Interdisziplinarität zwischen Medical Anthropology und Epidemologie bei der Erforschung von Durchfallerkrankungen


Seminararbeit, 1998

14 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Vorwort

2. Definition und Bedeutung des Problems Durchfall sowie Handhabung im Public Health Ansatz
2.1 Morbiditäts- und Mortalitätsraten
2.2 Medizinische Definition von Durchfall
2.3 Ätiologie und Übertragungswege von Durchfall
2.4 Public Health Ansatz
2.4.1 Prävention von Diarrhoe
2.4.2 Therapie

3. Soziokulturelle Faktoren im Public Health Problem Durchfall
3.1 Traditionelle Konzepte von Krankheit
3.2 Ätiologie von Durchfall
3.3. Behandlung von Durchfall
3.4 Hygiene
3.5 Wahrnehmung von Zeichen und Symptomen
3.6 Risikowissen und Wahrnehmung
3.7 Bruststillen und Abstillen

4. Beitrag der Ethnologie zur Epidemologie

5. Zusammenarbeit von Medical Anthropology und Epidemologie

6. Literaturverzeichnis

1 Vorwort

In dieser Hausarbeit soll die mögliche und existierende Zusammenarbeit zwischen Medical Anthropologie und Epidemologie am Beispiel der Durchfallforschung dargestellt werden. Der erste Teil soll die Problematik des Durchfalls bei Kindern unter 5 Jahren in Entwicklungsländern erläutern und dann die biomedizinische Sichtweise und die Vorgehensweise des Public Health Ansatzes darstellen, die in den Entwicklungspolitics angewandt werden. Im zweiten Teil sollen die soziokulturellen Faktoren anhand von Beispielen erläutert werden, welche die Sichtweise und die kulturellen Praktiken erläutern soll die andere Populationen als die westliche die Einfluß auf das Problemfeld Durchfall haben. Im Anschluß soll gezeigt werden was die Ethnologie, die dieses Wissen versucht zu erforschen zum Verständnis und zur Vorgehensweise von Epidemologie beitragen kann. Im Schlußteil soll dann untersucht werden, inwieweit in der Forschungspraxis im Bereich Durchfall eine komlementäre, multidiszilinäre, interdisziplinäre oder transdisziplinäre Zusammenarbeit herrscht.

2. Definition und Bedeutung des Problems Durchfall sowie Handhabung im Public Health Ansatz

2.1 Morbiditäts- und Mortalitätsraten

Laut Statistik führt Durchfall weltweit zu den häufigsten kindlichen Erkrankungen und

Todesfällen und ist somit eine der größten Bedrohungen für die Kinder dieser Welt. Laut Schätzungen gibt es auf der Welt jährlich ungefähr eine Milliarde von Diarrhoe- Fällen bei Kindern in Entwicklungsländern unter 5 Jahren. Darunter sind etwa 3 Millionen Todesfälle (WHO (1995) The world health report. WHO, Geneva, übersetzt. In Diesfeld 1997:233)[1]. Die Statistik von Bern (1992:710) gibt eine Todesrate von 3,3 Millionen mit einem Spielraum von 1,5 bis 5,1 Millionen an.

Millionen von weiteren Kindern bleiben durch die Durchfallerkrankung unterernährt, was wiederum eine Schwächung des Immunsystems zur Folge hat und erneuter Erkrankung Vorschub leistet (Vgl. Ahmed & Zeitlin 1994:284).

2.2 Medizinische Definition von Durchfall

Beim Auftreten von Durchfall wird zwischen zwei Haupterscheinungsbildern unterschieden. Dysenterie (Ruhr) bezeichnet Unterleibskrämpfe, Spannungen im Unterleib sowie Eiter und Blut im Stuhl. Diese Symptome werden mit einer bakteriellen Invasion des Darmes in

Verbindung gebracht. Der Stuhl enthält Spuren entzündeter Zellen. Diarrhoe bezeichnet eine überreichlichen verwässerte Ausscheidung meist aus dem Bereich des Dünndarms. Im Stuhl sind keine entzündeten Zellen enthalten. „Die WHO definiert Durchfall als das Auftreten von drei oder mehr flüssigen Stühlen innerhalb von 24 Stunden“ (Diesfeld 1997:238).

