Der Frühparlamentarismus in England unter der Stuart-Dynastie


Seminararbeit, 2006

34 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Der dynastische Wechsel: wachsende Probleme unter James I
2.1 Misstrauen gegenüber der neuen Regierung
2.2 Purveyance und Impositions: Debatte um die königliche Prärogative
2.3 Prestigeverlust der Krone durch die Außenpolitik James’

3. Kulmination der Probleme unter Charles I
3.1 Kritik am Hof und an der Günstlingswirtschaft: das Impeachment gegen den Duke of Buckingham
3.2 Forced Loan
3.3 Petition of Rights
3.4 Tonnage und Pounding und Beginn der Personal Rule

4. Eskalation der Probleme ab
4.1 Die Schottland Krise
4.2 Act against dissolving the Long Parliament without its consent
4.3 Antipapismus und Army Plot

5. Ausblick: The Cromwellian Protectorate
5.1 Änderungen für das Parlament?

6. Bilanz

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

In der vorliegenden Seminararbeit wird der Frühparlamentarismus in England unter den frühen Stuart-Herrschern behandelt. Ziel ist es, Entwicklungslinien im englischen Parlamentarismus des 17. Jahrhunderts aufzuzeigen, um zu erläutern, wie eine erste vorübergehende Konsolidierung des Parlaments als feste Institution stattgefunden hatte.

Bei der Analyse dieses dynamischen Epochenabschnitts stellt sich im Besonderen die Frage: „Was machten die ersten beiden Stuart-Herrscher so anders als die vorherigen englischen Monarchen, dass eine Eskalation zwischen parlamentarischer und monarchischer Seite nur noch in einem Bürgerkrieg ihren Ausgang finden konnte?“ Der Abstieg der Monarchie begann mit der Thronbesteigung James I. und gipfelte in der Abschaffung der Monarchie durch die Hinrichtung Charles’ I. 1649. Aus diesem Grund wird zu Beginn der Arbeit ein Blick auf das Verhältnis von König und Parlament unter Charles unmittelbaren Vorgängern Elizabeth I., als letzter Herrscherin der Tudor-Dynastie, und James I., als erstem Herrscher der Stuart Dynastie, geworfen, um zu zeigen, was für Unterschiede es zwischen tudorscher und stuartscher Politik gab, und was Charles anders als sein Vater machte, der es verstand, einen offenen Konflikt mit dem Parlament zu vermeiden, doch die beginnenden Probleme nicht zu regeln vermochte.

Zu Beginn der Arbeit soll zudem auf den Kompetenz- und Aufgabenbereich des englischen Parlaments, sowie dessen Privilegien, die von den englischen Monarchen stets gebilligt wurden, eingegangen werden, da mit Beginn der Stuart-Herrschaft ein Mentalitätswandel hinsichtlich des Selbstverständnisses der Krone stattgefunden hatte, der zwar nicht die Abschaffung des Parlaments zum Ziel hatte, wohl aber dessen Unterminierung.

Um die zu Beginn formulierte Frage beantworten zu können, muss auch ein Blick auf die Günstlingswirtschaft bzw. das Favoritentum Charles’ geworfen werden, da die öffentliche und politische Bevorzugung einzelner Individuen am Hof zu offenen Konflikten mit dem Parlament führte und überdies das Ansehen der Krone diskreditierte, da sich der Hof besonders unter Charles immer weiter vom Rest des Landes isolierte und Politik ausschließlich innerhalb der vom König begünstigten Hofpartei betrieben wurde.

Das Parlament wurde von Charles als magnum concilium nahezu ignoriert und sollte nur dazu dienen, dem König sein Hofleben sowie seine außenpolitischen Ambitionen zu finanzieren. Bestehende Rechte und Privilegien des Parlaments wurden von Charles dabei umgangen, was dazu führte, dass die von Charles einberufenen Parlamente größtenteils wieder aufgelöst wurden, da sie ihm nie das zusicherten, was er am meisten benötigte: Subsidien.

