Zeit richtungsloser Dichtung - Zur Lyriktrivialisierung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts


Hausarbeit, 2004

36 Seiten, Note: 0,7


Leseprobe


Gliederung

I. Einleitung
A. Einführung und Ziel der Arbeit
B. Trivialliteratur im Allgemeinen – Was kennzeichnet diesen Sammelbegriff?
C. Die Produzenten trivialer Lyrik, Teil 1: Die Epigonenthese

II. Sozialgeschichtliche Faktoren: Der situative Kontext
A. Der Umbruch von der ersten zur zweiten Jahrhunderthälfte
B. ‚Männlein vs. Weiblein’ – Die Geschlechterfrage
C. Bildung und das weibliche Geschlecht
1. Die Höhere Töchterschule
2. Die Frau nach der Schulzeit

III. Auswirkungen der sozialen Faktoren auf den Lyrikmarkt
A. Folgen für die Lyrikproduktion – Die Produzenten, Teil 2
B. Die Situation der Distribuenten und ihre Organe
1. Anthologien
2. Deklamatorien
3. Lyrik in Zeitschriften am Beispiel des Familienblattes „Gartenlaube“

IV. Zusammenfassung und Schlusswort

V. Bibliographie

I. Einleitung

I.A Einführung und Ziel der Arbeit

Ein Zeitgenosse des späten 19. Jahrhunderts hat über die Lyrik jener Tage Folgendes gesagt:

„Unsere Zeit ist ganz und gar nicht lyrisch, und doch wurden nie mehr Gedichte veröffentlicht als gerade jetzt.“[1]

Die Aussage mag zunächst recht paradox klingen, beschreibt jedoch die literarische Sachlage jener Tage vollkommen treffend. Wie ist das möglich, und wie kommt es dazu? Diese Fragen zu erörtern, war der Ausgangspunkt meiner Überlegungen.

Im Zeitraum zwischen 1850 und 1900 hat der Lyrikmarkt (auf Seiten der Produktion und Distribution) nachweislich einen enormen Aufschwung erlebt. Die Anzahl der Lyrik-Anfertigungen in diesen Jahrzehnten ist so gewaltig, dass man heute nur noch den kleinsten Teil der dazugehörigen Dichternamen kennt. Trotz der massenhaften Herstellung kann im lyrischen Bereich nur wenig Schöpferisches und Innovatives in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gefunden werden. Stattdessen bestehen viele Anthologien jener Zeit aus einer Fülle an Triviallyrik. Häufig wird in wissenschaftlichen Untersuchungen dennoch besonders den wenigen großen Autoren Aufmerksamkeit gewidmet. Die Betonung ihrer grandiosen, jedoch – alles in allem gesehen – untypischen Werke ohne breite Resonanz verfälscht allerdings das Lyrikbild der Zeit massiv.

Es gibt verschiedene Arbeiten, die sich mit der Trivialisierung der Lyrik der damaligen Zeit befassen. Hierbei fällt auf, dass die Theorien sich teilweise widersprechen, dass sie verschiedenen Faktoren eine unterschiedliche Gewichtung zukommen lassen und dass sich andere Analysen wiederum ergänzen. Günter Häntzschel beispielsweise in seinen zahlreichen Studien hauptsächlich verschiedene Aspekte der sozialgeschichtlichen Komponente,[2] während andere Forscher sich ausschließlich der Epigonenthese widmen, so etwa Claude David.[3] Und die Darstellung des Literaturwissenschaftlers Jörg Schönert hebt den Aspekt der Distribuenten und der Präsentation der Texte hervor.[4]

Die vorliegende Arbeit intendiert, jene Ursachen, die an dem Phänomen der Lyriktrivialisierung ab etwa 1850 mitwirken, aufzuzeigen. Hierbei werden die vorangegangene Epoche und die Theorie des Epigonentums ebenso einzubeziehen sein wie soziale Umstände, so zum Beispiel die (geschlechterbezogene) Schulbildung oder die sich ausbreitende Industrialisierung. Außerdem müssen sowohl die Anteile, welche die Produzenten an der Entwicklung hatten, als auch der Part der Rezipienten und der Distribuenten aufgeschlüsselt und kombiniert werden, um die Beziehungen und Abhängigkeiten der drei Mitwirkenden am Lyrikmarkt herauszustellen.

