Das seit 1949 bestehende Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland (BRD) legt in Artikel 3, Absatz 3 Folgendes fest:
"Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden."
Diese gesetzlich festgelegte Gleichbehandlung aller Menschen zieht insbesondere, auch im Hinblick auf die vorliegende Arbeit, im Bildungssektor großes Interesse auf sich. Da in Deutschland Bildung Ländersache ist, finden sich entsprechende Regelungen in den Verfassungen der einzelnen Bundesländer. Die Verfassung des Landes Baden-Württemberg, die seit 1953 besteht, legt im Artikel 11, Absatz 1 Folgendes fest:
"Jeder junge Mensch hat ohne Rücksicht auf Herkunft oder wirtschaftliche Lage das Recht auf eine seiner Begabung entsprechende Erziehung und Ausbildung."
Dieses Recht auf Bildung, unabhängig von Herkunft und wirtschaftlicher Lage, ist Ausgangspunkt und Grundlage für diese Arbeit. Der Schwerpunkt liegt, wie der Titel schon sagt, auf der Chancen- und Bildungsgleichheit von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Hauptteil
2.1 Deutschland als Einwanderungsland
2.1.1 Politik und Gesetzgebung
2.1.2 Kritik am deutschen Integrationsmodell
2.2 Deutschlands Bildungssystem
2.2.1 Kritik am deutschen Bildungs- und Schulsystem
2.2.1.1 Chancengleichheit in der Schule
a) Grundschule
b) Sekundarstufe
Exkurs: Der Bildungsplan 2004 für das Gymnasium in
Baden-Württemberg
2.2.1.2 Chancengleichheit auf dem
Ausbildungsmarkt
2.3 Das niederländische Integrations- und Bildungsmodell
2.3.1 Die Migrationsgeschichte der Niederlande
2.3.2 Politik und Gesetzgebung
2.3.3 Das Bildungssystem
2.4 Die Bildungschancen für Migrationskinder in den
Niederlanden und in Deutschland – ein Vergleich
3. Schlussbetrachtung
Bibliographie
1. Einleitung
Das seit 1949 bestehende Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland (BRD) legt in Artikel 3, Absatz 3 Folgendes fest:
Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden[1].
Diese gesetzlich festgelegte Gleichbehandlung aller Menschen zieht insbesondere, auch im Hinblick auf die vorliegende Arbeit, im Bildungssektor großes Interesse auf sich. Da in Deutschland Bildung Ländersache ist, finden sich entsprechende Regelungen in den Verfassungen der einzelnen Bundesländer. Die Verfassung des Landes Baden-Württemberg, die seit 1953 besteht, legt im Artikel 11, Absatz 1 Folgendes fest:
Jeder junge Mensch hat ohne Rücksicht auf Herkunft oder wirtschaftliche Lage das Recht auf eine seiner Begabung entsprechende Erziehung und Ausbildung[2].
Dieses Recht auf Bildung, unabhängig von Herkunft und wirtschaftlicher Lage, ist Ausgangspunkt und Grundlage für diese Arbeit. Der Schwerpunkt liegt, wie der Titel schon sagt, auf der Chancen- und Bildungsgleichheit von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund, während die wirtschaftliche Lage der Familien weitestgehend ausgeklammert wird.
Um die heutige Zusammensetzung der Gesamtbevölkerung der Bundesrepublik Deutschland nachvollziehen zu können, wird der Hauptteil mit 2.1 Deutschland als Einwanderungsland begonnen. Nach einem historischen Überblick folgen mit dem Kapitel 2.1.1 Politik und Gesetzgebung Informationen zur aktuellen rechtlichen Stellung der in Deutschland lebenden Ausländer. Außerdem wird das im Jahr 2005 eingeführte Integrationsmodell vorgestellt. Nach 2.1.2 Kritik am deutschen Integrationsmodell wird der Themenblock der historischen und rechtlichen Grundlagen abgeschlossen.
Mit 2.2 Deutschlands Bildungssystem und 2.2.1 Kritik am deutschen Bildungs- und Schulsystem erfolgt der Einstieg in den Themenkomplex Schule und Chancengleichheit für Kinder mit Migrationshintergrund. Im Kapitel 2.2.1.1 Chancengleichheit in der Schule werden die Grundschule und die Sekundarstufe bezüglich ihrer Offenheit und Flexibilität gegenüber ausländischen Kindern untersucht. Der anschließende Exkurs Der Bildungsplan 2004 für das Gymnasium in Baden-Württemberg durchleuchtet den Bildungsplan hinsichtlich der Berücksichtigung migrationsbezogener Themen in der Unter- Mittel- und Oberstufe des Gymnasiums. Das Kapitel 2.2.1.2 Chancengleichheit auf dem Ausbildungsmarkt hat eine der letzten Stufen des Bildungssystems im Fokus und beschäftigt sich mit den Schwierigkeiten von Migranten bei der Ausbildungsplatzsuche.
In den folgenden Kapiteln wird ein Nachbarland Deutschlands, die Niederlande, hinsichtlich der dortigen Chancen- und Bildungsgleichheit für Kinder mit Migrationshintergrund untersucht. Zuerst wird in 2.3 Das Niederländische Integrations- und Bildungsmodell eine kurze Einführung gegeben, um anschließend in 2.3.1 Die Migrationsgeschichte der Niederlande einen historischen Abriss über die Einwanderungsbewegungen zu geben. 2.3.2 Politik und Gesetzgebung und 2.3.3 Das Bildungssystem heben die Besonderheiten des niederländischen Modells hervor, um sie schließlich in 2.4 Die Bildungsschancen für Migrationskinder in den Niederlanden und in Deutschland – Ein Vergleich dem deutschen Modell gegenüberzustellen. In 3. Schlussbetrachtung folgt ein abschließendes Fazit und ein kritischer Ausblick auf drohende zukünftige Probleme, die sich aus der derzeitigen Lage ergeben.
