Wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge wird bei 3-5 Prozent aller Kinder ADS – das Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom – diagnostiziert. Die Verteilung wird mit 4:1 zu Ungunsten der Jungen angegeben. Es gibt zur Zeit kaum eine andere psychische Störung, die mehr in der öffentlichen Diskussion steht.
Die Eltern der Kinder kämpfen gegen extrem belastende, diffuse Alltags- und Erziehungsprobleme. Häufig entstehen daraus Verhaltensstörungen bei den Kindern. Sie haben Ängste, werden aggressiv oder auch depressiv.
Die Bezeichnung ADS – Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom – bedeutet keine Diagnose im medizinischen Sinne. Sie „umfasst bestenfalls eine Zustandsbeschreibung des Verhaltens, erfasst bestimmte Auffälligkeiten der Begabungsstruktur oder beschreibt Kindergarten- oder Schulschwierigkeiten des Kindes.“ Diese Beschreibung spiegelt sehr gut die Ratlosigkeit wider, die bei Wissenschaftlern entsteht, wenn es darum geht, ADS einzuordnen – Krankheit oder nicht?
ADS äußert sich durch eine verzögerte Entwicklung; u.a. sind Motorik und Sprache oft davon betroffen. Dennoch verfügen diese Kinder über eine normale Intelligenz (ADS gibt es in allen Begabungslagen von hochbegabt bis geistig behindert).
Folgt man allerdings den Ansichten Hartmanns, so ist es völlig unangebracht, von Störungen zu sprechen bei Menschen mit ADS. Sie sehen die Welt einfach mit anderen Augen, haben ein anderes Zeit- und Aufmerksamkeitsempfinden, ihre Fähigkeiten könnten sich jedoch voll entfalten, wenn man diese Menschen nur entsprechend ihren eigenen (Konzentrations-)Fähigkeiten leben ließe.
Unabhängig von der wissenschaftlichen Auffassung: Fakt ist ganz offensichtlich der vorhandene Leidensdruck, sei es im Alltag oder in der Schule. Es besteht eine nachgewiesene Comorbidität zu aggressiven Verhaltensstörungen, emotionalen Auffälligkeiten, Schulleistungsproblemen und Interaktionsschwierigkeiten in der Familie.
Haben die Kinder, bei denen ADS diagnostiziert wird, eine Störung, weil sie „stören“? Liegt eine ernsthafte Erkrankung vor? Diesen Fragen soll im Folgenden nachgegangen werden.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Das Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom
2.1. Ursachen für das Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom
2.2. Symptome
2.2.1. Auffälligkeiten erster Ordnung
2.2.2. Auffälligkeiten zweiter Ordnung
3. Verhaltensstörung - Der Begriff
4. Formen von Verhaltensstörungen
4.1. Motorische Symptome
4.2. Vegetative Symptome
4.3. Affektive Symptome
4.4. Die Arbeits- und Spielhaltung
4.5. Das Sozialverhalten
5. Ursachen von Verhaltensstörungen
5.1. Konflikte
5.2. Überforderung
5.3. Frustration
5.4. Leistungsdruck
5.5. Die Kleinfamilie
5.6. Die soziale Umwelt
5.7. Berufstätigkeit der Mutter
6. Auswege, Perspektiven, Möglichkeiten
6.1. In der Familie
6.2. In der Schule
6.3. Medikamentöse Behandlung
6.4. Therapeutische Möglichkeiten
6.4.1. Die nicht-direktive Spieltherapie
7. Fazit
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge wird bei 3-5 Prozent aller Kinder ADS – das Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom – diagnostiziert (vgl. Barkley 1997). Die Verteilung wird mit 4:1 zu Ungunsten der Jungen angegeben. Es gibt zur Zeit kaum eine andere psychische Störung, die mehr in der öffentlichen Diskussion steht.
Die Eltern der Kinder kämpfen gegen extrem belastende, diffuse Alltags- und Erziehungsprobleme. Häufig entstehen daraus Verhaltensstörungen bei den Kindern. Sie haben Ängste, werden aggressiv oder auch depressiv.
