Die Anträge auf Verbot der NPD - eine politische Notwendigkeit?


Hausarbeit, 2002

18 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Gliederung

I. Einleitung

II. Die juristischen Grundlagen eines Parteiverbotes
a. Das Parteiverbot gemäß Artikel 21 des Grundgesetzes
b. Das Verbot der Sozialistischen Reichspartei ( SRP )
c. Das Verbot der Kommunistischen Partei Deutschlands ( KPD )
d. Weitere Anträge auf Parteiverbot

III. Die Nationaldemokratische Partei Deutschlands ( NPD )
a. Entstehung und Entwicklung
b. Programmatik und Zielsetzung
c. Verhalten und öffentliches Auftreten von Mitgliedern und Anhängern

IV. Die Anträge auf Verbot der NPD
a. Begründung der Anträge
b. Bewertung der Anträge

I. Einleitung

Düsseldorf, Sebnitz und Halle hießen die Städte, die in der zweiten Hälfte des Jahres 2000 längst verdrängte Erinnerungen an Hoyerswerda, Lichtenhagen und Mölln wiederaufleben ließen; zum Teil zu Unrecht, wie sich später herausstellte. Ein Sprengstoffanschlag auf eine Gruppe von Immigranten jüdischer Herkunft[1], der Mordfall Adriano[2], der Tod des sechsjährigen Joseph Kantelberg-Abdulla[3] und schließlich der Brandanschlag auf eine Synagoge[4] erregten die Öffentlichkeit und setzten so ein altbekanntes Thema auf die politische Agenda: die Bedrohung der deutschen Demokratie durch den Rechtsextremis-mus. Für zusätzliche Brisanz sorgte eine Zwischenbilanz des Verfassungsschutzberichts Nordrhein-Westfalen, wonach von Januar bis November 2000 bereits 2000 Straftaten mit rechtsextremistischem, fremdenfeindlichem und antisemitischem Hintergrund begangen wurden; fünfmal mehr als im gleichen Zeitraum zehn Jahre zuvor.[5]

Wie emotional und wenig vernünftig die öffentliche Debatte zum damaligen Zeitpunkt geführt wurde, mag die Forderung von Peter Struck ( SPD ) belegen, für rechtsextreme Täter ein 15-jähriges Fahrverbot einzuführen.[6] Selbst über ein Bierverbot für Skinheads wurde geschrieben.[7] Inmitten diesem gespannten gesellschaftlichen und politischen Umfeld erhob der bayerische Innenminister Günther Beckstein ( CSU ) die Forderung nach einem Verbot der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands im August 2000[8] und setzte damit einen Prozess in Gang, der schließlich am 30.03.2001 mit einem Novum in der Geschichte der Bundesrepublik endete: dem Antrag aller dazu berechtigten Staatsorgane[9] auf Verbot einer Partei. Sowohl Bundesregierung, als auch Bundesrat und Bundestag haben beim Bundesverfassungsgericht Antrag auf Verbot der NPD gestellt.

Die Hausarbeit soll erklären, wie es zu diesem historischen Ereignis kam. Dazu sollen die Voraussetzungen für ein Parteiverbot sowie Präzedenzfälle genannt und erläutert werden, und die NPD als Partei ausführlich beschrieben werden. Im Anschluss daran sollen die Anträge erläutert und ihre Notwendigkeit hinterfragt werden.

Auf die Affäre um V - Männer in der NPD soll hierbei nicht eingegangen werden, da deren Auswirkungen auf einen möglichen Ausgang des Verfahrens bei heutigem Informations-stand rein spekulativen Charakter besäßen.

