Zu Bartolomé de Las Casas "Kurzgefasstem Bericht von der Verwüstung der westindischen Länder"


Dossier / Travail, 1998

15 Pages, Note: 1,3


Extrait


Inhalt

1. Einleitung

2. Kurzer Blick auf die historische und rechtliche Situation in Bezug auf die ‘Neue Welt’ bis Las Casas politisch aktiv wird.

3. Biographie von Las Casas und politisches Geschehen zu seiner Wirkungszeit

4. Die vorherrschenden Bilder und Meinungen zu den Indios und zum Geschehen in der ‘Neuen Welt’ in Spanien am Beispiel Sépulvedas und Tomás de Ortiz.

5. Der ‘Kurzgefaßte Bericht von der Verwüstung der westindischen Länder’ (1542, publiziert 1552)
5.1 Darstellung und Konzeption des Berichtes
5.2 Das idealisierte positive Bild der Indianer
5.3 Das negative Bild der Conquistadores

6. Bewertung und Diskussion

7. Literatur

1. Einleitung

Zentrales Thema dieser Hausarbeit ist die Darstellung der Indianer und spanischen Conquistadores in den eroberten Gebieten Amerikas in Bartolomé de Las Casas ‘Kurzgefaßter Bericht von der Verwüstung der westindischen Länder’ (1542). Um den Bericht, seinen Inhalt sowie dessen Bedeutung einordnen zu können, werde ich davor eingehend die Umstände die zu diesem ‘Bericht’ führten darstellen. Dabei muß zuerst auf die geschichtliche Rahmenhandlung, die politische und rechtliche Situation eingegangen werden. Darin eingeschlossen ist eine grobe Darstellung der Biographie von Las Casas, die sich vor allem auf den Teil seiner Lebensgeschichte bezieht bevor er den ‘Bericht’ schrieb.Als Vergleich zu Las Casas idealisierender Darstellung der Indios werdem zwei Beispiele der vorherrschenden Meinung über die ‘Eingeborenen’ der damaligen Welt genannt. Daraufhin soll sowohl das Indiobild als auch das Bild der Conquistadores von Las Casas herausgearbeitet werden.

Im Schlußteil wird eine Diskussion der Bedeutung des Werkes als ‘ethnologisches’ Bild der Indios geführt werden.

2. Kurzer Blick auf die historische und rechtliche Situation in Bezug auf die ‘Neue Welt’

bis Las Casas politisch aktiv wird

Seit 1479 sind erstmals die größten Gebiete Spaniens in einer Hand, über sie herrschen das Königspaar Ysabella von Kastilien und Ferdinand I. von Aragón. 1494 verleihen sie sich selbst den Titel ‘los reyes católicos’ (=die katholischen Könige[1] ).

Am 2.1.1492 endet mit der Eroberung von Granada durch die ‘reyes católicos’ die Periode der ‘Reconquista’ ( = Rückeroberung). Im selben Jahr entdeckt am 12.10. Cristobal Colón ‘Indien’ (=Amerika). Die Rückeroberung geht in eine Eroberung über. Christoph Columbus ergreift im Namen der spanischen Krone Besitz von den neuentdeckten Gebieten. Seine Ziele sind die Suche nach Gold und Handelswaren im politischen und ökonomischen Interesse der Krone.

Der portugiesische König befürchtet, das die Macht der Spanier zu groß werde, und so kommt es 1494 zum Staatsvertrag von Tordesillas. Unter der Beteiligung von Papst Alexander II. (Bulle ‘Inter cetera’ 1493[2] ) wird die Neue Welt ungefähr 370 Seemeilen westlich der Azoren - ohne jegliche Achtung oder Mitbestimmung der dortigen Bevölkerung - zwischen der spanischen und portugiesischen Krone aufgeteilt.