Ausgehend von diesen Zuständen in den ersten Regierungsjahren Charles’ sollen die Errungenschaften des englischen Parlamentarismus näher beleuchtet werden: die Petition of Rights, die die königliche Prärogative zu beschränken und die monarchische Herrschaft an eine feste Rechtsgrundlage zu binden versuchte, der Triennial Act sowie der Act against dissolving the Long Parliament without its consent, die das Parlament zum ersten Mal zu einer festen Institution machten und die Herrschaftsgewalt des Königs untergruben.

Zum Abschluss dieser Arbeit soll noch ein Ausblick gegeben werden, was sich für das Parlament nach den Bürgerkriegen und der Hinrichtung des Königs geändert hatte. Erfüllte das Cromwellian Protectorate das, wofür sich das Parlament 20 Jahre lang eingesetzt hatte? Oder war es vielleicht nur das zweite Gesicht eines Janus-Kopfes? Mit dieser abschließenden Betrachtung soll eine Bilanz über den Frühparlamentarismus in England unter den Stuarts gezogen werden.

2. Der dynastische Wechsel: wachsende Probleme unter James I.

2.1 Misstrauen gegenüber der neuen Regierung

„Je enger die Identifikation der Person Elisabeths mit dem englischen religiösen Nationalismus wurde, desto schwieriger wurde es, diese Identifikation auf ihren Nachfolger zu übertragen.“[1] Mit diesem Problem sah sich der erste Stuart-Herrscher zu Beginn seiner Regierungszeit konfrontiert. Elizabeth hatte ein Nationalgefühl, auf das später in dieser Arbeit noch eingegangen werden soll, unter der englischen Bevölkerung geweckt, das sich auf den Protestantismus stützte. Seit ihrer Exkommunikation durch den Papst wurde der Katholizismus in England verfolgt und bestraft[2]. Mit James I. bestieg zum ersten Mal seit Maria der Katholischen wieder ein katholischer Monarch den Thron. Er verkörperte zwei Seiten einer Münze, die von den Engländern abgelehnt wurde: Schottland und den Papismus. Obwohl er der nächste Thronprätendent war –er war sowohl erbrechtlich legitimiert als auch von Elizabeth als Nachfolger nominiert[3] - stand sowohl das Parlament als auch die politische Elite des Landes seiner Regierung misstrauisch gegenüber. Zwar versuchte er anfangs einen Ausgleich zwischen Schotten und Engländern in seiner Regierung zu schaffen, doch bevorzugte er dabei seine schottische Entourage. Die wichtigsten Ämter waren der schottischen Elite vorbehalten. Zudem integrierte er seine Gefolgsleute im Privy Council, dem wichtigsten Verwaltungsorgan der Regierung[4].

Wie eingangs bereits erwähnt, war das grundlegende Problem seiner Herrschaft die Glorifizierung Elizabeth I. England wurde über 100 Jahre von den Tudors regiert, und gelangte vor allem unter Heinrich VIII. und Elizabeth I. zu Macht und zu großem Ansehen auf kontinentaleuropäischer Seit ebenso wie beim Volk. „[James] hatte nichts von der kraftvollen physischen Ausstrahlung Heinrichs VIII. oder der jungendlichen Schönheit der englischen Elisabeth. Anders als seine Vorgängerin zeigte er sich ungern in der Öffentlichkeit und scheute den Kontakt mit dem einfachen Volk.“[5] Durch ihre Sozialpolitik erschien Elizabeth dem englischen Volk als eine Königin, die für ihre Untertanen eintrat. Durch die Armengesetze von 1598 und 1601, die die Einführung einer Armensteuer zur Folge hatten, wurde den ärmeren Bevölkerungsschichten das Bewusstsein vermittelt, dass der Staat nicht nur für die Interessen der Reichen eintrete, sondern auch für die der Armen. Da sich England im 15. Jahrhundert mit einer neuen Armutswelle konfrontiert sah, muss diese Einstellung der Regierung weniger als Wohlfahrts-, sondern vielmehr als Propagandapolitik betrachtet werden, die die ärmeren gesellschaftlichen Schichten beschwichtigen sollte, indem sie ihnen einen Verbesserung ihrer Lage suggerierte. Auch wenn die von Elizabeth betriebene Sozialpolitik kaum erfolgreich war, blieben die erlassenen Armengesetze bis in die 30er Jahre des 19. Jahrhunderts bestehen und trugen dazu bei, die Ehrerbietung für Elizabeth zu fördern und zu rechtfertigen[6].