Die Bibliographie gibt Auskunft über sämtliche Quellen, die für das Verfassen der Arbeit benutzt und zitiert wurden. Direkte Zitate sind eingerückt und durch entsprechende Fußnoten gekennzeichnet. Inhaltliche Übereinstimmungen mit der Forschungsliteratur werden ebenfalls durch Fußnoten gekennzeichnet und belegt. Tabellen und Schaubilder sind direkt im Text, durchnummeriert und mit Überschriften und Quellenhinweisen versehen. Auch die URL der Internetquellen wurden mit Nummern versehen, um die Zuordnung zu den Fußnoten zu erleichtern.
2. Hauptteil
2.1 Deutschland als Einwanderungsland
Es lag schon immer in der Natur des Menschen, auf der Wanderung zu sein und den Lebensraum mit den für die einzelnen Ansprüche optimalen Bedingungen zu finden. Seit circa 50.000 Jahren gibt es den Homo sapiens sapiens, der sich vor ungefähr 40.000 Jahren auf der ganzen Welt verbreitete und andere Menschentypen, wie zum Beispiel den Neandertaler, den Peking-Menschen oder den Homo erectus innerhalb von wenigen tausend Jahren verdrängte. Heute lebt der Mensch auf allen fünf Kontinenten. Für die überwiegende Zeit seiner Existenz zwang der Jäger- und Sammlertrieb den Menschen, auf Wanderschaft zu gehen und nur vorübergehend sesshaft zu sein.[3] Heutzutage sind ökonomische, ökologische, politische und soziale Faktoren die Hauptgründe für Migration. Kriege, Hunger, Seuchen, Rassismus, Sklaverei, Umweltkatastrophen, soziale Ungerechtigkeit und Arbeitslosigkeit sind nur einige Gründe, warum Menschen ihre Heimat verlassen und in einem fremden Land eine neue Existenz aufbauen.
Deutschland galt bis zum Ende des 19. Jahrhunderts als Auswanderungsland. Es folgt ein grober Abriss über die größten Auswanderungsströme, um spätere Immigrationen erläutern und begründen zu können. Dieses Kapitel der vorliegenden Arbeit stützt sich überwiegend auf Norbert Wennings Überblickswerk „Migration in Deutschland“, das 1996 beim Waxmann Verlag erschienen ist.
Mitte des 17. Jahrhunderts siedelten mehr als 30.000 Menschen nach Russland über; die meisten kamen aus Hessen. Zarin Katharina II. folgte den Vorbildern England, Holland und Preußen, die mit der Aufnahme von Hugenotten die Wirtschaft ihres Landes ankurbeln konnten. Die russische Zarin setzte sogenannte „Lokatoren“[4] ein, um unbewohnte Gebiete mit Menschen aus ökonomisch weiterentwickelten Ländern zu besiedeln.[5] Als Lokatoren bezeichnet man Wanderungsunternehmer, die die Ansiedlung organisierten und dafür besondere Zuwendungen erhielten, wie zum Beispiel eine ranghöhere Position in der Gesellschaft.[6]
Im 18. Jahrhundert waren besonders die Anwerbungen aus dem heutigen Rumänien attraktiv. Da jedoch in vielen Teilen Europas die Anwerbung und Auswanderung verboten waren, hatten die Agenten fast nur in Schwaben Erfolg. Noch heute werden „die Kolonisten im westlich von Siebenbürgen gelegenen Temesvar und im Banat als ‚Banater Schwaben’ bezeichnet […].“[7] In den Jahren 1723 bis 1787 gab es drei sogenannte Schwabenzüge, deren Gesamtzahl auf über 80.000 Menschen geschätzt wird.[8] Einige Siedler wanderten noch weiter und ließen sich „[i]m Sathmarer Gebiet, der Bukowina, Bessarabien und in der Dobruschda“[9] nieder.
Neben den Wanderungen in östliche und südöstliche Gebiete Europas wurde auch Nordamerika für die damaligen Deutschen immer attraktiver. Die ersten Auswanderungen fanden schon im 16. und 17. Jahrhundert statt, die große Auswanderungswelle folgte im 19. Jahrhundert. 1820 waren bereits bis zu 40.000 Menschen nach Amerika ausgewandert. „Die Zahl der jährlich Abwandernden wird bis Mitte der 1830er Jahre auf etwa 4000 und danach bis 1845 auf 20.000 geschätzt.“[10]
Hier gelten die gleichen Ursachen wie für die gleichzeitig stattfindende Ostwanderung: Hungerkrisen nach Ernteausfällen, Notlagen wegen wiederholter Kriegszüge, z. B. durch Ludwig XIV., religiöse Unterdrückung (z. B. der Mennoniten), der Erfolg früherer Auswanderer, Werbetätigkeiten der interessierten Aufnahmeregionen […][11].
Die ehemaligen Auswanderergruppen stellen heute einen großen Teil der nach Deutschland kommenden Migranten und Spätaussiedler dar. Die Geschichte Deutschlands als Einwanderungsland wird im Folgenden dargelegt und soll zeigen, dass Migration keinesfalls ein neuzeitliches Phänomen ist, sondern tiefe Wurzeln in unserer Gesellschaft hat.
Einwanderungen nach Deutschland hatten im Grunde die gleichen Ursachen wie die Auswanderungen. Kriege, Seuchen, politische oder religiöse Verfolgung, Missernten und zahllose andere Auslöser veranlasste die Menschen, sich neue Lebensräume zu suchen und sich in fremden Ländern niederzulassen. Mitte des 16. Jahrhunderts hatte die religiöse Gesinnung eines Menschen einen enorm großen Stellenwert.
