Die Rolle der Vereinten Nationen als "Friedensstifter" in einem anarchischen System internationaler Beziehungen


Dossier / Travail, 2006

21 Pages, Note: 1,3


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Die Vereinten Nationen - Vorgeschichte und Entstehung
2.1 Die Gründung der UNO
2.2 Ziele und Grundsätze der UNO

3 Das Prinzip der kollektiven Sicherheit
3.1 Der Sicherheitsrat als ausführendes Organ zur Friedensschaffung
3.2 Mängel des Prinzips der kollektiven Sicherheit

4 Mittel der UNO jenseits des Prinzips kollektiver Sicherheit
4.1 „Peacekeeping“ als Weiterentwicklung konsensualer Sicherheit
4.2 Vier Generationen des „Peacekeepings“

5 Reformanspruch und -vorschläge

6 Schlussbemerkungen

7 Quellenverzeichnis
7.1 Literaturverzeichnis
7.2 Internetquellen

1 Einleitung

Das internationale System ist dadurch gekennzeichnet, dass kein allgemein anerkanntes, politisch legitimiertes Machtzentrum existiert. Einige theoretische Strömungen der Internationalen Beziehungen, wie vor allem der Realismus und Neorealismus, bezeichnen diesen Zustand, angelehnt an Thomas Hobbes Staatsphilosophie, als Anarchie.[1] Hobbes wohl bekanntestes 1651 erschienenes Werk „Leviathan“ besagt, dass vor der Gründung von Staaten ein „Naturzustand“ (Anarchie) herrschte. In diesem Naturzustand ist jedes Individuum frei alles zu tun, was seiner Selbsterhaltung dient. Er ist folglich als Kriegszustand „Aller gegen Alle“ zu verstehen und endet im Chaos. Die einzigste Möglichkeit den Krieg zu verhindern, ist die individuelle Abgabe des Rechts auf Selbsterhaltung an einen „Dritten“, unter der Voraussetzung, dass der Nächste das auch tut. So wird aufgrund wechselseitiger Verträge der Leviathan bzw. ein künstlicher Staat erschaffen.[2] Überträgt man Hobbes „Naturzustand“ auf das internationale System, zeigen sich einige Prallelen. Die Akteure sind nun nicht mehr die einzelnen Individuen, sondern souveräne Staaten. Zwar herrscht kein Krieg aller gegen alle, aber Konflikte, sowohl zwischenstaatlich als auch innerstaatlich, sind gegenwärtig keineswegs selten. Nach dem Konfliktbarometer des Heidelberger Instituts für Internationale Konfliktforschung, wobei latente Konflikte ebenso beachtet wurden wie zwischenstaatliche Kriege, zählte man im Jahr 2005 249 Konflikte auf der Welt.[3] Doch kann deshalb von „Chaos“ gesprochen werden?

Das internationale Sicherheitssystem ist hauptsächlich durch gegenseitige Abschreckung bestimmt, wie es im Kalten Krieg deutlich wurde, aber dass die Situation nicht weiter eskaliert, ist sicher, neben (wirtschaftlichen) Abhängigkeiten von Staaten und transnationalen Akteuren (z.B. Intergovernmental Organisations, Transnational companies), internationalen Organisationen zu verdanken, die durch einen völkerrechtlichen Vertrag entstanden sind. Allerdings besitzen sie zu wenig Souveränität, um sie als Leviathan des internationalen Systems betrachten zu können und wohl auch nicht die Absicht, zu einer Weltregierung zu werden. Die bekannteste internationale Organisation sind die Vereinten Nationen[4], die mit 191 Mitgliedsstaaten nahezu die ganze Welt „vereint“. Aber angesichts der Gegenüberstellung gegenwärtiger Krisen und des primären Ziels der UNO, internationalen Frieden zu wahren, stellt sich die Frage, ob die UNO im Politikfeld Internationale Sicherheit versagt hat oder inwieweit es überhaupt möglich ist, dass ein solcher Zusammenschluss den Weltfrieden sichern kann? Demnach behandelt die folgende Arbeit das Problem, wie die Vereinten Nationen als Staatenverbund souveräner Staaten handeln kann, ein friedliches Zusammenleben dieser Staaten zu sichern und somit Ordnung in internationalen Beziehungen zu schaffen.

Um diese Problemstellung zu analysieren, gehe ich nach einem kurzen geschichtlichen Abriss der Vorgeschichte und Entstehung der UNO, auf Ziele und Grundsätze (Charta) sowie deren Widersprüchlichkeit ein. Weiterhin wird das Systems kollektiver Sicherheit und der Sicherheitsrat als ausführendes Organ zur Friedensschaffung beschrieben. Daraufhin möchte ich, um die Nichtumsetzung des Systems kollektiver Sicherheit zu erläutern, diverse Mängel des Systems aufzeigen. Ferner werden in der Arbeit Mittel der UNO jenseits des Prinzips kollektiver Sicherheit und speziell das friedenserhaltende Instrument des „peacekeepings“ dargestellt. Schlussfolgernd sollen der Reformanspruch und Reformvorschläge thematisiert werden.

