Lernstrategien als Instrument zur Autonomisierung der Lernenden im DaF-Unterricht

Eine Perspektive der Lehrenden


Mémoire de Maîtrise, 2007

102 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

0 Einleitung

1. Autonomie der Lernenden: Ein Konzept und seine Grundlagen
1.1 Begriffsdefinition
1.2 Lerntheoretische Grundlagen
1.2.1 Die kognitive Perspektive des Lernens
1.2.2 Die konstruktivistische Perspektive des Lernens
1.2.3 Die subjektwissenschaftliche Perspektive des Lernens

2. Autonomie der Lernenden im schulischen Lernkontext
2.1 Erweiterte Unterrichtsziele
2.2 Veränderte Rollen von Lernenden und Lehrenden
2.3 Offene Unterrichtsformen und neue Unterrichtsabläufe
2.4 Evaluation des Lern- und Lehrprozesses

3. Lernstrategien als Instrument zur Förderung der Lernerautonomie im DaF-Unterricht
3.1 Das Konzept der Lernstrategie und ihre Rolle im Lernprozess
3.2 Einteilung von Lernstrategien
3.3 Ausgewählte Lernstrategien im Überblick
3.3.1 Direkte (kognitive) Lernstrategien
3.3.1.1 Gedächtnisstrategien
3.3.1.2 Sprachverarbeitungsstrategien
3.3.2 Indirekte Lernstrategien
3.3.2.1 Strategien zur Regulierung des eigenen Lernens.
3.3.2.2 Soziale Lernstrategien
3.3.3 Sprachgebrauchsstrategien
3.3.3.1 Vorwissen nutzen
3.3.3.2 Mit allen Mitteln wuchern
3.4 Vermittlung von Lernstrategien

4. Einsatz von Lernstrategien als Hinführung der Lernenden zur Autonomie - Ergebnisse einer Befragung
4.1 Ziel und Anlage der Untersuchung
4.2 Rolle von Lernstrategien im DaF-Unterricht
4.3 Vermittlung von Lernstrategien im unterrichtlichen Kontext
4.4 Anwendung von Lernstrategien im DaF-Unterricht

5. Schlussfolgerungen

6. Literaturverzeichnis

7. Streszczenie

8. Anhang

0 Einleitung

„Lehrer öffnen Türen: Eintreten, musst du selbst“

Chinesisches Sprichwort

Lehrende können beim Wissenserwerb helfen, aber das tatsächliche Resultat hängt von den Lernenden selbst ab. Das bewusste Lernen ist ein Prozess, in dem aktive Arbeit und Engagement der Lernenden erforderlich sind. Die fortschreitende Globalisierung, die Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt, die mit dem steigenden Wohlstand gewachsene Mobilität der Menschen in der Freizeit sowie im Berufsleben, die Entstehung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien haben zur Folge, dass ein lebenslanges Weiterlernen unvermeidbar geworden ist.

Fremdsprachen gehören zweifelsohne zur Standardausbildung. Es muss auch betont werden, dass unterschiedliche Zugangsweisen zum Lernstoff unter Einsatz verschiedener Lernstrategien erforderlich sind, um erfolgreiches Lernen zu ermöglichen. Verschiedene Lernende entscheiden sich dabei für unterschiedliche Lernwege. Den Lernenden muss auch bewusst gemacht werden, wie sie effizient lernen können, weil sie nur so ihr Lernen selbst steuern können. Sie müssen dazu befähigt werden, eigene Schwerpunkte zu setzen, eigene Lernziele festzulegen, den Lerngegenstand auszuwählen und ihn in einzelne Lernschritte aufzuteilen. Zusätzlich darf selbstverständlich die Fähigkeit zur Selbstevaluation des Lernprozesses sowie der Ergebnisse nicht vernachlässigt werden.

Man darf auch nicht vergessen, dass die Vorbereitung der Lernenden auf das selbstständige Lernen und die Hinführung zur Lernerautonomie zweckmäßig ist. Autonome Fremdsprachenlerner sind fähig, die eigenen Lerninhalte auszuwählen und ihre Progression festzulegen, die zu einem spezifischen Lernziel führenden Lernwege zu identifizieren und die eigenen Lernfortschritte zu bewerten. Dazu ist eine intensive Beschäftigung mit dem Lernprozess sowie mit den Lernstrategien, die diesen Lernprozess auf allen Etappen begleiten, notwendig.

Das Hauptziel dieser Arbeit ist darzustellen, auf welche Art und Weise Lernstrategien als Instrument zur Autonomisierung der Lernenden im DaF-Unterricht eingesetzt werden können.

Im ersten der drei Kapitel, die den theoretischen Teil der vorliegenden Arbeit bilden, wird auf das Konzept der Lernerautonomie eingegangen. Es wird die Definition des Konzeptes Lernerautonomie gezeichnet sowie die ihr zugrunde liegenden kognitiven, konstruktivistischen und subjektwissenschaftlichen Lerntheorien dargestellt.

Im zweiten Kapitel wird die Autonomie der Lernenden im schulischen Lernkontext analysiert. Beschrieben werden hier erweiterte Ziele des Fremdsprachenunterrichts, Voraussetzungen für die Autonomie der Lernenden, offene Unterrichtsformen sowie die Evaluation des Lern- und Lehrprozesses.

Den Gegenstand des dritten Kapitels bilden Lernstrategien. Neben dem Versuch einer Begriffserklärung wird auch die Rolle der Lernstrategien und eine Übersicht über Klassifikationsvorschläge der Lernstrategien geliefert. Darüber hinaus wird, in Anlehnung an Bimmel/Rampillon (2000), eine Übersicht über Lernstrategien zusammengestellt. Abschließend werden die Prinzipien der Vermittlung von Lernstrategien zusammengefasst.

Im vierten Kapitel, das den Forschungsteil dieser Magisterarbeit bildet, werden Ergebnisse einer Befragung dargestellt, die den Einsatz und die Vermittlung von Lernstrategien im DaF-Unterricht sowie ihre Rolle bei der Hinführung der Lernenden zur Autonomie ermittelt.

Anhand der Ergebnisse der Befragung werden Schlussfolgerungen formuliert.

1. Autonomie der Lernenden: Ein Konzept und seine Grundlagen

1.1 Begriffsdefinition

Das Konzept der Lernerautonomie findet schon seit Comenius in der Geschichte der Pädagogik Anwendung. Eine besonders wichtige Rolle spielt dieses Konzept in der Waldorf und Montessoripädagogik. Die Lernerautonomie ist somit nicht nur ein fremdsprachliches Konzept, sondern für alle Fächer als ein allgemeines pädagogisches Konzept gedacht.

