Warum Wählen? - Ökonomisch rationale Erklärungen zum Paradox der Wahlbeteiligung


Seminararbeit, 2002

19 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


INHALT

1. EINLEITUNG

2. THEORETISCHER HINTERGRUND
2.1 RATIONAL CHOICE UND PUBLIC CHOICE THEORIEN
2.2 MENSCHENBILD ALS ALLGEMEINES ERKLÄRUNGSMODELL
2.3 EIGENNUTZMAXIMIERUNG ALS HANDLUNGSZIEL
2.4 RATIONALE HANDLUNGSREIHENFOLGE UND PRÄFERENZORDNUNG

3. DER PUBLIC CHOICE ANSATZ VON ANTHONY DOWNS: DAS PARADOX DER WAHLBETEILIGUNG
3.1 DAS NUTZENKALKÜL DES RATIONALEN BÜRGERS
3.2 DAS KOSTENKALKÜL DES RATIONALEN BÜRGERS
3.2.1 DIE INFORMATIONSKOSTEN
3.3 DER STIMMWERT
3.4 „DAS PARADOX DER PARTIZIPATION AUS BÜRGERVERANTWORTUNG“[1]

4. DAS RATIONALE WAHLVERHALTEN
4.1 THEORIE UND EMPIRIE
4.2 SUBJEKTIVE WERTERWARTUNG ODER EIN PARADOX, DAS KEINS IST (NACH ROLF BECKER)

5. FAZIT

6. ANHANG: VERWENDETE QUELLEN

1. EINLEITUNG

Bei der Beschäftigung mit der Public Choice Theorie fiel mir zunächst auf, wie kontrovers sie von Wissenschaftlern verschiedener Fachgebiete tatsächlich diskutiert wird. Dabei reicht die Bandbreiter von glühenden Lobeshymnen bis hin zu erbitterter Widerrede. Sowohl unter den Verfechtern der Ökonomischen Theorie der Politik als auch unter deren Gegnern, existiert kaum ein Konsens.

Leider musste ich feststellen, dass auch das von mir ausgesuchte Thema, die Wahlbeteiligung, ein breites Feld an unterschiedlichsten theoretischen Ansätzen eröffnet.

Der Public Choice Ansatz hat in Bezug auf das individuelle Wählerverhalten allerdings eine neue Richtung in der Wahlforschung eingeschlagen. Es existiert aber nach wie vor ein erheblicher Erklärungsbedarf. Allerdings ist die Arbeit von Rolf Becker, auf die ich näher eingehen werde richtungweisend.

Im Folgenden werde ich also auf Grundlage der Ökonomischen Theorie der Politik sowie unter Berücksichtigung von Kritik an derselben dem Rätsel des Wählerverhaltens auf den Grund gehen.

2. THEORETISCHER HINTERGRUND

Ich werde in verkürzter Form auf den theoretischen Hintergrund der Public Choice Theorie mit Schwerpunkt auf diejenigen Aspekte, die zum Verständnis der Downsschen Überlegungen als auch der Arbeit Beckers notwendig sind, eingehen.

Anthony Downs hatte in den 1960ern in seinem Buch „Ökonomische Theorie der Demokratie.“ erstmals die Public Choice Theorie zur Erklärung des Wählerverhaltens herangezogen und somit der Wahlforschung eine neue Perspektive eröffnet. Leider führen seine Überlegungen in eine Sackgasse, nämlich zu dem viel zitierten Paradox der Wahlbeteiligung.

Rolf Becker hat in seiner Arbeit zum Paradox der Wahlbeteiligung aus der Perspektive der Theorie subjektiver Werterwartung den Downsschen Ansatz wieder aufgegriffen, verfeinert, ins Verhältnis zur Empirie gesetzt und so das Paradoxon überwunden.

2.1 RATIONAL CHOICE UND PUBLIC CHOICE THEORIEN

Die Theorie des Public Choice ist in den 1950ern in den USA aufgekommen und ist, wie bereits erwähnt, seit jeher umstritten. Das Ziel des Public Choice Ansatzes ist es, das Handeln von Menschen in der politischen Sphäre zu untersuchen, um die bestmögliche Regulierung des öffentlichen Lebens erreichen zu können. D. h. Public Choice soll eine, auch empirisch möglichst exakte, Prognosekraft zukommen. Ein Kritiker könnte auch sagen, es wird versucht zu formalisieren, was sich kaum formalisieren lässt. Jedenfalls wenn man das Rationalitätsprinzip als ein methodisches anerkennt. Die „Folge davon wäre, dass die Ökonomie und auch die Soziologie (...) zu einem Teilgebiet der Logik oder Mathematik verkümmern würde.“[2]

Die Ökonomische Theorie der Politik, wie Public Choice auch bezeichnet wird, hat ihren Ursprung in einem Zweig der Wirtschaftswissenschaft: der Rational Choice Theorie. Dieser liegt das Menschenbild eines Thomas Hobbes oder Adam Smith zugrunde.