2 Die Vereinten Nationen - Vorgeschichte und Entstehung

Der Gedanke, eine Organisation oder ein Akteur könne den Weltfrieden sichern, entstand keineswegs erst mit der Gründung der Vereinten Nationen. Schon im Mittelalter gab es Vorschläge mit „einem universellen Reich unter der geistlichen Herrschaft des Papstes bzw. der weltlichen des Kaisers“[5] Frieden zu schaffen. Allerdings änderten sich diese Ansichten mit dem Aufkommen des modernen Staatensystems zu Beginn der Neuzeit dahingehend, dass die souveräne Gleichheit aller Staaten beachtet werden musste. Die Idee einer hierarchischen und zentralisierten Herrschaft wurde somit weitgehend verworfen, wie auch die UNO nicht mit einer Weltregierung verglichen werden kann.[6] Wichtige Friedenspläne verfassten beispielsweise William Penn (1644-1718), Jean-Jacques Rousseau (1712-1778), Gottlieb Fichte (1762-1814) oder Immanuel Kant (1724-1804), mit seiner Schrift „Zum ewigen Frieden“.[7] Nach Kant kann nur ein Friedensbund, der keine direkte Macht besitzt aber dem sich alle Staaten im Zeitverlauf anschließen, dauerhaften Frieden bewirken. Er weist darauf hin, dass Frieden kein natürlicher Zustand ist und gestiftet werden muss. Die Freiheit und Gleichheit der Staaten spielt dabei eine entscheidende Rolle. So heißt es: „Es soll kein für sich bestehender Staat (klein oder groß, das gilt hier gleichviel) von einem andern Staate [...] erworben werden können".[8]

Kant setzte damit entscheidende Impulse für die Entstehung eines Staatenverbundes, doch der wichtigste Plan für den ersten Versuch der Schaffung einer permanenten Weltfriedensorganisation stammt von Sir Walter Phillimore und wurde im März 1918 veröffentlicht.[9] Dieser Friedensplan wurde von dem damaligen amerikanischem Präsidenten Woodrow Wilson aufgegriffen und weiterentwickelt, der mit seinem berühmten „14-Punkte-Programm“ die Weichen für die Entstehung des Völkerbundes stellte. Auf der Pariser Friedenskonferenz 1919, nach Ende des ersten Weltkrieges, erreichte Wilson, dass der Völkerbund Bestandteil der zu schließenden Friedensverträge wurde. Am 10. Januar 1920 wurde der Völkerbund mit dem Inkrafttreten des Vertrages von Versailles schließlich Wirklichkeit.[10] Die Vereinigten Staaten traten allerdings nie bei.

Der Völkerbund stellte „eine völkerrechtliche Staatenverbindung auf der Grundlage der Gleichheit ihrer Mitglieder dar“, mit den wichtigsten Zielen der „Förderung der Zusammenarbeit unter den Nationen und der Gewährleistung des internationalen Friedens und der internationalen Sicherheit“.[11] Der langfristige Frieden sollte zunächst durch generelle Abrüstung und der Verpflichtung der Mitglieder zur friedlichen Beilegung von Streitigkeiten gesichert werden. So fand mit dem Völkerbund auch erstmals das „Prinzip der kollektiven Sicherheit“ Eingang in die internationale Politik, was für die später entstandenen Vereinten Nationen (in erweiteter Form) eine nicht minder große Rolle spielen sollte. Dieses Prinzip ist einen Art Abschreckungsmodell zur Verhinderung von Kriegen und besagt, dass sich die Mitglieder zu Allianzen vereinen, wenn ein Staat gegen die Friedensordnung verstößt.[12] Im Zweite Weltkrieg stieß der Völkerbund jedoch, der in seinen Grundideen der UNO ähnelt, an seine Grenzen und wurde 1946 aufgelöst. Für das Scheitern des Völkerbundes sind mehrere Gründe zu nennen[13]: In den Handlungsmaßgaben war kein absolutes Kriegsverbot verankert, sodass „Gewaltaktionen unterhalb des Krieges“, wie Blockaden oder Interventionen nicht sanktioniert wurden. Weiterhin wurden Sanktionsmaßnahmen, die im freien Ermessen der Mitglieder lagen, nur im „Fall des Krieges“ und auch dann untere bestimmten Vorraussetzungen angewandt. Interne Angelegenheiten von Staaten, wie „friedensbedrohende Bürgerkriege“, wurden vom Sanktionssystem komplett ausgenommen. Neben diesem recht unvollkommenen Sicherheitssystem, wurden im Völkerbund nie alle Großmächte gleichzeitig vereint. Fehler, welche die Vereinten Nationen von vornherein nicht wiederholen wollten. Inwieweit das gelang und welchen anderen Problemen die UNO ausgesetzt war und ist, soll in den nächsten Abschnitten verdeutlicht werden.

