In den letzten Jahren hat das Thema „Failed States“ in der politikwissenschaftlichen Literatur Hochkonjunktur. Zahlreiche Autoren beschäftigen sich unter anderem mit den Fragen, wie es zu Staatszerfall kommen kann, welche Maßnahmen Staatszerfall verhindern können oder - wie z.B. im Falle des Failed States Index des Fund for Peace - wie sich Staatszerfall messen und vorhersagen lässt.
Einige Autoren - unter ihnen William Reno - stellen gar in Frage, ob der Failed-States-Begriff überhaupt geeignet ist, die Prozesse innerhalb der so genannten Failed oder Failing States angemessen zu erfassen, weil hierbei - implizit oder explizit - stets die frühere Existenz eines wie auch immer gearteten formalen Staatskonstrukts mitgedacht wird, von dem aus ein Zerfallsprozess einsetzt. Stabile formale Staatsstrukturen werden damit zu einem erstrebenswerten Ideal stilisiert, das es zu erhalten oder zu erreichen gilt, um Staatszerfall zu verhindern. Die Entstehung alternativer, non-formaler Herrschaftsformen wird damit per se als Gefahr für Staatlichkeit deklariert, ohne die entstandenen oder gerade entstehenden informellen Herrschaftsformen als - vielleicht überaus brauchbare - Alternative zu formaler Staatlichkeit betrachten zu können.
Zieht man hingegen in Erwägung, informelle Herrschaftsformen als Alternative zu formalen Herrschaftsformen zu betrachten, stellt sich zunächst die Frage, ob und in wie weit die beiden Herrschaftsformen hinsichtlich ihres Outputs, d.h. ihrer Leistung für die Bevölkerung einerseits, aber auch für die Machteliten andererseits, vergleichbar sind. In der hier vorliegenden Arbeit soll ein erster Schritt zur Klärung der Frage unternommen werden, indem zunächst die funktionale Äquivalenz der beiden Herrschaftsformen hinsichtlich der Gewährleistung von Sicherheit untersucht werden soll. Als eine der m. E. zentralsten informellen Herrschaftsformen soll dabei primär auf das sog. Kriegsfürstentum (engl. „warlordism“) rekurriert werden.
Die Leitfrage der vorliegenden Arbeit lautet daher:
Sind informelle Warlord-Strukturen hinsichtlich der Gewährleistung von Sicherheit ein funktionales Äquivalent zu formaler Staatlichkeit?
Zur Beantwortung dieser Frage soll im Kern auf den Rational Choice - Ansatz und das Handlungsmodell des Homo Oeconomicus in seiner erweiterten Fassung zurückgriffen werden. Die Bezugnahme auf Ansätze der Neo-Institutionenökonomie soll zudem den Zugriff auf die hier untersuchte Fragestellung erleichtern.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Theoretische Grundannahmen
- Rational Choice, der erweiterte Homo Oeconomicus und Transaktionskosten
- Institutionen und ihre Funktionen
- Was sind Institutionen?
- Warum Institutionen?
- Eine Typologie der Institutionen und ihre Erweiterung
- Der Begriff der Sicherheit
- Warlords & Staatlichkeit
- Informelle Herrschaft
- Was sind Warlords?
- Vagabondary Warlords, Stationary Warlords & interne Institutionen
- Formale Herrschaft
- Was ist ein Staat?
- Autokratische Herrscher, demokratische Herrscher & externe Institutionen
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht die Frage, ob informelle Warlord-Strukturen hinsichtlich der Gewährleistung von Sicherheit ein funktionales Äquivalent zu formaler Staatlichkeit darstellen. Dabei wird der Rational Choice Ansatz und das Handlungsmodell des Homo Oeconomicus in seiner erweiterten Fassung zugrunde gelegt. Die Arbeit beleuchtet die Rolle von Institutionen und ihre Funktionen für rational handelnde Akteure und analysiert die unterschiedlichen Typen von Institutionen im Kontext von Warlord-Strukturen und staatlicher Herrschaft.
- Analyse des Rational Choice Ansatzes und des Homo Oeconomicus
- Untersuchung der Bedeutung und Funktion von Institutionen
- Vergleich von informellen Warlord-Strukturen und formalen Herrschaftsformen
- Bewertung der Fähigkeit von Warlords und Staaten zur Gewährleistung von Sicherheit
- Einordnung der verschiedenen Herrschaftsformen in eine Typologie von Institutionen
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Das Kapitel stellt das Thema „Failed States“ und den aktuellen Forschungsstand vor. Es thematisiert die Kritik am „Failed-States-Begriff“ und argumentiert für die Betrachtung informeller Herrschaftsformen als Alternative zu formaler Staatlichkeit, insbesondere im Kontext des afrikanischen Kontinents. Die Leitfrage der Arbeit wird formuliert und die methodische Vorgehensweise erläutert.
- Theoretische Grundannahmen: Dieses Kapitel legt die theoretische Grundlage der Arbeit. Es behandelt den Rational Choice Ansatz, das Handlungsmodell des Homo Oeconomicus sowie die Bedeutung von Institutionen und ihren Funktionen. Eine Typologie von Institutionen nach Stefan Voigt wird vorgestellt und erweitert.
- Der Begriff der Sicherheit: Ausgehend von den theoretischen Überlegungen wird eine Definition des Sicherheitsbegriffs entwickelt, die als Arbeitsgrundlage für die folgenden Kapitel dient.
- Warlords & Staatlichkeit: Dieses Kapitel vergleicht informelle Warlord-Strukturen mit formalen Herrschaftsformen (Autokratie und Demokratie). Es werden die allgemeinen Definitionsmerkmale der verschiedenen Herrschaftsformen herausgearbeitet und ihre Einordnung in die Institutionen-Typologie vorgenommen. Die Fähigkeit der jeweiligen Herrschaftsform zur Gewährleistung von Sicherheit wird anhand von Mancur Olsons Werk „Macht und Wohlstand“ untersucht.
Schlüsselwörter
Die Arbeit fokussiert auf die Themenbereiche "Failed States", "Warlords", "informelle Herrschaft", "formale Staatlichkeit", "Sicherheit", "Rational Choice", "Homo Oeconomicus", "Institutionen" und "Typologie". Die Analyse basiert auf der Neo-Institutionenökonomie und beleuchtet die verschiedenen Formen von Institutionen und ihre Auswirkungen auf das Zusammenleben in Gesellschaften, insbesondere in Kontexten von Staatszerfall.
- Citar trabajo
- Steffen Kroggel (Autor), 2007, Warlords – eine Alternative zu Staatlichkeit? , Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/82152