterung des Gemeinwohlprinzips der Sparkassen nützlich und anwendbar ist.

2.1.2 Entstehung und neuzeitliche Kritik am Begriff des Gemeinwohls

Seine Wurzeln hat der Begriff des Gemeinwohls im antiken Europa, genauer in der griechischen Polis von Platon und Aristoteles. Später wurde der Begriff von den Römern aufgenommen. Danach, im christlichen Mittelalter, wurde das Gemeinwohl (bonum commun e) von Thomas von Aquin als ein Ziel der Verehrung und Anschauung Gottes erklärt und somit gleichzeitig Vorstellungen über den Begriff von politischen Akteuren relativiert. Die moderne katholische Soziallehre übernahm diese Gemeinwohlvorstellung im Wesentlichen und spricht von einem Dienst seitens des Staates, dem einzelnen Menschen ein gottgefälliges und gutes Leben zu ermöglichen.[21]

Einführend ist anzumerken, dass der Begriff des Gemeinwohls undeutlich und weitreichend ist. Somit ist der Begriff Gemeinwohl, wie bei vielen anderen umfassenden Begriffen auch, in der Literatur nicht immer übereinstimmend definiert. Es gibt also eine Vielzahl von variierenden Erklärungsansätzen, welche von knapp bis sehr ausführlich reichen. Das liegt sicherlich auch daran, dass der Begriff mehreren Wissenschaften zuzuordnen ist. So ist er beispielsweise neben der Politikwissenschaft und der Sozialwissenschaft auch für die Wirtschafts-, Rechts- und Geschichtswissenschaft, sowie für die Philosophie von Belang.[22] Rechts- und politikwissenschaftlich unterliegt sowohl staatliches Handeln, als auch staatliches Nichthandeln dem Gemeinwohlvorbehalt. Gemeinwohl ist demnach eine Aufgabe des Staates.[23] Der Bundespräsident a.D. Roman Herzog erklärte auf einen Vortrag der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer den Begriff der staatlichen Gemeinwohlsorge als einen, welcher die äußeren Strukturen einer Gesellschaft, insbesondere das Ökonomische beinhaltet.[24] Josef Isensee sieht das Gemeinwohl als eine abstrakte Idee und einen materiellen Maßstab, für dessen Realisierung Verfahrens- und Kompetenzordnungen konkretisiert werden müssen. Legitimiertes demokratisches Handeln ist eine formale Grundvoraussetzung um dem Gemeinwohl zu entsprechen.[25] Eine ausführlichere Beschreibung versteht unter dem Begriff des Gemeinwohls einen bestimmten Nutzen bzw. das Wohlergehen für eine überwiegende Mehrheit von Menschen. Oft wird auch von der Steigerung des Gemeinwohls bzw. des Nutzens für eine bestimmte Gesellschaft gesprochen. Problematisch ist dabei, dass das genaue Ausmaß einer Nutzensteigerung oder Nutzenminderung meist nicht genau messbar ist. Vertreter des Pluralismus etwa lehnen es ab, dass Gemeinwohl a priori feststellbar sei. Gemeinwohl könne lediglich a posteriori durch einen politischen Prozess der Willensbildung und der Einbeziehung aller Interessen entstehen. Einer demokratischen und pluralistischen Gesellschaft wie unserer kommt dieser Erklärungsansatz nahe. Nach diesem Ansatz ist die Sorge um das Gemeinwohl ein politischer Prozess unter Berücksichtigung „aller“ Interessen. Zu denen gehören sowohl politische Parteien einerseits, als auch Nichtregierungsorganisationen (NGO´s), Verbände, Gewerkschaften und andere Lobbyismusgruppen andererseits. Die Kernkritik dieses interessenausgleichenden Pluralismus liegt in den Machtdifferenzen der Interessengruppen. Je größer und mächtiger die Interessengruppen sind, desto stärker ist ihr Einfluss auf die politische Willensbildung und desto höher die Gefahr politische Entscheidungen zugunsten ihrer eigenen Interessen und gegen das Gemeinwohl durchzusetzen. Dieses Problem des Lobbyismus findet sich verstärkt in demokratischen politischen Systemen wieder. Hier wird nicht selten versucht das Gemeinwohl als vermeidliche Intention voranzustellen, um dahinter wirtschaftliche und politische Wettbewerbsvorteile zu verfolgen.[26]