Der Begriff der Lernerautonomie wird mit dem Fremdsprachenunterricht verbunden und damit assoziiert man gleichzeitig einen Begriff, der besonders in der Praxis entwickelt worden ist (vgl. Wolff 2002). Einen besonderen Stellenwert erreicht die Lernerautonomie in der Fremdsprachendidaktik, wie in den achtziger Jahren die Begriffe „authentisch oder „kommunikativ“ erreicht haben (vgl. Little 1994:431). In der Fremdsprachendidaktik unterscheidet man verschiedene Konzepte wie „offener Unterricht“, „handelnder Unterricht“, „Projektunterricht“, „freie Arbeit“ oder „praktisches Lernen“ (vgl. van Dick 1991). Das Konzept der Lernerautonomie ist komplex und facettenreich. Seit seiner konzeptuellen Geburt in den siebziger Jahren, unter dem Einfluss von Henri Holec, hat sich das Konzept der Lernerautonomie zunehmend weiterentwickelt (vgl. Martinez 2004). Die Definitionsbildung „Lernerautonomie“ prägten Holec (1981), Allwright (1988) und Wenden (1991). Um sich genauer mit dem Begriff auseinanderzusetzen, sollte zuerst der Begriff der Autonomie des Lernens erfasst werden. Holec bezeichnet Lernerautonomie als eine der erzieherischen Innovationen, die auf der Notwendigkeit beharren, die Freiheit des Individuums zu entfalten. Dabei müssen jedoch die Fähigkeiten gefördert werden, die einen Lernenden dazu befähigen, selbstbestimmt in einer Gesellschaft zu handeln. Holec beschreibt Lernerautonomie als die Fähigkeit, die Verantwortung für sein eigenes Lernen zu übernehmen (vgl. Holec 1981 in Neuner-Anfindsten 2005).

„Autonomy is the ability to assume responsibility for one’s own affairs. In the context, with witch we are dealing, the learning of languages, autonomy is consequently the ability to take charge of one’s own learning” (Holec 1994:3).

Holec unterstreicht drei Schlüsselkomponenten der Lernerautonomie:

- die Fähigkeit sich im Lernprozess autonom zu verhalten und durch entsprechende Lernstrukturen diese Fähigkeit zu entfalten, bedingen einander (vgl. Holec 1981, 1985, 1988 in Neuner-Anfindsen 2005)
- Lernerautonomie kann nur durch die Möglichkeit, selbst bestimmtes Lernen zu üben, entwickelt werden (vgl. Holec 1981, 1985)
- Das Prinzip der vollen Kontrolle der Lernenden über Entscheidungen, die ihr eigenes Lernen betreffen und das Konzept des Unterrichts oder der Beratung als Unterstützung dessen müssen eingehalten werden (vgl. Holec 1985; 1987 in Neuner-Anfindsen 2005).

Holec betont also, dass die Lernenden ihr Lernen selbst steuern sollten und dafür Eigenverantwortung tragen.

Allwright (1988 in Neuner-Anfindsen 2005) hingegen stellt bezüglich der Lernerautonomie folgendes fest:

„The term is […] associated with a radical restructuring that involves the rejection of the traditional classroom and the introduction of wholly new ways of working“ (Allwright 1988:35).

Es wird eine vollständige Abkehr vom gewohnten Unterrichtsablauf verlangt. Allwright (1988) schlägt vor, dass die Lernenden autonomes Lernverhalten im Lehr-Lernkontext des Klassenraumes identifizieren und fördern können. Allwright zweifelt an der Verallgemeinerbarkeit des Konzepts von Holec, das eine Ablehnung traditioneller Lehr- und Lernstrukturen impliziert, und weist darauf hin, dass Autonomie und Individualisierung Kennzeichen des alltäglichen Unterrichtsgeschehens sind (vgl. Martinez 2004).

Wendens (1991) Ansatz hat einen breiteren lerntheoretischen Rahmen und bezieht sich auf methodologisches Lerner-Training, auch im Hinblick auf den Gebrauch von Lernstrategien und die Entwicklung von Lernerautonomie. Lehr- und Lernumgebung spielen in der Lernerautonomie keine Rolle:

„In effect, successful or expert learners have learned how to learn. They have acquired the learning strategies, the knowledge about learning, and the attitudes that enable them to use these skills and knowledge confidently, flexibly, appropriately and independently of a teacher. Therefore, they are autonomus.” (Wenden1991:15 zitiert nach Neuner-Anfindsen 2005:15)

Bimmel und Rampillon erklären den Begriff als:

„[...]Entscheidungen der Lernenden, die von den Lernenden selbst getroffen werden. Die Lernenden entscheiden selbst was sie lernen und vor allem wie sie vorgehen, um zu lernen; welche Materialien und Hilfsmittel sie verwenden, ob sie allein oder zusammenarbeiten; wie sie kontrollieren, ob sie erfolgreich gelernt haben. Aufgrund der außerhalb der Schule gewachsener Selbstbestimmung von Jugendlichen und Erwachsenen ist es notwendig, über mehr Selbstbestimmung auch in der Schule nachzudenken“ (Bimmel/Rampillon 2000:196).

Dräxler (1996) bezeichnet Lernerautonomie als ein Verhalten das aufgrund der Einsicht in die Natur menschlichen Lernens die Verantwortlichkeit für das eigene Lernen akzeptiert.

„Das lernende Individuum

- initiiert das eigene Lernen, indem es sich Ziele setzt und Inhalte auswählt,
- organisiert das eigene Lernen durch Auswahl der Lernweisen, -mittel, -orte und – zeiten, evaluiert selbst seine Lernleistungen
- reflektiert und verbessert seine Lerntätigkeiten „ (Dräxler 1996 zitiert na Storch 1999:23).

Nach Little ist wiederum die Autonomie die Bereitschaft zur kritischen Reflexion. Die Lernenden sollten unabhängige Entscheidungen treffen können und selbständig handeln (vgl. Little 1999). Das Lernen ist in einem gesamten Komplex der Lernprozesse eingeschlossen (vgl. Little 1999 in Neuner- Anfindsen 2005). Breen und Mann (1997) charakterisieren Lernerautonomie als eine Lebensart, die selbst von den Lernenden entdeckt werden muss.

Da die einzelnen Menschen in einer Gesellschaft als Individuen wahrgenommen werden, sollte auch das autonome Lernen als ein individueller Prozess betrachtet werden. Diese Individualität wird von verschiedenen Bereichen bestimmt, wie die eigenen Bedürfnisse, die Ziele, die sich die Lernenden bei der Fremdsprachenaneignung setzen, die Fähigkeiten, über die die Lernenden verfügen und letztendlich der Erfolg des autonomen Lernens, der durch die Lernenden selbst erreicht werden kann (vgl. Little 1999). Menschen sind Individuen und vertreten verschiedene Anschauungen. Die Lernenden erleben ihr Potenzial bzw. ihre Grenzen im Austausch mit anderen Lernenden. Ohne das Bewusstsein für diesen Zusammenhang kann die Entwicklung der Persönlichkeit sowie die Entwicklung des autonomen Lernens nicht vollständig gelingen. Die Lernenden sollten selbst in eine fremde Sprache eindringen, um in ihr heimisch zu werden und einen Blick in alle Geheimfächer der Sprache zu werfen. Sie sollten also an den Punkt kommen, die Fremdsprache sehr gut zu kennen, sie nicht zu fürchten und der Sprache so mächtig sein wie ihrer Muttersprache.