Ziel der Arbeit ist es, das vertrackte Geflecht der Faktoren, die schließlich unumgänglich zur Trivialisierung der damaligen Lyrikproduktionen geführt haben, zu beleuchten.

I.B Trivialliteratur im Allgemeinen – Was kennzeichnet diesen Sammelbegriff?

Der Begriff des „Trivialen“, dessen Verständnis Vorraussetzung für den Inhalt meiner Arbeit ist, verlangt aufgrund seiner Komplexität nach einer kurzen Definition.

Der Ausdruck „Trivialliteratur“ wird prinzipiell meist synonym mit jeglicher Art von fiktionaler Unterhaltungs- und Konsumliteratur verwendet, wobei jedoch noch nicht die spezifische Bedeutung der literarischen Trivialisierung erklärt wird. Denn der Trend zum massenhaften Konsum allein ist noch nicht entscheidend; vielmehr enthält das Attribut „trivial“ unbedingt auch einen wertenden Aspekt, durch welchen erst die Möglichkeit zur schnellen Ausbreitung gegeben wird. Triviale Literatur zeichnet sich nämlich dadurch aus, dass sie sehr einfach, gewöhnlich und leicht aufzufassen ist, weil die Distanz zwischen dem Erwartungshorizont des Rezipienten und dem tatsächlichen Werk gleich null ist; alle Erwartungen des Lesers werden also erfüllt. Der Literaturwissenschaftler Hans Robert Jauß misst in seiner Rezeptionsästhetik anhand genau dieser Komponente den künstlerischen Gesamtwert literarischer Werke – und der ist umso größer, je weniger die vom Leser an den Text gestellten Erwartungen erfüllt werden.[5] Triviale Literatur enthält somit aufgrund ihrer Vorhersehbarkeit und ihrer fehlenden Originalität keine bedeutenden künstlerischen oder normenkritischen Werte; die seichte, platte Lektüre eignet sich darüber hinaus vorzüglich zur problemlosen Imitation. Ein recht treffendes Synonym, welches die Bewegungslosigkeit trivialer Werke kundtut, ist daher der Ausdruck „Anpassungsliteratur“.[6] Die folgerichtig stereotype Triviallyrik, welche hier untersucht wird, lässt sich somit hervorragend popularisieren und massenhaft reproduzieren.[7] Sie kann somit wie jedes Massenmedium als Mittel zur Herbeiführung konformer Denkweisen eingesetzt – und zuweilen auch missbraucht – werden.

Überdies bewirkt der Trivialisierungsprozess eine einschneidende Verschiebung in der Textproduktion. Der Autor verliert seine künstlerische Aura, sein Werk wird reduziert auf einen bloßen Warenwert. Und auch der Aspekt, dass der Inhalt von trivialer Literatur im Allgemeinen keine Perspektiven sowie keinen Reflexionsraum bietet, muss unbedingt bedacht werden.[8] Ferner erscheinen die in Triviallyrik vorkommenden Motive oftmals verbraucht und banal.

Jörg Schönert ist außerdem zuzustimmen, dass in der 2. Hälfte des Jahrhunderts nicht nur die neue Lyrikproduktion Triviales hervorbringt, sondern dass auch die schon bestehenden, hoch gewerteten Texte durch triviale Rezeption in die ausdruckslose Massenware eingeordnet werden.[9] Andersherum ist ebenso die Aufwertung von eigentlich trivialen Gedichten in vorteilhafter Umgebung denkbar. Doch besonders erstgenannter Aspekt spielt für meine Untersuchung eine große Rolle. Denn die Rezeptionszuweisung aller Texte – und mögen sie noch so hochwertig sein – erfährt im Prozess der Trivialisierung ebenso eine Verschiebung wie die Textproduktion, und zwar im Sinne einer die Aktivität des Lesers einschränkenden Steuerung. Schönert nennt diesbezüglich im Einzelnen vier Punkte, die das Rezeptionsverhalten festlegen: Erstens geht er von einer Rezeptionsvorgabe durch Vor- und Nachwörter, Mottos, biographische Erläuterungen etc. aus, als zweiten Aspekt nennt er die Rezeptionsverengung durch die Rubrizierung der Texte nach Themen, Stoffen und Motiven, drittens spricht er von einer Rezeptionsfixierung durch Erläuterungen, Kommentare sowie – vor allem – durch Illustrationen, und zu guter Letzt erwähnt der Literaturwissenschaftler Veränderungen in Texten, wie etwa Kürzungen oder Kombinationen.[10] Was genau es mit diesen Faktoren auf sich hat, wird im Folgenden noch präziser zu erörtern sein.