2.1.3 Direktdemokratische Elemente und verfassungsrechtliche Verankerung als Garanten des Gemeinwohls

Wie kann solch ein Verhalten nun verhindert werden? Es gänzlich zu unterbinden ist wahrscheinlich nicht möglich. Es kann aber durch die Schaffung verschiedener struktureller Ansätze eingedämmt werden. Ein Beispiel sind direktdemokratische Elemente. So können etwa Bürgerbegehren und Bürgerentscheide ein Gegengewicht zu politischen und wirtschaftlichen Machtkonzentrationen bilden. Das Grundgesetz sieht auf Bundesebene keinerlei Plebiszite vor. Wohl aber stellen vor allem seit den 1990er Jahren direktdemokratische Beteiligungsverfahren ein, zur repräsentativen Kommunaldemokratie, zusätzliches außerparlamentarisches und direktdemokratisches Instrument für die Bürger dar. Sowohl Repräsentation, als auch das Plebiszit beinhalten gleichermaßen das urdemokratische Recht auf Partizipation und Volkssouveränität. Diese Elemente, Partizipation und Volkssouveränität, bilden die Vorraussetzung für gemeinwohlorientiertes Handeln. Die Bedeutung der Demokratie liegt in der Selbstregierung der Bürger. Demnach kann der Einzelne sich an Wahlen und Sachentscheidungen beteiligen. Es ist unbestritten, dass Bürgerbegehren politische Entscheidungsverfahren transparenter machen. Soll ein politisches System effizient sein, muss es sich neben Verfahren auch auf Ergebnisse ausrichten. Ergebnisorientiertheit heißt hier, dass politische Entscheidungsträger durch Gespräche und Verhandlungen miteinander kooperieren und zu einem Kompromiss gelangen. D.h. das Ergebnis muss ein Kompromiss sein. Denn nur so sind alle Interessen berücksichtigt und die Entscheidung zum Wohl der Allgemeinheit getroffen. Die Gemeinwohlorientierung durch Interessenausgleich geht bei Koalitionszwängen und sich temporär ändernden politischen Mehrheiten in einem repräsentativen System automatisch hervor.[27]

Dagegen steht der vermeintlich moderne aber auch zweifelhafte und zu kurz greifende erkenntnistheoretische Ansatz von Hans Kelsen. Nach ihm ist der Begriff des Gemeinwohls eine Leerformel. Grund der Annahme sind zwei Möglichkeiten der Lösung von Interessenkonflikten. Entweder wird das Interesse des Einen auf Kosten des Anderen befriedigt oder es gibt einen Kompromiss, bei dem die Erwartungen keiner der jeweiligen Seiten voll erfüllt werden. Aufgrund dieser Möglichkeiten der Lösung von Interessenkonflikten können nach Kelsen niemals das Interesse und das Wohl der Allgemeinheit erfüllt sein.[28]

Einen Kompromiss sucht man bei einem Bürgerentscheid vergebens. Eine verfahrensstrukturelle harte Ja/ Nein Entscheidung lässt hier in der Abstimmung keinen Kompromiss zu. Bei diesem Verfahren geht es vor allem um die Überzeugung und Mobilisierung von Mehrheiten.[29] Diese Tatsache der reinen Ja/ Nein Entscheidung lässt Zweifel an einen gemeinwohlorientierten Interessenausgleich des direktdemokratischen Elements Bürgerentscheid aufkommen. Bis zu diesem Punkt ist Kelsen zuzustimmen. Diese Behauptung wird dadurch geschwächt, dass Bürgerentscheide die Möglichkeit bieten, unabhängig von Wahlterminen, ein politisches Agenda–Setting zu betreiben. Das bietet wiederum Anreiz für Interessenverhandlungen.[30] Außerdem lösen die meist hohen Quoren für die Einleitung eines Bürgerbegehrens einen gewissen Verhandlungszwang bei der Formulierung von Bürgerbegehren seitens der Initiatoren aus. Bürgerbegehren können die Meinungsbildung und die politische Partizipation verstärken.[31] Aus diesen Gründen sollte man die Legitimation von Bürgerentscheiden im Sinne des Allgemeinwohls nicht gänzlich in Frage stellen, sondern den Bürgerentscheid so wie es unter anderem Roth (1997, S.433) sieht, als ergänzendes und demokratiebelebendes Instrument anerkennen. Darüber hinaus können plebiszitäre demokratische Elemente zum Wohle der Allgemeinheit beitragen.