Dabei sind Geduld und Durchhaltevermögen vorausgesetzt, die die Lernenden in erstaunliche Bereiche der Sprachbeherrschung führen können.

Somit ist eine Kooperation unter den Lernenden die Voraussetzung für autonomes Lernen (vgl. Altmayer 2005).

Nach Nodari (1996) ist die Lernerautonomie durch die „vier Pfeiler“ gekennzeichnet:

„- die optimale Orientierung im Lehr-/Lerngeschehen
- die bewusste Übernahme von Verantwortung für das eigene Lernen
- die Reflexion über das eigene Lernen und die Optimierung des Lernverhaltens
- die Reflexion über fremde und eigene kulturelle Prägungen“ (Nodari1996:8).

Benson (1997) bereichert das didaktische Begriffsfeld um eine weitere Definition. Er unterscheidet drei Varianten von Lernerautonomie: einer technischen, einer psychologischen und einer politischen Variante. Auch hier fällt Lernerautonomie mit dem selbst gesteuerten Lernen zusammen. Technische Lernerautonomie wird als Lernen außerhalb eines institutionalisierten Lernkontextes ohne Verbindung mit dem Lehrer verstanden. Die psychologische Version definiert Lernerautonomie als Fähigkeit, Verantwortung für das eigene Lernen zu übernehmen und sieht die Entfaltung der Lernerautonomie als einen niemals lebenslangen Prozess immer größerer Beeinflussung auf die eigenen Lernprozesse. Bei der politischen Variante wird das Konzept im Zusammenhang mit der Kontrolle von Lernprozessen und Lerninhalten gesehen. Das zentrale Anliegen der politischen Version der Lernerautonomie bezieht sich auf die Bedingungen, unter welchen es Lernenden möglich ist, sowohl ihr eigenes Lernen als auch die institutionellen Kontexte zu kontrollieren, in welchen ihr Lernen stattfindet (vgl. Benson 1997). Der Begriff „Autonomie“ wird synonym zu „Selbstverantwortung und „Selbständigkeit“ gebraucht. „Dabei wird der ursprüngliche Bedeutungsaspekt der völligen Unabhängigkeit ausgeblendet“ (Rampillon 2003:5). Beim autonomen Lernen werden gewisse Rahmenbedingungen wie z.B. das Schulsystem oder der Lehrplan zur Kenntnis genommen und es muss darauf geachtet werden, dass autonomes Lernen nicht mit einer Isolation der Lernenden verwechselt wird. Der Erwerb von fremdsprachlichem Wissen sollte die Persönlichkeit der Lernenden entwickeln und ihre Teamfähigkeit fördern. Der Fremdsprachenunterricht sollte auch zur Selbstentscheidung und Selbsttätigkeit aktivieren. Termini wie: „Selbststeuerung“, „Selbstregulierung“, „Selbstorganisation“ werden häufig gleichwertig benutzt (Rampillon 2003:5).

Für alle Versionen von Lernerautonomie gilt, dass sie in keiner Weise auf fremdsprachliches Lernen begrenzt sind. Lernautonome Konzepte sind allgemeine pädagogische Konzeptionen und nicht zuletzt deshalb wird sich die Lernerautonomie auf lange Sicht als ein übergeordnetes Erziehungsziel durchsetzen (vgl. Wolff 2003).

1.2 Lerntheoretische Grundlagen

Wie das Lernen funktioniert, wird schon seit Jahrhunderten erforscht worden. Das Lernen wissenschaftlich vollständig und unwidersprüchlich zu definieren, ist jedoch immer noch nicht möglich (vgl. Bimmel/Rampillon 2000). Die Lernerautonomie als didaktisches Konzept entwickelte sich zunächst vollkommen unabhängig von gewissen Bezugswissenschaften in der institutionalisierten Unterrichtspraxis. Diese Entwicklung wird als einmalig betrachtet, denn alle anderen fremdsprachendidaktischen Ansätze sind zunächst aus didaktischen Theorien unter Einbeziehung der relevanten Bezugswissenschaften (vor allem der Linguistik und der Lernpsychologie) heraus konzipiert worden, bevor sie in die Unterrichtspraxis übernommen wurden (vgl. Wolff 2003). Als pädagogisches Konzept lässt sich die Lernerautonomie nicht in das herkömmliche Theorie-Praxis-Gefüge einbinden, denn es finden sich Berührungspunkte zu anderen pädagogischen Entwürfen, die zum Teil auch aus der Praxis für die Praxis entwickelt wurden. Hier sind insbesondere die Reformpädagogik und die Freinet-Pädagogik zu nennen.

In der Reformpädagogik wird der Lernende schrittweise in Methoden und Arbeitstechniken eingeführt, um selbständig lernen zu lernen. Der Lehrende bekommt auch eine andere Position, er tritt aus der Rolle des Instruierenden zurück und wird zum Anreger und Berater bei den Aktivitäten der Lernenden, die wiederum die Lernenden zu Selbsttätigkeit und Selbständigkeit anregen sollen. Auch Freinet (1994) betont die Bedeutung der Autonomie, indem er die Lernenden als Initiatoren und Organisatoren der eigenen Lernprozesse bezeichnet und eine kooperative Organisation der Lernprozesse in gemeinsamer Verantwortung fordert. Freinet hebt auch die Selbstevaluation hervor, die ebenfalls im Kontext der Lernerautonomie eine Schlüsselrolle spielt. Als didaktische Konzepte werden die Reform- und Freinet- Pädagogik jedoch nicht akzeptiert. Eine lerntheoretische Begründung dieser pädagogischen Überlegungen war nicht möglich, da in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts mechanistisch-behavioristische Lerntheorien bevorzugt wurden. Es gibt jedoch Bezugswissenschaften, die darauf verweisen, dass die Lernerautonomie nicht nur eine pädagogische Vision ist, sondern ein lernpsychologisches Erfordernis (vgl. Wolff 2003).