Insgesamt muss für den zu untersuchenden Zeitraum festhalten werden, dass der Trend zum Trivialen nicht allein auf die Künste zu beziehen ist, sondern die gesamten kulturellen Felder, wie beispielsweise Familie, Mode, Sprache und Verein, betrifft und somit auch auf alle Bevölkerungsschichten einwirkt.[11]

Festhalten lässt sich an dieser Stelle außerdem schon einmal explizit, dass die lange Zeit von der Forschung gänzlich missachtete triviale Kunst heutzutage immer mehr zum Gegenstand der Germanistik beziehungsweise der Literatur- und Medienwissenschaft wird – so beispielsweise verstärkt im Hinblick auf die Untersuchung von ebenso populären wie farcenhaften Fernsehproduktionen.

I.C Die Produzenten trivialer Lyrik, Teil 1: Die Epigonenthese

Abschließen möchte die in die Problemstellung einführenden Vorbemerkungen mit einer ersten Betrachtung der Lyrikproduzenten, welche sich allerdings auf das seit einigen Jahrzehnten recht populär gewordene, innerliterarische Phänomen der Epigonenthese beschränken soll, also noch keine sozialen Faktoren berücksichtigt. Im Anschluss an die darauf folgenden Beobachtungen zu gesellschaftsgeschichtlichen Kräften und den daraus resultierenden Ambitionen der Lyrikrezipienten werden die Erzeuger der Trivialwerke dann erneut in Augenschein genommen, wobei sich ihr an dieser Stelle unvollständig gezeichnetes Bild komplettieren soll.

„Epigonen“ bedeutet wörtlich übersetzt soviel wie „Nachgeburten“. In der Literaturwissenschaft hat der Begriff einen negativen Beiklang, da er die „Erben schöpferischer Epochen, die nur noch nachahmend wirken“ bezeichnet.[12] Walter Hinck weist darauf hin, dass „dem Epigonenbegriff die pejorative Bedeutung erst relativ spät unterlegt“ werde, und zwar erst in Bezug auf das geistes- und dichtungsgeschichtlich spezifische, nachahmende Verhalten der Lyrikproduzenten des 19. Jahrhunderts.[13] In der zweiten Hälfte dieses Zeitmaßes trifft die epigonale Schaffensweise nämlich auf eine Vielzahl der veröffentlichenden Lyriker zu, wodurch die Trivialisierung der Dichtung in dieser Zeit zum Teil erklärt werden kann.

Die Frage, wieso das Epigonentum damals so „aufblüht“, lässt sich – recht oberflächlich betrachtet – leicht beantworten. Es macht hierbei Sinn, zunächst die vorangegangenen Epochen und ihre Werke zu beäugen, welche noch immer auf die epigonalen Autoren Einfluss ausüben.

Die Dichter der zweiten Jahrhunderthälfte blicken zurück auf die ‚genialen’ Ären der Klassik und Romantik, in denen eine Überfülle an Schöpferisch-Innovativem produziert worden ist.[14] Sie kennen die Werke von Schiller, Novalis und Eichendorff, haben die Erlebnislyrik des genialen Goethe studiert, seine außergewöhnlichen Stimmungslagen und Formen. Die Vorgeneration der Lyriker scheint zu diesem Zeitpunkt bereits alle möglichen Motive und Themen „verbraucht“ zu haben, so dass Neuansätze unheimlich schwierig werden. All die geistvollen, tiefsinnigen Vorlagen der großen Originale wirken einerseits hemmend und laden andererseits zur Nachahmung ein. Einer der betroffenen Dichter, Paul Heyse, fasst seine Erfahrungen bezüglich dieses Sachverhaltes folgendermaßen zusammen: „Wo sich das Bedürfnis nach […] phantasievolleren Ausschmückungen einstellte, war sofort ein […] Zitat aus den Werken unserer großen Dichter bei der Hand, das den Sprechenden oder Schreibenden der Mühe erhob, sich zu eigener sprachschöpferischer Tätigkeit aufzuschwingen.“[15]

