Konfliktstrukturen in Friedrich von Schillers "Kabale und Liebe"


Exposé Écrit pour un Séminaire / Cours, 2005

26 Pages, Note: 2,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1 Luise Millerin als Zentrum des Stückes

2 Konfliktstrukturen
2.1 Die Vater – Tochter – Beziehung und Luises daraus resultierender innerer Konflikt
2.2 Die zwischenmenschlichen Konflikte des Stückes: Luise – Ferdinand
2.3 Ferdinand – Präsident
2.4 Luise – Lady Milford

3 Zusammenfassung

4 Literaturverzeichnis

1 Luise Millerin als Zentrum des Stückes

Friedrich von Schiller benannte sein bürgerliches Trauerspiel, das später auf den Vorschlag Ifflands hin in Kabale und Liebe umbenannt wurde, ursprünglich nach der Hauptfigur Luise Millerin (vgl. Alt 1994, 271), was auch ihre Stellung im Drama verdeutlicht. Mit der Umbenennung des Stückes rückte Luises bedeutende Rolle in den Hintergrund. Der Titel Kabale und Liebe lenkt die Aufmerksamkeit des Lesers automatisch in eine andere Richtung: die der Intrigen und natürlich auch der Liebe. Das wiederum erklärt die Spannbreite der Lesarten, die von politisch über soziologisch und psychologisch bis hin zu theologisch reicht (vgl. Janz 1976, 208), wobei in den meisten Interpretationen die Lesarten scharf voneinander abgegrenzt sind, die Deutungen sich sogar bis zur Ausschließlichkeit widersprechen (vgl. Koopmann 1986, 286). Zugegeben, es bedarf des mehrmaligen Lesens, um die Vielschichtigkeit des Stoffes und der Figuren zu erfassen. Der erste Eindruck verkehrt sich bei genauer Betrachtung oft ins Gegenteil: der Konflikt zwischen Bürgertum und Adel, der in der Regel Thema des bürgerlichen Trauerspiels ist, erweist sich vielmehr als ein Konflikt innerhalb des bürgerlichen Standes; scheinbar positive Charaktereigenschaften der Figuren entpuppen sich als negativ. Ähnlich verhält es sich mit der Hauptfigur Luise Millerin, die in ihrem Wesen still und unauffällig ist und damit auf den ersten Blick weniger präsent erscheint als zum Beispiel ihr Vater, der Geiger Miller, der bereits in der ersten Szene sehr laut und deutlich seine Meinung kundgibt. Die vorangegangenen Forschungen untersuchten den Stoff ausschließlich auf die oben genannten Gehalte, ließen dabei jedoch außer Acht, dass sich das gesamte Stück um Luise und ihre Konflikte herum aufbaut.

Ziel meiner Arbeit ist es, dass Drama ausgehend von der Hauptfigur Luise einmal neu zu beleuchten und die inneren sowie die zwischenmenschlichen Konflikte, anhand einer vorherigen Charakterisierung der Figuren, aufzuzeigen. Darüber hinaus möchte ich beweisen, dass sich ein vollständiges Bild nur dann ergibt, wenn bei der Betrachtung alle Komponenten, politische, soziologische, psychologische sowie theologische, als Einheit berücksichtigt werden – in Zusammenwirkung mit der bedeutenden Rolle Luises.

2 Konfliktstrukturen

Aus Übersichtlichkeitsgründen werde ich eine grobe Strukturierung vornehmen, obwohl die einzelnen Konflikte ineinander übergehen und miteinander verbunden sind, was eine scharfe Trennung sehr schwer macht. Zuerst werde ich Luises inneren Konflikt, der aus der engen Vater – Tochter – Beziehung resultiert, analysieren. Dieser bildet den Ausgangspunkt meiner Untersuchung. Anschließend werde ich die zwischenmenschlichen Konflikte näher betrachten, wobei Luise jeweils im Blickpunkt stehen soll.

Dazu ist es notwendig, den Personenbestand zu unterteilen. Zu den Hauptfiguren gehören: Miller („biederer Hausvater“), Luise („gefallene Tochter“), Ferdinand („adliger Liebhaber“), sowie der Präsident. Zu den Nebenfiguren zählen: Millerin („ehrgeizige Mutter“), Wurm („skrupelloser Intrigant“), Lady Milford („höfische Mätresse“), sowie der Hofmarschall von Kalb (Alt 1994, 270).