1.2.1 Die kognitive Perspektive des Lernens

Die kognitive Psychologie gehört zu den wichtigsten Bezugswissenschaften für alle didaktischen Konzepte, die die Lernerautonomie fokussieren. Sie beschäftigt sich mit der humanen Kognition, d.h. mit den Fähigkeiten des Wahrnehmens, Lernens, Denkens und Urteilens, die dem menschlichen Geist zugehören und dazu beitragen, dass das Individuum die Welt im erkenntnistheoretischen Sinn erfasst und begreift. Alle Teildisziplinen der kognitiven Psychologie begreifen den Menschen als ein autonomes kognitives System, dessen zentrale Aufgabe darin besteht, Informationen aus der Umwelt aufzunehmen und in kognitive Strukturen umzuwandeln. Die Verarbeitung der Informationen erreicht das Subjekt auf der Basis einer hoch komplexen kognitiven Ausstattung, die zum einen aus Strategien besteht, die die Verarbeitungsprozesse steuern, und zum anderen aus vielschichtigen Wissensspeichern, in welchen die gefassten Mitteilungen geordnet und gegliedert gespeichert werden (vgl. Wolff 2003).

„Das Lernen wird als ein Prozess der Wissensintegration und der Wissensreorganisation verstanden, d.h. die verarbeiteten Informationen werden – wenn sie behalten werden sollen – vom Lerner in das bereits vorhandene Wissen eingebunden und dieses so umstrukturiert, dass es optimal organisiert ist und jederzeit abgerufen werden kann“ (Wolff 2003:323).

Der Lernende muss aktiv sein und sich mit äußeren Konstellationen auseinandersetzen. Die Lernenden lernen dann, wenn sie aktiv einen Wechselbezug zwischen ihrem Vorwissen und neuen Informationen herstellen können und auf diese Weise ihr Wissen rekonstruieren, d.h. verändern, erweitern, oder ergänzen (vgl. Bimmel/Rampillon 2000). Modelle der kognitiven Lerntheorie sind stark kybernetisch geprägt. Sie stellen das Gedächtnis als ein System dar, in das Informationen eingegeben (Input), im sensorischen Gedächtnis registriert, im Arbeitsgedächtnis im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gehalten und schließlich im Langzeitgedächtnis als wieder abrufbares Wissen aufgehoben werden (vgl. Bimmel/Rampillon 2000). Wolff (1996) behauptet, dass der Lernende mit einem „Informationsverarbeitungsapparat“ ausgestattet ist, der es ihm ermöglicht, sinnlich wahrnehmbare Reize mit Hilfe seiner Sinnesorgane aufzunehmen und in speicherbare Informationen umzusetzen. Dieser Apparat wird in der Gedächtnispsychologie in ein Kurzzeitgedächtnis (Verarbeitung der Informationen und die Umsetzung in wieder abrufbare kognitive Strukturen) und in ein Langzeitgedächtnis (die Speicherung dieser Strukturen) sowie auch Arbeitsgedächtnis (Umsetzung der sinnlichen Wahrnehmungen in kognitive Strukturen) eingeteilt (das sog. „Multi-Speicher-Modell“). Er weist parallel darauf hin, dass dem oben beschriebenen Modell das Modell der elaborativen Verarbeitung entgegengestellt wird, in dem nicht mehr davon ausgegangen wird, dass das Gedächtnis mit separaten Verarbeitungsspeichern ausgestattet ist. Die Informationsverarbeitung resultiert demnach nicht nur seriell, sondern auch parallel und rekursiv (vgl. Chudak 2007).

Bei den Untersuchungen zur Verarbeitung von Informationen hat die kognitive Psychologie eine grundlegende Erkenntnis gewonnen, die für Lernerautonomie von großer Bedeutung ist. Die Verarbeitung von Informationen ist Prozess der Konstruktion. An diesem Prozess sind sowohl die eingehenden Umweltreize als auch das bereits vorhandene Wissen beteiligt. Diese Erkenntnis bedeutet,

„dass die Informationen aus der Umwelt nicht abbildhaft in das menschliche Geist eingehen, sondern dass jedes kognitive System abhängig vom bereits vorhandenem Wissen eine subjektive kognitive Repräsentation der aus der Umwelt aufgenommenen Informationen konstruiert“ (Wolff 2003:323).

Dieser Prozess ist ein autonomer Prozess, den der Lernende eigenverantwortlich durchführt (vgl. ebd.)

Die Lerninhalte werden von den Lernenden nicht in der Form übernommen in der sie von dem Lehrenden übermittelt worden sind. Bei der Verarbeitung der Lerninhalte knüpft jeder Lernende an sein eigenes subjektives Wissen an, und nur diese Lerninhalte, die zu seinem Vorwissen in Verbindung setzen kann. Daraus ergibt sich die didaktische Konsequenz, dem einzelnen Lernenden unterschiedliche Lernangebote zu eröffnen und reiche Lernumgebungen zu schaffen, die es ihm ermöglichen, sein Vorwissen mit dem neuen Wissen zu verknüpfen (vgl. ebd.).

Nach Norman (1982) wird das Lernen durch drei kognitive Operationen gesteuert und zwar durch ‚ accretion ‛, ‚ structuring ‛ und ‚ tuning ‛.

„Durch accretion (Ergänzung, Zuwachs) kommen neue Wissensstrukturen zu den bereits vorhandenen hinzu und werden einem bereits vorhandenen Wissensschema zugeordnet. Structuring bedeutet den eigentlichen Prozess der Integration der neuen Wissensstruktur in die bereits vorhandenen Wissensschemata oder – bei Fehlen derselben – die Bildung neuer Schemata. Die wichtigsten Teilprozesse des Strukturierens sind Kreations-, Reorganisations-, Lösungs-, und Abstraktionsprozesse. Mit tuning (Abstimmung, Einstellung) ist die Anpassung von Wissensschemata an eine bestimmte Aufgabe gemeint.“ (Norman 1982 zitiert nach Heyd 1997:15)

Edelmann (1995) unterscheidet bezüglich des kognitiven Lernens zwischen verbalem und nonverbalem Lernen.

- Verbales Lernen wird als Erwerb von Sachwissen durch das sprachliche Lernen bezeichnet, bei dem es sich um die Entfaltung von kognitiven Strukturen handelt. Man unterscheidet zwei Varianten des Wissenserwerbs:

1. Kenntnis der Fertigkeiten wie das Schreiben, das Rechnen.
2. Kenntnis der Sachverhalte wie das Verstehen von Aussagen, Bedeutungen und Inhalten sowie von Vokabeln und Äußerungen.

- Nonverbales Lernen bezeichnet klare und handlungsmäßige Darstellungen des Wissens. Bei der Wissensaufnahme werden die Informationen gleichzeitig verarbeitet und gespeichert. Paivio hebt hervor, dass die duale Kodierung eine unterschiedliche Bedeutung für das Lernen haben kann.