So kann man die verminderte Qualität erklären, welche bald beinahe ausschließlich ins Triviale abrutscht. Claude David stellt den Sachverhalt banalisiert dar, indem er von der Gesetzmäßigkeit ausgeht, dass auf geistreiche Zeiten zwangsläufig platte folgen müssen. Metaphorisch gesehen, sei der diskontinuierliche Ablauf eine „Muschel, die aus eigener Kraft ihre eigene Schale herstellt und diese Schale bewohnt, bis das Tier stirbt und nur das leere Gehäuse, die tote Form bleibt.“[16] Diese Theorie ist sicherlich eine äußerst starke Vereinfachung komplexer Vorgänge, welche auf die Entwicklung der Lyrikproduktion einwirken. Bejahen kann man allerdings Davids Feststellung, dass innerhalb des Epigonentums die lyrischen Erzeugnisse erneut qualitativ differenziert werden müssen. Der als führender Kopf zum Münchner Dichterkreis gehörende Emanuel Geibel, welcher unverhohlen die Erlebnislyrik Goethes imitiert und dessen triviale, oft melodiöse und wohlklingende Lyrik im Folgenden noch häufiger auftauchen wird,[17] steht beispielsweise auf einer weitaus niedrigeren Stufe als ein Literat wie Friedrich Rückert, obwohl beide im Grunde genommen epigonale Werke hervorbringen.[18] Die Vertreter der Epigonenthese wägen daher zum Teil innerhalb ihrer Studien den künstlerischen Gehalt einzelner epigonaler Werke noch einmal ab.

Dennoch reicht die Epigonentheorie bei dem Versuch, das Gesamtphänomen der massenhaften Triviallyrik aufzudecken, bei Weitem nicht aus. Alle aufgeführten Überlegungen zeigen, dass sich der Forschungsansatz ausschließlich auf die Lyrikproduzenten, ihre Werke und auf sie einwirkende Impulse von Vorgängern bezieht und dass er die allgemeine sozialgeschichtliche Zeitsituation vollkommen vernachlässigt. Dabei sind es vor allem auch die Rezipienten und die Distribuenten, welche das epochentypische Epigonentum am Leben erhalten, ja sogar fördern. Die Produzenten werden nämlich von gegenwärtigen Einflüssen ganz entscheidend in ihrer Arbeitsweise gelenkt. Diese These zu belegen, wird Aufgabe der kommenden Abschnitte sein.

II. Sozialgeschichtliche Faktoren: Der situative Kontext

Um der Problemstellung näher zu kommen, möchte ich zunächst einen Überblick über die (veränderten) gesellschaftlichen Verhältnisse und Lebensbedingungen der Zeit geben. Diese sind für den literarischen Markt nämlich, obwohl sie zunächst nicht in direkter Verbindung mit ihm zu stehen scheinen, durchaus von großer Relevanz. Denn erst sie machen spezifische, uns heutzutage teilweise unverständliche Einstellungen und Bedürfnisse der deutschen Männer und Frauen des 19. Jahrhunderts begreiflich und lassen schließlich auch die dadurch entstehenden Leseansprüche nachvollziehbar werden.

II.A Der Umbruch von der ersten zur zweiten Jahrhunderthälfte

Mitte des 19. Jahrhunderts kann man in Deutschland zahlreiche Veränderungen im kulturellen Bereich vermerken, die teilweise starken Anteil an der Trivialisierung der Lyrik nehmen. Welche Faktoren diesbezüglich eine Rolle spielen, und was genau sie bewirken, ist Gegenstand dieses Kapitels.

Zunächst einmal muss bedacht werden, dass die sozioökonomischen Lebensbedingungen durch die rapide wachsenden Bevölkerungszahlen und die zunehmende Industrialisierung einen signifikanten Wandel erfahren, und zwar weg vom traditionellen Agrarwesen, hin zum modernen Großgewerbe.[19] Die gesamte wirtschaftliche Lage richtet sich nun sehr viel mehr nach Kapitalerwerb und Mobilisierungsstreben aus als zuvor, wodurch eine enorme Umstrukturierung innerhalb des Arbeitsmarktes geschieht. So entstehen beispielsweise ganze vier Fünftel aller Berufe erst völlig neu durch die Industrialisierung.[20] Hieraus ergibt sich verständlicherweise eine große Unsicherheit – insbesondere für den männlichen Bevölkerungsteil, der von den Umschwüngen ja unmittelbar betroffen ist.

