Befasst man sich mit dem Werk von Hermann Nitsch, so fällt es schwer die Intention des Künstlers zu erfassen. Der Grund dafür liegt darin, daß man auf die Vermittlung durch das Wort der Beobachter und Kunstwissenschaftler angewiesen ist, die einen im Grunde nicht vermittelbaren sondern lediglich erfahrbaren Prozess beschreiben, und selber an den Ereignissen nicht teilgenommen hat.
In seinem Orgien-Mysterien-Theater (O.M. Theater) versucht Nitsch durch reale Tieropferungen, durch Malaktionen mit Blut, Fleisch und Gedärm durch Zerreißen der Opfer und Trinkgelage, die im Wechsel mit Ruhephasen stattfinden, die dionysisch – sinnliche Erfahrbarkeit des Ritus neu zu beleben. Ziel des O.M. Theaters scheint es zu sein, eine archaische Form der Entrückung herbeizuführen. Zum einen. Zum anderen aber auch, einer widersprüchlichen Zone von Selbstverständlichkeit und Ignoranz entgegenzutreten. Einer bürgerlich industriellen Gesellschaft nämlich, die den Tötungsakt mechanisiert, das Fleisch in der Medizin technologisiert und die Erotik in einem Marketingzusammenhang trivialisiert. Es stellen sich die Fragen nach der Organisierbarkeit des Exzesses, der seiner Natur nach doch chaotisch ist, sowie nach seiner Übertragbarkeit in die Form der Bilder. Transportieren diese Relikte der Malaktionen und der O.M. Theater wirklich den so wichtigen grenzgängerischen, kathartischen Prozess, den zu erfahren Vorraussetzung für jedes echte Verständnis ist, oder wirken diese Bilder nicht doch eher wie bloße Schmierereien, allenfalls etwas obszön, weil ein Prozess eben nicht fixierbar ist?
Zudem ist der Exzess eine Entität, die sich jeder Definierbarkeit entzieht, da sein Wesen die Ungreifbarkeit ist. Will Nitsch durch das Ausleben des Exzesses und der Aggression, im Zerreißen, Schmieren, Schütten und Besudeln, Zerstampfen und Zerdrücken und Zerwühlen eine Reinigung von diesen Gefühlen herbeiführen, so ist diese bestenfalls durch direkte Teilnahme an den Geschehnissen erfahrbar. Ob so etwas in ein Ritual überführbar oder durch die von Nitsch dabei produzierten Bilder auch dem Nichtteilnehmenden mitteilbar ist, will ich hier in Zweifel ziehen. In dieser Arbeit werde ich untersuchen, inwieweit Nitsch seine Ziele erreicht.
Inhaltsverzeichnis
- Zugangsproblem
- Biographie
- Nitschs Werk
- Aktionsmalerei
- Das Orgien Mysterien Theater
- Exposition
- Intentionen
- Grundlegung
- Kulturzitate
- Das Bacchanal als Ausdruck der Lebensfreude
- Protest
- Provokation
- Wirkungen
- Kulturzitate
- Das Bacchanal als Ausdruck der Lebensfreude
- Protest
- Provokation
- Gesamtbeurteilung
- Das O.M. Theater als Ritual - Stellungnahme
- Schlußbetrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht Hermann Nitschs künstlerisches Werk, insbesondere sein Orgien Mysterien Theater (O.M. Theater), und analysiert dessen Intentionen und Wirkungsweisen. Der Fokus liegt auf der Frage, inwieweit Nitsch seine Ziele erreicht und wie sein Werk im Kontext von Exzess und Ritual zu verstehen ist.
- Die Intentionen hinter Nitschs O.M. Theater und deren Umsetzung
- Die Rolle von Exzess und Ritual in Nitschs Kunst
- Die Wirkungsweise von Nitschs Kunst auf den Betrachter
- Der Zusammenhang zwischen Nitschs Biografie und seinem Werk
- Die kritische Auseinandersetzung mit den kontroversen Aspekten von Nitschs Kunst
Zusammenfassung der Kapitel
Zugangsproblem: Die Arbeit beginnt mit der Schwierigkeit, Nitschs Intentionen zu erfassen, da die Beschreibung seines Werkes stark von der Interpretation der Beobachter abhängig ist. Der direkte Erlebnischarakter des O.M. Theaters, mit Tieropfern und rituellen Aktionen, erschwert eine rein analytische Betrachtung. Die zentrale Frage ist, ob Nitschs Ziel, eine archaische Form der Entrückung zu erreichen und einer gesellschaftlichen Ignoranz entgegenzutreten, gelingt und ob die Bilder die Intensität des Erlebnisses vermitteln können. Die Arbeit hinterfragt die Übertragbarkeit des chaotischen und unfassbaren Exzesses in eine bildhafte Form.
Biographie: Dieses Kapitel skizziert Nitschs Leben, beginnend mit seinen frühen Erfahrungen im Zweiten Weltkrieg und seinen prägenden Aufenthalten im ländlichen Weinviertel. Der Einfluss von Literatur, Kunst und Philosophie auf seine Entwicklung wird beleuchtet, ebenso wie seine Begegnung mit der Aktionsmalerei und die Entstehung des O.M. Theaters. Es wird Nitschs Weg vom dichterischen Ausdruck zur Aktionskunst nachgezeichnet, seine Auseinandersetzung mit dem Medium Malerei und seine Bestrebungen zur Durchdringung von Kunst und Realität. Die Kapitel beleuchtet die verschiedenen Phasen seines Lebens und seines künstlerischen Schaffens, inklusive seiner rechtlichen Auseinandersetzungen und seines späteren Erfolgs.