3. Die Mitteilungen werden entweder akustisch oder optisch verarbeitet.
4. Die Mitteilungen werden akustisch und bildhaft verarbeitet und dann können die Informationen von den Lernenden besser aufgenommen werden (vgl. Edelmann 1995).

Zu den zentralen Bestandteilen kognitiver Lerntheorien gehört auch der Begriff ‚Strategie‛. Um neue Informationen wahrzunehmen, zu verarbeiten und zu speichern, um das vorhandene Wissen zu rekonstruieren und zu automatisieren, benötigen Lernende Strategien der Informationsaufnahme und

-verarbeitung (vgl. Bimmel/Rampillon 2000).

Wolff (1996) stellt in diesem Zusammenhang fest, dass

„[...]Informationsverarbeitung zugleich daten- und wissensgeleitet ist, d.h. sie verläuft gleichzeitig von oben nach unten (top-down oder wissensgeleitet) und von unten nach oben (bottom-up oder datengeleitet). Der Lernende konstruiert aktiv eingehende Reize. Dieser Prozess wird durch komplexe Strategien gesteuert, die der Informationsverarbeiter einsetzt und die als prozeduales Wissen bezeichnet werden.“ (Wolff 1996:545 zitiert nach Chudak 2007:31)

Bei der Verarbeitung von Informationen wird das neue Wissen so verarbeitet, dass es im Wissensspeicher mit dem bereits vorhandenen Wissen vernetzt wird (vgl. Myczko 2003). Es erfolgt eine Interaktion, deren Ergebnis eine Umstrukturierung des Wissensspeichers ist und die ein wichtiger Bestandteil des Lernprozesses ist (vgl. Chudak 2007). Jeder Lernende hat ein individuell unterschiedliches Wissen und somit kommt es zu verschiedenen Verarbeitungsprozessen und Lernergebnissen (vgl. Wolff 1996).

„Die kognitiv orientierten Psycholinguisten gehen davon aus, dass sprachliche Verstehprozesse als Problemlösungsprozesse durch mentale Operationen gesteuert werden, die sie als kognitive Strategien bzw. als prozeduales Wissen bezeichnen. Wissenskonstruktion ist also strategiebestimmt, auch die Strategien entwickeln sich aus der Erfahrung mit der Umwelt“ (Wolff 1994:410).

Eine wichtige Rolle bei der Verarbeitung und beim Fremdsprachenlernen spielt die Metakognition, weshalb sie an dieser Stelle erwähnt werden sollte. Die Metakognition nimmt eine besondere Stelle im Langzeitgedächtnis ein und wird als „das Wissen über das eigene Wissen und das eigene kognitive Funktionieren“ (Bimmel/Rampillon 2000:40), das metasprachliche Reflektieren über die Sprache und den Lernprozess (vgl. Wolff 1992) und das Wissen über das mentale Vorgehen (vgl. Königs 1993) definiert. Das Ziel der metakognitiven Verfahren ist für den Sprachlernprozess sowie für Sprachbewusstheit unentbehrlich – ‚ language awerness ‛ (vgl. Chudak 2007). Language awerness bedeutet für Rampillon (1997) die Fähigkeit, über die Sprache nachzudenken und in einer Metasprache sprechen zu können. Nach Rampillon besteht ‚ language awerness ‛ aus drei Bereichen:

- ‚ linguistic awerness ‛ (deklaratives Wissen) – sprachliche Kenntnisse (z.B. Wortschatz, Grammatik) und Fertigkeiten (z.B. Hörverstehen)
- ‚ communicative awerness ‛ (exekutives Wissen) – Wissen darüber, wie die Sprache angewendet wird, d.h. welche Kommunikations-, Diskurs-, Körpersprach- und Dominanzstrategien es gibt sowie die Fertigkeit sie zu benutzen und zu deuten.
- ‚ learning awerness ‛ (prozeduales Wissen) – zu der das Wissen über die Anwendung und Deutung der Stütz-, Primär- und Instruktionsstrategien gehört sowie über die Strategien selbst (vgl. Rampillon 1997).

Wenn die Lernenden bewusst über ihre Sprache reflektieren, können sie auch den Lernprozess effizienter gestalten (vgl. Wolff 1992). Die Lernenden erwerben ihre Kommunikationsfertigkeiten, indem sie kommunizieren, indem sie mit der Sprache experimentieren und auch selbständig forschen. Nach Wolff (1992) können nur Kommunikationsfertigkeiten und Sprachbewusstsein den Lernenden zur Sprachfähigkeit führen (vgl. Wolff 1992).

Lompscher (1993) vertritt die Meinung, dass

„[...]Bewusstwerden und Bewusstmachen von Lernstrategien eine wichtige Bedingung für das Erkennen von Stärken und Schwächen in der eigenen Lerntätigkeit und Ausgangspunkt für Bemühungen um deren Veränderung, um die Ausbildung effektiver und rationeller Lernstrategien sein kann“ (Lompscher 1993:9 zitiert nach Chudak 2007:33)

Rampillon betont, dass ‚ language awerness ‛ die Entfaltung der Lernerautonomie fördert und zum Erfolg der Lernenden beiträgt. Die Lernenden gewinnen dann einen Einblick in das Funktionieren der Fremdsprache und erkennen dadurch welche Rolle sie in der Kommunikation spielt (vgl. Rampillon 1997). Der Lehrende sollte daher die Lernende auf die Verarbeitungs- und Lernprozesse aufmerksam machen (vgl. Wolff 1996). Dabei sollte den Lernenden veranschaulicht werden, dass die Selbstbeobachtung und die Beobachtung anderer Lernender Anregungen für einen selbstbewusstes Fremdsprachenerwerb und für das Anwenden der Fremdsprache geben können. Die Reflexionen über die Fremdsprache sollen die Lernende vom reinen Regellernen lösen und sie zu eigenen Hypothesen ermutigen, die dann über das Sprachbewusstsein zur Lernerautonomie führen sollen (vgl. Rampillon 1997).

1.2.2 Die konstruktivistische Perspektive des Lernens

Mit dem Begriff Konstruktivismus verbindet sich eine Vielzahl verschiedener Vorstellungen und Konzepte, die in unterschiedlichem Maße für eine theoretische Begründung der Lernerautonomie herangezogen werden (vgl. Wolff 2003). Die konstruktivistischen Lerntheorien finden ihren Anfang in der Psychologie und der Philosophie und zwar in der Rezeptionsästhetik und den Überlegungen der Textlinguistik zur Textkonstruktion sowie den psycholinguistischen Verstehenstheorien (vgl. Heyd 1997).