Die strenge Abgrenzung unterschiedlicher Religionen in verschiedenen Gebieten ließ häufig den religiös Verfolgten nur die Chance, in ein Land gleicher Religion oder in eine Region mit größerer religiöser Toleranz zu gehen[12].
Zwischen 1650 und 1660 siedelten Flüchtlinge aus Frankreich in den Rhein-Neckar-Raum über, um dort unter Glaubensgenossen leben zu können. 1685 flüchteten einige zehntausend Hugenotten nach Deutschland. Neben der konfessionellen Solidarität hatten die Deutschen die Hoffnung, dass die einwandernden Franzosen ökonomisch für Aufschwung in Deutschland sorgen konnten. In der Tat bewirkten die hochqualifizierten, immigrierten Handwerker und Intellektuelle einen Modernisierungsschub.[13] Sonderregelungen, wie zum Beispiel Steuererleichterungen und Mietbefreiungen zeigen, dass schon vor über 300 Jahren der Austausch von Fähigkeiten und Ideen über Landesgrenzen hinweg einen unschätzbaren Wert hatten. Neue Lehren, innovative medizinische Erkenntnisse und auch handwerkliche Techniken verbreiteten sich durch wandernde Wissenschaftler, Studenten, Handwerker und Künstler.[14] Sie sorgten schon damals für einen Wissenstransfer der, gemessen an den technischen Möglichkeiten und Transportmitteln, beispiellos ist.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war Deutschland eine Agrarregion.[15] Die Einwohner waren auf eine funktionierende Landwirtschaft und gute Ernten angewiesen. Mit der Aufhebung der Leibeigenschaft in Deutschland zwischen 1806 und 1821 begann die sogenannte Bauernbefreiung. Im Süden und Westen des Landes führte dies aber dazu, dass viele Bauern ihre Höfe aufgeben mussten und nach Russland oder Amerika auswanderten. Die Zurückgebliebenen verdienten als Lohnarbeiter in den allmählich entstehenden Fabriken ihren Lebensunterhalt. Im Osten Deutschlands begann der Landausbau, der „zur Nutzung bisher brachliegender […] Flächen [führte].“[16] Verschiedene landwirtschaftliche Entwicklungen vermehrten den Ertrag, forderten aber gleichzeitig mehr Arbeitskräfte. Mit der Erfindung des Kunstdüngers 1840[17] und dem Übergang von der Dreifelderwirtschaft zur Fruchtwechselwirtschaft[18] war das Arbeitspotenzial der deutschen Bauern mehr als nur ausgeschöpft. Doch nicht nur für die Feldarbeit wurden dringend helfende Hände gebraucht. 1835 wurde zwischen Nürnberg und Fürth die erste deutsche Eisenbahnstrecke eingeweiht. Um das Schienennetz ausweiten zu können, war wiederum zusätzliche Arbeitskraft notwendig. Außerdem war die Zuckerrübe immer gefragter. Mit ihrem arbeitsintensiven Anbau löste sie die Arbeitswanderung der Saisonarbeitskräfte aus.[19]
In Deutschland begann die >>Sachsengängerei<< zu den Zuckerrübenfeldern […] zwischen 1840 und 1859. 1914 waren rund 140.000 ausländische Saisonarbeitskräfte auf den Rübenfeldern beschäftigt, neben russischen und österreichischen Polen auch Wanderarbeiter aus Italien, Skandinavien Weißrussland und der Ukraine[20].
Obwohl in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Massenauswanderungen stattfanden, gab es auch zahlreiche Migranten, die in das Deutsche Kaiserreich kamen.[21] Dies soll die nachfolgende Tabelle 1 verdeutlichen.
Tabelle 1: Anzahl der Ausländer im Deutschen Reich von 1871 – 1910
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Burgdörfer (1930): S. 550.
Innerhalb von nur 39 Jahren stieg die Anzahl der Ausländer im Deutschen Kaiserreich um über 500 % an. Diese Zahlen entsprechen wahrscheinlich nicht den tatsächlich Zugewanderten, da die Zählungen im Dezember stattfanden und die Saisonarbeiter somit zum großen Teil nicht erfasst wurden. Außerdem wurden die illegalen Zuwanderer nicht berücksichtigt.[22]
Doch nicht nur Saisonarbeiter aus Süd- und Osteuropa kamen nach Deutschland. Es wird geschätzt, dass mehrere hunderttausend Deutsche, die nach Amerika ausgewandert waren, wieder in ihr Heimatland zurückkehrten.[23]
Neben Erfolglosigkeit, bzw. Schwierigkeiten bei der Anpassung in der neuen Situation, lagen die Gründe in dem Erreichen der gesetzten Ziele, z. B. den Landbesitz in der Heimat zu vergrößern oder Ersparnisse anzulegen, oder in dem Wunsch, seinen Lebensabend in gesicherten finanziellen Verhältnissen in der Herkunftsregion zu verleben[24].
