Die phantastische Erzählung Krabat

Möglichkeiten eines handlungs- und produktionsorientierten Umgangs mit O. Preußlers Werk


Examination Thesis, 2005

65 Pages, Grade: 1,0


Excerpt


Inhalt

1.Einleitung
1.1 Warum Krabat
1.2 Ottfried Preussler- der Geschichtenerzähler
1.3 Die Krabat Sage

2. Didaktische Rezension
2.1 Krabat – Inhaltsangabe
2.1.2 Das zweite Jahr
2.1.3 Das dritte Jahr
2.2 Die Darstellung der Charaktere
2.2.1 Krabat
2.2.2 Der Meister
2.2.3 Lyschko der Spitzel
2.2.4 Tonda der Altgesell
2.2.5 Der dumme Juro
2.2.6 Die Kantorka
2.3 Beziehungen der Haupt-Protagonisten untereinander und die daraus resultierenden Veränderungen im Handlungsverlauf
2.3.1 Die Bedeutung von Juros Dummheit in Bezug auf Krabat, sein eigenes Leben und den Kampf gegen den Meister
2.3.2 Die Position des Meisters im Bann des Bösen
2.3.3 Die Rolle der Kantorka in Krabats Leben unter dem Aspekt von Liebe und Vertrauen
2.4 Die symbolische Bedeutung der Mühle in Bezug auf Darstellung und Geschehen
2.4.1 Die Welt im „Kleinen“
2.4.2 Der Traum
2.4.3 Die geheime Bruderschaft
2.4.4 Der Herr Gevatter und der Tod
2.5 Krabat- ein phantastisches, sagenhaftes Märchen?
2.6 Magische Elemente
2.7 Sprache und Stil
2.8 Textabsicht

3. Handlungs- und produktionsorientierter Unterricht
3.1 Begriffsdefinition
3.2 Was will Handlungs- und Produktionsorientierter Unterricht erreichen?
3.3 Wie funktioniert „Interpretation“?
3.4 Der Zusammenhang von Handeln und Denken
3.5 Sinn und Zweck eines Handlungs- und produktionsorientierten Unterrichts

4. Praktischer Umgang mit dem Krabat
4.1 Arbeitsrahmen
4.2 Einstieg
4.3 Fünf Beispiele zum praktischen Arbeiten mit dem Krabat
4.3.1 Vergleichender Steckbrief – visualisiert
4.3.2 Lesetagebuch
4.3.3 Lesenacht
4.3.4 Szenisches Spiel
4.3.5 Hörspiel

5. Schluss

6. Bibliographie

1.Einleitung

1.1 Warum Krabat?

Auf einem Tisch liegen Stapel von Kopien, Zeitschriften und Bücher –alles durcheinander. Ein wenig neugierig beginne ich mir einzelne Schriftstücke näher anzuschauen. Da fällt mir der Krabat in die Hände –der Titel kommt mir bekannt vor, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich es jemals schon gelesen habe. In meinem Kopf entstehen langsam Bilder. Sie sind sehr undeutlich und verschwommen, aber ganz entfernt schleicht sich ein Gefühl der Vertrautheit ein. Die Bilder werden immer klarer, allerdings sind sie nicht konkret, sondern ich könnte sie eher als Gespür oder Gefühl beschreiben. Jedenfalls reicht diese Erinnerung mir, das Buch zu lesen, denn meine Neugier ist groß. Je mehr Seiten ich verschlinge, desto klarer werden auch meine Erinnerungen. Letztendlich war dieses „erste“ Lesen die Entdeckung etwas Unbekannten, das sich jedoch als bekannt entpuppt. Da dieses „Erlebnis“ gerade in die Phase fällt, in der ich ein Thema für meine Examensarbeit suche, bin ich ziemlich froh, den Krabat wieder entdeckt zu haben. Meine Begeisterung wird etwas von der Skepsis gebremst, die ich entwickle, wenn ich über ein Unterrichtsvorhaben in der Grundschule nachdenke. Eine sehr wichtige Frage beschäftigt mich:

Wie sinnvoll ist der Umgang mit Ottfried Preußlers Werk in der Grundschule ist und welche Voraussetzungen müssen bestehen oder geschaffen werden, um Erfolge am Ende der Unterrichtseinheit zu verzeichnen? Die anfänglichen Bedenken begründen sich auf der düsteren Atmosphäre der Geschichte. Ich empfinde es als problematisch, dass der Tod und das Sterben sehr präsente Themen im Krabat sind, allerdings habe ich mich nun entschlossen, es als Herausforderung anzusehen, mögliche Schwierigkeiten zu überwinden und die Thematik für die Grundschule vermittelbar auszuarbeiten. Dabei ist unbedingt zu beachten, dass man nicht mit jeder Lerngruppe ein Unterrichtsvorhaben dieser Art und Weise durchführen kann. Bestimmte Bedingungen müssen einfach vorliegen, um die Klasse nicht von Beginn an zu überfordern. Ein gewisser literarischer „Background“ wäre wünschenswert. Kinder, die kaum in Berührung mit Literatur kommen, sei es schriftlich oder mündlich, werden wahrscheinlich keinen geeigneten Zugang zu Ottfried Preusslers Krabat finden, da der Text sprachlich relativ anspruchsvoll ist. Die Schüler sollten insgesamt eine starke Lerngruppe mit ausgeprägtem Gemeinschaftssinn sein. Bei einem Handlungs- und produktionsorientierten Umgang mit Preusslers Werk wäre es sehr sinnvoll, wenn die Schüler mit der Kreativität und den Ideen der Anderen ihre eigenen Grundlagen vervollständigen könnten, um so zu optimalen Ergebnissen und Lernerfolgen zu gelangen. Um diese zu gewährleisten, gehört zusätzlich zu einer geeigneten Lerngruppe aber genauso dringend eine gut vorbereitete, offene Lehrerpersönlichkeit. Die Vorbereitung auf eine Ganzschrift, die sprachlich und thematisch sehr anspruchsvoll erscheint, ist eine sensible Angelegenheit und bedarf sorgfältiger Vorbereitung, besonders von Seiten des Lehrers.

Es ist vollkommen legitim, Schülern etwas zuzutrauen und es ihnen auch zu zeigen. Man darf die Schüler in Bezug auf die Steigerung des Anspruchs an den Unterrichtsgegenstand nicht vor vollendete Tatsachen stellen. Aus den genannten Gründen wäre es wahrscheinlich sinnvoll, dieses Unterrichtsvorhaben am Ende der Grundschulzeit zu verwirklichen.

Ein vorsichtiges Vorgehen ist auch aus folgendem Grund empfehlenswert: Das Thema Zauberei ist äußerst sensibel für die Bildung von Klischees. Im Vorfeld sollte unbedingt geklärt werden, dass nicht jeder Zauberer in einem verwunschenen englischen Zauberinternat ausgebildet wird. Harry Potter ist gerade in der Grundschule äußerst aktuell und vor allem sehr beliebt. Den Kindern muss verdeutlicht werden, dass ihr Zauberheld nur eine Möglichkeit eines Zauberers darstellt. Des Weiteren sind Zauberer auch keine Männer mit langen weißen Bärten und wallenden Gewändern, die mit ihrem Zauberstab auf den Zylinder klopfen, aus dem daraufhin lauter weiße, niedliche Kaninchen hüpfen. Auch David Copperfield ist nicht der Inbegriff eines Zauberers. Es muss einfach deutlich werden, dass die Zauberei ein sehr facettenreiches Themengebiet ist. Eventuell verstehen Kinder erst dann, dass Krabat zur schwarzen Magie verführt wird.

Ich werde im Folgenden versuchen, anhand von Ottfried Preußlers Biographie, einen Eindruck zu vermitteln, wie und warum so ein Werk wie der „Krabat“ zustande kam und wie Ottfried Preußler zu dem bekannten und vor allem begnadeten Erzähler geworden ist. Die Biographie habe ich deshalb auf einige wesentliche Dinge begrenzt, die mir für meine Ausführungen wichtig erschienen. Anschließend werde ich kurz die geschichtliche Herkunft der Sage erläutern, da auch Ausführungen anderer Autoren in meinem praktischen Teil möglicherweise eine Rolle spielen werden. Die anschließende „Didaktische Rezension“ verfolgt das Ziel, die „Grundschulverträglichkeit“ zu untersuchen und Ansatzmöglichkeiten für einen Handlungs- und produktionsorientierten Unterricht zu entdecken. Die Möglichkeiten des Umgangs werde ich in meinem praktischen Teil an ein paar ausgewählten Beispielen verdeutlichen.

1.2 Ottfried Preussler- der Geschichtenerzähler

Es ist der Sommer des Jahres 1969. Ottfried Preussler befindet sich mit seinem Freund und Kollegen Heinrich Pleticha auf einer österreichischen Jugendbuchtagung, als sich kurz vor einem Vortrag folgendes ereignet:

Ein Konferenzteilnehmer aus der DDR überreicht Preussler ein 1968 erschienenes Buch mit dem Titel Die schwarze Mühle. Der Autor ist ein sorbischer Schriftsteller namens Jurij Brezan. Für einen Moment sind beide Männer zutiefst geschockt, arbeitet Preussler doch auch schon seit Anfang der Sechziger an einer eigenen Fassung desselben Sagenstoffes. Die Arbeit erweist sich allerdings zu Beginn als äußerst schwierig. Preussler beginnt das Leben auf einer Mühle zu studieren und setzt sich extrem mit den technischen Begebenheiten eines uralten Handwerkes auseinander. Seinem Freund Pleticha erscheint es wie die Entstehung eines Sachbuches, da Preussler sich regelrecht in die Materie des Mühlenbaus etc. hineinstürzt. Seinen Enthusiasmus, in Form von endlos scheinenden Monologen, die er als Gespräch betrachtet, muss Pleticha als Freund über sich ergehen lassen. Umso betroffener ist auch er von der Veröffentlichung des Buches Die schwarze Mühle. Er befürchtet, dass die jahrelange Arbeit seines Freundes umsonst gewesen sein könnte, denn bereits in den ersten Jahren der Arbeit am Krabat wird Ottfried Preussler darüber regelrecht krank und schreibt aus der Verzweiflung heraus etwas Lustiges, den Räuber Hotzenplotz und Die Abenteuer des starken Wanja, ein Buch für ältere Kinder und Jugendliche.[1]

Glücklicherweise unterscheidet sich jedoch Brezans Version des sagenumwobenen Krabat absolut von der Preusslers, so dass er nicht befürchten muss, wegen der Wiederholung eines erst kürzlich erschienenen Erzählstoffes unberechtigterweise literarisch ins Gerede zu geraten, wie es ihm kurz zuvor bei den „Abenteuern des starken Wanja“ passiert ist. In Brezans Roman überwiegen realistisch gezeichnete Szenen der historischen Umstände und Begebenheiten, wie zum Beispiel die Geschichten um den Türkenkrieg. Streckenweise hat das Werk erkennbare Tendenzen zu sozialer Kritik und die Geschichte endet mit dem Zweikampf zwischen Krabat und dem Meister.[2] Auch sprachlich bewegt sich Brezan auf einem völlig anderen Terrain. Seine Sätze sind kurz und knapp und entbehren jeglicher Poesie. „Die Mühle steht mitten im Sumpfwald. „Wie heißt der Wald?“ fragt Krabat. „Der schwarze Wald“, antwortet der Müller. Ein Bach treibt das große Mühlrad. „Wie heißt der Bach?“ „Der schwarze Kolm“, sagt der Müller.“[3]

Dieser Grund für allgemeine Erleichterung ist für Preußler gleichzeitig ein Ansporn, seinen Krabat endlich zu beenden.

Seine Bekanntschaft mit Krabat geht auf eine Zeit zurück, in der er als Kind (ungefähr im Alter von acht bis zwölf) alles in sich hineinliest, was Spaß macht[4], unter anderem auch sehr gerne Sagen und Schwänke.

Bücher spielen also von klein auf eine große Rolle in Ottfried Preusslers Leben. Sein Vater besitzt in Reichenberg, seinem Geburtsort, eine private Bibliothek, die über sechstausend Bände ihr eigen nennen kann. Dort können sich die beiden Söhne uneingeschränkt bedienen. Die Bibliothek in der Schulklasse, die Volksbücherei und die Buchhandlungen der Stadt bieten ihm zusätzliche Möglichkeiten seiner Leidenschaft nachzugehen.

Das mit Abstand wichtigste Buch seiner Kindheit ist aber das Geschichtenbuch seiner Großmutter Dora, das es in Wirklichkeit gar nicht gibt. Die Großmutter ist eine großartige Geschichtenerzählerin, die als eines von zwölf Geschwistern in einem böhmischen Dorf aufwächst. Neben seiner Arbeit als Hufschmied betreibt ihr Vater eine Herberge, in der schlesische Fuhrleute auf der Fahrt nach Prag übernachten. Dort wird an langen Abenden viel erzählt, und es scheint, als habe die Großmutter Dora jede einzelne der gehörten Geschichten voller Neugierde in sich aufgesogen, denn bis ins hohe Alter erzählt sie diese in den verschiedensten Variationen immer wieder, wobei es ihr nie an Phantasie oder Humor mangelt.[5] Die Großmutter erzählt ihren Enkeln, überwiegend in der Abenddämmerung, beim Schein von Kerzen oder Petroleumlampen, Geschichten vom Wassermann in der Iser, von Hexen und Hutzelweibern, von verwunschenen Schätzen im Wald, Riesen und Nachtgespenstern und vielem mehr. Sie erzählt sie „... lustig und bunt, wie Kinder sie mögen, voll unerwarteter Wendungen ...“.[6] Dieses dicke alte Geschichtenbuch, das es nie gegeben hat, ist für Ottfried Preussler das wichtigste aller Bücher, die er jemals „gelesen“ hat, denn diesem „Buch“ hat er es zu verdanken, dass er schon sehr früh gelernt hat, wie man Kindern Geschichten erzählt.[7]

Diese Begabung des Geschichtenerzählens hat Großmutter Dora offensichtlich an ihren Sohn weiter gegeben, denn auch Ottfried Preusslers Vater besitzt sowohl das Talent, als auch die Leidenschaft, sich und andere an und mit Geschichten zu erfreuen.