Darüber hinaus werde ich analysieren, ob man in den einzelnen Kapiteln von einem Konflikt zwischen den Ständen oder von einem Konflikt innerhalb des jeweiligen Standes sprechen kann.

2.1 Die Vater – Tochter – Beziehung und Luises daraus resultierender innerer Konflikt

Anhand der Analyse des Stoffes zeigt sich, dass es kaum möglich ist, die Vater – Tochter – Beziehung und Luises daraus resultierenden Konflikt voneinander getrennt zu betrachten. Aus diesem Grund werde ich das Problem als Ganzes untersuchen.

Eine kurze Charakterisierung Millers muss meiner Untersuchung vorausgehen, da Miller maßgeblich verantwortlich für den Konflikt seiner Tochter ist. Der Geiger Miller entspricht voll und ganz dem oben erwähnten Bild des „biederen Hausvaters“ (ebd., 270). Auf den ersten Blick ist er ein treusorgender Familienvater, der die Hände über die Tochter hält und nur auf ihr Bestes bedacht ist. An seiner Absicht möchte ich nicht zweifeln, nur stellt sich sehr bald heraus, dass seine Vorstellungen, die er auch durchzusetzen weiß, mit denen von Luise kollidieren. Genau genommen ist Millers Charakter weit weniger makellos als es auf den ersten Blick scheint und man von einem Vertreter des Bürgertums erwartet. Alt (ebd., 283, Kopfnote im Original) charakterisiert ihn wie folgt:

Mit „Gott wie mit Geld (...) gleich schnell zur Hand“ 102, ist der alte Miller keineswegs Repräsentant neuer, womöglich revolutionärer Ideale, vielmehr ein sparsamer Hausvater, der Biedersinn und moralische Grundsätze zu verbinden sucht. Daß seine sittlichen Prinzipien überaus anfechtbar sind, beweist er am Schluß durch die Reaktion auf das Geldgeschenk Ferdinands, das ihm zumindest vorübergehend den gesunden Menschverstand raubt [...].

Der für meine Begriffe eher milden Illustration von Alt steht Koopmanns (1986, 287) weit kritischere Ansicht gegenüber:

Vater Miller entlarvt sich als korrumpierter Bürger, der nicht nur von allen guten Geistern, sondern vor allem von seiner eigenen Moral verlassen worden ist, als der unmoralisch gewordenen Hausvater, der sein ökonomisches Vokabular schnell zur Hand hat, wenn es darum geht, seinen Besitz zu wahren.

Letzter Meinung möchte ich mich anschließen. Beide Zitate beziehen sich größtenteils auf einen späteren Punkt des Trauerspiels. Am Anfang stehen Millers im Grunde positive moralischen Prinzipien, die durch die Art und Weise ihrer Anwendung bei Luise jedoch ein vernichtendes Mittel sind. Bereits in der ersten Szene des ersten Aktes gibt Miller seiner Frau, die die Wahl Luises durchaus billigt, deutlich zu verstehen, dass er mit allen Mitteln versuchen wird, die zarte Bindung seiner Tochter mit dem Major auseinander zu bringen: „Darum, just eben darum muß die Sach’ noch heut auseinander“ (Schiller 1784, 5)! Die Äußerung lässt ahnen, dass der weitere Verlauf nicht ohne Komplikationen bleiben wird. Er räumt der Tochter zwar die Freiheit ein, dass sie einen Mann, den sie nicht will, ablehnen kann, jedoch darf sie den, den sie will, nicht nehmen (vgl. Janz 1976, 231). Miller ist der Geldverdiener, von dem sowohl Mutter als auch Tochter ökonomisch abhängen. So wie er auf der einen Seite seine moralischen Grundsätze durch das Vokabular der Religion ausdrückt und damit Luise immer wieder an ihre Pflichten als Tochter erinnert, so teilt er ihr auf der anderen Seite seine (ökonomischen) Besitzansprüche deutlich mit:

Du siehst, mein Haar fängt an grau zu werden. Die Zeit meldet sich allgemach bei mir, wo uns Vätern die Kapitale zustatten kommen, die wir im Herzen unsere Kinder anlegten. – Wirst du mich darum betrügen, Luise? Wirst du dich mit dem Hab und Gut deines Vaters auf und davon machen (Schiller 1784, 73)?