Viele Deutsche waren auch ausgewandert, um sich beruflich neu zu orientieren, eine Ausbildung zu machen, zu studieren oder Sprachkenntnisse zu erwerben.[25] Diese Menschen kamen zurück und konnten ihre erworbenen Fähigkeiten nun im Deutschen Kaiserreich anwenden. Ende des 19. Jahrhunderts konnte Deutschland erstmals positive Wanderungszahlen vermerken. Die Zahl der Emigranten war geringer als die Zahl der Immigranten. Deutschland konnte also damals schon nicht nur als Auswanderungsland, sondern auch als Einwanderungsland bezeichnet werden.[26]
Die Einwanderer und Saisonarbeiter waren den einheimischen Arbeitskräften jedoch keinesfalls gleichgestellt. Obwohl sich die Verwaltung und Industrie bewusst waren, dass ohne die Immigranten die deutsche (Land)wirtschaft zusammenbrechen würde, wurde den osteuropäischen Gastarbeiter das Leben durch allerlei Bürokratie und Gesetzte erheblich erschwert.[27] „Die deutsche Einwanderungspolitik tendierte zur Einschränkung einer dauerhaften Niederlassung und zur Förderung eines zeitlich begrenzten Aufenthalts.“[28] Die ausländischen Arbeiter waren trotz ihrer Unentbehrlichkeit für die deutsche Wirtschaft nur begrenzt willkommen und unter der Bevölkerung alles andere als beliebt - von Integration kann keine Rede sein. Schon damals wurden die Ausländer in Deutschland systematisch und streng kontrolliert. Bereits im Jahre 1908 galt ein Legitimationszwang: alle ausländischen Arbeiter mussten eine Arbeitsgenehmigung, eine sogenannte Legitimationskarte, vorweisen können, damit jederzeit Wohnsitz und Arbeitsplatz überprüfbar waren.[29] Außerdem konnte man mit den Legitimationskarten besser überprüfen, ob die ausländischen Arbeiter die „Karenzzeit“[30] einhielten. In dieser Zeit, die vom 15. November bis zum 1. April, später dann vom 20. Dezember bis zum 1. Februar des Folgejahres dauerte, mussten die vorwiegend polnischen Arbeiter in ihre Heimat zurückkehren. Sie erhielten dann für diesen Zeitraum kein Geld und wurden ausgewiesen, wenn sie sich nicht an diese Regelung hielten.[31] Weitere Schikanen waren: Arbeiter durften nur alleine, ohne ihre Familien einreisen, schwangere Frauen wurden sofort ausgewiesen, Männer und Frauen wurden getrennt beschäftigt.[32]
Die Karenzzeit und auch die Legitimationskarten führten sehr schnell zu einer Spaltung des Arbeitsmarktes. Ausländer wurden extrem benachteiligt, hatten erschwerte Arbeitsbedingungen, wurden ausgebeutet und hatten keinerlei Rechte. Unter Arbeitgebern war es verbreitet, einen großen Teil des Lohnes einzubehalten, um die Arbeitnehmer zu zwingen, die miserablen Bedingungen in Kauf zu nehmen oder den Kontrakt zu brechen, wobei dann der Lohn vom Arbeitgeber einbehalten wurde.[33]
Zu Beginn des ersten Weltkrieges hielten sich rund 1.200.000 ausländische Arbeiter im Reichsgebiet auf.
Am Vorabend des ersten Weltkrieges arbeiteten zwischen 75 und 80% aller ausländischen Arbeitskräfte des Deutschen Reiches in Preußen, 40% davon in der Landwirtschaft; rund zwei Drittel unter ihnen waren Polen. 1913 waren etwa 240.000 polnische Saisonarbeiter in der preußischen Landwirtschaft beschäftigt[34].
Den polnischen Arbeitern, die circa ein Drittel[35] der Arbeitskräfte in Deutschland ausmachten, wurde die Ausreise in ihr Heimatland verboten. Die Arbeiter neutraler Staaten wurden mit Kriegsbeginn ausgewiesen.[36] Die Polen wurden in Deutschland wie Zwangsarbeiter behandelt. Wenn sie sich weigerten, ihren Dienst zu verrichten, wurden sie als Kriegsgefangene in Gewahrsam genommen. Die Polen im ersten Weltkrieg kamen, beziehungsweise blieben nicht freiwillig in Deutschland. Sie wurden zur Arbeit gezwungen, um Defizite in der Landwirtschaft und dem Bergbau auszugleichen. Sie können daher kaum als Migranten bezeichnet werden. Allerdings stellt sich hier die Frage, ob nicht der Großteil der Menschen, die ihr Heimatland verlassen, dies unfreiwillig tut. Vielleicht werden sie nicht direkt gezwungen oder gegen ihren Willen in einem fremden Land festgehalten. Aber auch Kriege, Hunger, Krankheiten und Umweltkatastrophen sind Bedrohungen, vor denen der Mensch flüchten muss, um zu überleben.
Deutschland machte in den Kriegsjahren 1914 – 1918 etwa 2.500.000 Kriegsgefangene, die der Staat je nach Bedarf zur Zwangsarbeit in Fabriken oder auf Felder schickte.[37] Dadurch konnte der Arbeitermangel einigermaßen ausgeglichen werden. Allerdings waren die Lücken so groß, dass Polen in ihrer Heimat durch Deportationen und künstliche Lebensmittelverknappung gezwungen wurden, nach Deutschland zu gehen. Auch sie unterlagen dann dem Rückkehrverbot und mussten gegen ihren Willen bleiben.[38]
Das damalige Deutschland kann, trotz der großen Einwanderungszahlen bis 1918 nicht als Einwanderungsland bezeichnet werden. Die „Bemühungen um eine Verrechtlichung der Beschäftigung ausländischer Arbeiter“[39] machen deutlich, wie sehr sich Deutschland dagegen wehrte, im Ausland als bequemes Einwanderungsland zu gelten.