2.2 DAS MENSCHENBILD ALS ALLGEMEINES ERKLÄRUNGSMODELL

In der klassischen Nationalökonomie geht man von der Annahme aus, dass der Mensch ausschließlich rein rational auf wirtschaftliche Interessen ausgerichtet sei: Gewinnstreben und Eigeninteresse bestimmten idealtypisch den homo oeconomicus. Gegenmodell ist das des homo sociologicus. Hier stehen sich die Ansätze Webers (methodologischer Individualismus) und Durkheims (Kollektivismus) gegenüber.

Das RREEMM Modell der Public Choice Theorie allerdings beinhaltet gewissermaßen beide Modelle und geht sogar noch darüber hinaus, was seine Brauchbarkeit erhöht.

RESTRICTED

RESOURCEFUL

EXPECTING

EVALUATING

MAXIMISING

MEN

Das RREEMM Modell setzt voraus, dass der Mensch, zwar Restriktionen durch Institutionen usw. ausgesetzt ist, diese aber Dank seines Einfallsreichtums umgehen, bzw. vermindern kann um den größtmöglichen Nutzen für sich durch seine Entscheidung zu erlangen.

2.3 EIGENNUTZMAXIMIERUNG ALS HANDLUNGSZIEL

Nur wenn man davon ausgehen kann, dass das Handeln eines jeden Menschen immer Nutzenmaximierung zum Ziel hat, erhält diese Theorie ihre Gültigkeit. Unterschiedliches Handeln ergibt sich aus der Tatsache, dass jeder Mensch verschiedenen Restriktionen unterworfen ist und somit jeder einen anderen Ausgangspunkt hat.

Public Choice geht davon aus, dass jedes Individuum immer auf Nutzenmaximierung aus ist. Diese Grundannahme wird auch als Eigennutzaxiom bezeichnet. In die politische Sphäre übertragen bedeutet das, Politiker machen nicht dem Sozialen, sondern dem eigenen Nutzen, beispielsweise dem Machtausbau der eigenen Position zugunsten Politik.

Damit wird Politik zum reinen Konkurrenzkampf. Der Ansatz einer Konkurrenzdemokratie ist analog zum Konkurrenzverhalten auf dem freien Markt, also den Marktmechanismen des Kapitalismus zu begreifen. Das heißt, jede Handlung, bzw. die Entscheidung dazu, wird begleitet von einem Kosten-Nutzen-Kalkül.

Adrian Vatter, welcher das Eigennutzaxiom in einer Studie zu Kantonsabstimmungen in der Schweiz untersuchte, äußert sich sehr kritisch, was den Nutzenbegriff in der Public Choice Theorie angeht: „Bei der Verwendung dieses allumfassenden Nutzenbegriffs stellt sich das grundsätzliche Problem, dass jegliches Handeln per Definition nutzenmaximierend erscheint und damit die logische Möglichkeit ausgeschlossen wird, dass keine Übereinstimmung zwischen dem besteht, was Menschen tun, und dem, was ihnen am meisten nützt.“[3]

Interessanterweise sind die Werte der Wahlbörsen in Sachen Wahlprognosen um einiges zuverlässiger, als jene der Bevölkerungsumfragen, wie der Sonntagsfrage.[4] „Teilnehmer an Wahlbörsen haben ein Eigeninteresse daran, das Ergebnis möglichst exakt zu prognostizieren und entsprechend zu handeln. Prognosefehler werden nämlich (...) bestraft.“[5] Dies bestätigt die Grundannahme der Public Choice Theorie, Nutzenmaximierung als Handlungsziel.