Des Weiteren soll die grundgesetzliche Verankerung des Gemeinwohlgedankens einzelinteressenbezogenen Entscheidungen entgegenwirken. Art. 14 Abs. 2 des Grundgesetztes, bringt Eigentum und Gemeinwohl zusammen. Darin heißt es: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“ Hierin findet sich die verfassungsrechtliche Verpflichtung für jeden, sein Eigentum allgemeindienlich zu verwenden. Das Betrifft neben dem einzelnen Bürger auch wirtschaftliche Unternehmen. Dazu gehören wiederum selbstverständlich auch Banken und Sparkassen. Während Privatbanken weitestgehend auf die Verpflichtung der soeben beschriebenen grundgesetzlichen Gemeinwohlorientierung beschränkt bleiben, wird hingegen den Sparkassen eine besondere Rolle bei der Gemeinwohlorientierung zugeschrieben.[32] Auf diesen Punkt wird im dritten Teil der Arbeit näher eingegangen. Gegen die Notwendigkeit der soeben beschriebenen grundgesetzlichen Verankerung der gemeinwohlorientierten Eigentumsverwendung steht die Theorie des individuellen Strebens nach Profit (Homo oeconomicus), bei der im Ergebnis Gemeinwohl geschaffen werden kann.

2.1.4 Homo oeconomicus und Gemeinwohl

Unter der Annahme, der Mensch treffe seine Entscheidungen im Sinne des Homo oeconomicus, nämlich rational, im eigenen Interesse, sowie wirtschaftlich und den eigenen Nutzen maximierend, erscheint der Staat auf den ersten Blick als Hüter des Gemeinwohls von wichtiger und unverzichtbarer Bedeutung. Die Kehrseite dieses Ansatzes ist die Theorie von Adam Smith. Demnach trägt der eigennützig Handelnde zum Wohle der Allgemeinheit bei. Smith sieht darin ein zuverlässiges und effizientes soziales Steuerungsinstrument und spricht dabei von der „unsichtbaren Hand“. Demnach garantiert das Prinzip des freien Marktes ohne jegliche staatliche Intervention automatisch die Schaffung von Gemeinwohl.[33] Vorraussetzung für diese Theorie ist Wettbewerb. Denn nur solange dieser ausreichend vorhanden ist, handeln Unternehmer im Hinblick auf unternehmerische Gewinne aus eigenem Interesse heraus kundenorientiert und damit im Sinne der Konsumenten. Die Gesamtheit dieser egoistischen und gleichzeitig konkurrierenden Unternehmerinteressen kann dann zum Gemeinwohl beitragen. In der Literatur wird der ökonomische Ansatz des gemeinwohlschaffenden homo oeconomicus oft auf die Politik übertragen. Das heißt im Grunde, dass es auch in der Politik Wettbewerb gibt, der eine gewisse Wählersouveränität mitsichbringt. Demnach ist das eigennützige Interesse der Politiker der Machterhalt. Um diesen zu sichern, muss die Politik im Interesse der Mehrheit der Wähler handeln.[34] Der politische Wettbewerb kann im Zusammenhang mit den Problemen des Demographischen Wandels, der sich durch geringe Geburtenraten bei gleichzeitig steigender Lebenserwartung auszeichnet und so den Anteil der älteren Menschen an der Gesamtbevölkerung in Deutschland ansteigen lässt, zunehmend zu Konflikten zwischen den Generationen führen.