Erschwerend kam für James hinzu, dass er für das englische Volk als Schotte ein „Ausländer“ war. „Had James been an Englishman he might well have been given the benefit of any doubts, but as a stranger, and one, moreover, who was the author of the Trew Law of Free Monarchies, James seemed to embody a threat to this traditional framework which could not simply be ignored or allowed to pass unheeded in the general atmosphere of goodwill that greeted his arrival.”[7] Wie Lockyer an dieser Stelle seiner Darstellung analysiert, liegt hier der Beginn der Probleme der frühen Stuart-Herrscher mit dem englischen Parlament. Unter der 45 Jahre andauernden Regentschaft Elizabeth’ hatte das Parlament seinen festen Platz in den Regierungsgeschäften durch die Monarchin zugesprochen bekommen. Die Grenzen zwischen „matters of commonwealth“ und „matters of state“, zwischen denen Bereich Elizabeth unterschieden hatte, indem die Staatsangelegenheiten, zu denen auch die Prärogative gehörte, als ihre Domäne deutlich machte,[8] waren klar gezogen, und die Königin hatte die Privilegien des Parlaments, deren wichtigste das Steuerbewilligungsrecht, Redefreiheit sowie Freiheit vor Arrest waren, nicht angetastet[9]. Mit einem Dynastiewechsel bzw. einem neuen Monarchen war jedoch immer die Unsicherheit verbunden, bestehende Rechte und Privilegien zu verlieren, da diese erst vom jeweiligen Monarchen in der ersten Parlamentssitzung bestätigt werden mussten[10]. Somit sah sich James bei seiner Thronbesteigung mit einem misstrauischen Parlament konfrontiert, dessen Ziel es war, seine bestehenden Rechte und Privilegien zu bewahren. Zwar behielt James den Kurs seiner Vorgängerin bei, dem Parlament Redefreiheit zu gewährleisten, jedoch unterschied auch er zwischen „matters of state“ und „matters of commonwealth“. Anders allerdings als Elizabeth ließ James deutlicher erkennen, dass er auch bereit war, die Rechte des Parlaments einzuschränken. „Parliament, as he saw it, met at his command to do his business. […] The privileges […] were to enable them to do the King’s business more effectively, not to hold it up for reasons of their own.”[11] Zu Recht sah sich das Parlament in seiner bestehenden Ordnung bedroht. Auf der Parlamentssitzung von 1604 betonte James zwar, dass er die Rechte des Parlaments nicht zu beschneiden beabsichtige, aber auch, dass sie, da sie von seiner Gnade abhingen, nicht gegen ihn verwendet werden sollten[12]. Bereits durch seine Schrift The Trew Law of Free Monarchies, die das Devine Right of Kings vertrat, wussten die Abgeordneten die Ansichten des neuen Herrschers einzuschätzen. Durch die Haltung des Königs war eine neutrale Diskussion der Probleme, aus deren Anlass er das Parlament zusammenrief, nicht möglich, da stets darauf geachtet werden musste, was dem König entgegnet wurde, da von seiner Gnade die Rechte des Parlaments abhängig waren. Da der König allerdings auf einen Konsens mit dem Parlament auf Grund der Regelung des Steuerrechts angewiesen war, musste er einen offenen Konflikt mit den Abgeordneten vermeiden. Von dieser Tatsache konnte das Parlament allerdings auf Grund der Verdeutlichung des Gottesgnadentums nicht ausgehen, weswegen es seine Rechte bereits 1604 in seiner Form of Apology and Satisfaction zu verteidigen suchte: „The prerogatives of the king grow daily: liberties of the subject are at a stand; and if they be once lost are hardly to be recovered [..].[13] Somit wird deutlich, welche Gegensätze auf den Parlamentssitzungen unter James I. aufeinander prallten. Auf der einen Seite die Vorstellung des House of Commons, dass die königliche Prärogative nicht allumfassend ist, und die royalistische Ansicht, dass das Parlament in seinem Wirken einzig von der Gunst des Herrschers abhängig sei. Die Regierungszeit James I. sah sich zu Beginn somit mit Verfassungsfragen und -problemen konfrontiert, die die gesamte Herrschaftszeit überdauerten. Die Debatte um die königliche Prärogative stand dabei im Mittelpunkt. Während James versuchte, England zu regieren und zu stabilisieren, opponierte das Parlament auf jeder Session erneut, indem es die Prärogative einzuschränken versuchte. Aus diesem Grund sollen im weiteren Verlauf die Streitfragen um purveyance, wardship und impositions analysiert werden und an Hand des königlichen Rechts auf purveyance gezeigt werden, wie Elizabeth dieses Problem verhandelte und im Gegensatz zu James diesen Konfliktpunkt über zehn Jahre aus ihren Parlamenten fernhielt.