Nitschs Werk: Dieser Abschnitt präsentiert eine Übersicht über Nitschs künstlerisches Schaffen, unterteilt in Aktionsmalerei, O.M. Theater und Exposition. Hier wird die Entwicklung und die zentralen Elemente seiner Kunstformen erläutert, ohne auf spezifische Details einzugehen. Die Verbindung zwischen den einzelnen Aspekten seines Werkes wird verdeutlicht.
Intentionen: Dieses Kapitel befasst sich eingehend mit den grundlegenden Intentionen hinter Nitschs Werk, analysiert die kulturellen Bezüge und den Ausdruck von Lebensfreude im Bacchanal. Der Protestcharakter und die Provokation als Mittel zur Auseinandersetzung mit der Gesellschaft werden beleuchtet. Es geht um das Verständnis der tieferliegenden Motivationen und Ziele, die hinter Nitschs oft schockierenden und kontroversen Aktionen stecken.
Wirkungen: Dieser Teil untersucht die Wirkung von Nitschs Kunst, wobei die kulturellen Bezüge, der Ausdruck der Lebensfreude und die Aspekte des Protests und der Provokation im Detail analysiert werden. Eine abschließende Gesamtbeurteilung wird angestrebt.
Das O.M. Theater als Ritual - Stellungnahme: Dieser Abschnitt befasst sich mit einer eingehenden Analyse des O.M. Theaters als Ritual und seiner Stellungnahme zur Gesellschaft. Die Diskussion der spezifischen Rituale, ihrer Symbolik und ihrer Wirkung auf die Teilnehmer und Beobachter steht im Vordergrund. Die Arbeit analysiert die Funktion des Rituals im Gesamtkontext von Nitschs Kunst.
Schlüsselwörter
Hermann Nitsch, Orgien Mysterien Theater, Aktionsmalerei, Exzess, Ritual, Katharsis, Protest, Provokation, Dionysisches, Archaisch, Moderne Kunst, Gesamtkunstwerk, Tieropfer.
Hermann Nitsch: Orgien Mysterien Theater - FAQ
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit analysiert das künstlerische Werk von Hermann Nitsch, insbesondere sein Orgien Mysterien Theater (O.M. Theater), dessen Intentionen und Wirkungsweisen. Der Fokus liegt auf der Erreichung von Nitschs Zielen und dem Verständnis seines Werks im Kontext von Exzess und Ritual.
Welche Themen werden behandelt?
Die Arbeit behandelt folgende Themen: Die Intentionen hinter Nitschs O.M. Theater und deren Umsetzung; die Rolle von Exzess und Ritual in Nitschs Kunst; die Wirkungsweise von Nitschs Kunst auf den Betrachter; den Zusammenhang zwischen Nitschs Biografie und seinem Werk; und die kritische Auseinandersetzung mit den kontroversen Aspekten von Nitschs Kunst.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit umfasst Kapitel zu folgenden Themen: Zugangsproblem (Schwierigkeiten bei der Interpretation von Nitschs Werk); Biographie (Nitschs Leben und künstlerische Entwicklung); Nitschs Werk (Übersicht über Aktionsmalerei, O.M. Theater und Exposition); Intentionen (Grundlegende Intentionen, kulturelle Bezüge, Ausdruck von Lebensfreude, Protest und Provokation); Wirkungen (Wirkung von Nitschs Kunst, kulturelle Bezüge, Protest, Provokation, Gesamtbeurteilung); Das O.M. Theater als Ritual - Stellungnahme (Analyse des O.M. Theaters als Ritual und dessen gesellschaftliche Stellungnahme); und Schlussbetrachtung.
Welche Kapitelzusammenfassungen werden gegeben?
Die Zusammenfassung der Kapitel beleuchtet die Schwierigkeiten der Interpretation von Nitschs Werk aufgrund seines direkten Erlebnischarakters; skizziert Nitschs Leben und den Einfluss von Literatur, Kunst und Philosophie auf seine Entwicklung; präsentiert eine Übersicht über Nitschs künstlerisches Schaffen; analysiert die Intentionen hinter Nitschs Werk, kulturelle Bezüge und den Ausdruck von Lebensfreude; untersucht die Wirkung von Nitschs Kunst; analysiert das O.M. Theater als Ritual und seine Stellungnahme zur Gesellschaft.
Welche Schlüsselwörter sind relevant?
Die Schlüsselwörter umfassen: Hermann Nitsch, Orgien Mysterien Theater, Aktionsmalerei, Exzess, Ritual, Katharsis, Protest, Provokation, Dionysisches, Archaisch, Moderne Kunst, Gesamtkunstwerk, Tieropfer.
Welche zentrale Frage wird gestellt?
Die zentrale Frage ist, inwieweit Nitsch seine Ziele erreicht und wie sein Werk im Kontext von Exzess und Ritual zu verstehen ist. Insbesondere wird hinterfragt, ob Nitschs Ziel, eine archaische Form der Entrückung zu erreichen und einer gesellschaftlichen Ignoranz entgegenzutreten, gelingt und ob die Bilder die Intensität des Erlebnisses vermitteln können.
Welche Schwierigkeiten werden bei der Analyse des Werks von Hermann Nitsch genannt?
Die Arbeit hebt die Schwierigkeit hervor, Nitschs Intentionen zu erfassen, da die Beschreibung seines Werks stark von der Interpretation der Beobachter abhängig ist. Der direkte Erlebnischarakter des O.M. Theaters, mit Tieropfern und rituellen Aktionen, erschwert eine rein analytische Betrachtung. Die Übertragbarkeit des chaotischen und unfassbaren Exzesses in eine bildhafte Form wird ebenfalls hinterfragt.
- Arbeit zitieren
- M.A. Sven Stemmer (Autor:in), 2002, Exzess und Ritual bei Hermann Nitsch, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/82482