Ysabella, eine sehr religiös motivierte Frau, hatte alle Indianer zu freien Untertanen der Krone erklärt. Dies sollte jedoch nicht für Eingeborene gelten, die sich gegen die Krone auflehnten und in einem ‘gerechten Krieg’ gefangen genommen würden. Ferner durften Indianer versklavt werden, die sich besonders verabscheuungswürdiger Verbrechen schuldig machten, wie zum Beispiel des Kannibalismus oder der Homosexualität.

Diese Deklaration führte in der Neuen Welt zu einem großangelegtem, wahllosem Sklavenfang.

Klagen der Siedler der Neuen Welt über nicht ausreichende Arbeitskräfte führten 1503 zur ‘Encomienda’ Verordnung. Diese verpflichtete jeden Kaziken (=Ortsgewaltiger) eine festgesetzte Zahl von Indianern zur Arbeitsleistung für die Spanier bereitzustellen. Diese sollten als ‘freie Untertanen’ entlohnt werden und an arbeitsfreien Tagen im christlichen Glauben unterwiesen werden. Die Anwendung dieser Verordung in der Neuen Welt entsprach purer Zwangsarbeit und brutaler Ausbeutung und Versklavung der Indianer. Die ‘Encomienda’ Verordung sollte eigentlich den ökonomischen Aspekt der Conquista für die Krone abdecken, diente aber vor allem den Conquistadores als Bereicherung.

Um 1511 kam es zum Höhepunkt des Massensterbens der Indianer, welches durch die brutalen Arbeitsmethoden, die unmenschlichen Lebensbedingungen in der Sklaverei, willkürliche Ausrottung und vor allem durch aus Europa eingeschleppte infektiöse Krankheiten ausgelöst wurde.

Um 1510/11 entwickelte sich eine Protestreaktion gegen das Vorgehen der Spanier in der ‘Neuen Welt’ unter den Dominikanern. 1511 hält Antonio de Montesinos die erste Protestrede von der Kanzel und gibt bekannt, das alle Dominikaner den ‘Encomenderos’ (=Besitzern von Encomiendas) die Lossprechung von den Sünden bei der Beichte verweigern werden. Es kommt zum Protest der Siedler und Conquistadores, die auf diesem Wege ihr Geld verdienen.

Am 27.9.1512 werden in Spanien die ‘Leyes de Burgos’ erlassen, die auch als ‘Indianerschutzgesetze’ bekannt werden. Diese bieten allerdings nur unzureichend Schutz für die Indianer, da das System der Encomienda bestehen bleibt. Die Siedler werden in den Gesetzen lediglich angehalten ihre Arbeitskräfte nicht auszunutzen, sie im christlichen Glauben unterweisen und menschenwürdig unterzubringen. Verheiratete Frauen und Kinder unter 14 dürfen nicht mehr zur Zwangsarbeit herangezogen werden. Dieser Erlaß wirft ein erschreckendes Bild auf die bisherige Situation der Indianer.

(Vgl. Eggensperger & Engel 1991:20-24; Kahle 1968:9-12)

3. Biographie von Las Casas und politisches Geschehen zu seiner Wirkungszeit

1485 wird Bartolomé de Las Casas in Sevilla, Spanien, in eine altchristliche Familie geboren. Sein Vater nimmt 1493-99 an der zweiten Entdeckungsfahrt des Columbus teil und kehrt nach einem kurzen Aufenthalt in Spanien für immer in die Neue Welt zurück.

Die Jugend sowie etwaige Studien von Las Casas sind ungewiß. (Vgl. Kahle 1968:14)

Charakterlich wird Las Casas selbst von ihm wohlgesinnten Zeitgenossen, wie zum Beispiel dem Franziskaner Motolinía, relativ negativ beurteilt. „Ich wundere mich, wie Ew. Majestät ... so lange einen Mann ertragen können, der im Klosterhabit so lästig, unruhig und aufdringlich, sowie lärmend und streitsüchtig ist, so ruhelos, so schlecht erzogen, so schmähsüchtig und schädlich und so ohne Rast.“ (Kahle 1968:13). Las Casas selbst bezeichnet sich als leidenschaftlich und cholerisch (Vgl. Eggensperger & Engel 1991:67-68).