Nach dem ersten Weltkrieg wurde ein Einwanderungsverbot für Deutschland ausgesprochen.[40] Allerdings musste die Weimarer Republik in den 1920er Jahren dennoch große Zuwanderungen bewältigen. Circa 1.000.000 deutschstämmige Menschen aus den abgetretenen Gebieten suchten Zuflucht in der Weimarer Republik. Es wurden neue Regelungen für ausländische Arbeiter getroffen, „die einerseits nach 1933 für die Nationalsozialisten ein Instrumentarium zur Kontrolle und Beherrschung ausländischer Arbeitskräfte darstellten und andererseits teilweise noch heute Grundsätze für die Beschäftigung von Ausländern bilden.“[41] Ausländische Arbeitskräfte sollten nur dann eingestellt werden, wenn keine Deutschen zur Verfügung standen. Außerdem wurde 1932 eine Ausländerpolizeiverordnung erlassen, die die Rechtsstellung der Ausländer fixierte und deren Abschiebung reglementierte. Zudem konnten Ausländer, die längere Zeit ununterbrochen in Deutschland arbeiteten, einen sogenannten ‚Befreiungsschein’ beantragen, eine unbefristete Arbeitserlaubnis.[42]
Nur ein Jahr später wurden im Zuge des Nationalsozialismus sämtliche Ämter zentralisiert und die Ausländer konnten nun je nach „den Interessen der jeweiligen politischen und wirtschaftlichen Lage“[43] beschäftigt werden. 1936 wurde dann ein Verträge abgeschlossen, die die Anwerbung von ausländischen Arbeitskräften forcierte. Die Polen sollten bis 1939 90.000 Arbeiter bereitstellen. Auch Italien und andere europäische Länder sollten Arbeitskräfte für das Deutsche Reich mobilisieren. Die deutsche Kriegswirtschaft forderte viele Arbeitskräfte, mit denen das Deutsche Reich alleine nicht dienen konnte. Wieder einmal bediente sich ein Land, das kurz vor einem Krieg stand, dem Potenzial, das in den Menschen eines anderen Landes steckte. Die Ausnutzung menschlicher Kräfte war grenzenlos. „[…] [D]er Übergang von der Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte zum Einsatz von Zwangsarbeitern [war] fließend.“[44] Bis Mai 1940 wurden etwa 560.000 Polen gezwungen, auf deutschen Feldern zu arbeiten. Doch der Bedarf stieg weiter und bis Kriegsende wurden mindestens 2.000.000 Polen zur Zwangsarbeit rekrutiert. Zudem wurden 1940 circa 1.200.000 französische Kriegsgefangene in der Industrie eingesetzt.[45]
Die Gesamtzahl der Menschen, die als Kriegsgefangene, KZ-Zwangsarbeiter oder zivile Arbeitskräfte im Zweiten Weltkrieg nach Deutschland verschleppt worden sind, wurde im Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess auf 14.000.000 – davon allein 10.000.000 zivile Arbeitskräfte - geschätzt[46].
Diese fast schon unvorstellbare große Menschenwanderung zeigt die grausame Seite der Zwangsmigration. „Arbeitskräfte [wurden] ausschließlich als nutzbare[r] ‚Rohstoff’ [begriffen]“[47].
Nach dem Zweiten Weltkrieg stellen die Aussiedler eine große Gruppe von Migranten dar. Zwischen 1950 und 1990 kamen über 2.000.000 Menschen zurück in ihre Heimat[48], die sie Generationen zuvor verlassen hatten. Allein 1950 nahm die Bundesrepublik Deutschland 568.000 Menschen aus dem Ausland auf; fast die Hälfte von ihnen waren Flüchtlinge, die in Lagern untergebracht waren. Auf diesen Aspekt wird hier nicht näher eingegangen, da jene Menschen der deutschen Sprache mächtig waren und somit die Wiedereingliederung, auch hinsichtlich ihrer Nachkommen, relativ problemlos war.
Mitte der 50-er Jahre beginnt eine neue Ära der Migration, wobei diese erst Anfang der 70-er Jahre relevante Ausmaße annahm. Anwerberverträge mit Italien (1955), Griechenland und Spanien (1960), der Türkei (1961), Marokko (1963), Portugal (1964), Tunesien (1965) und Jugoslawien (1968)[49] begründen die großen Einwanderungszahlen bis in die 90er Jahre. Im Jahre 1970 lebten bereits 2.976.500 Migranten in Deutschland, was 4,9 % der Gesamtbevölkerung ausmachte. Ein wichtiger Grund für die vielen Anwerberverträge war, dass es mit dem Bau der Berliner Mauer im August 1961 nicht mehr möglich war, qualifizierte Arbeiter aus Ostdeutschland zu beschäftigen.[50] Mit den steigenden Ausländerraten in der BRD rückte auch immer mehr das Thema Migration und Integration in das Zentrum der politischen Interessen – allerdings mit zweifelhaftem Erfolg.
Die Einschätzung des damaligen Arbeitministers Blank aus dem Jahr 1964, dass durch die Ausländerbeschäftigung in Deutschland ‚die Verschmelzung Europas und die Annäherung von Menschen verschiedenster Herkunft und Gesittung in Freundschaft eine Realität’ (nach Herbert 1986, S. 198.) geworden sei, zeigt – angesichts der massiven Fremdenfeindlichkeit auch nach vier Jahrzehnten des Umgangs miteinander: Die Annäherung in Freundschaft war mehr ein frommer Wunsch, der durch die Verfassung des Arbeitsmarktes diktiert wurde, als ein verantwortungsbewusster Umgang mit menschlichen Schicksalen[51].
Die BRD hieß Ausländer nur dann willkommen, wenn diese einen Arbeitermangel ausgleichen konnten und das Wirtschaftswachstum vorantrieben. Das deutsche Volk setzte sich nicht mit den fremden Kulturen auseinander und hatte auch kaum Interesse daran, die zugewanderten Arbeiter in ihr soziales Leben zu integrieren.
