Vermutlich kennen alle Gesellschaften soziale Spannungen; zwischen Ethnien, zwischen Generationen, zwischen Eliten und rechtlich oder sozial benachteiligten Schichten. Soziale Spannungen führen dazu, daß Strukturen hinterfragt werden, Identitäts- und Gerechtigkeitskonzepte. Sie werden entweder gelöst, kompensiert oder münden in einen Umbau der Gesellschaft. Die Entwicklung der Demokratie im antiken Athen etwa ist in der althistorischen Forschung mit sozialen Krisen in Beziehung gesetzt worden. Im weiteren Sinne mit einem Antagonismus zwischen Elite und demos.
Athen war – mit Verlaub – lange ein ‚unbedeutendes Dorf‘ an der Peripherie der Geschichte seiner Zeit. Doch dann kam es zu einer kulturellen, politischen und intellektuellen Expansion, und für eine Weile verwirklichten seine Bürger innerhalb ihrer Grenzen einen bis dahin ungekannten Egalitarismus. – Inwieweit hing diese Entwicklung mit der sozialen Schichtung der Bevölkerung zusammen, mit Lebenslagen und Werten einzelner Bevölkerungsteile? Welche Gruppen waren Träger egalitärer Ideologien?
Die vorliegende Arbeit möchte diesen Fragen speziell für die Oberschicht nachgehen. Welche Rolle kam der athenischen Elite zu in dem Entwicklungsprozeß, an dessen Ende die Demokratie stehen sollte? Wer waren die Aristokraten eigentlich, wie hoben sie sich von anderen Schichten ab, was war ihr Platz im Sozialgefüge? Welche Handlungsmöglichkeiten boten sich ihnen, waren sie als Gruppe organisiert und traten sie für gemeinsame Interessen ein? Wie stand man zur Politik und wie war man in der Politik aufgestellt? Was war das originär Griechische, daß nicht auch hier wie sonst in der Antike sozial und ökonomisch überlegene Eliten ihren Führungsanspruch gegenüber ‚den Massen‘ behaupten konnten? Ist der gesellschaftliche Umbau im vorklassischen Athen, sind die politischen Reformen als gezielte Maßnahmen zur Schwächung der Aristokratie zu verstehen? Oder waren die Entstehung von Normen und Institutionen unvermeidliche Reflexe einer Evolution von Ideen, die egalitäres Gemeinschaftsbewußtsein in Opposition zu elitärer Exklusivität hervorbrachte?
Dies ist der Kontext des hier behandelten Themas. Dabei soll besonderes Augenmerk auf die Ideengeschichte gelegt werden. Reine Untersuchungen zur Entstehung demokratischer Institutionen scheinen heute nicht mehr ausreichend; zunehmend werden nicht-institutionelle Aspekte wie politische Gruppen, öffentliche Meinung und soziale Struktur in den Blick genommen.
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung
- II. Griechenlands Elite - terminologische und typologische Vorbemerkungen
- III. Aristokratische Lebenswelten
- IV. Koordinaten der archaischen Sozialstruktur
- V. Politische Handlungsräume
- VI. Ideologische Positionsbestimmung – zwischen Polarisierung und Ausgleich
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Rolle der athenischen Elite im Entwicklungsprozess, der zur Demokratie führte. Sie untersucht die Lebenswelten, Handlungsmöglichkeiten und ideologische Positionierung der Aristokraten in der archaischen und vorklassischen Zeit (8. bis Ende des 6. Jh. v. Chr.) und beleuchtet dabei insbesondere die Entstehung des egalitären Bürgerbewußtseins, das die Demokratie ermöglichte.
- Die Beschaffenheit der Elite im archaischen Griechenland und ihre Abgrenzung von anderen Schichten.
- Die Lebenswelten und Handlungsräume der Aristokraten.
- Die ideologische Positionierung der Elite zwischen Polarisierung und Ausgleich.
- Die Rolle der Elite im Wandel von der „Adelsgesellschaft“ zur Demokratie.
- Die Entstehung von Normen und Institutionen im Kontext des egalitären Gemeinschaftsbewußtseins.
Zusammenfassung der Kapitel
- Kapitel I. Einleitung: Die Einleitung führt das Thema der Arbeit ein, indem sie auf soziale Spannungen in verschiedenen Gesellschaften hinweist und die Verbindung zwischen sozialen Krisen und der Entstehung von Demokratie im antiken Athen beleuchtet.
- Kapitel II. Griechenlands Elite – terminologische und typologische Vorbemerkungen: Dieses Kapitel befasst sich mit der Terminologie und Typologie der führenden Schicht im antiken Griechenland und diskutiert, warum die Bezeichnung „Adel“ im Hinblick auf die griechische Elite problematisch ist.
- Kapitel III. Aristokratische Lebenswelten: Das Kapitel untersucht die Lebenswelten der athenischen Aristokraten und beleuchtet die spezifischen Lebensbedingungen und sozialen Normen, die sie von anderen Schichten unterschieden.
- Kapitel IV. Koordinaten der archaischen Sozialstruktur: Dieses Kapitel analysiert die soziale Struktur der archaischen Zeit und beleuchtet die Positionierung der Aristokraten innerhalb dieses Gefüges.
- Kapitel V. Politische Handlungsräume: Das Kapitel geht auf die Handlungsmöglichkeiten der Elite im politischen System des archaischen Griechenlands ein. Es beleuchtet die Organisation, Interessen und politischen Strategien der Aristokraten.
- Kapitel VI. Ideologische Positionsbestimmung – zwischen Polarisierung und Ausgleich: Dieser Abschnitt analysiert die ideologische Positionierung der Aristokraten im Spannungsfeld zwischen elitärer Exklusivität und dem aufkeimenden egalitären Gemeinschaftsbewußtsein.
Schlüsselwörter
Athen, archaische Zeit, Elite, Aristokratie, Demokratie, soziale Struktur, politische Kultur, Ideologie, Bürgerbewußtsein, egalitäres Gemeinschaftsbewußtsein, soziale Spannungen, politische Handlungsräume, Kleisthenes, Solon.
- Quote paper
- Mathias Pfeiffer (Author), 2007, Überlegungen zum Verhältnis von Eliten und gesellschaftlichem Wandel im vorkleisthenischen Athen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/80711