Ein großer Teil jüdischer Theodizee-Entwürfe nach Auschwitz knüpft an traditionelle Denkmuster und bibelgeschichtliche Sinnmodelle an, deutet das Leiden als Prüfung auf Liebe, Gerechtigkeit oder Gehorsam, wie in der Geschichte Hiobs oder des Sohnesopfers des Abraham.
Eine sehr radikale und entgegen gesetzte Antwort auf die Theodizee-Frage nach Auschwitz ist, dass es unmöglich erscheint, von einem gnädigen Gott der Bibel zu sprechen. Gott, der vollkommen, allmächtig und barmherzig sein soll, fügt seinem angeblich „auserwählten Volk“ dennoch die Schoah zu. Dementsprechend spricht der Rabbiner Richard L. Rubenstein von einer jüdischen Tod-Gottes-Theologie. Eine totale Absage an den jüdischen Gott angesichts der Katastrophe von Auschwitz. Er geht sogar so weit, zu sagen, dass Gott Adolf Hitler gesendet hat, um das europäische Judentum auszurotten. Es cheint deshalb geradezu anstößig, von einem liebenden Gott zu sprechen. Für ihn gab es folglich nur zwei Möglichkeiten: Entweder es existiert ein „sadistischer und launischer Gott“, oder aber Gott existiert nicht, denn ein allmächtiger und gerechter Gott ließe so etwas nicht zu. Doch ginge man davon aus, dass es Gott nicht gibt, wäre ausschließlich der Mensch Täter!
In der vorliegenden Arbeit soll die Relevanz des Theodizee-Problems in dem Gedicht el male rachamim von Yehuda Amichai untersucht werden. Der Autor hat viel Elend gesehen und den Judenhass am eigenen Leib zu spüren bekommen. Er erlebte viele Kriege und sah viele Menschen sterben. Es liegt nahe und ist verständlich, dass Amichai seinen Glauben an Gott hinterfragt und das, was er glaubt zu reflektieren versucht. Wie kann er noch an einen gütigen und gnädigen Gott glauben? Wenn Gott Leid zulässt und es nicht verhindert, dann kann er nicht allmächtig und gut sein. Dies würde dem Vollkommenheitsbegriff, den man von Gott hat, widersprechen.
Anhand Amichais Gedichts werde ich aufzeigen, dass Amichai sich mit dem Theodizeeproblem beschäftigt. Ist das Gedicht eine radikale Absage Amichais an den Gott der jüdischen Glaubnestradition angesichts der Leiden in der Welt? Oder ist es gar so, dass der Autor dennoch an die Gnade Gottes glaubt?
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung
- 1.1 Problemstellung
- 1.2 Methodischer Zugang
- II. Hauptteil
- 2.1 Grundzüge der biblischen Gotteslehre
- 2.2 Theodizee
- 2.3 Biographische Hintergründe des Autors Yehuda Amichai
- 2.4 Interpretationsversuch des Gedichtes El male rachamim und die Darstellung des Theodizee-Relevanz in Yehuda Amichais Werk
- III. Schluss
- IV. Anhang
- V. Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht die Relevanz des Theodizee-Problems im Gedicht "El male rachamim" von Yehuda Amichai. Ziel ist es, Amichais Auseinandersetzung mit dem Leid in der Welt und dessen Verhältnis zu seinem Glauben zu analysieren. Der methodische Zugang umfasst die Erläuterung der Grundzüge der biblischen Gotteslehre und die Einbeziehung biographischer Hintergründe Amichais.