Wenn die Diarrhoe länger als 14 Tage anhält wird sie als persistierende Diarrhoe bezeichnet. (Vgl. Sommers 1980:540-541)

2.3 Ätiologie und Übertragungswege von Durchfall

Nach Diesfeld (1997:239) sind die häufigsten Ursachen von Diarrhoe bei Kindern Infektionen mit Rotaviren, enterotoxischer Escherichia coli oder Camplyobacter. Weitere Ursachen können bakterielle Infektionen mit Shigellen, Salmonellen, Vibrio cholerae oder Protozoen wie

Entamoeba histolytica und Giardia lamblia oder extratestinale Ursachen wie Angina tonsillaris, Mittelohrentzündung, Masern und Malaria sein. Diese treten jedoch im Vergleich zu erstgenannten wesentlich seltener auf. Die Übertragung erfolgt meist fäko-oral.

2.4 Public Health Ansatz

2.4.1 Prävention von Diarrhoe

Vom Diarrhoeal Disease Control Programme der World Health Organisation (WHO) werden folgende Punkte genannt, die bei der Bekämpfung des Durchfalls beachtet werden sollten: Erstens Verbesserung im Zugang zu Wasser und sanitären Anlagen, zweitens verbesserte Ernährung, vor allem die Förderung von Bruststillen und besserer Säuglingsernährung, drittens gute persönliche und Haushaltshygiene, viertens Immunisierung gegen Masern und Rotavirus.[2] (Vgl. Smith et al 1993:1613)

2.4.2 Therapie

Bei den Behandlungsmethoden für Diarrhoe erfolgte ein Fokus auf die „Oral Rehydration Therapy“ (ORT). Die Zielsetzung dieser Therapie ist es nicht den flüssigen Stuhl so schnell wie möglich zu festigen, sondern die durch den wäßrigen Stuhl verlorengehende Flüssigkeit und Elektrolyte zu ersetzen und die Resorption durch Glucose zu erhöhen. Der Patient wird dadurch vor der lebensbedrohlichen Austrocknung geschützt, ohne das dabei gegen den Durchfall an sich vorgegangen wird.

Nach den Richtlinien der WHO ist die Therapie unabhängig von Ätiologie, Dauer und Art der Diarrhoe. Man orientiert sich lediglich am Grad der Dehydration.

Anwendung finden dabei kommerzielle „Oral Rehydration Salts“ (Natriumchlorid, Glucose, Kalium, Zitratpuffer) Lösungen, die in Apotheken und Krankenhäusern erhältlich sind und teilweise in Hilfsprogrammen umsonst abgegeben werden.

Als weitere Methode werden Rezepte für „Sugar Salt Solutions“ (SSS) zur Selbstherstellung in den Haushalten verbreitet. Die SSS enthalten im Unterschied zu den ORS kein Kalium und keine Zitratpuffer, diese sind jedoch nur in schweren Fällen von Dehydration wichtig.[3]

Wenn vorherige präventive Maßnahmen den Durchfall nicht verhindern konnten, ist ein weiterer zu erzielender präventiver Schritt das Wissen um SSS, das Mischungsverhältnis und die Anwendungsmöglichkeit in allen Volkskonzepten von Diarrhoe soweit verbreitet zu haben, das die Mütter SSS einsetzen und so stärkere Dehydrierung von Anfang an vermeiden.

Bei schwerer Dehydration kann nur noch im Krankenhaus mit Infusionen oder mit ORS er Nasensonde geholfen werden.

(Vgl. Diesfeld 1997:240-243, Nations et al 1988:336, Mull& Mull 1988:56)

Bei der Anwendung dieser Methoden, wenn das Wissen um diese Methoden bereits verbreitet war, gab es gewisse Problematiken. Bei den kommerziellen ORS Packeten, die in silberglänzenden Beutelchen verpackt sind, assozierten viele Mütter damit, daß es ein wertvolles Produkt sei, und gaben die Lösung nur in kleinsten Mengen. Ein weiteres Problem waren die verschiedenen existierenden Packungsgrößen, woraufhin Unklarheit über die hinzuzufügende Menge Wasser entstand. Für Bewohner von ländlichen Gebieten bestand oft ein finanzielles Problem, die ORS Packete zu erwerben und/oder den Transport an den Ort zu bezahlen, an dem diese Produkte erhältlich sind.

