„Meine zentrale These lautet, dass Muslime schlicht neue Interessengruppen und ein neues Wählerreservoir darstellen, und dass die politischen Systeme in Europa sich als Folge dieser veränderten Prozesse der Repräsentation, Herausforderung und Kooperation ebenfalls verändern werden.“
In ihrer umfassenden Studie zu den politischen Einstellungen muslimischer Eliten in Europa kommt die Politikwissenschaftlerin Jytte Klausen zu diesem nicht zu unterschätzenden Fazit. Es bedeutet, dass der – wie auch immer geartete – Einfluss der in Europa lebenden Muslime das europäische Parteiensystem verändert, wie es z.B. die Ökologiebewegung in den 80er Jahren getan hat. Ob diese These zu halten ist, bzw. in welchem Maße solche Veränderungen bereits stattfinden, soll diese Arbeit für Deutschland klären. In Europa leben mittlerweile über 15 Millionen Muslime, in Regionen mit starker – zum großen Teil illegaler – Zuwanderung steigt der Anteil der Menschen islamischen Glaubens rapide an. Die Zahl der in Deutschland lebenden Muslime wird auf 3,4 Millionen geschätzt. Davon sind etwa 400.000 wahlberechtigt, das entspricht 0,7% aller Wahlberechtigten. Diese Quote wird mit Blick auf die sinkenden Geburtenraten bei von Geburt an Deutschen in den nächsten Jahren deutlich steigen. Aufgrund dieser Zahlen wird es für deutsche Parteien immer wichtiger, wie sie sich zu Muslimen und ihren Themen positionieren, insbesondere bei Kommunalwahlen in größeren Städten wie Berlin oder Köln, wo muslimischer Einwanderer in größeren Mengen wohnen. Denn das Wahlempfehlungen bestimmter gesellschaftlicher Gruppierungen wie z.B. religiöser Gemeinschaften entscheidend sein können, wird vor allem deutlich, wenn Bundestagswahlen so knapp ausgehen wie 2002. Ein weiterer wichtiger Faktor ist die seit dem 11. September 2001 steigende Einsicht der Muslime, dass sie am öffentlichen und politischen Leben partizipieren sollten.
Aber auch die deutschstämmige Bevölkerung will immer mehr über die politische Einstellung der Parteien gegenüber dem Islam wissen. Spätestens seit dem 11. September 2001 ist das Interesse am Islam in Deutschland und Europa massiv gewachsen. Viele Einwohner empfinden den Islam als Bedrohung und dies in steigender Tendenz. Also müssen sich die Parteien nicht nur zu innenpolitischen – meist die Integration betreffenden – Fragen äußern, sondern auch verstärkt zum Nah-Ost-Konflikt Stellung beziehen und ihre Unterstützung der USA im Krieg gegen den Terror bzw. gegen Afghanistan und den Irak bekunden oder verneinen. Nicht zuletzt bewegt die Frage eines möglichen EU-Beitrittes der Türkei die Gemüter der Deutschen, aber auch der hier lebenden Türken.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Fragestellung
- Quellenlage
- Definitionen
- A. Islamische Wählerklientel und Abgeordnete
- A.1. Islamische Wählerklientel und deutsche Parteien
- A.1.1. Wahlpräferenzen von Muslimen
- A.1.1.1. Bundestagswahlen
- A.1.1.2. Landtagswahlen
- A.1.2. Islamische Organisationen und ihre Wahlprüfsteine
- A.1.2.1. Zentralrat der Muslime in Deutschland e. V.
- A.1.2.2. Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland
- A.1.2.3. Muslim Markt
- A.1.2.4. Deutsche Muslim Liga e. V.
- A.1.2.5. Türkisch Islamische Union der Anstalt für Religion e. V.
- A.1.2.6. Islamische Gemeinschaft Milli Görüs
- A.1.2.7. Vergleich: Wahlempfehlungen Christlicher Gruppierungen
- A.1.1. Wahlpräferenzen von Muslimen
- A.2. Islamische Abgeordnete
- A.1. Islamische Wählerklientel und deutsche Parteien
- B. Etablierung einer islamischen Partei in Deutschland
- B.1. Muslime in Deutschland – eine neue cleavage structure?
- B.2. Beispiel: Partei Bibeltreuer Christen
- B.3. Gedankenexperiment
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht den Einfluss muslimischer Wähler auf das deutsche Parteiensystem. Ziel ist es zu klären, inwieweit deutsche Parteien auf die muslimische Klientel eingehen, wie Muslime ihr Wahlverhalten bestimmen und ob die Etablierung einer islamischen Partei in Deutschland möglich ist. Die Arbeit analysiert Wahlpräferenzen, die Rolle islamischer Organisationen, die Repräsentation muslimischer Interessen durch Abgeordnete und vergleicht die Situation in Deutschland mit anderen europäischen Ländern.
- Wahlpräferenzen muslimischer Wähler in Deutschland
- Der Einfluss islamischer Organisationen auf das Wahlverhalten
- Die Rolle muslimischer Abgeordneter im deutschen Parteiensystem
- Die Möglichkeit der Etablierung einer islamischen Partei
- Vergleich mit anderen europäischen Ländern und ähnlichen Gruppierungen (z.B. Partei Bibeltreuer Christen)
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung stellt die zentrale These vor, dass Muslime ein neues Wählerreservoir darstellen, das das europäische Parteiensystem verändert. Sie betont die wachsende Bedeutung der muslimischen Bevölkerung in Europa und Deutschland und die damit verbundene Herausforderung für deutsche Parteien, sich zu muslimischen Themen zu positionieren. Die Arbeit untersucht, ob und inwieweit diese Veränderungen bereits stattfinden.