Konstruktivische Lerntheorien werden auch durch die Neurobiologie gestützt. Glasersfeld (1987), als Begründer des Radikalen Konstruktivismus, betont, dass das Gehirn das wichtigste Organ im Körper eines Menschen ist und die Wahrnehmung sich nicht in den Sinnesorganen vollzieht, sondern im Gehirn. Das menschliche Gehirn wird als ein funktional geschlossenes System verstanden (vgl. Roth 1987). Dieses System organisiert sich selbst, organisiert damit für sich die Welt (vgl. Bimmel/Rampillon 2000). Nach Auffassung der Radikalen Konstruktivisten ist die Welt kein Abbild der Umwelt, innerhalb derer die Lernenden existieren, sondern eine konstruktive Größe, die von den Lernenden in ihren sozialen Gemeinschaften erzeugt und erprobt wird (vgl. Wolff 2003).

„Wahrnehmung, Verstehen und Lernen müssen in hohem Maße als konstruktivische Operationen verstanden werden, die der Mensch selbständig auf der Grundlage seines jeweils vorhandenen individuellen Erfahrungswissens vollzieht. Die Ergebnisse der ständigen Auseinandersetzung mit der Umwelt sind deshalb für jeden Menschen verschieden: wir entwickeln und konstruieren, unabhängig und auf der Basis unseres sich beständig veränderten Erfahrungswissens, unsere eigene Theorie von der Umwelt, die selbst wieder kontinuierlich Veränderungen ausgesetzt ist“ (Wolff 1994:408 zitiert nach Heyd 1997:13).

Lernen kann also nur in Eigenverantwortung durchgeführt werden und lässt sich von außen nur geringfügig beeinflussen (vgl. Bimmel/Rampillon 2000).

Heyd schildert das nachstehende konstruktivische Grundprinzip:

LERNEN = WISSENSERWERB = KONSTRUKTION

(Heyd 1997:17)

Das Wissen ist von den Lernenden nur dann erworben, wenn es auch von den Lernenden konstruiert wurde. Das von den Lernenden angelernte Wissen ist ebenfalls von ihnen konstruiert. Die Selbstorganisation spielt beim Wissenserwerb eine ausschlaggebende Rolle. Der Mensch, der als ein System betrachtet wird, organisiert alles selbst und muss alles selbst sichern, daraus bildet sich die Eigenverantwortung für das eigene Lernen (vgl. Heyd 1997). Lernen kann in Eigenverantwortung geraten und lässt sich von den Lehrenden oder der Schule nur unbeträchtlich beeinflussen. Nach konstruktivistischer Psychologie ist das Lernen ein Konstruktionsprozess, der von den Lernenden allein auf der Grundlage ihres individuellen Wissens gesteuert wird und dies Lernende, die im gleichen sozialen Kontext lernen, zu mannigfachen Resultaten führt (vgl. Bimmel/Rampillon 2000).

Die Wissenskonstruktionsprozesse sollen unbewusst vor sich gehen und die Lernenden sollen sich zunächst dessen bewusst werden, damit sie ihre Effizienz für den eigenen Lernprozess bewerten können. Dabei muss beachtet werden, dass Menschen soziale Wesen sind und in Gemeinschaften zusammenleben (vgl. Heyd 1997).

Im konstruktivistischen Sinne ist auch das Prinzip der Kooperation von großer Bedeutung. Dieses Prinzip ist obligatorisch, um die verschiedenen subjektiven Welten einander anzupassen und um zu experimentieren. Die Kooperation wird als ein zentrales Lernprinzip in institutionalisierten Kontexten angesehen, weil es dazu dient, individuelles Wissen auszutauschen und zum gemeinsamen Wissen der Lernenden zu machen (vgl. Jonassen 1996).

Wolff (1996) behauptet, dass es bei allen geistigen Prozessen, also auch beim Lernen, zwei Aspekte gibt. Als erstes ist „[...] die Assimilation, die er als Veränderung des Bildes von der Welt, um sie den eigenen Denkmustern anzupassen“ erklärt, und zweitens ist die Akkomodation zu nennen, also „[...] die Anpassung der eigenen Denkmuster, um sie mit der Welt in Einklang zu bringen“ (Wolff 1996:90 zitiert nach Chudak 2007:35).

Wolff (2002) fasst die Gedanken der konstruktivistisch orientierten Pädagogen folgendermaßen zusammen:

1. „Lernen ist ein aktiver Prozess der Konstruktion von Wissen. [...]
2. Es kann nur etwas verstanden und gelernt werden, was sich mit vorher gemachten Erfahrungen in Verbindung bringen lässt. [...]
3. Unsere Erfahrungen sind subjektiv, deshalb sind auch die Ergebnisse von Lernprozessen individuell verschieden. [...]
4. Lernprozesse als Konstruktionsprozesse können nur gelingen, wenn der Lernende bereit ist, das eigene Lernen selbstverantwortlich in die Hand zu nehmen. [...]
5. Mit der Eigenverantwortlichkeit verbindet sich die Selbstorganisation. [...]
6. Lernen ist [...] nur dann effizient, wenn es unter das Prinzip der Konsensualität gestellt wird. Die Lernenden gelangen in der Kooperation zu einer Angleichung ihrer subjektiven Wissenskonstrukte.
7. Lernprozesse müssen in möglichst reiche Lernumgebungen eingebunden werden, nur dadurch wird gewährleistet, dass der individuelle Lerner seine subjektiven Erfahrungen an etwas anbinden kann“ (Wolff 1996:91 zitiert nach Heyd 1997:17).

Von all diesen Erkenntnissen lässt sich eine Anzahl von Fazite annehmen. Wenn das Lernen als Konstruktion verstanden wird, und von Innen durch Lernstrategien beeinflusst werden kann, dann sollte der Lernende auch die Möglichkeit haben, seine Autonomie zu entwickeln. Ein Konstruktionsprozess ist eine Interaktion zwischen eingehenden Informationen und bereits erworbenen Wissen und dabei sollte das vernetzende und strukturbildende Denken unterstützt werden. Der Lernende sollte möglichst viel Freiraum haben, um seine subjektiven unterschiedlichen Interessen weiter zu entfalten und letztens sollte dem Lernenden auch die Gelegenheit gegeben werden, in Hinsicht auf den Lerngegenstand (der einen direkten Bezug zu dem Lernenden hat) und den Lernprozess, sich mit anderen Lernenden zu kommunizieren (vgl. Blei 2003).

1.2.3 Die subjektwissenschaftliche Perspektive des Lernens

In den traditionellen Lerntheorien wird versucht, eine Theorie zu entwickeln, die das Verhalten der Lernenden von Außen beschreibt. Holzkamps (1995) subjektwissenschaftliche Lerntheorie beinhaltet Grundzüge einer Lerntheorie, die nach dem Warum des Lernens fragt und erforscht, wie das Lernen von den Lernenden begründet wird. Im Mittelpunkt steht nicht mehr der Forscher, sondern das lernende Subjekt (vgl. Bimmel 2002).