Sein liebstes Hobby ist das „Sammeln“ von mündlich überlieferten Erzählungen. Die meisten davon bekommt er auf seinen zahlreichen Wandertouren von den Bewohnern des Isergebirges erzählt.

Häufig darf Ottfried Preussler den Vater auf seinen berühmten „Streifzügen“ durch das Isergebirge begleiten, wenn sie beim Schein des Kaminfeuers oder einer Petroleumlampe in den Stuben der Menschen sitzen und den Geschichten und Mythen um Hexen, Wassermänner, Gespenster usw. lauschen:

„Die Abende in den niedrigen Baudenstuben werde ich nicht vergessen. Das leise Summen der Petroleumlampe, der Duft nach getrockneten Kräutern, nach Waldheu und Beeren, nach Leinöl und Ziegenmilch. Im Ofen knistert das Kienholz, übers Dach fährt der Sturm hinweg. Oder ist es der Nachtjäger, der an den Fenstern rüttelt? Mit heißen Ohren lausche ich dem Erzähler. Ich wende den Blick nicht von seinem Gesicht, nicht von den knorrigen Händen, die seine Geschichten miterzählen. Erst das Mienenspiel, erst die Gestik sind es, aus denen sie ihre volle Kraft ziehen. Manchmal vergisst der Vater das Mitschreiben: so unwiderstehlich schlagen ihn die Geschichten in Bann“.[8]

Großen Einfluss auf seine Entwicklung haben die gemeinsamen, sonntäglichen Besuche mit dem Vater in der ortsgeschichtlichen Sammlung der Stadt Reichenberg, die der Vater, neben seinem Beruf als Hilfsschullehrer, ehrenamtlich leitet. Sobald die ersten Besucher eintreffen, beginnt der Vater dieselben herumzuführen und ihnen Geschichten über Reichenberg und das Isergebirge zu erzählen und sie in die Sagenwelt der Umgebung zu entführen. Ottfried Preussler erinnert sich voller Bewunderung daran, dass der Vater, dank seiner mit großer Hingabe betriebenen Nachforschungen, niemals um Geschichten verlegen war.

Hinzu kam, dass er großartig erzählen konnte und immer darauf bedacht war, seine Geschichten so auszuwählen, dass auch der Humor nicht zu kurz kam“.[9] Eigenen Angaben zufolge muss er ein eifriger Zuhörer gewesen sein, denn dank der Geschichten seines Vaters ist er seiner nordböhmischen Heimat bis heute sehr verbunden und hat immer noch eine Schwäche für Geschichte und Volkskunde dieser Gegend.[10] Diese Tatsache kam ihm bei der Entstehung des „Krabat“ absolut zugute, musste er sich doch bei der Beschrei-bung der landschaftlichen Begebenheiten auf ein Gemisch aus Erinnerungen und seiner Phantasie verlassen, da es aus politischen Gründen nicht möglich war, direkt an Ort und Stelle Informationen zu beschaffen. Er verlegt seine „Zaubermühle“ in eine einsame Gegend, von Wäldern umschlossen. Nun geschieht etwas, was man als ein Zusammenspiel aus Zufall, Können/Wissen und Preusslers sprachlicher Genialität beschreiben könnte:

Er ist auf der Suche nach einem Namen für die Gegend, die seine Mühle umgibt; es soll eine mystische, verrufene Atmosphäre herrschen. Leider ist ihm das passende Messblatt nicht zugänglich. Er entscheidet sich also für den Namen „Koselbruch“. „Als Bruch bezeichnet man in Mittel- und Ostdeutschland sumpfiges Wald- und Wiesenland, das von einem Gewässer durchflossen wird. Und „kouzliti“ ist ein in vielen slawischen Sprachen so oder ähnlich lautendes Wort für Zaubern. Der Koselbruch- so viel wie verzaubertes Sumpfland also“.[11] Monate später erhält er das entscheidende Blatt doch und entdeckt, mit wenig Verwunderung, dass es tatsächlich eine Gegend dieses Namens in der Nähe gibt.

Was ist, außer der von der Natur aus mitgegebenen Begabung nötig, um dieses Maß an „Sprachfeinfühligkeit“ zu erreichen?

Preusslers Mutter spielt dabei eine große Rolle. Vor der Geburt ihrer Kinder ist sie schon in jungen Jahren Lehrerin für Deutsch und Geschichte, was damals sehr ungewöhnlich ist.