Bis 1990 stieg die Zahl der ausländischen Bevölkerung in der BRD auf 5.342.500 an, was 8,4 % der Gesamtbevölkerung ausmachte.[52] Der Fall des ‚eisernen Vorhangs’ ließ die Aussiedler- und Asylbewerberzahlen aus dem Ostblock deutlich ansteigen. Auch aus der Bürgerkriegsregion Jugoslawien kamen viele Zuwanderer.[53] Im Jahr 2003 wurde ein Maximalstand erreicht. Zum Jahresende waren etwa 7.300.000 ausländische Bürger in Deutschland registriert, was knapp 9 % der Population insgesamt ausmachte.[54] Danach zeigt sich aktuell eine geringe abfallende Tendenz. Von den im Jahr 2005 insgesamt in der Bundesrepublik Deutschland lebenden 82.438.000 Menschen, hatten 7.289.100 eine ausländische Herkunft. Sie machen einen Anteil von 8,75 % der Gesamtbevölkerung aus.[55]
Die anhaltend große Anzahl von Migranten in Deutschland verlangt nach klaren rechtlichen Linien, die die Integration von Menschen aus unterschiedlichsten Kulturkreisen fordern und auch fördern. Migration ist, wie oben ausführlich beschrieben, kein Phänomen des 21. Jahrhunderts oder eine vorübergehende Erscheinung. Eine funktionierende Migration beruht auf Offenheit beider Seiten gegenüber der fremden Kultur, Verständnis für das Anders-Sein und auf Gesetzen, die sie rechtlich absichern. Nur auf dieser Grundlage kann Integration gelingen und Schranken öffnen. Das Ziel der Integrationspolitik soll die Chancengleichheit für alle in Deutschland sein. Brennpunkt hier ist noch immer der oft verschlossene Zugang zu Bildung für Kinder mit Migrationshintergrund.
2.1.1 Politik und Gesetzgebung
Deutschlands Immigrationspolitik war im Gegensatz zur Emigrationspolitik schon immer strikter als in anderen Ländern Europas. Bereits im 19. Jahrhundert wurden Ausländer systematisch und streng kontrolliert.[56] Ein Beispiel hierfür sind die Legitimationskarten, deren Prinzip bereits erläutert wurde. Grundsätzlich waren in Deutschland Ausländer nur dann willkommen, wenn sie zum Wachstum der deutschen Wirtschaft beitrugen oder in Kriegszeiten, in denen der Arbeitermangel sehr groß war. „Die deutsche Einwanderungspolitik tendierte zur Einschränkung einer dauerhaften Niederlassung und zur Förderung eines zeitlich begrenzten Aufenthaltes.“[57] Auf dieser Grundlage wurden sämtliche Zuwanderungs- und Einbürgerungsgesetze eingeführt, die teilweise bis heute in abgeänderter Form Gültigkeit haben. Im Folgenden werden die derzeit gültigen Gesetze zu Einbürgerung, Aufenthaltsrechte, Arbeitsaufnahme und Asyl erläutert, da die Rechtsstellung der in Deutschland lebenden Ausländer einen großen Stellenwert hinsichtlich der Integration hat. Der folgende Abschnitt basiert hauptsächlich auf den Angaben der Homepage des „Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge“[58] (BAMF), da dort die aktuellsten Informationen zur Ausländerpolitik Deutschlands zu finden sind.
Das Bundesamt ist für viele Menschen das Tor zur Bundesrepublik Deutschland. Es entscheidet über Asylanträge und Abschiebeschutz von Flüchtlingen. Aber auch nach der Aufnahme in Deutschland unterstützt das Bundesamt die Zuwanderer. So fördert und koordiniert es ihre sprachliche, soziale und gesellschaftliche Integration in Deutschland[59].
Das BAMF ist somit Anlaufstelle und Quelle der Informationen für Flüchtlinge, Asylantragsteller, Spätaussiedler, Saisonarbeiter und Gastarbeitnehmer. Diese Migranten erhalten Rechtsauskünfte, Hinweise zu Integrationsprojekten und Auskunft über Sprachkurse, die seit der Einführung des neuen Zuwanderungsgesetzes ab Januar 2005 Pflicht geworden sind.
Ein Wandel in der Migrationspolitik Deutschlands begann jedoch schon früher. Mit dem Regierungswechsel 1998 zur rot-grünen Koalition wurde eine neue Ära der Migrationspolitik eingeläutet. Mit der Anerkennung des 1. Januar 2000 ein neues Gesetz verabschiedet werden, das sogenannte Staatsangehörigkeitsrecht.[60] Es besagt, dass Kinder ausländischer Eltern, die ab dem 1. Januar 2000 in Deutschland geboren wurden, automatisch die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten. Allerdings muss mindestens ein Elternteil seit acht Jahren in Deutschland leben. Da die Mehrstaatlichkeit generell vermieden werden soll, muss sich das Kind bis zu seinem 23. Lebensjahr entscheiden, ob es die deutsche oder die Staatsbürgerschaft „einer gegebenenfalls auf Grund seiner Abstammung erworbenen zweiten Staatsangehörigkeit“[61] annehmen will.
