Bedeutete das Ende des Bretton Woods Systems einen Machtverlust für die USA?


Dossier / Travail, 2006

20 Pages, Note: 1,3


Extrait


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Hauptteil
II. 1. Was bedeutet Macht in den Internationalen Beziehungen?
II. 2. Entstehung und Charakteristika des Bretton Woods Systems
II. 3. Das Ende des Bretton Woods Systems
II. 4. Der Beginn der Ära freier Wechselkurse

III. Fazit

Literaturverzeichnis

I. Einleitung

Das Ende des Bretton Woods Systems war eines der bedeutendsten Ereignisse in der Internationalen Politischen Ökonomie des 20. Jahrhundert, laut Helleiner.[1] In dieser Arbeit wird die Frage untersucht, ob dies – wie von einigen Autoren postuliert wurde[2] – einen Niedergang US-amerikanischer Hegemonie, bzw. einen Machtverlust der Vereinigten Staaten, bedeutete. Ferner werden die Konsequenzen auf-gezeigt, die der Übergang von festen zu flexiblen Wechselkursen auf die Vereinigten Staaten von Amerika und ihre Verbündeten in Europa und Asien gehabt hat. Auch wird die Frage geklärt, ob wirklich von einem Ende des Bretton Woods Systems gesprochen werden kann, da die Organisationen, die zur Überwachung und Lenkung des Systems gegründet worden waren, wie z.B. der Internationale Währungsfonds, formal bis in die Gegenwart fortbestehen.

Macht ist äußerst vielschichtig und es gibt keine einheitliche Definition darüber, wie sich Macht im System der internationalen Beziehungen manifestiert und aus welchen Quellen sie sich speist. Um die Leitfrage dieser Arbeit – ob das Ende des Bretton Woods System einen Machtverlust für die USA bedeutete – beantworten zu können, beginnt der Hauptteil daher mit einem Kapitel über verschiedene Definitionen und Theorien von Macht. Die vorliegende Arbeit konzentriert sich auf politische und ökonomische Aspekte von Macht, und vor allem auf die starken Wechselwirkungen zwischen diesen beiden Möglichkeiten, Macht auszuüben. Auch wenn militärische Macht ohne Zweifel von großer Wichtigkeit in den internationalen Beziehungen ist, wird sie im Rahmen dieser Arbeit aus Platzgründen nicht in die Untersuchung mit einbezogen.

Nach dem einleitenden Kapitel über Macht folgt ein historischer Abschnitt über die Entstehung des Bretton Woods System in den 1940er Jahren und seine Charakteristika, wie z.B. die Aufrechterhal-tung fester Wechselkurse. Dieses Kapitel schafft die Grundlagen, um nachfolgend die verschiedenen Entwicklungen der 1960er und 1970er Jahre untersuchen zu können, die dazu führten, daß die USA im Jahr 1973 den US Dollar frei an den Devisenmärkten schwanken ließen und somit die Ära freier Wech-selkurse einläuteten. Dieser von Washinton vollzogene Übergang zu einem "non-system"[3] und seine Konsequenzen für die Machtposition der USA wird im vierten und letzten Kapitel untersucht. Die USA bilden in allen Kapiteln den Bezugspunkt. Um die dieser Arbeit vorangestellte Frage sinnvoll und plau-sibel beantworten zu können wird bei jeder Entwicklung untersucht, wie sich die Vereinigten Staaten verhalten haben und vor allem, welche Interessen sie in der jeweiligen Situation verfolgt haben.

Die wissenschaftliche und politische Relevanz der Arbeit – und ihr Fokus auf die internationalen Währungs- und Finanzbeziehungen – ist darin begründet, daß die Hegemonie von Staaten in den inter-nationalen Beziehungen seit dem 17. Jahrhundert zu einem Großteil auf ihrer "financial power" beruhte.[4]

II. Hauptteil

II. 1. Was bedeutet Macht in den Internationalen Beziehungen?

Bevor man die Frage untersuchen kann, ob das Ende des Bretton Woods Systems zu einem Machtver-lust für die Vereinigten Staaten geführt hat, muß man eingrenzen, was der Begriff Macht im Kontext des Systems der Internationalen Beziehungen bedeutet.