Die Bezeichnung ADS – Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom – bedeutet keine Diagnose im medizinischen Sinne. Sie „umfasst bestenfalls eine Zustandsbeschreibung des Verhaltens, erfasst bestimmte Auffälligkeiten der Begabungsstruktur oder beschreibt Kindergarten- oder Schulschwierigkeiten des Kindes.“ (R. Michaelis: Mein Kind ist doch nicht dumm, Ravensburger Buchverlag, 1997, S.81.) Diese Beschreibung spiegelt sehr gut die Ratlosigkeit wider, die bei Wissenschaftlern entsteht, wenn es darum geht, ADS einzuordnen – Krankheit oder nicht?
ADS äußert sich durch eine verzögerte Entwicklung; u.a. sind Motorik und Sprache oft davon betroffen. Dennoch verfügen diese Kinder über eine normale Intelligenz (ADS gibt es in allen Begabungslagen von hochbegabt bis geistig behindert).
Folgt man allerdings den Ansichten Hartmanns, so ist es völlig unangebracht, von Störungen zu sprechen bei Menschen mit ADS. Sie sehen die Welt einfach mit anderen Augen, haben ein anderes Zeit- und Aufmerksamkeitsempfinden, ihre Fähigkeiten könnten sich jedoch voll entfalten, wenn man diese Menschen nur entsprechend ihren eigenen (Konzentrations-)Fähigkeiten leben ließe.
Unabhängig von der wissenschaftlichen Auffassung: Fakt ist ganz offensichtlich der vorhandene Leidensdruck, sei es im Alltag oder in der Schule. Es besteht eine nachgewiesene Comorbidität zu aggressiven Verhaltensstörungen, emotionalen Auffälligkeiten, Schulleistungsproblemen und Interaktionsschwierigkeiten in der Familie.
Haben die Kinder, bei denen ADS diagnostiziert wird, eine Störung, weil sie „stören“? Liegt eine ernsthafte Erkrankung vor? Diesen Fragen soll im Folgenden nachgegangen werden.
2. Das Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom
Die international anerkannte Bezeichnung des Störungsbildes lautet nach DSM VI (Diagnostisch-statistisches Manual der amerikanischen psychiatrischen Gesellschaft): Aufmerksamkeitsdefizit- /Hyperaktivitäts-störung.
Das Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom, nachfolgend ADS genannt, ist eine häufige Ursache für die Entstehung einer sekundären Verhaltensstörung. In der Fachliteratur gibt es viele weitere Termini, die für diese Diagnose verwendet werden.
Michaelis benennt folgende:
- MCD – Minimales Cerebrales Dysfunktions-Syndrom
- ADD (amerikanischer Ausdruck) Attention-Deficit-Disorder
- Frühkindlich-exogenes Psychosyndrom (Lempp)
- Dyslexie
- Hyperaktivität, auch: ADS-H bzw. ADHD (Amerika)
- Teilleistungsschwäche
- Wahrnehmungsstörungen
(R. Michaelis: Mein Kind ist doch nicht dumm, Ravensburger Buchverlag, 1997, S. 83.) Er ist der Auffassung, dass individuelle – besonders hervorstechende - Verhaltensauffälligkeiten in den verschiedenen Termini zu finden sind.
ADS ist eine der häufigsten Diagnosen bei verhaltenssauffälligen Kindern und Jugendlichen.
ADS ist keine Krankheit und beruht nicht auf einer Hirnschädigung – es ist also keine „schicksalhafte“ Behinderung – sagen die einen. (Viele Lehrer, Psychologen und andere, die mit ADS-Kindern arbeiten, vermuten einen Zusammenhang zwischen Kreativität und ADS!) Andere wiederum sprechen ganz deutlich von einer „Erkrankung“.
Eine der populärsten Theorien über ADS vertritt die These, dass ADS eine Erscheinung von unterentwickelten oder missgestalteten Frontallappen des Hirns ist.
Hartmann charakterisiert die Menschen mit ADS als „zerstreute Professoren, unordentliche Genies, Supermathematiker, die immer wieder ungedeckte Schecks ausstellen, Tausende von Menschen, die Außerordentliches hätten erreichen können, sich aber irgendwann einmal damit abgefunden haben, nur irgendwie über die Runden zu kommen.“ (Thom Hartmann: Eine andere Art, die Welt zu sehen. Das Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom. Schmidt-Römhild, 1997, S. 103.)