Erschwerend hinzu kommt außerdem, dass die beiden ohnehin konträren Zweige „Öffentlichkeit/Arbeit“ und „Privatleben/Familie“ sich immer mehr voneinander entfernen. Während der Mann hauptsächlich in der nach außen orientierten Berufswelt verweilt und viele neue Alltagsbelastungen verkraften muss, bleibt die Frau ganz und gar auf das nach innen gerichtete private Familienfeld angewiesen.[21] Somit wird der weibliche Teil der Bevölkerung vom sozialen und politischen Geschehen weitestgehend isoliert, was unter anderem im Kapitel zur Geschlechterfrage näher beleuchtet werden soll.[22]

Hinsichtlich des Leseverhaltens ergeben sich ebenfalls wesentliche Neuerungen. Die in der ersten Jahrhunderthälfte noch gepflegte Sitte des familiären Vorlesens verkommt mehr und mehr; die kollektive allabendliche Lektüre macht der individuellen Lese-Erfahrung Platz.

Grundsätzlich muss vermerkt werden, dass vor allem schöne Literatur konsumiert wird, dass aber der Lyrik insgesamt gesehen dennoch nicht mehr ein solch großes Interesse gewidmet wird wie noch in den vorangegangenen Jahrzehnten. Die beliebteste fiktive Form ist die Prosa,[23] welche – ebenso wie die Lyrik[24] – durch harmonische und ideelle Texte einen Ausgleich zum problematischen wahren Leben anbietet. Vor allem der Mann rezipiert in seiner Freizeit eher Romane oder auch periodische Literatur als Gedichte, was vor allem auf seine Schulbildung zurückzuführen ist, die Lyrik zum größten Teil ignoriert.[25]. Außer auf Festlichkeiten oder im Vereinsleben begegnet er lyrischen Texten äußerst selten. Diese Tatsache begründet sich überdies darin, dass sich poetische Werke neuerdings fast gar nicht mehr – wie noch in der Jahrhunderthälfte zuvor – mit experimentellen, die Zeitproblematik betreffenden Inhalten befassen. Lyrik hat daher ihre gesellschaftliche Bedeutung größtenteils verloren und wird nach und nach zu einem bloßen Konsumprodukt.[26] Dennoch kommt der Lyrikrezeption – wie sich noch zeigen soll – eine hohe soziale Bedeutung in breiten Bevölkerungsschichten zu.

[...]


[1] Zur Geschichte der neuesten Lyrik. In: Blätter für literarische Unterhaltung 1849, 1, S. 469; zitiert bei Günter Häntzschel: Zur Interdependenz von Lyrik und Gesellschaft in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. In: Textsorten und literarische Gattungen. Dokumentation des Germanistentages in Hamburg vom 1. bis 4. April 1979. Berlin: Erich Schmidt 1983, S. 535.

[2] So befasst er sich beispielsweise mit der Interdependenz von Lyrik und Gesellschaft, mit der weiblichen Sozialisation und Schulbildung oder der häuslichen Deklamationspraxis (vgl. Bibliographie).

[3] Claude David: Über den Begriff des Epigonischen. In: Tradition und Ursprünglichkeit, Hg. Werner Kohlschmidt und Herman Meyer. Bern/München: Francke Verlag 1966, S. 66-78.

[4] Jörg Schönert: Die populären Lyrik-Anthologien in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. In: Sprachkunst. Beiträge zur Literaturwissenschaft, Nr. 9, 1978, S. 272-299.

[5] Vgl. Hans Robert Jauß: Literaturgeschichte als Provokation der Literaturwissenschaft. In: Texte zur Literaturtheorie der Gegenwart, Hg. Dorothee Kimmich u.a. Stuttgart: Reclam 2003, S. 48f.

[6] Günter Fetzer und Jörg Schönert: Zur Trivialliteraturforschung 1964-1976. In: Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur, Bd. 2, Hg. Georg Jäger u.a., 1977, S. 26.

[7] Vgl. Dorothee Bayer: Der triviale Familien- und Liebesroman im 20. Jahrhundert. Tübingen 1963 (Untersuchungen des Ludwig-Uhland-Instituts 69), S. 25.

[8] Vgl. beispielsweise Walter Wiora: Der Trend zum Trivialen im 19. Jahrhundert. Ein kulturgeschichtliches Nachwort. In: Das Triviale in Literatur, Musik und bildender Kunst, Hg. Helga de la Motte-Haber. Frankfurt am Main: Vittorio Klostermann 1972, S. 261-290.