Sie betreut die Hausaufgaben ihrer beiden Söhne und hilft ihnen mit, für die damalige Zeit außergewöhnlichen Einfällen, spielerisch mit der deutschen Sprache umzugehen, ihre vielfältigen Möglichkeiten zu begreifen und sie sich auf diesem Weg zu Eigen zu machen. „Hatten wir beispielsweise zehn Wörter mit großem A zu schreiben, schlug sie mir etwa vor, die Aufgabe einzugrenzen, und mich auf Namen von Tieren oder Blumen zu beschränken. Sätze zu einem bestimmten Rechtschreib- oder Sprachlehrfall stellten wir unter ein übergeordnetes Thema oder wir ersetzten ein bestimmtes Zeitwort, das darin vorkam, durch sinnverwandte, andere Verben“.[12] Dank ihrer Hilfe hat Ottfried Preußler die Vielseitigkeit der Sprache schon damals erfahren und begriffen, dass die deutsche Sprache herrliche und überraschende Möglichkeiten für denjenigen bereithält, der richtig damit umzugehen weiß.[13] Seinen Erfolg als Schriftsteller schreibt er unter anderem dieser frühen, sehr positiven Erfahrung mit Sprache zu, die seine Mutter ihm ermöglicht hat.

Direkt nach dem Abitur wird er eingezogen und an der Ostfront eingesetzt. Er überlebt den Krieg, gerät aber in sowjetische Kriegsgefangenschaft und verbringt die nächsten fünf Jahre seines Lebens in russischen Strafgefangenenlagern. Seine Familie wird in dieser Zeit aus der nordböhmischen Heimat vertrieben. Sie finden im bayrischen Rosenheim eine neue Heimat, und mit viel Glück findet Preussler seine Familie und seine Braut, die er im selben Jahr noch heiratet, dort wieder. Hier, an diesem Punkt ist es absolut unerlässlich einen Ausspruch Preusslers heranzuziehen, der verdeutlicht, dass der Autor im „Krabat“ auch persönliche Gefühle in die Thematik mit einbezieht.

Ich schreibe es ihrer Liebe, der Kraft ihres Herzens zu, dass ich den Krieg überlebt habe, dass ich im Lager von Jelabuga nicht vor die Hunde gegangen bin.[14]

Genau wie die Sagenfigur Krabat von seinem Mädchen, durch die Kraft ihrer Liebe, aus den Fängen des Bösen befreit wird, genauso lässt der Gedanke an seine Braut Ottfried Preussler den Schrecken des Krieges überstehen.

Kurz nach seiner Rückkehr beginnt er die pädagogische Ausbildung zum Volksschullehrer und arbeitet nebenbei, um seine junge Familie zu ernähren, als radelnder Reporter beim Kinderfunk. Dort beginnt er Geschichten für Kinder zu schreiben. Bis in die siebziger Jahre arbeitet er als Volksschullehrer.

Was ich von meinen Schulkindern, was ich von Kindern überhaupt lernen konnte, soweit es Geschichten für Kinder betrifft, das glaube ich während meiner Lehrerjahre gelernt zu haben. Es sind Jahre gewesen in denen auch ich- und zwar unter anderem als Geschichtenerzähler- zur Schule gegangen bin“.[15]

1.3 Die Krabat Sage

Die Krabat-Sage ist eine mündliche Überlieferung aus dem sorbischen Kulturkreis des 18. und frühen 19. Jahrhunderts. Krabat ist ein guter Zauberer und Hexenmeister der seinen Namen einem kroatischen Oberst zu verdanken haben soll. Dieser gewisse Johann von Schadowitz stirbt 1704 auf seinem Gut in Groß Särchen, welches ihm der König von Sachsen für besondere Dienste im Türkenkrieg gab. Aufgrund seines Reichtums und seiner Andersartigkeit machen mündlich überlieferte Geschichten über den Kroatenoberst aus ihm einen Zauberer. Der Name Krabat bedeutet einfach soviel wie „Kroat“, beschreibt also ursprünglich seine Herkunft.[16] Erste schriftliche Überlieferungen der Sage liegen seit 1837 vor, es gibt jedoch drei Erscheinungen aus der jüngeren Vergangenheit, denen „Krabat“ seine Popularität zu verdanken hat.