1502 läßt sich Las Casas als Soldat für eine Fahrt in die Neue Welt anwerben. Aufgrund seiner Verdienste bekommt er seine erste Encomienda zugeteilt.

Nach seiner Priesterweihe 1506/08 in Rom wirkt er in der Umgebung seiner Encomienda als Priester. Bis dahin scheint er sich noch keine weiteren Gedanken über mögliche Widersprüche zwischen seinem Christen- und Priestertum und der Ausbeutung der Indios auf seiner Encomienda oder deren allgemeine Lage gemacht zu haben. (Vgl. Kahle 1968:14; Eggensperger & Engel 1991:37-38)

Erst nachdem ihm 1513 die Lossprechung von seinen Sünden - aufgrund des Besitzes einer Encomienda - von einem Dominikaner verweigert wird und er beim Vorbereiten seiner Pfingstpredigt 1514 auf eine Stelle in den apokryphen Evangelien stößt[3], die ihm die Erkenntnis gibt, das den Indios ganz einfach Unrecht geschieht, erfolgt seine ‘Bekehrung’. Er erklärt in seiner nächsten Predigt, „ daß es eine Sünde sei, Indianer unter Zwang für sich arbeiten zu lassen“ (Kahle 1968:15) und verzichtet auf seine Encomienda. Er wird zum Verfechter der Rechte und der Menschenwürde der Indios um nicht durch Schweigen und Dulden der Situation Sünde vor Gott zu begehen.

1515 begibt sich Bartolomé de Las Casas mit mehreren Dominikanern nach Spanien um bei Ferdinand I. einen Bericht über die Situation in den Neuen Ländern abzugeben. In einer persönlichen Audienz fordert Las Casas weitreichende Verbesserungen zum Schutz der Ureinwohner. Ferdinand I. bittet sich Bedenkzeit aus und stirbt 1516 ohne weitere Verfügungen.

In der eineinhalb jährigen Interimsphase kommt es zu keiner weitreichenden Entscheidung, obwohl Las Casas der Titel ‘Protector y Defensor de Indios’ ( = Fürsprecher und Verteidiger der Indios) verliehen wird.

1518 besteigt Karl I. den Thron Spaniens, der als Kaiser Karl V. (1519) des Heiligen römischen Reiches deutscher Nation in die Weltgeschichte eingehen wird. Dieser richtet den ‘Consejo de Indios’ (Indienrat) ein, um den Belangen ‘Westindiens’ besser begegnen zu können.

(Vgl. Eggensperger & Engel 1991:39-66)

Las Casas setzt sich mit einigen Dominikanern dafür ein, in einem Gebiet gewaltfrei missionieren zu dürfen, um zu zeigen, das dies möglich ist. Am 19.5.1520 genehmigt Karl V. die ‘Conquista de Paz’ ( = friedliche Eroberung). Es wird den Missionaren ein 800 km langer Küstenstreifen von Yucatán zugeteilt, den nur sie betreten dürfen. Dominikanische und franziskanische Missionare sowie Siedler machen sich auf den Weg um als friedliche Entwicklungshelfer zu wirken. Der Gouverneur der Neuen Welt gibt allerdings genau dieses Gebiet für den Menschenhandel frei. Es kommt zum Aufstand der Indios. Die Missionare wenden sich ebenso wie die Siedler gegen Las Casas. Die Utopie Las Casas von einer multikulturellen, solidarischen und friedlichen Gemeinschaft scheitert somit auf ganzer Linie.