2.1.5 Gemeinwohl und Generationenvertrag

Der Begriff des Gemeinwohls wirkt demnach auch generationenübergreifend. Dies wird besonders bei der Frage nach dem Sinn und der Höhe der Staatsverschuldung deutlich. Inwieweit sind heutige gemeinwohlorientierte staatliche und kommunale Investitionen auf der Basis von Krediten auch im Interesse zukünftiger Generationen? Hier müssen wir uns fragen, ob solche generationenübergreifenden staatlichen Kredite für künftige Generationen auch noch einen gemeinnützigen Zweck erfüllen, oder lediglich eine finanzielle Belastung darstellen. Zu rechtfertigen sind heutige Staatsschulden dann, wenn sie auch im Interesse zukünftiger Generationen sind.[35] Hieran schließt sich das Problem einer nicht eindeutigen Interessenbestimmung seitens der jetzigen Generation für die künftigen. Je höher die Schulden und desto länger die Kreditlaufzeiten, desto mehr verschiebt sich die finanzielle staatliche Belastung in die Zukunft. Dies hat eine immer ungenauer werdende Bestimmung der Interessen gegenwärtiger Schulden für spätere Generationen zur Folge. Schwierig ist eine Bestimmung zukünftiger allgemeiner Interessen allemal. Zwar können etwa die unmittelbar folgende Generation und vielleicht auch noch die Übernächste Generation ihre künftigen politischen Interessen artikulieren. Aber bei sich ständig und immer schneller wandelnden Bedingungen der gesellschaftlichen Umwelt lassen sich künftige Interessen zunehmend schwer abschätzen. Hinzu kommt eine Verhärtung des Generationenkonfliktes bei der politischen Meinungsbildung. So ist beispielsweise, bedingt durch den demografischen Wandel in unserer Demokratie, die heute jüngere Generation künftig in der Minderheit. Das lässt befürchten, dass Parteien künftig zunehmend gezwungen sind vorrangig die Interessen der älteren Generation im Wahlkampf zu vertreten. An dieser Stelle sind eine Abhängigkeit und ein Machtverlust der jüngeren Generation gegenüber der Älteren feststellbar. Hier sind die Politik und die Vernunft der älteren Generation gefordert auch im Sinne nachfolgender Generationen zu handeln.[36]

Bezieht man das geschilderte Problem des künftigen möglichen Generationenkonfliktes auf die Banken, so stehen diese mit in der Verantwortung für künftige Generationen. Denn sie vergeben staatliche Kredite. Kreditinstitute sind künftig durch ihr Letztentscheidungsrecht bei der Kreditvergabe zunehmend gefordert, ihre Zweifel an der Verantwortbarkeit heutiger Kredite für folgende Generationen zu äußern. Von den rein gewinnorientierten Privatbanken sind solche politischen Zweifelsäußerungen kaum zu erwarten. Umso mehr sind zunehmend die öffentlich-rechtlichen Sparkassen und Landesbanken gefordert das Gemeinwohl nachfolgender Generationen zu berücksichtigen. Eine Sicherheit für solch ein Handeln ist jedoch fraglich. Nehmen wir beispielsweise an, eine Kommune möchte für einen Investitionskredit aufnehmen, bei dem die Interessenerfüllung der folgenden Generation fraglich ist. Anzunehmen ist, dass bei einem Abraten des Kredites durch die kommunale Sparkasse die Kommune sich durch eine andere Bank finanziert. Vorstellbar ist auch, dass die Sparkasse trotz Bedenken den Kredit gewährt, um das Geschäft nicht der Konkurrenz zu überlassen.

[...]


[1] Kuhr, Wolfgang (1991): Die Kommunalen Sparkassen in der Bundesrepublik Deutschland und die Liberalisierung der europäischen Finanzdienste im Rahmen der Vollendung des europäischen Binnenmarktes im Jahre 1992, S. 29

[2] Sommerfeld, Olaf (2005): Wettbewerb kontra Daseinsvorsorge; die Strukturmerkmale der kommunalen Sparkassen in Deutschland im Lichte des EG-Wettbewerbsrechts, S. 19

[3] Kuhr, Wolfgang (1991), a.a.O., S. 30

[4] Sommerfeld, Olaf (2005), a.a.O., S. 20-21

[5] Kuhr, Wolfgang (1991), a.a.O., S. 32-33

[6] Obermann, Holger (2000) : Die kommunale Bindung der Sparkassen, verfassungsrechtliche Möglichkeiten und Grenzen ihrer Ausgestaltung, S. 10

[7] Sommerfeld, Olaf (2005): a.a.O., S. 21

[8] Schlierbach, Helmut (2003): Das Sparkassenrecht in der Bundesrepublik Deutschland, S. 3