1954 erscheint Mercin[17] Nowak-Neumanns Meister Krabat- der gute sorbische Zauberer. Dieses Buch ist in zwei Teile geteilt. Der erste Teil endet mit dem Tod des bösen Müllers in Anschluss an einen entscheidenden Zauberkampf mit Krabat, in dem sich beide Gegner in Tiergestalt verwandeln. Der zweite Teil hingegen endet mit dem erlösenden Tod Krabats. Dieses Werk wird als das am meisten geeignete Werk für kindliche Leser empfunden, da es über einen überschaubaren Aufbau verfügt. Das Buch ist in sechzehn Teile mit jeweils drei bis

vier Seiten aufgeteilt. In jedem Kapitel steht eine Episode aus Krabats Leben im Mittelpunkt, was sich besonders gut dazu eignet, den Kapiteln Überschriften zu geben. Laut Rösler bietet es sich besonders an, in der Grundschule nur den ersten Teil des Buches zu behandeln, da dieser mit dem Tod des Müllers endet.[18] Ebenso lässt der Müller in Jurij Brezans Die schwarze Mühle von 1968 am Ende sein Leben. Seine Version entbehrt jeglicher märchenhafter Elemente und fällt besonders durch den politischen Ton seiner Worte auf. Der Kampf zwischen Gut und Böse artet in dieser Fassung eher in einen Klassenkampf aus. Besonders auffällig ist zusätzlich noch der „archaisch harte Tonfall seiner Sprache“ („Der Wolf reißt sich das Gehirn aus dem Kopf und schmeißt es gegen die Frau“)[19]

Der Inhalt von Preusslers Werk ist ausführlich unter Punkt 2.1 beschrieben.

2. Didaktische Rezension

2.1 Krabat- Inhaltsangabe

Krabat ist die Hauptfigur in Ottfried Preußlers gleichnamigen Roman, der in drei Teile unterteilt ist, wobei jeder Teil für ein Jahr steht.

2.1.1 Das erste Jahr

Krabat ist ein elternloser, wendischer Betteljunge im Alter von vierzehn Jahren, der zu Beginn eines neuen Jahres als einer von den drei heiligen Königen von Dorf zu Dorf zieht. Eines Nachts hat Krabat zum ersten Mal einen seltsamen Traum. Elf Raben sitzen auf einer Stange, auf der ein Platz frei zu sein scheint. Eine heisere Stimme ruft drei Mal seinen Namen. Die Stimme fordert ihn auf, zur Mühle in Schwarzkollm zu kommen, es würde nicht zu seinem Schaden sein. Die Raben erheben sich und krächzen: „Gehorche der Stimme des Meisters, gehorche ihr![20]

Er gehorcht dem Traum und geht dort in die Lehre. Im Laufe der nächsten Wochen ereignen sich unheimliche Dinge auf der Mühle. Er findet in Tonda, dem Altgesell einen Freund, der ihm in schwierigen Situationen beisteht. In der Osternacht hört Krabat zum ersten Mal die Stimme der Kantorka von Schwarzkollm und wird in die schwarze Schule, welche die Mühle ist, aufgenommen. In den folgenden Monaten lernt er neben der Arbeit, die für alle auf der Mühle anfällt, an jedem Freitagabend, gemeinsam mit den anderen Gesellen, die Fertigkeiten der schwarzen Magie. Er macht die Bekanntschaft mit dem Herrn Gevatter, der in jeder Neumondnacht die Mühle besucht und muss am Ende des Jahres Tod und Begräbnis seines Freundes Tonda miterleben.

2.1.2 Das zweite Jahr

Ein neuer Lehrling nimmt Tondas Platz auf der Mühle ein, was für Krabat den „Freispruch“ zur Folge hat. Seine Lehrzeit ist nun vorbei und er ist einer der Gesellen. Es stellt sich heraus, dass ein Jahr auf der Mühle für drei in der Realität zählt, was Krabat auch an den Veränderungen seines Körpers spürt.

In diesem Jahr ereignen sich einige Geschichten, die Krabats Unmut in Bezug auf den Müller und das System, in dem sie leben wachsen lassen. Er scheint ein Ziel vor Augen zu haben, für das er fleißig lernt und er wird immer besser in der schwarzen Kunst. Ein Besuch Pumphutts[21] endet in einem Zauberwettkampf mit dem Müller, in dem dieser unterliegt. Diese Niederlage verdeutlicht, dass der Meister nicht unbesiegbar ist und gibt Krabat Hoffnung und Mut, sich dem Bösen zu stellen.

Die Gedanken an die Kantorka häufen sich, und in der Osternacht gibt er seiner Sehnsucht, und der mit ihr verbundenen Versuchung letztendlich nach und verlässt seinen Körper, um sie zu sehen. Da jedes Jahr mit einem Todesfall endet, müssen die Gesellen diesmal Michal begraben, woran sein Vetter Merten fast zerbricht.