II. Die juristischen Grundlagen eines Parteiverbotes

a. Das Parteiverbot gemäß Artikel 21 II des Grundgesetzes

Einschlägige Norm für ein Parteiverbot ist Artikel 21 II[10]. Nach Artikel 21 II Satz 2 ist allein das Bundesverfassungsgericht dazu befugt, die Verfassungswidrigkeit von Parteien festzustellen. Dadurch soll die besondere Stellung der Parteien gegenüber Vereinen betont werden. Diese können nach Artikel 9 II in Verbindung mit § 3 Vereinsgesetz schon per Beschluss der obersten Landesbehörde bzw. des Bundesinnenministers verboten werden. Man spricht in Zusammenhang mit Artikel 21 II deshalb auch von einem Parteienprivileg. Dessen Hauptleistung besteht jedoch in der Loslösung des Parteiverbotsverfahrens von politischen Auseinandersetzungen. Durch das Entscheidungsmonopol des Bundesver-fassungsgerichts wird eine Verrechtlichung erreicht, die dem Schutz des demokratischen Pluralismus dient.[11] Allerdings kann das Bestreben die Demokratie zu schützen, ihre Grundlagen unterminieren.[12] Das Parteiverbot ist also eine Gratwanderung zwischen der Sicherung und der Gefährdung der Demokratie. Einerseits sichert es die Demokratie gegen ihre Feinde durch das Verbot, andererseits verstößt es damit gegen den ihr zugrunde-liegenden Grundsatz des Pluralismus. Diese Gratwanderung ist dem Bundesverfassungs-gericht eher zuzumuten als den in Konkurrenz stehenden Parteien, die parteipolitisches Kalkül zum Verbot einer Partei verleiten könnte.

Das Parteienprivileg nach Artikel 21 II bedeutet also kein Privileg verfassungswidriger Parteien.[13] Es dient vielmehr dem Selbstschutz der pluralistischen Demokratie. Das da-durch beschriebene grundgesetzliche Demokratiekonzept entspringt also weder dem Gedanken absoluter Freiheit, noch dessen Negation. Es ist vielmehr Ausdruck einer Ent-scheidung gegen ein rein individualistisches und für ein soziales Friedenskonzept, für welches Freiheit im Gemeinwesen niemals nur eigene Freiheit, sondern stets auch Freiheit der anderen ist.[14]

Zusätzlich soll Artikel 21 II den Schutz zweier für die Demokratie essentieller Güter sichern: den der freiheitlich demokratischen Grundordnung und den des Bestandes der Bundesrepublik Deutschland. Wobei der Bestand der Bundesrepublik keine Generalklausel darstellt und nicht politisch zu verstehen ist. Vielmehr bezieht sich diese Formulierung auf den territorialen Bestand des Bundesgebietes und die außenpolitische Handlungsfähigkeit des Staates[15], also nicht auf den Schutz der Verfassung.

Die freiheitlich demokratische Grundordnung hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Rechtsprechung definiert als eine Ordnung, die unter Ausschluss jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt. Als deren grundlegende Prinzipien hätten mindestens zu gelten, die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsgemäße Bildung und Ausübung einer Opposition.[16]

Diese beiden Güter sollen laut Artikel 21 II gegen Beeinträchtigung oder Beseitigung ge-schützt werden. Die Nennung beider Tatbestandsmerkmale hat nur dann einen Sinn, wenn dadurch eine bestimmte Intensität der Beeinträchtigung indiziert werden soll[17], deren Grad sich jedoch nur schwer ermitteln lässt. Stellt etwa eine gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gerichtete Rede in geschlossener Versammlung bereits eine Beeinträch-tigung derselben dar?

Das Bundesverfassungsgericht löst dieses Problem dahingehend, dass es eine „aktiv kämpferische Haltung gegenüber der bestehenden Ordnung“ sowie „ein planvolles Beeinträchtigen des Funktionierens dieser Ordnung“ mit dem „Ziele, dies im weiteren Verlauf selbst beseitigen zu wollen“ als notwendig erachtet.[18] Solche qualifizierten Verfassungsstörungen[19] bedürfen über die bloße Zielsetzung hinaus deutliche Versuche, die demokratische Ordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass das Gesetz von Anhängern einer Partei und nicht von Mitgliedern derselben spricht.

b. Das Verbot der Sozialistischen Reichspartei ( SRP )

Als die alliierten Besatzungsbestimmungen keine Gültigkeit mehr besaßen, wurde im Oktober 1949 die SRP gegründet. Mehr als die Hälfte der Gründungsmitglieder waren bereits vor der Machtergreifung Hitlers 1933 Mitglieder der NSDAP, der SA oder SS und hatten hohe Ämter im folgenden nationalsozialistischen Regime inne.[20] Die nun sozial Deklassierten und durch die Entnazifizierung vielfach Arbeitslosen hatten ähnlich wie viele orientierungslose ehemalige Berufssoldaten den Nationalsozialismus vor allem als erfolgreiche soziale Reformbewegung in Erinnerung[21] und machten aus ihrer Aversion gegen die noch junge Republik keinen Hehl:

„ Wie eine frischgestrichene Coca-Cola-Bude neben einem ausgebrannten, aber immer noch riesigen, im Grunde unverwüstlichen Bau aus zwölfhundertjähriger deutscher Reichsgeschichte – so steht im deutschen Volksbewusstsein das Bonner Staatsgebilde neben dem von Übermacht zu Boden gedrückten Reich.“[22]

Die SRP lehnte das Grundgesetz ab, da es nicht durch die verfassungsgebende Gewalt des Volkes entstanden war, sondern im Kern von den Besatzungsmächten auferlegt und von den politischen Parteien, die SRP bezeichnete sie als „Büttel der Besatzungsmächte“[23], akzeptiert worden sei. Im Jahre 1951 zog die SRP gleich in zwei Länderparlamente ein, nachdem sie bei der Bremer Bürgerschaftswahl 7,7 % und bei der Landtagswahl in Niedersachsen sogar 11 % der Stimmen gewann.

Auf Antrag der Bundesregierung vom November 1951 wurde die SRP schließlich als erste Partei in der Geschichte der Bundesrepublik verboten. In seiner Begründung erklärte das Bundesverfassungsgericht: „ Die SRP als politische Partei mißachtet [sic!], wie das Ver-halten ihrer Anhänger ausweist, die wesentlichen Menschenrechte, besonders die Würde des Menschen, das Recht der Persönlichkeit auf freie Entfaltung und den Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz. Vor allem die von ihr betriebene Wiederbelebung des Anti-semitismus belegt das nachdrücklich.“[24] Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts verstieß die SRP also gegen die Prinzipien der freiheitlich demokratischen Grundordnung. Dem Einwand der SRP, es könne verschiedene freiheitlich demokratische Grundordnungen geben, hielt das Gericht entgegen, dass dieser auf der Verwechslung der Grundordnung mit den Formen, in denen sie im demokratischen Statt Gestalt annehmen kann, beruhe.[25] Das Grundgesetz ist demnach also nicht identisch mit der freiheitlich demokratischen Grund-ordnung, sondern lediglich eine mögliche Ausprägung derselben.

[...]


[1] 27.07.2000; Düsseldorf

[2] 11.06.2000; Halle

[3] Bei den späteren Ermittlungen stellte sich heraus, dass es sich um einen Badeunfall handelte.

[4] 03.10.2000; Düsseldorf; Wochen später wurden zwei Araber als mutmaßliche Täter verhaftet.

[5] Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 271 vom 27.11.2000, S. 4

[6] Frankfurter Rundschau Nr. 209 vom 08.09.2000, S. 4

[7] Frankfurter Rundschau Nr. 209 vom 08.09.2000, S. 4

[8] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,179016,00.html vom 25.01.2002

[9] Bundesverfassungsgerichtsgesetz, § 43 I

[10] Artikel ohne Gesetzesangabe sind solche des Grundgesetzes

[11] Dreier in: Juristenzeitung 1994, 741, 749 ff.

[12] Jesse in: Politische Vierteljahresschrift, S. 683

[13] BVerfGE 47, 130, 139

[14] Gusy in AK-GG GW 2001, Rz. 117

[15] Morlok, Fn. 5, Rz. 141

[16] BVerfGE 2, 1, 12 f.; 5, 85, 140

[17] Morlok, Fn. 5, Rz. 145

[18] BVerfGE 5, 85, 141

[19] Seifert in DÖV 1961, 81, 82

[20] Stammer, Schriften des Instituts für Politische Wissenschaft, S. 22

[21] Hoffmann, Die NPD, S. 44

[22] Schmollinger, SRP, S.2281

[23] SRP-Akten, Sonderpaket VL 266, S. 12

[24] Mohr / Siebeck, Entscheidungen des BVerfG Studienauswahl 1, S. 16

[25] BVerfGE 2, 1, 12

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Die Anträge auf Verbot der NPD - eine politische Notwendigkeit?
Hochschule
Universität Passau  (Politikwissenschaft)
Veranstaltung
Einführung in das Studium der politischen Systeme
Note
2,0
Autor
Jahr
2002
Seiten
18
Katalognummer
V8198
ISBN (eBook)
9783638152396
Dateigröße
556 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Anträge, Verbot, Notwendigkeit, Einführung, Studium, Systeme
Arbeit zitieren
Florian Jung (Autor:in), 2002, Die Anträge auf Verbot der NPD - eine politische Notwendigkeit?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/8198

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