Er geht davon aus, dass diese Verhaltensweisen in der Vergangenheit Vorzüge waren (z.B. als Jäger bzw. von ihm Hunter genannt) und vertritt die Theorie:
„ADD ist ein normaler und natürlicher Teil des Spektrums menschlichen Verhaltens, aber in der modernen Gesellschaft ist es nicht so nützlich, wie es möglicherweise in der Vergangenheit war.“ (Hartmann; ADD: Veränderungen selbst bewirken. Schmidt-Römhild, 1998, S. 67.)
Für diese Theorie spricht der Umstand der Geschlechterverteilung von 4:1 zu Ungunsten der Jungen. Schließlich waren es ja einstmals Aufgabe der Männer zu jagen.
Es dürfte in jedem Fall Einigkeit darüber herrschen, dass Wahrnehmung und Wahrnehmungsverarbeitung anders sind und „Störungen“ im Alltag hervorrufen. Besonders schwierig wird es in der Schule. Hier zeigt sich ADS vor allem durch Auffälligkeiten beim Erlernen von Lesen und Schreiben und/oder Rechnen. Daher spricht man auch oft von Teilleistungsschwächen.
Wann ist „Verschiedenheit“ eine „Krankheit“? Macht diese Andersartigkeit erst krank? Oder handelt es sich um eine Entwicklungsverzögerung?
Bewegungsstörungen können zu Frustrationen bei den Kindern führen, die häufige Misserfolge im Spiel mit anderen Kindern erleben und darunter leiden. Sekundär kommen dann Verhaltensstörungen zustande.
Allein schon bei den sehbehinderten Kindern treten Angstsymptome, Störungen des Spielverhaltens, Spielhemmungen und Einnässen wesentlich häufiger auf als bei den normalsichtigen.
Daneben kann sich auch bei den Eltern Unzufriedenheit mit der Entwicklung ihres Kindes, enttäuschte Erwartungen oder gar Ablehnung in die Reaktion der Eltern auf ihr Kind mit einschleichen. Diese Haltungen wirken dann auf das Kind zurück und können es verhaltensgestört werden lassen. Es entsteht der Teufelskreis:
Störung – Fehlreaktion der Umwelt – Fehlverhalten des Kindes.
2.1. Ursachen für das Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom
Die Ursachen für ADS sind letztendlich noch nicht bekannt. Michaelis glaubt, sie müssten aber ihren Ursprung in Funktionsstörungen des Gehirns haben – daher spricht er auch von einer cerebralen (gehirnbedingten) Dysfunktion (gestörte Funktion). Man brachte ADS aber
auch mit verschiedenen anderen Dingen in Zusammenhang, z.B. mit alkoholbedingten frühkindlichen Schäden bereits im Mutterleib, mit geistiger Reifeverzögerung und Vererbung. Cordula Neuhaus spricht sogar von einer „inzwischen feststehenden, extrem hohen Erblichkeit der Störung.“ (Klaus Skrodzki/Krista Mertens (Hrsg.): Hyperaktivität. Aufmerksamkeitsstörung oder Kreativitätszeichen? Borgmann publishing, 2000, S. 196.)
Diese Erkenntnis hat zunächst Psychologen unterstellen lassen, dass ADS ein Ergebnis von gestörten Familienverhältnissen sei und somit als erlerntes Verhalten von Generation zu Generation weitergegeben wird.
Dies erinnert an die Ansichten von Eysenck, der davon ausgegangen ist, dass alles, auch Verhaltensstörungen, „nur“ gelernte Reaktionen sind – so können diese auch wieder „verlernt“ werden.
Jedoch konnte diese Theorie bisher nicht wissenschaftlich untermauert werden. Auch Kinder aus sogenannten „normalen“ Verhältnissen leiden unter ADS.
Es ist allerdings sehr interessant, dass es definitive Unterschiede in der Funktionsweise der Gehirne gibt. PET-Scans (Positronen-Emissions-Tomographien) zeigen, dass sich die allgemeine Gehirnaktivität eines Menschen mit ADS eher diffus über das ganze Gehirn verteilt, während sie sich bei „normalen“ auf ganz bestimmte Gebiete „konzentriert“.