Mit dieser Aussage macht er deutlich, dass er Luise „als Vermögen im buchstäblichen Sinn“ (Janz 1976, 222) betrachtet. Da der bürgerliche Miller kein materielles Vermögen besitzt, sieht er in seinem Kind „sein einziges Vermögen, dessen Wert mit ihrer Heiratsfähigkeit, das heißt mir ihrer Unschuld steht und fällt“ (ebd., 222). Es besteht kein Zweifel daran, dass er aus väterlicher Liebe um seine Tochter besorgt ist. Er wünscht sich einen „ehrbaren“ (Schiller 1784, 4) bürgerlichen Schwiegersohn, was ein durchaus verständlicher und nachvollziehbarer Wunsch eines Vaters für seine Tochter ist. Gleichzeitig soll der Schwiegersohn aber auch als Millers „Kundschaft“ (ebd., 4) dienen. Diese Überlegung ist ein weiterer Beweis für sein materialistisches Denken. Janz (1976, 222) schreibt in diesem Zusammenhang treffend:

Das symbolische Gut Tugend hat zunächst materielle Güter zu ersetzen. Die Tochter, die Miller ausdrücklich als seine >Arbeit< bezeichnet, in der er sich selbst verwirklicht sieht, soll in ihrer Tugend das Zeichen bürgerlicher Ehrbarkeit sein, die der Reichtum belohnt. Fehlt Miller der Reichtum, so soll die tugendhafte Tochter der Familie doch versichern, dass sie des Reichtums würdig wäre.

Luise soll ihm die „Arbeit“ (Schiller 1784, 35), die er in sie investiert hat zurückerstatten, indem sie ihre Unschuld für einen Mann bewahrt, den mehr oder weniger ihr Vater für sie aussucht. Miller – „ökonomischer Herr über die Tochter, [...] Mitbesitzer ihres Herzens, des Inbegriffs ihrer Individualität (Janz 1976, 223). Diese Vorstellung, die er zweifellos ernst meint, hält sich die Waage mit der väterlichen Besorgnis. Für mein Empfinden gehen diese Rückforderungsansprüche eindeutig zu weit. Wo Miller Verständnis für seine Tochter aufbringen und sie in der für sie ohnehin schon schwierigen Situation unterstützen sollte, antwortet er ihr mit Egoismus und Druck. Sein negatives Bild wird dadurch abgerundet, dass er sich zur Durchsetzung seiner Vorstellungen immer wieder auf die Bibel beruft, zum Beispiel als Luise ihn mit ihrem geplanten Selbstmord konfrontiert: „Gib acht, ob du dich da nicht verrechnest, mein Kind! Werden wir uns dort wohl noch finden“ (Schiller 1784, 73)? Die Religion als Druckmittel, dessen er sich durch das gesamte Drama immer wieder erfolgreich bedient – erfolgreich deshalb, weil es bei der streng religiös erzogenen Luise nur wirken kann - versagt an dem Punkt, als sie keinerlei Ausweg mehr aus ihrer Situation sieht. Als er sich dessen bewusst wird, setzt er ein noch wirksameres Mittel obendrauf, um sie vom Selbstmord abzuhalten. Er erinnert seine Tochter an „die innere Bindung an den Vater, diese primäre Beziehung eines Menschen [...]“ (Koopmann 1986, 297)und erreicht damit sein Ziel. Zugleich versetzt er der Liebesbeziehung den Todesstoß: „Wenn die Küsse deines Majors heißer brennen als die Tränen deines Vaters – stirb“ (Schiller 1784, 74)! Koopmann (1998, 376) stellte fest, dass er in seinem absolutistischen Besitzanspruch auf Luise Ferdinand durchaus ebenbürdig ist, was „eine sonderbare Komplizenschaft zwischen Miller und Ferdinand“ schafft. Gegen Ende des Stückes zeigt Miller dann sein wahres Gesicht: er bleibt seinen moralischen Prinzipien in Anbetracht von Ferdinands Geldgeschenk nicht treu. Mehr noch, Miller reagiert völlig euphorisch:

