Die Menschenrechte stellen seit Beginn der modernen Demokratie explizit das Fundament deren Selbstverständnisses dar. Überraschend ist angesichts dieser Bedeutung und Geschichte der Menschenrechte, dass sich seit den Terroranschlägen des 11. September 2001 eine Zäsur abzuzeichnen scheint: Konfrontiert mit schweren menschlichen Verlusten in zahlreichen Ländern und einer neuartigen Bedrohung, scheint der Schutz der Bürger vor Terroristen fortan oberste Priorität zu haben. In den westlichen Demokratien ist der Verstoß gegen die Menschenrechte oder die Beteiligung an solchen Aktionen zahlreich belegt und von staatlichen Stellen eingestanden worden. Die gängige Rechtfertigung eines solchen Verhaltens seitens der Staatsmächte lautet, einem Individuum sei zwar bedauerlicherweise ein unvermeidlicher Schaden entstanden, dies sei jedoch im Interesse der Allgemeinheit und zum Schutz der demokratischen Gesellschaft geschehen.
Wenn jedoch die Menschenrechte von Beginn an im Fundament der Demokratie verankert erschienen, kommt man nicht umher, diese Argumentation kritisch zu beleuchten und zu fragen, ob die Folgen solcher Rechtsverletzungen nicht über das Individuum hinausgehende negative Konsequenzen für die gesamte Gesellschaft haben können. Deutlich wird dabei: Die offizielle Argumentation impliziert, die Menschenrechte seien letztlich individuelle Rechte, deren Einhaltung im Zweifelsfall gar dem allgemeinen Interesse entgegenlaufen könne. Damit spricht man den Menschenrechten eine genuin politische Dimension ab.
In der Arbeit geht es konkret um die Frage, ob die Menschenrechte in einer demokratischen Gesellschaft über die Rolle von Individualrechten hinaus eine politische Funktion erfüllen und eine Verletzung dieser Rechte somit selbst im Einzelfall Funktion und Bestehen der Demokratie gefährden. Ein Wissenschaftler, der in diesem Bereich bedeutende und neuartige Erkenntnisse gewonnen hat, ist der französische Philosoph Claude Lefort. Lefort hat in seinen neuartigen Arbeiten besonders auch die Rolle der Menschenrechte innerhalb einer Demokratie zu bestimmen versucht. Im Rahmen seiner Theorie soll in der vorliegenden Hauptseminararbeit die eröffnete Frage nach der politischen Funktion der Menschenrechte untersucht werden.
Inhaltsverzeichnis
- I) Einleitung
- a) Problematik, Fragestellung und Relevanz
- b) Methodik der Analyse
- II) Das Politische in der Theorie Claude Leforts
- a) Claude Leforts Grundposition: Ein doppelter methodologischer Bruch als Fundament
- b) Leforts Gegenposition: Eine erfragende Dialektik
- c) Der Neuentwurf: Das Politische als Formgebung im Angesicht der doppelten Teilung
- III) Leforts Bestimmung der Demokratie über ihre Negativität und Unbestimmtheit
- IV) Die politische Funktion der Menschenrechte in der Demokratie
- a) Analyse
- b) Zusammenfassung
- V) Diskussion der Ergebnisse
- a) Leistung und Schwachpunkte der Lefort'schen Konzeption
- b) Rückbezug auf Einleitung: Bedeutung der Theorie Leforts für aktuelle Menschenrechtsproblematiken
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht die politische Funktion der Menschenrechte in der Demokratie im Rahmen der Philosophie Claude Leforts. Sie analysiert, ob und inwiefern die Menschenrechte über die Rolle von Individualrechten hinaus eine zentrale Bedeutung für das Funktionieren und Bestehen einer Demokratie haben.
- Die Relevanz der Menschenrechte für die Demokratie im Kontext der aktuellen Debatten über Terrorismus und die Verletzung von Menschenrechten
- Claude Leforts Konzeption des Politischen und der Demokratie
- Die Rolle der Menschenrechte in Leforts Theorie
- Die Bedeutung der Menschenrechte für die Gestaltung des Politischen
- Die Auswirkungen von Menschenrechtsverletzungen auf die Demokratie
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik ein, erläutert die Problematik der Menschenrechte in der Demokratie und stellt die Fragestellung der Arbeit vor. Sie beleuchtet die aktuelle Debatte über die Verletzung von Menschenrechten im Kontext des Kampfes gegen den Terrorismus und stellt die Relevanz der Arbeit heraus.
Kapitel II behandelt das Politische in der Theorie Claude Leforts. Es beschreibt seine methodologische Vorgehensweise und stellt seine Konzeption des Politischen als Formgebung im Angesicht der doppelten Teilung dar.
Kapitel III analysiert Leforts Bestimmung der Demokratie über ihre Negativität und Unbestimmtheit. Es stellt seine Abgrenzung zur totalitären Ordnung dar und erläutert die Bedeutung der Unbestimmtheit für die demokratische Ordnung.
Kapitel IV untersucht die politische Funktion der Menschenrechte in der Demokratie nach Lefort. Es analysiert die Bedeutung der Menschenrechte für die Gestaltung des Politischen und die Auswirkungen von Menschenrechtsverletzungen auf die Demokratie.
Schlüsselwörter
Die zentralen Themen der Arbeit sind die politische Funktion der Menschenrechte, die Philosophie Claude Leforts, die Demokratie, der Totalitarismus, die Menschenrechte, Terrorismus und die Bedeutung der Menschenrechte für die Gestaltung des Politischen.
- Citation du texte
- B.A. & Licence (frz. Abschluss) Jens Müller (Auteur), 2007, Die politische Funktion der Menschenrechte in der Demokratie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/82672