Handlungsorientierte Vermittlung von Popmusik im Unterricht


Dossier / Travail, 2004

19 Pages, Note: 1,3


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einführung
1.1. Problemstellung und Zielsetzung
1.2. Ziele von Musikunterricht
1.3. Begriffsbestimmungen
1.3.1. Handlungsorientierter Unterricht
1.3.2. Popmusik

2. Popmusik im Musikunterricht
2.1. Begründung des Unterrichtsgegenstandes
2.2. Schwierigkeiten beim Unterrichten von Popmusik
2.3. Konzept einer handlungsorientierten Vermittlung
2.3.1. Chancen und Ziele
2.3.2. Unterrichtsphasen

3. Ausgewählte Unterrichtsmodelle
3.1. Rock n’ Roll
3.1.1. Ablauf
3.1.2. Kommentar zur Handlungsorientierung
3.2. Reggae als Musikstil
3.2.1. Beschreibung
3.2.2. Kommentar zur Handlungsorientierung

4. Schlussbemerkungen

Literaturverzeichnis

1. Einführung

1.1. Problemstellung und Zielsetzung

Musikunterricht bietet dem Lehrer und den Schülern die Möglichkeit, Unterrichtsinhalte praktisch zu erfahren. „Theoretische“ und „praktische“ Unterrichtseinheiten wechseln sich in der Regel ab. Während der theoretische „Stoff“ oft durch Frontalunterricht oder Lehrer-Schüler-Gespräch vermittelt wird, dient das praktische Musizieren oft der Abwechslung nach einer schwierigen Theorie-Einheit oder der Umsetzung des theoretisch Gelernten. Ich habe Musizierstunden gesehen, die kaum Bezug zu vorangegangenen oder noch folgenden „Theoriestunden“ hatten.

Die dargestellten Unterrichtssituationen sind keine Seltenheit und haben zur Folge, dass die Schüler mit Unterrichtsstoff wie durch einen Trichter gefüttert werden und es kaum erwarten können, endlich mal wieder praktisch musizieren zu dürfen, um sich von der Stoffzufuhr zu erholen. Am besten ein aktuelles Popstück, damit es Spaß macht.

Diese Einstellungen können kaum das Ziel von Musikunterricht sein. Selbst wenn der praktische Teil sich auf das Thema des Theoretischen bezieht, ist es oft zu spät, um den Schülern einen interessanten Musikunterricht mit hoher Lerneffizienz zu bieten.

Diese Arbeit soll untersuchen, inwieweit sich durch das Konzept des Handlungsorientierten Unterrichts die oben genannten Gefahren verhindern lassen und darüber hinaus ein Schülerorientierter Unterricht mit hohem Lerneffekt aufbauen lässt.

Das Thema Popmusik wird in der pädagogischen Diskussion nicht immer als geeigneter Unterrichtsgegenstand angesehen. Die Gefahren, denen sich Jugendliche durch den Konsum von Popmusik und deren Idole aussetzen, sind ernst zu nehmen.

Diese Arbeit stellt zunächst die Chancen und Risiken von Popmusik im Unterricht dar und zeigt darüber hinaus auf, wie eine handlungsorientierte Vermittlung von Popmusik aussehen kann und inwieweit dadurch die Erreichung der damit verbundenen Lernziele unterstützt werden kann.

1.2. Ziele von Musikunterricht

Die Herleitung der speziellen Unterrichtsziele erfolgt durch Übersetzung der Anforderungen übergeordneter allgemeiner Bildungsziele in Formulierungen für das Fach Musik. „Es gehört zu den allgemeinsten Zielen der Schule, den Lernenden bis zum Schulabschluss so weit zu fördern, dass er sich in der Gesellschaft orientieren kann und als ein verantwortliches Mitglied dieser Gesellschaft seine sozialen Rechte und Pflichten wahrzunehmen vermag.“[1]

Unmittelbar an der Gesellschaft orientiert sind die von Lugert definierten Ziele von Musikunterricht[2]:

- Der Schüler soll erkennen, welche verschiedenen Funktionen Musik in der Gesellschaft erfüllt, wie Musik aus dem sozialen Kontext sowohl entsteht, als auch auf ihn wirkt. Hierbei weist Lugert darauf hin, dass die fachlichen Kenntnisse nicht überflüssig werden, sondern Voraussetzung dafür sind, den musikalischen Ausdruck des gesellschaftlichen Menschen zu beschreiben, untersuchen, überprüfen und erlernen.
- Der Schüler soll lernen, die musikalische Wirklichkeit zu durchschauen. Auch diesem Ziel dient der Erwerb musikalischer Fachkenntnisse (z.B. die Kadenz im Blues). Zur musikalischen Wirklichkeit gehörend nennt Lugert „auch die Bereiche, die großen Einfluß auf das Musikleben haben: Medien, Musikindustrie, Verlage usw.“[3]

Als weitere wesentliche Bereiche nennt Lugert den der Technik (Entstehung von Stereoklang, Echo, Hall etc.) und den des Einsatzes musikalischer Mittel in Politik und Werbung. Letzterer soll insoweit durchschaut werden, dass die Schüler sich tendenziell den damit verbundenen Intentionen entziehen können und sich über die eingesetzten emotionalen Mechanismen bewusst werden.

Ich persönlich würde diesen Aspekt ergänzend auf die Popmusik und ihre Idole beziehen, die vor allem Kindern und Jugendlichen Verhaltensmuster vorleben, die ihrer Sozialisation nicht immer förderlich sind.

- Ziel des Musikunterrichts ist auch, den Schüler zu befähigen, sich der Musik aktiv zu bemächtigen, Musik auch für sich selbst als Ausdrucksmittel zu entdecken. Bei Vernachlässigung dieses Ziels wird nach Lugert die faktisch vollzogene Abtrennung des kulturellen Ausdrucks von der Masse der Bevölkerung reproduziert, anstelle ihre Aufhebung zu intendieren.
- Der Schüler soll lernen, mit den von ihm im Durchschnitt erreichbaren musikalischen Mitteln umzugehen und sich mit ihnen ausdrücken zu können.

1.3. Begriffsbestimmungen

1.3.1. Handlungsorientierter Unterricht

Um den Begriff der Handlungsorientierung auf den Musikunterricht anwenden zu können ist zunächst zu bestimmen, was im Folgenden unter diesem zu verstehen ist und was ihn von anderen Unterrichtsformen unterscheidet.

Gudjons versteht unter Handlungsorientiertem Unterricht den notwendigen Versuch, „tätige Aneignung von Kultur in Form von pädagogisch organisierten Handlungsprozessen zu unterstützen.“[4] Er bietet „die Möglichkeit, handelnd Denkstrukturen aufzubauen und den Zugang zur Welt nicht über ihre Abbilder, sondern durch vielfältige sinnliche Erfahrungen zu schaffen.“[5]

Eine inhaltlich-pädagogisch bestimmte Handlung hat nach Gudjons folgende zwei Merkmale:

- Der Handelnde bestimmt selbst (und/oder mit anderen) über das Vorhaben, er ist an der Planung beteiligt, identifiziert sich mit dem Sinn des Ganzen.
- Am Anfang jeder Handlung steht eine „Dissonanz“, d.h. eine echte Fragestellung, ein Auseinanderklaffen von aktueller und gewünschter Kompetenz, die vom Aktor selbst wahrgenommen wird – kurz ein zu lösendes Problem[6]. „Der Wunsch nach Behebung dieser Dissonanz setzt kognitive Prozesse in Gang“[7] und ist Voraussetzung für die Übernahme von Verantwortung.

Es bleibt im Folgenden zu untersuchen, inwieweit sich diese Forderungen auf den Musikunterricht übertragen lassen. Anhand des von Rauhe/Reinecke/Ribke begründeten Entwurf eines handlungsorientierten Musikunterrichts soll der Frage nachgegangen werden, welche Ziele mit diesem erreicht werden sollen.