Eine der grundlegendsten Definitionen des Machtbegriffs stammt von Weber. Er schreibt, Macht sei " (...) jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel, worauf diese Chance beruht."[5] Diese Definition ist zwar noch nicht auf das Feld der zwischenstaatlichen Beziehungen fokussiert, sie verdeutlicht jedoch schon einen wichtigen Aspekt, nämlich den relationalen Charakter von Macht. Um davon sprechen zu können, daß ein Akteur Macht besitzt, muß es (mindestens) einen weiteren Akteur geben, der mit dem ersten in Beziehung steht. Relationale Macht ist also die Fähigkeit von Akteur A, Akteur B dazu zu bewegen, etwas zu tun, was er sonst nicht tun würde.[6]

Im klassischen Realismus (und auch in neueren Varianten dieser Theorie-Schule) ist Macht der zentrale Begriff der internationalen Politik. Der Begriff hat zwei Facetten. Macht ist einerseits das Ziel; alle Staaten streben danach, ihre Macht auszubauen und ihre nationalen Interessen durchzusetzen. Ande-rerseits mißt Macht auch Fähigkeiten von Staaten; sie ist hierbei von materieller Natur und basiert auf verschiedenen Resourcen (oder Machtmitteln), die dem Staat zur Verfügung stehen. Im Realismus ist das mit Abstand wichtigste Machtmittel für einen Staat das Militär, gefolgt von der Bevölkerungszahl, dem Territorium, der Wirtschaftskraft und den verfügbaren Rohstoffen.[7]

Während die Machtmittel von der Warte des Realismus' aus betrachtet dazu dienen, seinen eigenen Willen (die nationalen Interessen) anderen Staaten aufzuzwingen, so nimmt Nye mit dem Begriff der "soft power" einen ganz anderen Blickwinkel ein. Soft power bezeichnet nach Nye die Fähigkeit eines Staates, einen anderen Akteur durch bestimmte (nicht-militärische) Mittel dahingehend zu beeinflussen, daß dieser identische (oder doch zumindest kompatible) Ziele und Bestrebungen entwickelt.[8]

Strange schließlich führte den Begriff der strukturellen Macht in die Disziplin der Internationa-len Beziehungen ein: "Structural power, in short, confers the power to decide how things shall be done, the power to shape frameworks within which states relate to each other, relate to people, or relate to corporate enterprises."[9] Strange unterscheidet vier Quellen von struktureller Macht: Kontrolle über Sicherheit, Kontrolle über die Art und Weise wie produziert wird, Kontrolle über das Finanzsystem bzw. über den Zugang zu Kredit, und schließlich Kontrolle über Wissen und den Zugang dazu.[10] Allen vier Arten von struktureller Macht ist gemein, daß derjenige, der über sie verfügt den Handlungsspielraum anderer Akteuren verändern kann, ohne direkt Druck auf sie ausüben zu müssen. Der Kontrolle über das Finanzsystem misst Strange allerdings besondere Bedeutung zu: " (...) finance – the control over credit – is the facet which has perhaps risen in importance in the last quarter century more rapidly than any other and has come to be of decisive importance in international economic relations."[11]

II. 2. Entstehung und Charakteristika des Bretton Woods Systems

Ein internationales Wirtschafts- und Finanzsystem gab es nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs praktisch nicht mehr. Die Volkswirtschaften weiter Teile Asiens und Europas lagen am Boden, die internationalen Handels- und Finanzströme waren zusammengebrochen. Einzig die Vereinigten Staaten von Amerika waren fast unversehrt geblieben und überragten nun den Rest der Welt an militärischer und wirtschaftlicher Stärke – direkt nach dem Krieg betrug der Anteil der USA an der globalen Wirtschafts-leistung fast 50 Prozent.[12] Die relationale aber auch die strukturelle Macht der Vereinigten Staaten war in dieser historisch einmaligen Situation äußerst groß. Washington nutzte dies, um die internationalen wirtschaftlichen und politischen Strukturen der Nachkriegszeit nach seinen Vorstellungen und Präfe-renzen zu gestalten.