2.2 Purveyance und Impositions: Debatte um die königliche Prärogative

Die Debatte um die königliche Prärogative führte nicht erst unter den ersten beiden Stuart-Herrschern zu großen Diskussionen und Disputen zwischen Parlament und Monarch. Auch unter Elizabeths Parlamenten tauchte dieses Thema wiederholt auf, da die Grenzen zwischen „matters of state“ und „matters of commonwealth“ von beiden Seiten unterschiedlich interpretiert wurden. An dieser Stelle muss jedoch auf die Unterschiede bezüglich der Whig-Forschung des 17. Jahrhunderts und Vertretern des Revisionismus eingegangen werden. Heiner Haan und Gottfried Niedhart pointieren in ihrer „Geschichte Englands“ die Ansichten der Whig-Forschung prägnant: Elizabeth führte England zum Ruhm und alle gesellschaftlichen Gruppen waren zufrieden. Die Überglorifizierung Elizabeths bescherte der Bevölkerung das so genannte „Goldene Zeitalter“. Mit der Thronübernahme durch die Stuarts begann der Abstieg der Monarchie, da sie das Reich despotisch zu beherrschen versuchten, jedoch an einem resoluten Parlament scheiterten, das ein neues Selbstbewusstsein entwickelt hatte[14]. Der Revisionismus, wie Raingard Eßer ihn kurz zusammenfasst, betrachtet auch die Herrschaftszeit Elizabeth’ und der Tudors kritisch, und sieht den Ausbruch der englischen Revolution weniger unter dem Gesichtspunkt des Versagens der ersten beiden Stuart-Herrscher, sondern vielmehr als Resultat lang andauernder sozialer, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Wandlungsprozesse[15]. Diese kritische Betrachtung des Revisionismus ist nötig, um die Unterschied zwischen James und Elizabeth bei der Debatte um die königliche Prärogative richtig einordnen zu können. Wie bereits erwähnt gab es nicht erst unter James Konfliktpotential, wenn über Purveyance, Wardship und Impositions verhandelt wurde. Jedoch muss man einen näheren Blick darauf werfen, auf welche Weise Elizabeth und auf welche Weise James die Diskussionen angegangen sind. Aus diesem Grund soll am Beispiel von purveyance analysiert werden, wie Elizabeth Probleme zu lösen versuchte und wie James sein Vorgehen gestaltete. Maßgeblich dafür ist auf tudorscher Seite die Parlamentssession von 1589, da während dieser Sitzungsperiode der Streit um purveyance für mehr als 10 Jahre beigelegt wurde, und auf stuartscher Seite James’ erstes Parlament von 1604, da dieses Parlament die von Elizabeth übernommenen Staatsprobleme nicht zu lösen vermochte.