Fragestellung: Dieses Kapitel formuliert die Forschungsfragen der Arbeit. Es geht darum, ob deutsche Parteien explizit auf die muslimische Klientel eingehen, ob Muslime die politischen Ausrichtungen der Parteien kennen und danach ihr Wahlverhalten richten, ob bestimmte Parteien bevorzugt werden und ob Ereignisse wie die Möllemann-Affäre den Einfluss auf das Wahlverhalten hatten. Zusätzlich wird die Rolle der Stellungnahme der Parteien zum EU-Beitritt der Türkei untersucht. Auch die Repräsentation muslimischer Interessen durch Abgeordnete wird thematisiert.
Quellenlage: Das Kapitel beleuchtet die Herausforderungen bei der Datenerhebung. Die Quellenlage wird als unsicher beschrieben, da es sich zum Teil um Selbstdarstellungen handelt, insbesondere von Organisationen wie Milli Görüs, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Die stichprobenartigen Erfassungen und das Fehlen repräsentativer Umfragen erschweren verallgemeinernde Aussagen. Das Prinzip der Taqiya wird als weiterer Faktor erwähnt, der die Interpretation von Informationen erschwert.
Definitionen: In diesem Kapitel werden die Begriffe Islam, Islamismus und politischer Islam differenziert. Der Islam wird als Religion an sich definiert, unabhängig von Ausprägungen. Muslime werden als Anhänger dieser Religion bezeichnet, unabhängig ihrer ethnischen Zugehörigkeit. Die Unterscheidung ist wichtig, um die Komplexität des Themas zu erfassen und Verallgemeinerungen zu vermeiden.
Schlüsselwörter
Muslimische Wähler, deutsches Parteiensystem, Wahlverhalten, Islamische Organisationen, Wahlprüfsteine, muslimische Abgeordnete, Parteiengründung, Integration, Cleavage-These, Europa, Islam, Islamismus, Politischer Islam.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu: Islamische Wählerklientel und Abgeordnete in Deutschland
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Die Arbeit untersucht den Einfluss muslimischer Wähler auf das deutsche Parteiensystem. Sie analysiert Wahlpräferenzen von Muslimen, die Rolle islamischer Organisationen, die Repräsentation muslimischer Interessen durch Abgeordnete und die Möglichkeit der Etablierung einer islamischen Partei in Deutschland. Ein Vergleich mit anderen europäischen Ländern und ähnlichen Gruppierungen (z.B. Partei Bibeltreuer Christen) wird ebenfalls gezogen.
Welche Forschungsfragen werden gestellt?
Die Arbeit untersucht, ob und wie deutsche Parteien auf die muslimische Klientel eingehen, wie Muslime ihr Wahlverhalten bestimmen (Einfluss von Parteien, Organisationen, Ereignissen wie der Möllemann-Affäre und der Haltung zum EU-Beitritt der Türkei), ob bestimmte Parteien bevorzugt werden und wie muslimische Interessen durch Abgeordnete repräsentiert werden.
Welche Themenschwerpunkte werden behandelt?
Die Arbeit befasst sich mit den Wahlpräferenzen muslimischer Wähler, dem Einfluss islamischer Organisationen auf das Wahlverhalten, der Rolle muslimischer Abgeordneter, der Möglichkeit einer islamischen Partei und einem Vergleich mit anderen europäischen Ländern und ähnlichen Gruppierungen.
Welche Organisationen werden untersucht?
Die Arbeit analysiert verschiedene islamische Organisationen in Deutschland, darunter der Zentralrat der Muslime in Deutschland e.V., der Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland, Muslim Markt, die Deutsche Muslim Liga e.V., die Türkisch Islamische Union der Anstalt für Religion e.V., die Islamische Gemeinschaft Milli Görüs und vergleicht diese mit christlich-politischen Gruppierungen.
Wie wird die Quellenlage bewertet?
Die Quellenlage wird als kritisch eingeschätzt, da es an repräsentativen Umfragen mangelt und die verfügbaren Daten oft Selbstdarstellungen, insbesondere von Organisationen wie Milli Görüs (die vom Verfassungsschutz beobachtet wird), darstellen. Das Prinzip der Taqiya wird als weiterer Faktor genannt, der die Interpretation der Daten erschwert.
Wie werden die Begriffe "Islam", "Islamismus" und "politischer Islam" definiert?
Der Islam wird als Religion an sich definiert, unabhängig von Ausprägungen. Muslime werden als Anhänger dieser Religion bezeichnet, unabhängig ihrer ethnischen Zugehörigkeit. Die Unterscheidung dieser Begriffe dient dazu, die Komplexität des Themas zu erfassen und Verallgemeinerungen zu vermeiden.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Muslimische Wähler, deutsches Parteiensystem, Wahlverhalten, Islamische Organisationen, Wahlprüfsteine, muslimische Abgeordnete, Parteiengründung, Integration, Cleavage-These, Europa, Islam, Islamismus, Politischer Islam.
Welche zentrale These wird aufgestellt?
Die zentrale These ist, dass Muslime ein neues Wählerreservoir darstellen, das das europäische Parteiensystem verändert und eine Herausforderung für deutsche Parteien darstellt, sich zu muslimischen Themen zu positionieren.
Wie sind die Kapitel aufgebaut?
Die Arbeit gliedert sich in eine Einleitung, die Fragestellung, die Quellenlage, Definitionen, einen Abschnitt zu islamischen Wählerklientel und Abgeordneten (inkl. Wahlpräferenzen und Rolle islamischer Organisationen), einen Abschnitt zur Etablierung einer islamischen Partei in Deutschland (inkl. einem Vergleich mit der Partei Bibeltreuer Christen) und ein Fazit.
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- Felix Strüning (Autor), 2006, Deutsche Parteien und islamische Wählerklientel, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/81884