Noch während des Krieges fand im Jahre 1944 in Bretton Woods (New Hampshire, USA) eine große Konferenz über das zukünftige Weltwährungs- und Weltfinanzsystem statt. Obwohl am Ende 44 Staaten das "Bretton Woods System" beschlossen, befanden sich nur zwei konkurrierende Vorschläge auf der Agenda. Der eine kam von dem Vertreter Großbritanniens, John Meynard Keynes, und der andere stammte von dem Delegierten der USA, Harry Dexter White. Keynes' Vorschlag sah die Grün-dung einer International Clearing Union (ICU) vor, über die die wechselseitigen Zahlungsflüsse zwischen den verschiedenen Währungen ausgeglichen werden sollten. Zu diesem Zweck schlug er die Schaffung einer internationalen Buch-Währung mit dem Namen Bancor vor, in der die Konten der jeweiligen Länder bei der ICU geführt werden sollten. Dieser sehr ambitionierte Plan wurde von den USA abgelehnt, die White's Plan propagierten.[13] Im Mittelpunkt des White-Plans stand der US Dollar. Alle Währungen der beteiligten Staaten waren in einem bestimmten festen Wechselkurs an den US Dollar gebunden (sie konnten nur um ein Prozent um diesen Wert schwanken). Der Dollar war wieder-um an Gold gebunden – in einem Verhältnis von 35 US Dollar je Unze – und es bestand eine Ver-pflichtung der US-Zentralbank, Dollar in Gold einzulösen. Dadurch, daß der US Dollar im Zentrum dieser Finanzarchitektur stand, und daher von allen beteiligten Zentralbanken gehalten werden mußte, wurde er zur Weltleitwährung, an der sich alle beteiligten Staaten orientierten.

[...]


[1] Vgl. Helleiner, Eric: States and the Reemergence of Global Finance: From Bretton Woods to the 1990s, Ithaca 1994, S.1.

[2] Vgl. Keohane, Robert: After Hegemony: Cooperation and Discord in the World Political Economy, Princeton 1984, S.8.

[3] Gilpin, Robert: Global Political Economy: Understanding the International Economic Order, Princeton 2001, S.239.

[4] Cerny, Philip: American Decline and the Emergence of Embedded Financial Othodoxy, in: Cerny, Philip (ed.): Finance and World Politics: Markets, Regimes and States in the Post-hegemonic Era, Aldershot 1993, S. 167.

[5] Weber, Max: Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriß der Verstehenden Soziologie, Tübingen 1980.

[6] Vgl. Strange, Susan: States and Markets, London 1994, S.24.

[7] Vgl. z.B. Morgenthau, Hans: Macht und Frieden. Grundlegung einer Theorie der Internationalen Politik, Gütersloh 1963 und Mearsheimer, John: The Tragedy of Great Power Politics, New York 2001.

[8] Vgl. Nye, Joseph: The Paradox of American Power. Why the World's Only Superpower Can't Go It Alone, New York 2002, S. 1.

[9] Strange: States and Markets, S. 25.

[10] Vgl. Ibidem, S. 30f.

[11] Ibidem, S. 30.

[12] Julius, Deanne: US Economic Power: Waxing or Waning?, in: Harvard International Review Vol. 26 (4) – Winter 2005, http://hir.harvard.edu/articles/1287/1/ abgerufen am 15.9.2006.

[13] Vgl. Helleiner, Eric: When Finance was the Servant: International Capital Movements in the Bretton Woods Order, in: Cerny, Philip (ed.): Finance and World Politics: Markets, Regimes and States in the Post-hegemonic Era, Aldershot 1993.

Fin de l'extrait de 20 pages

Résumé des informations

Titre
Bedeutete das Ende des Bretton Woods Systems einen Machtverlust für die USA?
Université
Humboldt-University of Berlin  (Institut für Sozialwissenschaften)
Note
1,3
Auteur
Année
2006
Pages
20
N° de catalogue
V81035
ISBN (ebook)
9783638875691
ISBN (Livre)
9783638875752
Taille d'un fichier
520 KB
Langue
allemand
Mots clés
Bedeutete, Ende, Bretton, Woods, Systems, Machtverlust
Citation du texte
MA Internationale Beziehungen Jan Fichtner (Auteur), 2006, Bedeutete das Ende des Bretton Woods Systems einen Machtverlust für die USA?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/81035

Commentaires

  • Pas encore de commentaires.
Lire l'ebook
Titre: Bedeutete das Ende des Bretton Woods Systems einen Machtverlust für die USA?



Télécharger textes

Votre devoir / mémoire:

- Publication en tant qu'eBook et livre
- Honoraires élevés sur les ventes
- Pour vous complètement gratuit - avec ISBN
- Cela dure que 5 minutes
- Chaque œuvre trouve des lecteurs

Devenir un auteur