Das Jahr 1589 stand ganz im Zeichen der Nachwirkungen der Konfrontation mit der spanischen Armada. Zwar war die englische Flotte siegreich aus diesem Gefecht hervorgegangen, doch waren kriegerische Auseinandersetzungen stets mit immensen Kosten verbunden. Soldaten mussten untergebracht und versorgt, Materialien beschafft und Vorbereitungen für weitere Verteidigungsmaßnahmen nach der Schlacht getroffen werden. Aus diesem Grund berief Elizabeth 1589 ihr zehntes Parlament ein, das ihr zwar die benötigten Subsidien zusprach, allerdings in Anbetracht der militärischen Situation auf Missstände innerhalb des Königreichs zu sprechen kam. Dies betraf in erster Linie die königliche Prärogative, da das Recht des Monarchen auf Purveyance[16] in die Kritik geriet. Für den königlichen Haushalt gab es eine eigens zuständige Behörde, den Board of Greencloth[17]. Diese Behörde überwachte und berechnete die Ausgaben für die königliche Haushaltsführung, war somit also auch für die Eintreibung von Purveyance verantwortlich. Da England durch eine Zentralregierung geprägt war, die von dem Monarchen und dessen Privy Council ausging[18], war der Monarch auf die Zusammenarbeit mit den lokalen Verwaltungseinheiten angewiesen, da die einzelnen Shires des Königreiches nicht allein von London aus überwacht werden konnten. Demzufolge konnten auch die einzelnen Beamten in den lokalen Bezirken nur eingeschränkt überwachten werden. Zwar erhielten sie ihre Befehle von London, aber für deren Durchsetzung waren sie allein verantwortlich. Kam es zu Missbräuchen der Amtsgewalt, konnte erst durch die gewählten Abgeordneten der Bezirke im Parlament darauf aufmerksam gemacht werden, wenn diese von ihren Wählern darüber informiert wurden. Da es bereits in Friedenszeiten zum Machtmissbräuchen kam, ist es nicht verwunderlich, dass in Krisensituationen, wie es seit 1588 durch den Kampf mit der Armada der Fall war, verstärkte Überschreitungen des eigenen Kompetenzbereiches seitens der lokalen Verwalter die Regel waren. Den purveyeors, den Beamten, die für die Durchführung von Purveyance verantwortlich waren, wurde vorgeworfen, zu viel für den königlichen Haushalt von der Bevölkerung zu verlangen, was folglich auch Elizabeth in ein schlechtes Licht rückte, da ihr Hof somit als zu verschwenderisch galt. Auch die Versorgung der Soldaten auf der Basis von Purveyance geriet ins Kreuzfeuer. Ein Gesetz sollte deswegen die königliche Prärogative in Hinsicht auf Purveyance regeln, doch scheiterte dies an der Königin, indem sie verdeutlichte, dass sie Missbräuche ihrer Beamten selbst zu regeln vermochte[19]. Dies war ein eindeutiger Hinweis darauf, dass sie kein Eingreifen in ihre Domäne, die Prärogative duldete. Doch wird an ihrem weiteren Vorgehen mit diesem Missstand ihr politisches Kalkül sehr deutlich. Da sie auf eine Kooperation mit dem Parlament auf Grund seines Steuerbewilligungsrechts angewiesen war, und die Auseinandersetzungen mit Philipp II. weiterhin hohe Kosten zur Folge hatten, musste sie einen Kompromiss finden, der die Bevölkerung sowie dessen gewählte Abgeordnete im Parlament besänftigen konnte. Verbunden damit waren einerseits Anordnungen in Hinsicht auf Purveyance für die lokalen Verwalter in den Shires, andererseits eine Reformierung ihres Haushalts[20]. Zuständig dafür war eine Kommission, die aus Mitgliedern des Privy Council und des Board of Greencloth bestand. Das entscheidende taktische Kalkül bei der Kommission war die Integrierung von vier Mitgliedern der Commons, damit das Unterhaus maßgeblich an den Reformbestrebungen beteiligt war, obwohl es dazu eigentlich nicht berechtigt war, da die Prärogative nicht in seinen Bereich fiel. Auf diese Weise gelang es Elizabeth, ihre Prärogative zu bewahren, das Unterhaus von ihrer Großmütigkeit und Reformbereitschaft zu überzeugen sowie die benötigten Subsidien für den Spanienkrieg zu erhalten. Der Missstand um Purveyance trat in den späteren Parlamenten nicht mehr in Erscheinung, erst wieder unter James I.[21]