2.1.3 Das dritte Jahr

Auch das dritte Jahr beginnt mit der Ankunft eines neuen Lehrlings. Krabat kennt den kleinen Lobosch aus Sternensingerzeiten und nimmt sich des Jungen an, wie es einst Tonda bei ihm getan hatte. Angetrieben durch den Verlust seiner Freunde und die stetig wachsende Liebe zur Kantorka, wird Krabat immer unvorsichtiger in seinem Kampf gegen den Meister. Dass der Weg aus der Mühle nicht durch eine einfache Flucht zu bewerkstelligen ist, wird durch Mertens missglückte Fluchtversuche deutlich. Je gefährlicher die Situationen werden, in die Krabat sich unvorsichtig begibt, desto häufiger erscheint Juro, um ihm zu helfen. Dieser offenbart Krabat seine „gespielte“ Dummheit und steht ihm als Freund zur Seite. Er unterstützt Krabat in seinem Kampf und verrät ihm die Möglichkeiten, die es gibt, der Mühle zu entkommen. Der Meister spürt die Veränderungen, die in Krabat vorgehen und bietet ihm seine Nachfolge an. Krabat lehnt jedoch ab und gerät dadurch in die Lage der „Auserwählte“ zu sein, der in der letzten Nacht des Jahres sterben soll. Dies geschieht jedoch nicht, da die Kantorka ihn frei bittet und die ihr auferlegte Prüfung durch ihre Liebe zu ihm besteht. Krabat und die übrigen Gesellen sind befreit, da die Mühle, und mit ihr der Müller, untergehen werden.

2.2 Die Darstellung der Charaktere

Krabat, der wendische Betteljunge, ist in Preusslers gleichnamiger phantastischer Erzählung die Hauptfigur. Neben ihm leben, außer dem Meister, noch elf andere Gesellen auf der Mühle. Da in der letzten Nacht des Jahres jeweils ein Geselle stirbt, kommt zweimal ein neuer Lehrling dazu.

Besonderes Augenmerk möchte ich in dieser Arbeit auf insgesamt sieben der Protagonisten legen. Die erwähnten Charaktere ziehen sich wie ein roter Faden durch die Erzählung und die Handlung. Unter Punkt 2.4 werde ich verdeutlichen, weshalb gerade diese Figuren für die Deutung der Erzählung überaus wichtig sind. Bereits an Krabats erstem Morgen auf der Mühle, bekommt der Leser das Gefühl, Preussler wolle ihm mitteilen, auf welche Gesellen er sein Augenmerk legen solle. Tonda stellt sich selbst, Michal, Merten und Juro namentlich vor.

Näher betrachtet werden sollen an dieser Stelle, außer Krabat der Meister der Mühle, Tonda der Altgesell, Lyschko der Spitzel, Juro der Dummkopf und die Kantorka von Schwarzkollm. Im Zusammenhang mit dem Meister wird der Herr Gevatter auch eine nicht ganz unwichtige Rolle spielen.

Aufgrund der Tatsache, dass Preußler eine altdeutsche Sage zum Thema seiner Erzählung gemacht hat, bieten die dargestellten Personen, Kontext bedingt, keine direkten Identifikationsmöglichkeiten für den Leser. Sie sind schwer arbeitende Müllerburschen, die keine Kindheit oder Jugend erleben, wie sie aus der Sicht eines heutigen Heranwachsenden normal ist. Die Personen sind also nicht kindgerecht geschildert, in dem Sinne, als dass sie typische Merkmale kindlicher Existenz versinnbildlichen. Krabat allerdings fällt aus diesem Bild, welches Preussler von den Charakteren zeichnet, heraus.

2.2.1 Krabat

Krabat zieht als Sternensinger durchs Land, um so zu genügend Nahrung und einem Schlafplatz für die Nacht zu kommen. So etwas wie ein Zuhause ist ihm fremd; seine Eltern leben nicht mehr und er ist für sein Leben selbst verantwortlich. Es wäre denkbar, dass die Kinder einer vierten Grundschulklasse dieses Leben auf den ersten Blick bewundern. Entfernt erinnert die Situation an Astrid Lindgrens Protagonistin „Pippi Langstrumpf“. Sie stellt zwar eine andere Ebene kindlicher Entwicklung dar, verkörpert aber auch den Wunsch nach Freiheit und Unabhängigkeit, die als elementare kindliche Bedürfnisse gelten.[22] Die meisten der kindlichen Rezipienten haben erwachsene Bezugspersonen, die ihnen Liebe und Geborgenheit schenken. In unserem sozialen Umfeld kann im Allgemeinen davon ausgegangen werden, dass genügend Nahrung zur Verfügung steht und Bett vorhanden ist. Nur aufgrund dieser Selbstverständlichkeit können sich die Kinder nach der Unabhängigkeit eines Krabat sehnen. Beim ersten Besuch der Mühle ist er sich der Veränderung in seinem Leben vorerst nicht bewusst. Möglicherweise genießt Krabat das Leben in einer Gemeinschaft. Seit dem Tod seiner Eltern ist er auf sich alleine gestellt. Nun erlebt er eine Situation, in der er versorgt wird und zusätzlich durch Tondas Freundschaft Liebe und Zuneigung erfährt.