Mein also! Mein! Mit des guten Gottes Wissen und Willen mein! Weib! Tochter! Viktoria! Herbei! Aber du lieber Himmel! Wie komm’ ich denn so auf einmal zu dem ganzen grausamen Reichtum? [...] Aber dem Mädel soll der Segen bekommen; was ich ihr nur an den Augen absehen kann, soll sie haben – Und soll mir Französisch lernen aus dem Fundament, und Menuettanzen und Singen, dass man’s in den Zeitungen lesen soll; und eine Haube soll sie tragen wie die Hofratstöchter und einen Kidebarri, wie sie’s heißen, und von der Geigerstochter soll man reden auf vier Meilen weit – (Schiller 1784, 81 f.).

Droht er anfangs seiner Frau noch damit, ihr das Violoncello auf dem Kopf zu zerschlagen, weil sie den sozialen Aufstieg ihrer Tochter unterstützen will, so steht ihr Miller am Ende mit seiner Reaktion auf das Gold in nichts nach. Dadurch verkehrt sich sein Charakter, dessen Fassade im Verlauf der Handlung ohnehin zunehmend abbröckelte, noch vollständig ins Gegenteil.

Die dritte Szene des ersten Aktes, die Luise, die „gefallene Tochter“ (Alt 1994, 270) ins Drama einführt, demonstriert vor allem die Beziehung zu ihren Eltern, besonders zu Miller. Aus der Kirche kommend, noch bevor sie die bürgerliche Stube betritt, ist sie sich zum einen ihrer Liebe zu Ferdinand bewusst, zum anderen wird ihr klar, dass ihre tiefen Gefühle sie in einen Konflikt mit ihrer religiösen Erziehung und ihrer Bindung an den Vater und „der von ihm vertretenen Ordnung“ (Alt 1994, 283) bringen. Es ist bezeichnend, dass Luise unmittelbar nachdem sie ihr Elternhaus betritt, ihre Mutter, die eine sehr untergeordnete Rolle spielt, nach der Anwesenheit Ferdinands fragt. Sie hätte ebenso gut Miller fragen können, denn er begrüßt sie zuerst. Aus der sich anschließenden Unterhaltung mit ihm lassen sich Luises Eigenschaften schlussfolgern: sie ist duldsam, genügsam, gehorsam und untergeben – Eigenschaften, die allesamt das Resultat der autoritären Erziehung ihres Vaters sind und die zugleich zeigen, dass Luise schon aus ihrer Erziehung heraus nicht in der Lage sein kann, ihre Persönlichkeit zu entfalten. Wenn sie sich selbst als „schwere Sünderin“ (Schiller 1784, 8) bezeichnet, stellt sich mir sofort die Frage, ob es tatsächlich ihre eigenen moralischen Grundsätze – nicht vielmehr die des Vaters – sind, die ihr zu dieser Erkenntnis verhelfen. Anhand der folgenden Szene werde ich versuchen, alle Aspekte meiner Fragestellung zu betrachten:

[...]

Fin de l'extrait de 26 pages

Résumé des informations

Titre
Konfliktstrukturen in Friedrich von Schillers "Kabale und Liebe"
Université
Technical University of Chemnitz
Cours
Proseminar: Literatur des Sturm und Drang
Note
2,0
Auteur
Année
2005
Pages
26
N° de catalogue
V82255
ISBN (ebook)
9783638869669
ISBN (Livre)
9783656447016
Taille d'un fichier
416 KB
Langue
allemand
Annotations
Akzeptabler Ansatz, es hätte mehr berücksichtigt werden sollen, dass das Stück im 18. Jahrhundert spielt (daraus ergaben sich einige Unklarheiten im ersten Teil der Arbeit)
Mots clés
Konfliktstrukturen, Friedrich, Schillers, Kabale, Liebe, Proseminar, Literatur, Sturm, Drang
Citation du texte
Corinna Roth (Auteur), 2005, Konfliktstrukturen in Friedrich von Schillers "Kabale und Liebe", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/82255

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