2.1 Die Gründung der UNO

Wie auch der Völkerbund, geht die Gründung der Vereinten Nationen auf die Initiative eines US-amerikanischen Präsidenten zurück. Noch während des zweiten Weltkrieges stellte Franklin D. Roosevelt Überlegungen zu einer Nachkriegsordnung an. Er propagierte für eine Art „Weltpolizei“, die sich aus den USA und dem Vereinigtem Königreich zusammensetzen und auf der Grundlage des Völkerrechts die internationale Wirtschaft und eine Abrüstung sowie eine Rüstungsbegrenzung regeln sollte. In der 1941 verfassten Erklärung zur verbindlichen Fixierung der Nachkriegsziele, der Atlantik-Charta, verkündeten Roosevelt und der britische Premier Winston Churchill, Roosevelts Idee der Abrüstung der „schuldigen Nationen“ bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung einer starken britisch-amerikanischen Streitmacht. Zudem beinhaltete die Atlantik-Charta unter anderem Regelungen zum Selbstbestimmungsrecht der Völker, zur Freiheit der Menschen innerhalb gesicherter Grenzen, zur Verbesserung der sozialen Bedingungen aller Nationen und zur Zerstörung der Nazi-Tyrannei.[14] Bald zeigte sich, dass ein Sieg über die Mittelmächte so nicht zu verwirklichen war und die Idee hinsichtlich ihrer Mitgliederanzahl erweitert werden musste. Demzufolge schlossen sich dem aus der „Erklärung der Vereinten Nationen“ hervorgegangenem Bündnis, die am 01. Januar 1941 von den Alliierten unterzeichnet wurde, 21 mittlere und kleinere Staaten an. Später folgten der Beitritt der UdSSR und Chinas. Dementsprechend wurde das generelle Problem des Völkerbundes, dass in ihm nie alle Großmächte gleichzeitig angehörten, schon von vornherein umgangen. Dieses Kriegsbündnis verpflichtete sich zur Fortsetzung des Krieges gegen das Deutsche Reich, Italien und Japan bis zum vollständigen Sieg. Die einflussreichste Position in der Vorbereitung der UN-Charta war die der USA. So einigten sich die „Großen Drei“[15] auf der Konferenz in Teheran im November 1943 auf das von Roosevelt vorgeschlagene Ordnungsmodell, nach dem die Großmächte mit einer gemeinsamen weltweiten Zuständigkeit die Verantwortung für den Weltfrieden übernehmen sollen. Auch bei der Expertenkonferenz in Dumbarton Oaks im Oktober 1944 bildete ein Konzeptvorschlag des US-Außenministeriums die Grundlage für den dort entwickelten Charta-Entwurf der Großmächte. Dieser Entwurf wurde in noch einigen Streitfragen bei der Konferenz in Jalta und der Gründungskonferenz in San Francisco angepasst. Schließlich wurde die Charta der Vereinten Nationen noch vor Kriegsende, am 24. Oktober 1945, von 51 Konferenzteilnehmern bzw. Mitgliedsstaaten unterzeichnet.[16] Die Grundlage der UNO als Akteur im internationalen System, sollte das kollektive Handeln der souveränen Mitgliedsstaaten bilden.

[...]


[1] Vgl. Lemke (2000, S. 17).

[2] Vgl. Chwaszcza (2004, S. 210-224).

[3] Vgl. http://www.hiik.de/de/barometer2005/KonfliktBarometer2005.pdf.

[4] Im Folgendem mit VN bzw. UNO abgekürzt.

[5] Blätte (2002, S. 13).

[6] Vgl. ebd.

[7] Vgl. Unser (1997, S. 3f).

[8] Http://philosophiebuch.de/ewfried.htm. Kant (1795): Zum ewigen Frieden.

[9] Vgl. Unser (1997, S. 7).

[10] Vgl. Weber (1991a, S. 1017).

[11] Unser (1997, S. 9).

[12] Vgl. Blätte (2002, S. 17).

[13] Vgl. Weber (1991a, S. 1019).

[14] Vgl. Weber (1991b, S. 111).

[15] Bezeichnung für die 3 Präsidenten der siegreichen Großmächte (USA, UdSSR, GB) im 2. Weltkrieg.

[16] Vgl. Blätte (2002, S. 21f).

Fin de l'extrait de 21 pages

Résumé des informations

Titre
Die Rolle der Vereinten Nationen als "Friedensstifter" in einem anarchischen System internationaler Beziehungen
Université
University of Erfurt  (Staatswissenschaftliche Fakultät)
Cours
"Ordnung" in den internationalen Beziehungen
Note
1,3
Auteur
Année
2006
Pages
21
N° de catalogue
V81344
ISBN (ebook)
9783638851626
ISBN (Livre)
9783638851787
Taille d'un fichier
483 KB
Langue
allemand
Annotations
26 Einträge im Literaturverzeichnis, davon 9 Online-Quellen
Mots clés
Rolle, Vereinten, Nationen, Friedensstifter, System, Beziehungen, Ordnung, Beziehungen, United Natio0ns, UN, Vereinte Nationen, Anarchie, Krieg, Frieden
Citation du texte
Thomas Braun (Auteur), 2006, Die Rolle der Vereinten Nationen als "Friedensstifter" in einem anarchischen System internationaler Beziehungen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/81344

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