2.4 RATIONALE HANDLUNGSREIHENFOLGE UND PRÄFERENZORDNUNG

Die SEU–Modell legt die rationale Handlungsreihenfolge von Individuen fest. Sie ist grundlegend für die Theorie der subjektiven Werterwartung zu verstehen. Sie folgt der Logik der sozialen Situation, der Selektion und der Aggregation in dieser Reihenfolge. Das heißt, der rationale Mensch nimmt etwas wahr, bewertet es und handelt dann entsprechend der subjektiv beurteilten Eintrittswahrscheinlichkeit.

SUBJECTIV

EXPECTED

UTILITY

Voraussetzung ist, dass die verschiedenen Handlungsalternativen verschiedene Konsequenzen haben. Der rationale Mensch hat also eine Auswahl verschiedener Handlungsalternativen.[6]

Er legt die Präferenzen der verschiedenen Handlungsalternativen in einer Präferenzordnung fest. An erster Stelle steht das Handlungsziel, welches für ihn von besonderem Interesse ist, also den größten Nutzen zu bringen scheint. Ist der Aufwand, um an dieses Ziel zu gelangen zu groß, also die Kosten zu hoch, wählt er das Ziel, welches an zweiter Stelle in seiner Präferenzordnung steht und erwägt wiederum die Mühen, die er dafür auf sich nehmen muss usw.[7]

A > B > C[8]

[...]


[1] Becker, Rolf: Das Paradox der Wahlbeteiligung, das keines ist. Eine theoretische

Rekonstruktion und empirische Anwendung des Ansatzes von Downs aus der Perspektive der Theorie subjektiver Werterwartung. In: Hans-Dieter Klingemann und Max Kaase (Hg.): Wahlen und Wähler. Analysen aus Anlass der Bundestagswahl 1998. westdeutscher Verlag, Wiesbaden 2001, S. 552

[2] Schmidt, Jürgen: Die Grenzen der Rational Choice Theorie Eine kritische theoretische und empirische Studie. Leske + Budrich, Opladen 2000, S. 16

[3] Vatter, Adrian: Eigennutz als Grundmaxime in der Politik? Eine Überprüfung des Eigennutzaxioms der Ökonomischen Theorie der Politik bei Stimmbürgern, Parlamentariern und der Verwaltung. Paul Haupt, Bern/Stuttgart/Wien 1994, S. 25

[4] Beispielsweise: Wenn am nächsten Sonntag Wahl wäre, wem würden sie dann Ihre Stimme geben?

[5] Diekmann, Andreas: Empirische Sozialforschung. Grundlagen, Methoden, Anwendungen. 8. Auflage, Rowohlt, Hamburg 2002, S. 389 f

[6] Rational bedeutet nicht gleich objektiv. Die Auswahl der Handlungsalternative ist immer subjektiv. Rational bedeutet hier nur, dass stringent der Zielsetzung Nutzenmaximierung gefolgt wird.

[7] Beispiel: Frau Müller trinkt gerne Apfelsinensaft, welcher aber in dem Supermarkt um die Ecke nicht angeboten wird. Um an Apfelsinensaft zu kommen, müsste sie zu einem weiter entfernten Supermarkt gehen. Das würde viel länger dauern und eventuell noch Geld für den Bus oder Benzin für das Auto kosten. Sie hat nun die Möglichkeit in den Supermarkt um die Ecke zu gehen, um sich ihren zweitliebsten Saft, nämlich Bananensaft zu kaufen, was schnell und unkompliziert wäre oder die lange Reise auf sich zu nehmen. Gäbe es aber im Laden um die Ecke auch keinen Bananensaft mehr, sondern nur noch hohes CMultivitaminsaft (Frau Müllers drittliebster Saft und damit mag sie ihn eigentlich schon nicht mehr) so würde sie vielleicht auch einfach in das nächste Frühstückslokal gehen um, zwar sehr teuren, dafür aber frischgepressten Apfelsinensaft zu sich zu nehmen.

[8] Diese Ordnung ist linear. Das heißt auch A > C.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Warum Wählen? - Ökonomisch rationale Erklärungen zum Paradox der Wahlbeteiligung
Hochschule
Technische Universität Dresden  (Institut für Soziologie)
Veranstaltung
Public Choice
Note
1,7
Autor
Jahr
2002
Seiten
19
Katalognummer
V81543
ISBN (eBook)
9783638865920
Dateigröße
431 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Warum, Wählen, Erklärungen, Paradox, Wahlbeteiligung, Public, Choice
Arbeit zitieren
Edda Laux (Autor:in), 2002, Warum Wählen? - Ökonomisch rationale Erklärungen zum Paradox der Wahlbeteiligung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/81543

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