Rauhe/Reinecke/Ribke haben ein Konzept entworfen, „das auf der Grundlage des Handlungsbegriffes eine optimale Verbindung zwischen Theorie und Praxis, von Reflexion und Aktion, Rezeption und Interaktion, von Hören und Musizieren herzustellen versucht.“[8] Als Ziel von Musikunterricht postulieren sie die Vermittlung von Handlungsfähigkeit, genauer: musikalische Erlebens- und Handlungskompetenz. Diese untergliedern die Autoren weiter in kommunikative Kompetenz, kommunikative Performanz und kritische Kommunikationsfähigkeit.[9] Maas sieht diese Auffächerung als unnötige Reduktion handlungsorientierter Lernziele und empfiehlt, „als Ziel des handlungsorientierten Musikunterrichts die Förderung von Handlungskompetenz in allen Dimensionen des Umgangs mit Musik sowie die Entwicklung der Erlebnisfähigkeit [...] Kommunizieren über Musik wäre dann als ein Bereich der musikalischen Handlungskompetenz neben anderen zu betrachten.“[10]

Diese Arbeit geht von dem Begriff Gudjons aus und umfasst die von ihm dargestellten Merkmale einer Handlung. Die Begriffsauffächerung von Rauhe/Reinecke/Ribke erscheint nicht ausreichend. Daher lehne ich mich an die oben geschilderte Zielvorstellung eines Handlungsorientierten Musikunterrichts von Maas an.

1.3.2. Popmusik

Der Begriff der Popmusik steht nach Graves/Schmidt-Joos/Halbscheffel als Abkürzung für populäre Musik (urspr. lat. Popularius: zum Volk gehörig, gemeinverständlich, volksnah, beliebt, allgemein bekannt, Zustimmung findend ,wohl mit gleichzeitiger Anlehnung an engl. pop: Knall, Schlag). und „wird insbesondere für die seit dem Rock n’ Roll entstandenen Rock-Stile gebraucht“[11]. Entgegen der Ausführungen von Flender/Rauhe, die den Begriff des „Pop“ mit der Kunstrichtung des Pop-art in Zusammenhang stellen, trennen sich Graves/Schmidt-Joos/Halbscheffel ausdrücklich davon. Der Begriff der Popmusik bedeutete in der Vergangenheit nicht immer dasselbe. Nach Graves/Schmidt-Joos/Halbscheffel kann mit dieser Abkürzung jedwede Musik bezeichnet werden, die nicht eindeutig unter die traditionelle Kunstmusik, also die sogenannte „E-Musik“ fällt („Ernste Musik“).

Im teilweisen Gegensatz dazu umfasst der Begriff „Popularmusik“ für Flender/Rauhe „ein breites Spektrum von Stilrichtungen, die ebenso unterhaltende wie ernste Musiken einschließen.“[12] Die Einordnung des Komplexes Popularmusik unter „U-Musik“ („Unterhaltungsmusik“), wie es im allgemeinen Sprachgebrauch bereits verankert ist, wäre danach falsch.

Popularmusik unterscheidet sich von der ihr vorausgegangenen bürgerlichen Musikkultur durch ihre Produktionsbedingungen. Sie wird nicht etwa durch Notenverlage oder die Städte finanziert, als ausschließlich von Schallplattenverlagen und Rundfunkanstalten.[13]

Sippel definiert Popmusik etwas beschreibender als „moderne populäre Musik, meist mit einem starken Beat, die mit elektrischen oder elektronischen Geräten erzeugt wird und die einfach zu verstehen sowie eingängig ist. Kennzeichnend für die Popmusik als soziokulturelles Phänomen ist ihre massenhafte Verbreitung und ihre mittlerweile feste Verankerung im Alltagsleben, die auf Vermarktung und den Möglichkeiten der technischen Unterhaltungsmedien beruht. Der Beginn der Popmusik wird oft mit der Entstehung von massenmedial verbreiteten und kommerziell verwerteten Jugendkulturen und mit der Entdeckung der Jugendlichen als Konsumenten in den 50er Jahren in Zusammenhang gebracht.[14]

2. Popmusik im Musikunterricht

2.1. Begründung des Unterrichtsgegenstandes

Die Popmusik hat sich seit ihrer Entstehung in den 50er Jahren beträchtlich in allen Bevölkerungsschichten verbreitet. Sie stellt einen bedeutenden Teil unseres heutigen Lebens dar, so dass der Status einer (jugendlichen) Subkultur der Popmusik nicht mehr gerecht wird. Man kann sich ihr im alltäglichen Leben nicht mehr entziehen. „Es gibt kaum einen Lebensbereich, der nicht musikalisch eingebettet oder durchdrungen ist. Musik wird dadurch zu einem soziologischen Faktum und zu einem wichtigen Sozialisationsfaktor.“[15] Die Medien bestrahlen uns geradezu mit ihrer emotional vielseitigen Wirkung.