Unter James kam es durch den Board of Greencloth zu weiteren Missbräuchen und Korruption. Die Beamten dieser Behörde wirtschafteten mehr und mehr in die eigene Tasche, weswegen Elizabeth 1602 weitere Reformen, die den Board of Greencloth betreffen sollten, ankündigte, doch bewahrte ihr Tod 1603 die Institution vor weiteren Eingriffen. Die Probleme, die von ihr ausgingen, wurden an James weitergegeben, unter anderem trat auch wieder die Debatte um Purveyance auf. Im Gegensatz zu Elizabeth war James auf dieses System angewiesen, da er neben seinem eigenen Haushalt auch den seiner Frau sowie den seines Sohnes zu unterhalten hatte. Korruption und Missbräuche des Board of Greencloth sowie der purveyors in den Shires wurden von ihm zwar keineswegs gebilligt, doch konnte er eine Einschränkung der Prärogative in Hinsicht auf Purveyance nicht zulassen, da er von Elizabeth auch die Schulden, die durch den Spanienkrieg entstanden waren, übernommen hatte. Da allerdings auch er auf eine Kooperation mit dem Parlament angewiesen war – schließlich benötigte er die Subsidien des Parlaments – musste ein Kompromiss gefunden werden. In seinem Vorgehen unterschied er sich jedoch maßgeblich von seiner Vorgängerin. Während Elizabeth sich reformfreudig zeigte und auf diesem Weg ihre Subsidien erhielt, da sie Interesse für ihre Untertanen und die Parlamentarier zeigte, wollte James finanziell ausgeglichen werden, damit er auf das Recht auf Purveyance verzichtete. Für eine jährlich zu entrichtende Sondersteuer wäre Purveyance abgeschafft worden. An den sich daraus ergebenden Diskussionen lässt sich viel über das Selbstverständnis und den Kompetenzbereich des Parlaments sagen. Dass Purveyance ein Teil der Prärogative des Monarchin war und dass es darauf keinen Einfluss hatte, ließ sich nicht leugnen[22]. Allerdings sah es die Grenze zwischen der Rechtmäßigkeit der Prärogative und deren Illegalität anders als der Monarch. Im 14. Jahrhundert wurde der Gebrauch von Purveyance eingeschränkt, damit es nicht zu Ausbeutungen seitens der Monarchie kam. Es gab also ein Limit bei Purveyance. Das Parlament war stets zuständig, wenn „matters of commonwealth“ zur Debatte standen. Das Privateigentum der englischen Bevölkerung zählte zu den „matters of commonwealth“. Aus diesem Grund mussten Sondersteuern stets vom Parlament gebilligt werden, da dadurch in das Eigentum des Bürgers eingegriffen wurde. Durch Purveyance fand ein ebensolcher Eingriff in das Privateigentum der Untertanen statt, weswegen das Parlament sich dazu berechtigt sah, entsprechende Verstöße der Beamten zu ahnden und zu diskutieren. Der König hingegen sah Purveyance als ein über Jahrhunderte andauerndes Recht der Monarchie an. Wenn er es folglich aufgeben sollte, musste das Parlament für entsprechende andere Einnahmequellen sorgen, in diesem Fall in Form von einer jährlichen Gebühr. Beide Parteien, Parlament wie Monarchie, hatten somit unterschiedliche Auffassungen vom bestehenden Recht, weshalb es auch zu keiner Einigung zwischen den beiden Institutionen kommen konnte. Das Parlament wollte nicht für etwas zahlen, was in seinen Augen illegal war, und der König wollte nicht ohne finanzielle Entschädigung auf etwas verzichten, was überliefertes Recht und von den Richtern als legitim beurteilt worden war[23]. Entgegen der Whig-Forschung, die derartige Auseinandersetzungen zwischen König und Parlament nicht kritisch beurteilt, sondern nur einen König betrachtet, der despotisch zu herrschen und das Devine Right of Kings durchzusetzen versucht, ist an dieser Stelle ersichtlich, wie unnachgiebig beide Parteien auf Grund überlieferter Traditionen und Rechte waren. Gegenseitig versuchten sie, den Kompetenzbereich des anderen zu unterminieren. Was unter Elizabeth durch eine reformbereite Königin vermieden wurde, ließ sich unter James, der mehr als Elizabeth auf finanzielle Unterstützung des Parlaments angewiesen war, nicht mehr regeln.

[...]


[1] Stone, Lawrence: Ursachen der englischen Revolution 1529-1642. S 114

[2] Haan, H./ Niedhart, G.: Geschichte Englands vom 16. bis zum 18. Jahrhundert. S. 130 ff.