Die Subjektwissenschaft erfasst den Lernenden und die Welt nicht als Ganzes. Das Individuum, als lernendes Subjekt bezeichnet, wird als eine Art Internationalitätszentrum aufgefasst, das auch andere Lernende als Internationalitätszentren wahrnimmt (vgl. Holzkamp 1995).

Die Charakterisierung des Subjektstandpunktes als Internationalitätszentrum soll im Folgenden verdeutlicht werden:

„Intentionale Bezogenheit auf die Welt ist keineswegs nur ein kognitiver oder mentaler Akt, sondern schließt die aktive Umsetzung derartiger Handlungsmöglichkeiten ein. Dabei muss das Subjekt– je nach seiner konkreten Lebenslage und den darin gegebenen Freiheitsgraden– sich nicht auf die Realisierung vorgegebener Bedeutungen beschränken, sondern kann in handelndem Weltzugriff seine Lebensbedingungen aktiv umgestalten, damit deren Bedeutungsaspekt als Inbegriff von Prämissen seiner eigenen Handlungsbegründungen/Handlungen verändern kann. Subjektiv ist demnach von uns stets im Sinne eines subjektaktiven Weltbezuges bzw. Weltzugriffs als Erweiterung der Verfügung über die eigenen Lebensbedingungen zu verstehen“ (Holzkamp 1995: 23).

Die Absichten, Pläne und Vorsätze der Lernenden sind inhaltliche Ansichten und Handlungen vom Standpunkt ihrer Lebensinteressen (vgl. Holzkamp 1995). Die Welt und die sozialen Verhältnisse werden objektiv wahrgenommen (vgl. Holzkamp 1995).

Aus der Sicht des menschlichen Handelns und gesellschaftlichen Handlungsmöglichkeiten sollte das lernende Subjekt genauer betrachtet werden. Das lernende Subjekt kann seine Lebensbedingungen aktiv gestalten. Die aktive Gestaltung und Wahrnehmung seines Umfelds stehen im Mittelpunkt seiner Handlungsmöglichkeiten (vgl. Holzkamp 1995). Die Grundbestimmung der subjektwissenschaftlichen Lerntheorie ist also die Welt- und Selbstsicht des Lernsubjekts.

Holzkamps (1995) soziale Verhältnisse treten dem Subjekt als gegenständliche Bedeutungen entgegen und das Bedeutungskonzept spielt eine entscheidende Rolle in seiner Lerntheorie. Ausgangspunkt subjektwissenschaftlicher Forschungsfragen sind bestimmte Problemsituationen, in denen das Subjekt einerseits gute Gründe hat, auf eine bestimmte Weise zu handeln, andererseits die Problemsituation nicht zu bewältigen vermag und sich angesichts eines Handlungsproblems an die Wissenschaft wendet. Dabei wird das Handeln zum Lernen umgewandelt. Es wird hier auch nicht das inzidentelle Lernen (also das Mitlernen) gemeint, sondern das Lernen, das von jedem Lernenden individuell auf die eine oder andere Weise ausgeführt wird. Von Lernen kann gesprochen werden, wenn in der Lernintention die Gewinnung einer Permanenz und Kumulation des Gelernten mitintendiert ist, d.h. das Erworbene nicht sofort wieder verloren geht, sondern verhältnismäßig erhalten bleibt und in neuen Situationen angewendet wird. An die Lernende werden zwar entsprechende Lernanforderungen gestellt, aber das Lernen kann nicht durch Instanzen (wie Lehrende oder Schulbehörde) geplant werden. Lernende müssen individuell darüber entscheiden, was und wann sie lernen wollen. Beim Lernen ist auch die Lernmotivation von großer Bedeutung. „Lernmotivation ist also der Inbegriff von Lerngründen, die einerseits allgemein im Interesse an der handelnden Erweiterung/Erhöhung der Verfügung/Lebensqualität fundiert sind, wobei aber andererseits– und darin liegt ihr Spezifikum als Lernbegründungen– die wachsende Verfügung/Lebensqualität als Implikat des lernenden Weltaufschlusses antizipierbar ist“ (Holzkamp 1995:190).

Holzkamp (1995) unterscheidet zwischen dem expansiven und defensiven Lernen. Expansives Lernen gilt als subjektives Handeln, das der individuellen Autonomie dient, wo das lernende Subjekt seine Handlungsfähigkeiten erweitert. Beim defensivem Lernen wird gar nicht die Überwindung einer Lernproblematik, sondern die Überwindung einer durch Lernanforderungen gekennzeichneten primären Handlungsproblematik die dominante Intention sein, „womit auch die [...] spezielle Lernhaltung als Distanz/Dezentrierung/ Aspektierung tendenziell auf eine bloße Bewältigungshaltung reduziert wird“ (Holzkamp 1995:192). Defensives Lernen besteht aus Lernen und Lernverweigerung und wird als „widerständiges Lernen“ bezeichnet. Das Lernen wird zurückgezogen, abgebrochen, unengagiert abgeschlossen und die Lernenden müssen sich entscheiden, ob sie das Lernen weiter fortsetzen oder abbrechen oder sich dem expansiven Lernen widmen möchten (vgl. Holzkamp 1995). Die Subjektwissenschaft bezeichnet expansives und defensives Lernen als analytisches Instrument, mit welchem Voraussetzungen für das Lernen ermöglicht werden und mit dem Lernende die Intentionsstruktur einer Lernproblematik aufschlüsseln kann (vgl. ebd.). Lerngegenstand und Lernsubjekt aus der Perspektive des Subjektes sowie Lernproblematik gehören zu den Grundbegriffen der subjektwissenschaftlichen Lerntheorie. Es wird vom expansiven und defensiven Lernen, vom Verständnis qualitativer und quantitativer Lernsprünge gesprochen. Das lernende Subjekt versucht durch direktes Handeln den Lerngegenstand aufzuschließen und zu erreichen. Das Lernen im subjektwissenschaftlichen Kontext geschieht immer in erster Person, und das Lernsubjekt handelt intentional (vgl. Held 2000).

Die Lernenden sollten auf ihre eigene Weise lernen. Das Entdecken spielt dabei eine besondere Rolle. „Das lernende Subjekt handelt absichtsvoll und interpretiert seine Situation, indem es thematisch-inhaltliche und operative Aspekte einbezieht. Es setzt sich Ziele und bewertet die Folgen seiner Handlungen“ (Bimmel/Rampillon 2000:40). Die Lernenden sollten fragen, forschen, das eigene Lerntempo einsetzen und ihre Interessen und Bedürfnisse sollten auch von der Schule respektiert werden. „Selbst gesteuertes, selbst verantwortetes und autonomes Lernen sind damit zu Schlüsselbegriffen auch für schulisches Lernen geworden“ (vgl. ebd.).