1522 tritt Bartolomé den Dominikanern, dem ‘Orden der Predigerbrüder’, bei. Für die nächsten zehn Jahre begiebt er sich in die Abgeschiedenheit und widmet sich seinem Studien. Ab ungefähr 1527 schreibt er an seinen Werken ‘De unico vocationis modo’ (= Von der einzigen Weise der Berufung) und der ‘Historia de las Indias’ ( = Geschichte Indiens). In diesen Werken vertritt er vor allem eine gewaltfreie Evangelisierung der Indios. Von 1532-1540 ist er in Nicaragua und Guatemala als Missionar tätig, es heißt dabei von ihm, er sei der Sprachen der Indios mächtig gewesen. (Vgl. Biermann 1968:10-22; Eggensperger & Engel 1991:68-75)

Am 2.6.1537 erläßt Papst Paul III., auf Betreiben der indiofreundlichen Partei unter den Dominikanern, die Menschenrechtsbulle ‘Sublimis Deus’. In dieser werden die Indios als vernunftbegabte Menschen, welche die Fähigkeit zum Glauben haben dargestellt. Die Missionierung soll nicht durch Gewalt, sondern durch Predigt und gutes Beispiel erfolgen. Im Begleitschreiben (Breven) wird als Strafe für die Versklavung von Indios oder Raub derer Güter die Exkommunikation verhängt. Damit wird erstmals von hoher Stelle ein großer Schritt gegen das Vorgehen der Spanier unternommen, der mit der Exkommunikation als wirkungsvolle Sanktionsmaßnahme für die gläubigen Spaniern einhergeht. Die Bulle sowie das Breven rufen allerdings stärkste Proteste in der Neuen Welt hervor. Die Krone gibt dem Druck dieser Stimmen nach, da sie eine Verselbstständigung der Kolonien fürchtet. Auf den Druck der Krone hin widerruft der Papst 1538 das Breven, somit verschwindet das Instrument für die Durchsetzung der Rechte der Indios.

[...]


[1] Übersetzung der spanischen Begriffe durch die Autorin.

[2] In der Bulle stuft der Papst die Bevölkerung der Neuen Welt so ein, daß sie „die erforderlichen Anlagen besitze, um den katholischen Glauben zu erfassen und zu guten Sitten erzogen zu werden (§3)“ (in Gillner 1997:74) und gibt den Auftrag „mit rechtgläubigem Eifer die in jenen Inseln und Ländern wohnenden Völker dahin zu führen, daß sie die christliche Religion annehmen (§5)“ (in Gillner 1997:75). (Vgl. Gillner 1997:73-75) Also scheinen für den Papst die Indios Menschen zu sein, welche allerdings wie kleine Kinder an der Hand genommen werden müssen, um zum rechten Glauben geführt zu werden. Herrschaftsrechte der Indios in der Neuen Welt werden vollkommen negiert.

[3] „Der Arme hat nichts mit denn ein wenig Brot; wer ihn darum bringt, der ist ein Mörder.

Wer eiinem seine Nahrung nimmt, der tötet seinen Nächsten.

Wer dem Arbeiter seinen Lohn nicht gibt, der ist ein Bluthund.“ (Jesus Sirach, Kap.34,25-27 in Kahle

1968:15)

Fin de l'extrait de 15 pages

Résumé des informations

Titre
Zu Bartolomé de Las Casas "Kurzgefasstem Bericht von der Verwüstung der westindischen Länder"
Université
University of Heidelberg  (Institut für Ethnologie)
Cours
Übung zur Vorlesung "Vom Primitivismus zum ethnographischen Schreiben
Note
1,3
Auteur
Année
1998
Pages
15
N° de catalogue
V82722
ISBN (ebook)
9783638037389
Taille d'un fichier
540 KB
Langue
allemand
Mots clés
Bartolomé, Casas, Kurzgefasstem, Bericht, Verwüstung, Länder, Vorlesung, Primitivismus, Schreiben
Citation du texte
M.A. Nicole Matthe (Auteur), 1998, Zu Bartolomé de Las Casas "Kurzgefasstem Bericht von der Verwüstung der westindischen Länder", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/82722

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