[9] Vgl. dazu 3.2.4.1

[10] Obermann, Holger (2000), a.a.O., S. 12

[11] Kuhr, Wolfgang (1991), a.a.O., S. 35

[12] Ebd., S. 41-42

[13] Capital, 05.01.2006, S. 46

[14] Vgl. dazu 1.3

[15] DSGV, Stand 31.12.2005; siehe Anhang

[16] Kuhr, Wolfgang (1991): a.a.O., S. 98

[17] Geiger, Helmut (1992): Die deutsche Sparkassenorganisation; Taschenbücher für Geld Bank und Börse; Büschgen, Hans E./ Kopper, Hilmar (Hrsg.); Band 15; S. 34

[18] Vgl. dazu 3.2.4.1

[19] Sommerfeld, Olaf (2005): a.a.O., S. 17

[20] Geiger, Helmut (1992): a.a.O., S. 35

[21] Fisch, Stefan (2004): Renaissance des Gemeinwohls; in: Gemeinwohlgefährdung und Gemeinwohlsicherung; Hans Herbert von Arnim und Karl-Peter Sommermann (Hrsg.), S. 44

[22] Fisch, Rudolf (2004): Begrüßung und Eröffnung; in: Ebd., S. 9

[23] Meyer, Stephan (2004): Gemeinwohlauftrag und föderatives Zustimmungserfordernis, eine Antinomie der Verfassung?, dogmatische Untersuchung zum Scheitern eines Gesetzesbeschlusses im Bundesrat nach Artikel 78 des Grundgesetzes, S. 16-19

[24] Herzog, Roman (2004): Pluralistische Gesellschaft und staatliche Gemeinwohlsorge; in: a.a.O., S. 21

[25] Isensee, Josef (2004): Konkretisierung des Gemeinwohls in der freiheitlichen Demokratie; in: Ebd., S. 99

[26] http://de.wikipedia.org/wiki/Gemeinwohl, Stand 12.10.2006

[27] Holtmann, Everhard (1999): Das Volk als örtlich aktivierte Bürgerschaft. Zur Praxis kommunaler Sachplebiszite; in: Archiv für Kommunalwissenschaften; Hlbbd. 2; S. 191-193

[28] Isensee, Josef (2004): Konkretisierung des Gemeinwohls in der freiheitlichen Demokratie; in: a.a.O., S. 96

[29] Holtmann, Everhard (1999): Das Volk als örtlich aktivierte Bürgerschaft. Zur Praxis kommunaler Sachplebiszite; in: a.a.O., S. 191-193

[30] Bogumil, Jörg (2001): Modernisierung lokaler Politik, Kommunale Entscheidungsprozesse im Spannungsfeld zwischen Parteienwettbewerb, Verhandlungszwängen und Ökonomisierung; in: Staatslehre und politische Verwaltung; Benz, Arthur, Grande, Edgar, Prätorius, Rainer (Hrsg.), S. 209

[31] Ebd., S. 210

[32] Vgl. dazu 3.2.1.2

[33] www.bpb.de, 17.10.2006

[34] von Arnim, Hans Herbert (2004): Gemeinwohl im modernen Verfassungsstaat am Beispiel der Bundesrepublik Deutschland; in: a.a.O., S. 77

[35] Herzog, Roman (2004), a.a.O., S. 31

[36] Sinn, Hans-Werner (2003); in: Demographie und Wohlstand, Neuer Stellenwert für Familie in Wirtschaft und Politik; Leipert, Christian (Hrsg.), S. 64

Fin de l'extrait de 102 pages

Résumé des informations

Titre
Brauchen wir die Sparkassen?
Sous-titre
Interessen und Konfliktlinien einer Privatisierung öffentlich-rechtlicher Sparkassen in Deutschland und wesentliche Konsequenzen für Politik und Gesellschaft
Université
University of Potsdam  (Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät)
Note
1,3
Auteur
Année
2007
Pages
102
N° de catalogue
V80585
ISBN (ebook)
9783638841351
Taille d'un fichier
1269 KB
Langue
allemand
Mots clés
Brauchen, Sparkassen
Citation du texte
Mathias Schulz (Auteur), 2007, Brauchen wir die Sparkassen? , Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/80585

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