Ausländer, die im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung sind, haben seit Januar 2000 nach bereits acht, anstatt bisher fünfzehn Jahren Anspruch auf Einbürgerung, sofern sie sich zur Verfassung bekennen und der deutschen Sprache mächtig sind. Außerdem müssen sie ihre bisherige Staatsangehörigkeit aufgeben und unabhängig von der Sozial- und Arbeitslosenhilfe sein. Minderjährige Kinder können nun nach drei, Ehepartner nach vier Jahren miteingebürgert werden.[62]
Bis jedoch ein Migrant in Deutschland die Staatsbürgerschaft erhält, müssen etliche Gesetze und Bestimmungen beachtet werden. Das Zuwanderungsgesetz, das im August 2004 verkündet wurde und am 1. Januar 2005 in Kraft trat, löste diverse Gesetze ab und enthält wichtige Neuregelungen zum Aufenthalt in Deutschland. Der volle Name des Gesetzes lautet: „Gesetz zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern“[63]. Als größte Vereinfachung gilt das sogenannte „Freizügigkeitsgesetz / EU“[64]. Es besagt, dass Bürger der Europäischen Union (EU) und des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) keinen Aufenthaltstitel für den Aufenthalt und die Einreise benötigen. Sobald sie sich beim Einwohnermeldeamt ihres Wohnortes in Deutschland gemeldet haben, erhalten sie von der Ausländerbehörde eine Bescheinigung über ihr Aufenthaltsrecht und eine Arbeitsberechtigung. Dies gilt allerdings nicht für die Bürger der Staaten, die erst am 01. Mai 2004 der EU beigetreten sind. Sie benötigen eine Genehmigung der Bundesagentur für Arbeit, um eine unselbständige Erwerbstätigkeit aufzunehmen.[65]
Auch für Nicht-EU-Bürger wurden etliche Vereinfachungen geschaffen. Frühere, komplizierte Bezeichnungen, wie zum Beispiel Aufenthaltserlaubnis, -befugnis, -berechtigung und -bewilligung wurden abgeschafft und durch ein einfacheres System ersetzt. Grundsätzlich wird nur noch zwischen zwei Aufenthaltstiteln unterschieden: Die Aufenthaltserlaubnis, die stets befristet ist und die Niederlassungserlaubnis, die stets unbefristet ist. Die Aufenthaltserlaubnis ist an einen bestimmten Zweck gebunden, zu dem der Migrant nach Deutschland gekommen ist. „Dabei wird unterschieden zwischen Ausbildung (z. B. Studierende), Erwerbstätigkeit (ausländische Arbeitnehmer), humanitären Gründen (z. B. Flüchtlinge) sowie familiären Motiven (Familiennachzug).“[66] Die Aufenthaltserlaubnis enthält außerdem „die Bestimmungen über die Erlaubnis zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit und gegebenenfalls weitere Nebenbestimmungen wie die zeitliche Befristung.“[67]
Insgesamt gibt es circa 45 verschiedene Aufenthaltszwecke, die in entsprechenden Paragraphen festgehalten sind. Ausländer, die beispielsweise in Deutschland studieren, wird gemäß §§ 16 und 17 des Aufenthaltsgesetzes eine Aufenthaltserlaubnis erteilt, die ein Jahr nach erfolgreicher Beendigung des Studiums abläuft.[68] Für den Aufenthalt zum Zweck der Erwerbstätigkeit (§§ 18 – 21 Aufenthaltsgesetz) sind die örtlichen Ausländerbehörden zuständig. Sie müssen prüfen, ob ein freier Arbeitsplatz nicht auch mit einem Staatsbürger, beziehungsweise Ausländer mit Aufenthaltsrecht, besetzt werden kann. Nur wenn dies nicht der Fall ist, wird eine befristete Aufenthaltserlaubnis erteilt. In Ausnahmefällen kann besonders qualifizierten ausländischen Arbeitnehmern, wie zum Beispiel Wissenschaftlern und Computerspezialisten, sofort eine Niederlassungserlaubnis erteilt werden.[69] Der Aufenthalt aus humanitären Gründen (§§ 22 – 26 Aufenthaltsgesetz) gilt für Asylberechtigte gemäß der Genfer Flüchtlingskonventionen. Sie erhalten eine Aufenthaltserlaubnis, die auf drei Jahre beschränkt ist. Können die Flüchtlinge und Asylantragsteller nach Ablauf dieser Frist aus humanitären Gründen nicht in ihr Heimatland zurück, haben sie Anspruch auf eine unbefristete Niederlassungserlaubnis.[70] Der Aufenthalt aus familiären Gründen (§§ 27 – 36 Aufenthaltsgesetz) sichert die „Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft“[71] von Ausländern. Ehepartner und Kinder bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres dürfen gemeinsam mit dem Antragsteller einreisen. Der Nachzug ist Kindern bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres erlaubt. Danach müssen sie bestimmte Auflagen erfüllen, wie zum Beispiel der Nachweis guter Deutschkenntnisse, um bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres nachreisen zu dürfen.[72] Grundsätzlich gilt, dass nach fünf Jahren befristetem Aufenthalt eine Niederlassungserlaubnis beantragt werden kann, sofern der Antragsteller für seinen Unterhalt selbst aufkommt und ausreichend deutsche Sprachkenntnisse nachweisen kann. Außerdem muss eine Straffreiheit und Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit vorliegen.
Mit der vereinfachten Rechtslage bei den Aufenthaltstiteln geht jedoch keine generelle Öffnung des Arbeitsmarktes für Ausländerinnen und Ausländer einher. Vielmehr wird für Nicht-EU-Bürger der sogenannte Anwerbestopp ausdrücklich beibehalten. Ausgenommen vom ‚Anwerbestopp’ sind lediglich hoch Qualifizierte und Selbstständige, allerdings gelten auch hier sehr enge Voraussetzungen.[73]
Die aktuelle Wirtschaftslage erlaubt es Deutschland nicht, generell Arbeitnehmer aus dem Ausland anzulocken. Auf Grund einer hohen Arbeitslosenquote und dem trotzdem eng gestrickten sozialen Netz ist gesetzlich verankert, dass Immigranten deutschen Arbeitnehmern den Vortritt lassen müssen. Es kann also keinem Ausländer mehr vorgeworfen werden, er würde einem Deutschen den Arbeitplatz wegnehmen.