Thom Hartmann hat dagegen eine völlig andere Auffassung über die Ursachen des ADS: „Leute mit ADS sind die genetischen Erben der Jäger... Es gibt zahlreiche andere Beispiele für vermeintlich genetische Krankheiten, die in Wirklichkeit Überlebensvorteile gebracht haben.“ (Thom Hartmann: Eine andere Art, die Welt zu sehen. Das Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom. Schmidt-Römhild, 1997, S. 32.) Diese Sichtweise wird im Folgenden noch näher erörtert.
2.2. Symptome
ADS sei ein Krankheitsbild, so die American Psychiatric Association, das eine andauernde Unaufmerksamkeit und/oder Hyperaktivität und Impulsivität beschreibe, die ansonsten bei Kindern oder Jugendlichen auf vergleichbarer Entwicklungsstufe nicht beobachtbar sei (amerikanisch: DSM-IV und europäisch: ICD-10).
Die motorischen Fähigkeiten dieser Kinder sind meist im großen und ganzen normal entwickelt, von bestimmten Ungeschicklichkeiten und Koordinationsschwierigkeiten sowie Mängeln in der Feinmotorik abgesehen. Es sind diese Kinder mit „zwei linken Händen“, die auch durch
ihre schlechte Schrift in der Schule auffallen. Es fallen unharmonische Bewegungsabläufe beim Gehen auf sowie das Ungeschick, vorgemachte Körperhaltungen nachahmen zu können.
Ein guter Diagnostiker wird weiterhin sein Augenmerk darauf richten, wie gut der kleine Patient mit beiden Beinen nacheinander einseitig hüpfen kann.
ADS-Kinder sind viel weniger in der Lage, störende Reize auszuschalten und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Da jeder von außen herantretende Reiz die Kinder ablenken kann, ist die Konzentrationsfähigkeit oft stark beeinträchtigt. Die Kinder sind daher häufig auch hyperaktiv und durch die Reizüberempfindlichkeit labil und leicht störbar.
Häufig werden diese Kinder von der Umwelt als ungehorsam oder faul empfunden, obwohl sie den erteilten Auftrag oft ganz einfach nicht richtig erfasst haben. Es ist beispielsweise erwiesen, dass ADS-Kinder Probleme mit der Verarbeitung von rein akustisch angebotenen Informationen haben. Deutliches und langsames Sprechen (und nicht zu viel auf einmal) ist daher sehr wichtig im Umgang mit den Kindern.
Viele von ihnen besitzen nur mangelnde Fähigkeit, „innerlich auf die Bremse zu treten“ (Hyperaktivität). Dies lässt die Kinder und Jugendlichen für das Umfeld – nicht zuletzt aufgrund der extremen Stimmungslagen - sehr anstrengend werden.
Es wird ebenfalls berichtet, dass erst spät aus Einsicht gelernt und über sich berichtet wird und die Eigenleistung realistisch eingeschätzt werden kann (wenn überhaupt). „Die Verantwortung für sich selbst wird zumeist erst zwischen 18 und 24 Jahren übernommen sowie erst spät etwas Unangenehmes aus Eigenantrieb heraus wirklich angepackt und umgesetzt.“ (Neuhaus in: Klaus Skrodzki/Krista Mertens (Hrsg.): Hyperaktivität. Aufmerksamkeitsstörung oder Kreativitätszeichen? Borgmann publishing, 2000, S. 188.)
Konflikte entstehen bei der Einforderung von langweiligen, alltäglichen Routinen: der Morgentoilette, die Sachen auf ihren jeweiligen Platz legen, Hausaufgaben erledigen usw.
Michaelis unterteilt die Auffälligkeiten in solche erster und zweiter Ordnung. Diese sind keineswegs alle bei jedem Kind zu finden. Manche zeigen nur einzelne, andere mehrere Kombinationen von Auffälligkeiten der ersten und zweiten Ordnung.
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- Arbeit zitieren
- Daniela Kapp (Autor:in), 2005, Die Entstehung von Verhaltensstörungen aufgrund des Aufmerksamkeits-Defizit-Syndroms, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/82343
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