Er steht am Anfang seiner Entwicklung, auf dem Weg erwachsen zu werden. Der Leser erlebt die gesamte Geschichte aus seiner Sicht. Er sieht die Dinge, die geschehen, durch Krabats Augen und erlebt alles aus Krabats Perspektive, da er der einzige ist, der eine Entwicklung durchläuft. Preußler beschreibt mit seinem Protagonisten also keine bloße Sagengestalt, sondern „vielmehr eine psychologisch höchst subtile und differenzierte Figur, die in einem krisenhaften und gefahrvollen Entwicklungs- und Reifeprozess am Ende ihrer Geschichte zum Anfang ihrer Selbstbestimmung findet (Rösler, S. 31).“[23]

2.2.2 Der Meister

Der Leser lernt den Meister der Mühle als einen einäugigen, massigen dunklen Mann kennen, der sehr bleich, fast schon kalkweiß, im Gesicht ist.[24] Bei Krabats Eintreffen in der Mühle nimmt er den Meister in einer düsteren Atmosphäre fast gespenstig wahr. Eine rote Kerze, auf einem Totenschädel steckend, spendet dem Meister Licht, während er in einem in Leder eingebundenen Buch liest, das an Ketten hängt. Der Müller spricht mit rauer, heiserer Stimme und Krabat erkennt die Stimme, die ihn im Traum gerufen hat.

Er ist immer alleine, eine furchterregende Erscheinung, hat auf der Mühle die Macht und tritt wie das personifizierte Böse auf. Sein Verhalten, seine äußere Gestalt und seine Ausdrucksweise machen ihn auch für den Leser zu einem Feind. Die Angst, die er verbreitet veranlasst den Leser dazu, seine Sympathien auf Krabat und seine Freunde zu übertragen.

2.2.3 Lyschko der Spitzel

„Lyschko, ein zaundürrer, langer Bursche mit spitzer Nase und scheelem Blick, hatte Krabat vom ersten Tag nicht übermäßig gefallen: ein Schnüffler, so schien es, ein Ohrenspitzer und Um-die-Ecken-Schleicher, vor dem man sich keinen Augenblick sicher wusste.“[25]

[...]


[1] Preußler, Ottfried: Das Ottfried Preußler Lesebuch, Thienemann Verlag, Stuttgart, 1988,

[2] Pleticha, Heinrich: Krabat- Lehrerbegleitheft, Thienemann Verlag, Stuttgart, 1992,

[3] Brezan, Jurij: Die schwarze Mühle, Ernst Klett Verlag GmbH, 1995,

[4] Preussler, 1988,

[5] Preussler, 1988,

[6] ebd.

[7] ebd.

[8] Pleticha, Heinrich: Sagen sie mal, Herr Preußler… Festschrift für Ottfried Preußler zum 75. Geburtstag, Thienemann Verlag, Stuttgart, 1998,

[9] Preußler, 1988,

[10] ebd.

[11] Preußler, Ottfried: Die Mühle im Koselbruch, in: Pleticha, 1992

[12] Pleticha, 1998,

[13] ebd.

[14] Preußler, 1988,

[15] www.preußler.de

[16] Erhardt in: Pleticha, 1992,

[17] Die sorbische Bezeichnung des Vornamens „Martin“

[18] Rösler, Winfried: Krabat –literarische Varianten einer Sagengestalt, in: Grundschule12/95,

[19] ebd.

[20] Preußler, 1980,

[21] Pumphut ist eine sorbische Sagenfigur aus der Nähe von Hoyerswerda, die als wandernder Müllergeselle viele Späße auf Lager hatte. Wo er oder andere aber Not leiden mussten, zahlte er es den Leuten durch seine Hexereien heim (www.naturfreunde-sachsen.de/goerlitz/wissenswertes/pumphut.html).

[22] Petra Josting: „Ich will gern sehen, was ich geschrieben habe“: Astrid Lindgren zum 90. Geburtstag, in: Praxis Deutsch, Heft 146, November 1997, Friedrich Verlag, Seelze

[23] Rösler,1995,

[24] Preußler, 1980,

[25] Preußler, 1980,

Excerpt out of 65 pages

Details

Title
Die phantastische Erzählung Krabat
Subtitle
Möglichkeiten eines handlungs- und produktionsorientierten Umgangs mit O. Preußlers Werk
College
University of Bremen
Grade
1,0
Author
Year
2005
Pages
65
Catalog Number
V81388
ISBN (eBook)
9783638847209
File size
694 KB
Language
German
Keywords
Erzählung, Krabat
Quote paper
Christina Zang (Author), 2005, Die phantastische Erzählung Krabat, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/81388

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