Eine grundsätzliche Neuerung im Zuwanderungsgesetz von 2005 ist die Forderung nach Integration. Hier liegt der Schwerpunkt auf dem Erwerb deutscher Sprachkenntnisse. Zwei Sprachkurse á 300 Unterrichtsstunden sollen Ausländer dazu ermutigen, sich die deutsche Sprache anzueignen. Ein „Orientierungskurs soll bei den Immigranten ‚Verständnis für das deutsche Staatswesen wecken’, ‚Kenntnisse der Rechte und Pflichten als Einwohner und Staatsbürger vermitteln’ und ‚zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben befähigen’“.[74] Da dieses Integrationsmodell in Deutschland erst kürzlich eingeführt wurde, liegen noch keine Daten vor, für wie erfolgreich die Kurse einzuschätzen sind. Generell ist die staatlich geförderte Integration jedoch als positiv zu sehen, da Sprache und Kommunikation das Fundament für eine gelungene Integration legen. Die deutsche Rechtslage und insbesondere des Zuwanderungsgesetzes vom Januar 2005 werden im folgenden Kapitel 2.1.2) Kritik am deutschen Integrationsmodell weitergehend erörtert.
[...]
[1] URL 19:<http://www.bundestag.de/parlament/funktion/gesetze/grundgesetz/gg.html>
[2] URL 16:<http://www.lpb.bwue.de/bwverf/bwverf.htm#Erziehung>
[3] Vgl.: Wenning (1996): S. 39f.
[4] Vgl.: Ebd. S. 44.
[5] Vgl.: Ebd. S. 45.
[6] Vgl.: Ebd. S. 44.
[7] Ebd. S. 45.
[8] Vgl.: Ebd. S. 45.
[9] Ebd. S. 45.
[10] Ebd. S. 56.
[11] Ebd. S. 46.
[12] Ebd. S. 47.
[13] Vgl.: Ebd. S. 48.
[14] Vgl.: Ebd. S. 49.
[15] Vgl.: Ebd. S. 51.
[16] Ebd. S. 52.
[17] Vgl.: Ebd. S. 51.
[18] Vgl.: Ebd. S. 54.
[19] Vgl.: Sassen (1996): S. 58.
[20] Ebd. S. 58.
[21] Vgl.: Wenning (1996): S. 73.
[22] Vgl.: Bade (1983): S. 30.
[23] Vgl: Wenning (1996): S. 74.
[24] Ebd. S. 74.
[25] Vgl.: Ebd. S. 74f.
[26] Vgl.: Ebd. S. 75.
[27] Vgl.: Sassen (1996): S. 73f.
[28] Ebd. S. 74.
[29] Vgl.: Ebd. S. 74.
[30] Wenning (1996): S. 79.
[31] Vgl.: Ebd. S. 79.
[32] Vgl.: Ebd. S. 79.
[33] Vgl.: Ebd S. 79.
[34] Sassen (1996): S. 77.
[35] Vgl.: Ebd S. 77.
[36] Vgl.: Wenning (1996): S. 80.
[37] Vgl.: Ebd. S. 83.
[38] Vgl.: Ebd. S. 84f.
[39] Ebd. S. 85.
[40] Vgl.: Ebd. S. 96.
[41] Vgl.: Ebd. S. 102f.
[42] Vgl.: Ebd. S. 103f.
[43] Ebd. S. 104.
[44] Ebd. S. 105.
[45] Vgl.: Ebd. S. 106.
[46] Ebd. S. 107f.
[47] Ebd. S. 117.
[48] Vgl.: Ebd. S. 130.
[49] Vgl.: Currle (2004): S. 19.
[50] Vgl.: Wenning (1996): S. 134f.
[51] Ebd. S. 136.
[52] Vgl.: Ebd. S. 134.
[53] Vgl.: Currle (2004): S. 17.
[54] URL 28:<http://www.destatis.de/basis/d/bevoe/bevoetab4.php>
[55] Vgl.: Ebd.
[56] Vgl.: Sassen (1996): S. 74.
[57] Ebd. S. 74.
[58] URL 1:<http://www.bamf.de>
[59] URL 2:<http://www.bamf.de/cln_042/nn_564242/DE/DasBAMF/Aufgaben/aufgaben-node.html__nnn=true>
[60] Ebd.
[61] URL 3: <http://www.bamf.de/cln_042/nn_566312/DE/Migration/Informationen/informationen-node.html__nnn=true>
[62] Sämtliche Daten und Fakten aus: Currle (2004): S. 26f.
[63] URL 12:<http://www.bpb.de/themen/L1HW2U,0,0,Zuwanderungsgesetz_2005.html>
[64] URL 3: <http://www.bamf.de/cln_042/nn_566482/DE/Migration/Informationen/informationen-01-inhalt.html>
[65] Ebd.
[66] URL 12:<http://www.bpb.de/themen/L1HW2U,0,0,Zuwanderungsgesetz_2005.html>
[67] URL 5: <http://www.bamf.de/cln_042/nn_566482/DE/Migration/Informationen/informationen-02-inhalt.html>
[68] Vgl.: URL 5: <http://www.bamf.de/cln_042/nn_566482/DE/Migration/Informationen/informationen-02-inhalt.html> à „Aufenthalt zum Zweck der Ausbildung“.
[69] Vgl.: URL 5: <http://www.bamf.de/cln_042/nn_566482/DE/Migration/Informationen/informationen-02-inhalt.html> à „Aufenthalt zum Zweck der Erwerbstätigkeit“.
[70] Vgl.: URL 5: <http://www.bamf.de/cln_042/nn_566482/DE/Migration/Informationen/informationen-02-inhalt.html> à „Aufenthalt aus humanitären Gründen“.
[71] URL 5: <http://www.bamf.de/cln_042/nn_566482/DE/Migration/Informationen/informationen-02-inhalt.html> à „Aufenthalt aus familiären Gründen“.
[72] Vgl.: Ebd.
[73] URL 13: <http://www.bpb.de/themen/L1HW2U,1,0,Zuwanderungsgesetz_2005.html#art1>
[74] URL 14:
<http://www.bpb.de/themen/L1HW2U,2,0,Zuwanderungsgesetz_2005.html#art2>
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