Grund genug, dem Thema Popmusik im Musikunterricht einen nicht geringen Stellenwert einzuräumen. Allerdings klaffen die Meinungen der Musikpädagogen zu Popmusik und ihrer Thematisierung im Unterricht weit auseinander.

[...]


[1] Kraus, E. u.a.: Bildungsziele und Bildungsinhalte des Faches Musik, Mainz, 1970, S.17f.

[2] Lugert, W.D.: Grundriß einer neuen Musikdidaktik, Stuttgart, 1975, S.60ff.

[3] Lugert, W.D.: Grundriß einer neuen Musikdidaktik, Stuttgart, 1975, S.61

[4] Gudjons, H.: Handlungsorientiert lehren und lernen. Schüleraktivierung – Selbständigkeit – Projektarbeit, Bad Heilbrunn, 1997, S. 62

[5] Ebenda

[6] Vgl. Volpert 1992, S.14 in: Gudjons, H.: Handlungsorientiert lehren und lernen. Schüleraktivierung – Selbständigkeit – Projektarbeit, Bad Heilbrunn, 1997, S. 63

[7] Aebli 1980, S. 20f. in: Gudjons, H.: Handlungsorientiert lehren und lernen. Schüleraktivierung – Selbständigkeit – Projektarbeit, Bad Heilbrunn, 1997, S. 63

[8] Rauhe, H., Reinecke, H.P., Ribke, W.: Hören und Verstehen: Theorie und Praxis handlungsorientierten Musikunterrichts, München, 1975, S.10

[9] Vgl. Rauhe, H., Reinecke, H.P., Ribke, W.: Hören und Verstehen: Theorie und Praxis handlungsorientierten Musikunterrichts, München, 1975, S.183f.

[10] Maas, G.: Handlungsorientierte Begriffsbildung im Musikunterricht, Mainz, 1989, S.103

[11] Graves, B., Schmidt-Joos, S., Halbscheffel, B.: Das neue Rock-Lexikon 2, Reinbeck, 1998, S.1073

[12] Flender, R./Rauhe, H.: Popmusik – Geschichte, Funktion, Wirkung und Ästhetik, Darmstadt, 1989, S.15

[13] Vgl. Flender, R./Rauhe, H.: Popmusik – Geschichte, Funktion, Wirkung und Ästhetik, Darmstadt, 1989, S.15

[14] Sippel, Hanns-Jörg: Pop und Politik in: Themenblätter im Unterricht, Ausgabe 9, Bonn, 2001, S.2

[15] Flender, R./Rauhe, H.: Popmusik – Geschichte, Funktion, Wirkung und Ästhetik, Darmstadt, 1989, S.160

Fin de l'extrait de 19 pages

Résumé des informations

Titre
Handlungsorientierte Vermittlung von Popmusik im Unterricht
Université
University of Hamburg  (Erziehungswissenschaften)
Cours
Fachdidaktik Musik 2
Note
1,3
Auteur
Année
2004
Pages
19
N° de catalogue
V81789
ISBN (ebook)
9783638885263
ISBN (Livre)
9783640582662
Taille d'un fichier
447 KB
Langue
allemand
Annotations
Neben einer theoretischen Bearbeitung des Themas erfolgt ein Bezug zur Praxis, indem Erfahrungen aus einem Schulpraktikum hinzu gezogen werden.
Mots clés
Handlungsorientierte, Vermittlung, Popmusik, Unterricht, Fachdidaktik, Musik
Citation du texte
Marco Vorwig (Auteur), 2004, Handlungsorientierte Vermittlung von Popmusik im Unterricht, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/81789

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