Bei den SSS traten ebenfalls Probleme auf, die zum großen Teil an den Ausführenden der Programme lagen. So wurden verschiedenste Mischungsverhältnisse von Zucker und Salz angegeben oder nichtpraxisrelevante Maßangaben wie zum Beispiel 4 Eßlöffel Zucker auf 1 Teelöffel Salz mit einem Liter Wasser gemischt. Mit der Annahme, das standardisierte Löffelgrößen und Meßbecher in jedem Haushalt dieser Welt existieren, wäre dies kein Problem. Allerdings gibt es dies nicht. Somit entstehen die verschiedensten Mischungen.

(Vgl. Diesfeld 1997:242; Mull & Mull 1988:63)

3. Soziokulturelle Faktoren im Public Health Problem Durchfall

3.1 Traditionelle Konzepte von Krankheit

Bei den verschiedensten Völkern gibt es die verschiedensten Konzepte von Krankheit und Gesundheit, die nicht unserer westlichen Vorstellung entsprechen. Eine in Indien, Lateinamerika und im islamischen Raum weit verbreitete Vorstellung ist das heiß/kalt Konzept. Ein Beispiel aus dem ländlichen Pakistan soll dieses verdeutlichen:

In Pakistan ist das Konzept der humoralen Körpertheorie am weitesten verbreitet. Diese Vorstellung fand um 1000 A.D. durch den arabischen Philosophen und Mediziner Avicenna, der von griechischen und wahrscheinlich indischen Quellen inspiriert war, Eingang in die islamische Welt. Nach dieser humoralen Theorie enthält der Körper die drei Flüssigkeiten (Doshas) Blut, Phlegma und Schleim. Wenn sich diese drei im Gleichgewicht befinden ist der Körper gesund. Krankheit resultiert aus einem Ungleichgewicht jener Flüssigkeiten. Einfluß auf das Gleichgewicht haben Handlungen, Ernährung, Medikamente, etc., die jeweils als „heiß“ oder „kalt“ klassifiziert werden. Einer Krankheit die als heiß oder kalt klassifiziert wird, muß also mit den jeweils entgegengesetzt klassifizierten Mitteln behandelt werden.

(Vgl. Mull & Mull 1988:57)

3.2 Ätiologie von Durchfall

Innerhalb der verschiedensten Konzepte von Krankheit wird Durchfall meist nicht wie im westlichen Konzept von Erregern dieser oder jener Art verursacht, sondern die Ursachen liegen in verschiedenen Bereichen und das Erscheinungsbild von Durchfall wird innerhalb der Volkskonzeptionen meist in verschiedene unterschiedliche Krankheiten aufgeteilt oder auch als natürliche Gegebenheit angesehen.

In der Literatur wird immer wieder erwähnt, das Durchfall meist in „physical“ oder „spiritual“ Ursachen aufgeteilt wird. (Vgl. Kendall 1990:179)

Im Beispielsfall Pakistan in der ländlichen Provinz Sind um Karatchi gibt es folgende Ursachen für Durchfall:

[...]


[1] Vollständige Literaturangaben siehe Literaturverzeichnis

[2] Huttly et al bestätigen aufgrund von Untersuchungen zu diesen Thematiken die Bedeutung der ersten drei Maßnahmen und schlagen vor als zusätzliche Strategien Vitamin A-Zugabe und Verhinderung von geringem Geburtsgewicht anzuwenden, da diese weitere effektive Möglichkeiten sind, die Erkrankung an Diarrhoe zu verhindern. (Vgl. Huttly 1997:163-171)

[3] Der Preis für die WHO ORS beträgt 0,15 DM pro Liter, der Preis für SSS 0,05-0,10 DM pro Liter. (Vgl. Bichmann 1985:172)

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Interdisziplinarität zwischen Medical Anthropology und Epidemologie bei der Erforschung von Durchfallerkrankungen
Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg  (Institut für Ethnologie)
Veranstaltung
Seminar: Medizinischer Pluralismus und Public Health: Geschicht und Perspektive interdisziplinärer Zusammenarbeit
Note
2,0
Autor
Jahr
1998
Seiten
14
Katalognummer
V82725
ISBN (eBook)
9783638037396
Dateigröße
671 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Interdisziplinarität, Medical, Anthropology, Epidemologie, Erforschung, Durchfallerkrankungen, Seminar, Medizinischer, Pluralismus, Public, Health, Geschicht, Perspektive, Zusammenarbeit
Arbeit zitieren
M.A. Nicole Matthe (Autor:in), 1998, Interdisziplinarität zwischen Medical Anthropology und Epidemologie bei der Erforschung von Durchfallerkrankungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/82725

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