[9] Vgl. Schönert, Die populären Lyrik-Anthologien in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, S. 273f.

[10] Vgl. ebd., S. 278-282.

[11] Vgl. Wiora, Der Trend zum Trivialen im 19. Jahrhundert, S. 261f.

[12] Fritz Bolle: Knaurs Lexikon A-Z. München: Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur 1965, S. 218.

[13] Vgl. Walter Hinck: Epigonendichtung und Nationalidee. Zur Lyrik Emanuel Geibels. In: Zeitschrift für deutsche Philologie 85, 1966, S. 268.

[14] Vgl. beispielsweise Fritz Martini: Deutsche Literatur im bürgerlichen Realismus 1848-1898. Stuttgart: Metzlersche Verlagsbuchhandlung und Carl Ernst Poeschel Verlag 41981, S. 237.

[15] Paul Heyse: Jugenderinnerungen und Bekenntnisse. Bd. 2. Stuttgart/Berlin 1912, S. 47.

[16] David, Über den Begriff des Epigonischen, S. 72.

[17] Vgl. Hinck, Epigonendichtung und Nationalidee, S. 267-284.

[18] Vgl. ebd. (Mit der epigonalen Lyrik Rückerts beschäftigt sich überdies auch Heinrich Henel: Epigonenlyrik: Rückert und Platen. In: Euphorion. Zeitschrift für Literaturgeschichte. 4. Folge, 55. Bd. 1961, S. 260-278.)

[19] Vgl. Karl-Erich Born: Der soziale und wirtschaftliche Strukturwandel Deutschlands am Ende des 19. Jahrhunderts. In: Moderne deutsche Sozialgeschichte, Hg. Hans-Ulrich Wehler. Köln: Kiepenheuer & Witsch 51976, S. 271-284.

[20] Vgl. Häntzschel, Zur Interdependenz von Lyrik und Gesellschaft in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, S. 538.

[21] Vgl. Günter Häntzschel (Hg.): Bildung und Kultur bürgerlicher Frauen 1850-1918. Eine Quellendokumentation aus Anstandsbüchern und Lebenshilfen für Mädchen und Frauen als Beitrag zur weiblichen literarischen Sozialisation. Tübingen: Max Niemeyer Verlag 1986, S. 3-9 („Zur Situation der Frau im 19. Jahrhundert“).

[22] Vgl. Kapitel II.B.

[23] Informationen bezüglich Auflagehöhen liefert beispielsweise Reinhard Wittmann: Das literarische Leben 1848 bis 1880. In: Realismus und Gründerzeit. Manifeste und Dokumente zur deutschen Literatur 1848-1880, Hg. Max Bucher u.a. Bd. 1. Stuttgart: J. B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung und Carl Ernst Poeschel Verlag 1976, S. 189-192.

[24] Hierzu mehr in Kapitel III.

[25] Vgl. Häntzschel, Zur Interdependenz von Lyrik und Gesellschaft in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, S. 537; vgl. außerdem Kapitel II.C.

[26] Zum Begriff von Lyrik als Konsumprodukt vgl. auch Häntzschel, „In zarte Frauenhand. Aus den Schätzen der Dichtkunst.“ Zur Trivialisierung der Lyrik in der der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, S. 221.

Ende der Leseprobe aus 36 Seiten

Details

Titel
Zeit richtungsloser Dichtung - Zur Lyriktrivialisierung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts
Hochschule
Universität Siegen  (FB 3: Literatur-, Sprach- und Medienwissenschaften)
Veranstaltung
"Lyrik des 19. Jahrhunderts"
Note
0,7
Autor
Jahr
2004
Seiten
36
Katalognummer
V82617
ISBN (eBook)
9783638906012
ISBN (Buch)
9783638904599
Dateigröße
597 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Kommentar des Dozenten: "Eine äußerst fundierte, weit überdurchschnittliche Studie mit vielen eigenständigen Überlegungen [...]"
Schlagworte
Zeit, Dichtung, Lyriktrivialisierung, Hälfte, Jahrhunderts, Lyrik, Jahrhunderts
Arbeit zitieren
Sabine Buchholz (Autor:in), 2004, Zeit richtungsloser Dichtung - Zur Lyriktrivialisierung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/82617

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