2. Autonomie der Lernenden im schulischen Lernkontext

Die kognitiven, konstruktivistischen und subjektwissenschaftlichen Lerntheorien, welche die Grundlage für den Perspektivenwechsel – weg von der Produktorientierung bis hin zur Lerner- und Lernprozessorientierung– bilden, bleiben nicht ohne Einfluss auf den heutigen Fremdsprachenunterricht (somit auch auf den Unterricht Deutsch als Fremdsprache – DaF) (vgl. Chudak 2007). Die Autonomie der Lernenden ist erst dann möglich, wenn die Lernenden über bestimmte Fähigkeiten und Fertigkeiten zum selbständigen Lernen verfügen (vgl. Rampillon 2003).

Lernerautonomie, Selbstlernprozesse, Handlungsorientierung und Binnendifferenzierung gehören zu den Begriffen, die häufig in der aktuellen Lern- und Lehrforschung auftauchen und die als Indikatoren für den veränderten Fremdsprachenunterricht gelten (vgl. Leuschner 2003). Es werden solche Prozesse untersucht und analysiert, die von Lernenden selbst initiiert, gesteuert und reguliert werden. Die Entfaltung der Fähigkeiten zum selbstregulierten Lernen wird als eine der Hauptaufgaben der Erziehung und somit auch als ein bedeutendes Ziel des Fremdsprachenunterrichts angesehen. Damit das Ziel erreicht werden kann, werden auch verschiedene Wege ausprobiert, Herausforderungen aufgefasst und überwunden. In der Schule wissen die Lernenden meistens nicht, was sie lernen sollen oder werden und wozu sie dies tun. Das Lernen ist für die Menschen eine natürliche und lebensnotwendige Aktivität (vgl. Tornberg 1996). In den Industriegesellschaften findet eine sich fortwährend beschleunigende Veränderung der Arbeitsorganisation statt. Es wird von vielen Menschen erwartet, dass sie sich ständig verändern und lebenslang lernen, um genügend personale und soziale Kompetenzen aufzubringen. Die Fremdsprachenkenntnisse spielen dabei eine wesentliche Rolle. Die Förderung des selbstbestimmten und selbstorganisierten Lernens unterstreicht die Emanzipation der Menschen, die die Bildung als traditionelles Ziel seines Lebens sehen (vgl. Grünhage-Monetti/Klepp 1997). Hierbei müssen auch folgende Punkte zur Sprache gebracht werden und zwar, dass die Evaluation der Lernenden von den Lehrkräften bestimmt wird und die Lernenden meistens eine passive Rolle übernehmen. Diese Auffassung beweist, dass das neue Verhalten von den Lehrenden und den Lernenden eine grundlegende Voraussetzung für eine neue Lernkultur in der Schule ist (vgl. Tornberg 1996). Man ist bemüht, aus der Schule „ein Haus des Lernens“ zu machen, „in dem sich alle als Lernende verstehen in einem Lebensraum, den es zu gestalten gibt und in dem Fremdsprachen möglichst unbefangen gelernt werden sollen“ (Weskamp 1999:8 zitiert nach Chudak 2007:41).

2.1 Erweiterte Unterrichtsziele

Fremdsprachenunterricht unterscheidet sich von dem natürlichen Fremdsprachenerwerb dadurch, dass er geplant und gesteuert ist (vgl. Storch 1999). Bei der Planung eines Sprachkurses oder des Fremdsprachenlehrwerks gibt man sich die Mühe, möglichst wenig dem Zufall zu überlassen und überlegt, welche Ziele die Lernenden, die in einem Kurs oder mit einem Lehrwerk lernen, erreichen sollten. Die Zielsetzung hat sich im Laufe der Zeit immer wieder verändert. Die kommunikative Kompetenz, die in linguistische, inhaltlich-kognitive und sozial-affektive Kompetenz differenziert wird, wird als übergeordnetes Ziel gesehen (vgl. Chudak 2007).

Wilczyńska (1999) nennt den Lernererfolg als eins der wichtigsten Ziele des Fremdsprachenunterrichts. Es werden auch weitere Bedingungen für dessen Erreichung genannt, und zwar die Lernkompetenz, die Informationen über das Funktionieren des Gedächtnisses sowie die Konzentrations- oder Stressreduzierungsfähigkeit.

Die Berliner Didaktische Schule hat in den sechziger Jahren ein einflussreiches didaktisches Modell entwickelt, in dem drei Arten von Lernzielen unterschieden werden: pragmatische, kognitive und emotionale Lernziele

„1. pragmatische Lernziele bezeichnen die Handlungskomponente des Lernens, d.h. was soll der Lernende nach dem Unterricht können
2. kognitive Lernziele bezeichnen das explizite Wissen der Lernenden
3. emotionale Lerngegenstände und Lernziele bezeichnen Einstellungen und Haltungen, d.h. was gefördert und angestrebt werden soll“ (Storch 1999:25)

Unter den von Storch (1999) genannten Zielen entdeckt man den folgenden Hinweis:

„Im DaF-Unterricht sollen die Lernenden ein explizites Wissen vor allem in den folgenden Bereichen erwerben: [...] ein Wissen über das Lernen von Fremdsprachen, das sie dazu befähigt, ihr Lern- und Kommunikationsverhalten zu reflektieren und selbständig weiterzuentwickeln (Lernstrategien)“ (Storch 1999: 28).

Heyd (1997) unterstreicht, dass unter der Einflussnahme kognitiver Lerntheorien das Lernziel der kommunikativen Kompetenz durch die Sprachhandlungsorientierung und durch den Begriff der Kognition erweitert wurde. In den Mittelpunkt tritt das strategische Verhalten der Lernenden. Sie sollen wissen, dass prozedurale Strategien die Sprachverarbeitung steuern und die Lernenden sollen auch lernen, diese Strategien auf das Fremdsprachenlernen zu übertragen und zu nutzen (vgl. Heyd 1997:27).

[...]

Fin de l'extrait de 102 pages

Résumé des informations

Titre
Lernstrategien als Instrument zur Autonomisierung der Lernenden im DaF-Unterricht
Sous-titre
Eine Perspektive der Lehrenden
Université
Uniwersytet Marii Curie-Skłodowskiej w Lublinie
Note
1,0
Auteur
Année
2007
Pages
102
N° de catalogue
V81923
ISBN (ebook)
9783638840026
ISBN (Livre)
9783638840484
Taille d'un fichier
1150 KB
Langue
allemand
Mots clés
Lernstrategien, Instrument, Autonomisierung, Lernenden, DaF-Unterricht
Citation du texte
Witold Piekarski (Auteur), 2007, Lernstrategien als Instrument zur Autonomisierung der Lernenden im DaF-Unterricht, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/81923

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