[3] Eßer, R.: Die Tudors und die Stuarts. S. 109

[4] Lockyer, R.: The Early Stuarts. A political history of England 1603-1642. S. 257

[5] Eßer, R.: Die Tudors und die Stuarts. S. 110

[6] Zur Entstehung der Armut vgl.Clay, C. G. A., Economic Expansion and Social Change. England 1500-1700. Bd. 2, S. 214-221; zur Armenfürsorge vgl. Slack, P., Poverty and Social Regulation in Elizabethan England. In Haigh, C. (Hrsg).: The reign of Elizabeth I. 1984, S. 221-241; Ders., The English Poor Law, 1531-1782. Studies in Economic and Social History, 1990

[7] Lockyer, R.: The early Stuarts. S. 43 f.

[8] Eßer, R.: Tudors. S. 88

[9] Vgl. hierzu die Darstellung der Freiheiten des englischen Parlaments bei Lockyer, R.: The early Stuarts, S. 137-145

[10] Abgesehen von dem Steuerbewilligungsrecht. Seit Anfang des 14. Jahrhunderts musste die Bewilligung von Sondersteuern, die nicht zur königlichen Prärogative gehörten, ausschließlich über das Parlament erfolgen; vgl. dazu Lockyer, The early Stuarts, S. 138; Wende, P.: Probleme der englischen Revolution, S. 27

[11] Lockyer, R.: The early Stuarts. S. 138

[12] Vgl. hierzu die Rede des Königs vor dem Unterhaus 1604 in Journals of the House of Commons 1547-1714, vol. 1, S. 58

[13] Tanner, J.R. Constitutional Documents of the reign of James I 1603-1625, S.222: in seiner Apology stellt das Parlament die Rechte und Freiheiten des Parlaments der königlichen Prärogative gegenüber; diese Rechte seien ebenso unantastbar wie die Prärogative, da sie durch Tradition ererbt seien und von den vorherigen Monarchen stets respektiert und akzeptiert wurden. Teile dieser Apology wurden in den Parlamentssessionen von 1621 wieder aufgegriffen, als Streitfragen bezüglich des Wirkungskreises der königlichen Prärogative debattiert wurden; vgl. dazu Notestein, W.: Commons Debates 1621, IV, S.17

[14] Haan, H./Niedhart, G.: Geschichte Englands vom 16. bis zum 18. Jahrhundert. S. 150

[15] Eßer, R.: Die Tudors und die Stuarts. S. 116-122

[16] Mit Purveyance ist das Recht des Monarchen oder der Monarchin gemeint, die für den eigenen königlichen Haushalt benötigten Dinge, wie beispielsweise Lebensmittel, günstiger von der Bevölkerung zu erwerben. In Kriegssituationen schließt dies die Versorgung der Soldaten durch die Bevölkerung mit ein. Vgl. Dazu Lockyer, R.: The early Stuarts S. 158-163

[17] Neale, J.E. Elizabeth and her Parliaments 1584-1601. S. 209

[18] Suerbaum, U.: Das eilisabethanische Zeitalter. S. 1989

[19] Neale, J.E.: Elizabeth I. and her Parliaments. S. 211

[20] Die Reformierung ihres Haushalts beschloss Elizabeth auf Anraten ihrer Richter und Berater.

[21] Neal, J.E.: Elizabeth and her Parliaments 1584-1601. S. 213 ff.

[22] Schröder, H.C.: Die Revolutionen Englands im 17. Jahrhundert. S. 20

[23] Lockyer, R.: The early Stuarts. S. 168 ff.

Ende der Leseprobe aus 34 Seiten

Details

Titel
Der Frühparlamentarismus in England unter der Stuart-Dynastie
Hochschule
Universität zu Köln  (Historisches Seminar)
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
34
Katalognummer
V81724
ISBN (eBook)
9783638877473
Dateigröße
435 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Frühparlamentarismus, England, Stuart-Dynastie, Cromwell, Parlament, Elizabeth I., 16. Jahrhundert
Arbeit zitieren
Christian Berwanger (Autor:in), 2006, Der Frühparlamentarismus in England unter der Stuart-Dynastie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/81724

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