- Der jüdische Gottesbegriff und seine Herausforderungen angesichts des Leids
- Verschiedene jüdische Antworten auf die Theodizee-Frage nach Auschwitz
- Die Rolle menschlicher Freiheit und Verantwortung im Kontext des Leids
- Amichais persönliche Erfahrungen und deren Einfluss auf seine Dichtung
- Interpretation von "El male rachamim" im Hinblick auf das Theodizee-Problem
Zusammenfassung der Kapitel
I. Einleitung: Die Einleitung stellt die Problemstellung vor: die divergierenden Reaktionen auf die Theodizee-Frage nach Auschwitz, von der Akzeptanz des Leids als Prüfung bis zur radikalen Infragestellung Gottes. Sie führt verschiedene theologische Positionen ein, etwa die „jüdische Tod-Gottes-Theologie“ Rubensteins im Gegensatz zu Berkovitz' Betonung der menschlichen Freiheit und Verantwortung. Die Einleitung etabliert die zentrale Fragestellung: Amichais Umgang mit dem Theodizee-Problem in seinem Gedicht "El male rachamim". Der methodische Zugang wird skizziert, der eine Auseinandersetzung mit dem jüdischen Gottesbegriff und den biographischen Kontext Amichais umfasst.
II. Hauptteil: Dieser Abschnitt analysiert die unterschiedlichen Ansätze zur Theodizee im Judentum nach dem Holocaust, von traditioneller Auslegung bis hin zu radikalen Positionen. Der Fokus liegt auf der Spannung zwischen Gottes Allmacht und dem unerklärlichen Leid der Schoah. Der biographische Hintergrund Amichais, geprägt von Kriegserfahrungen und antisemitischer Gewalt, wird beleuchtet, um seine Auseinandersetzung mit dem Theodizee-Problem zu kontextualisieren. Ein Interpretationsversuch des Gedichts "El male rachamim" im Hinblick auf diese Themen soll folgen.
Schlüsselwörter
Theodizee, Yehuda Amichai, El male rachamim, Auschwitz, Schoah, Jüdische Theologie, Gottesbegriff, Glauben, Leid, Menschliche Freiheit, Verantwortung, Biographischer Kontext.
Häufig gestellte Fragen zu: Analyse von Yehuda Amichais "El male rachamim" im Kontext der Theodizee
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Die Arbeit analysiert das Gedicht "El male rachamim" von Yehuda Amichai und untersucht, wie Amichai das Problem der Theodizee (das Problem des Leidens in der Welt angesichts eines allmächtigen und allgütigen Gottes) in seinem Werk behandelt. Der Fokus liegt auf Amichais Auseinandersetzung mit dem Leid, insbesondere im Kontext des Holocaust, und seinem Verhältnis zum Glauben.
Welche Methode wird in der Arbeit verwendet?
Die Analyse umfasst verschiedene methodische Ansätze. Es wird die biblische Gotteslehre erläutert, der biographische Kontext Amichais (seine Kriegserfahrungen und die antisemitische Gewalt) beleuchtet und eine detaillierte Interpretation des Gedichts "El male rachamim" vorgenommen. Die Arbeit berücksichtigt auch verschiedene jüdische Antworten auf die Theodizee-Frage nach Auschwitz.
Welche Themen werden in der Arbeit behandelt?
Die zentralen Themen sind: der jüdische Gottesbegriff und seine Herausforderungen angesichts des Leids, verschiedene jüdische Antworten auf die Theodizee-Frage nach Auschwitz, die Rolle menschlicher Freiheit und Verantwortung im Kontext des Leids, Amichais persönliche Erfahrungen und deren Einfluss auf seine Dichtung sowie die Interpretation von "El male rachamim" im Hinblick auf das Theodizee-Problem.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit gliedert sich in eine Einleitung, einen Hauptteil, einen Schluss, einen Anhang und ein Literaturverzeichnis. Die Einleitung stellt die Problemstellung und den methodischen Zugang vor. Der Hauptteil analysiert die verschiedenen Ansätze zur Theodizee im Judentum, beleuchtet Amichais biographischen Hintergrund und interpretiert das Gedicht "El male rachamim". Der Schluss fasst die Ergebnisse zusammen.
Welche Schlüsselwörter sind relevant für diese Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Theodizee, Yehuda Amichai, El male rachamim, Auschwitz, Schoah, Jüdische Theologie, Gottesbegriff, Glauben, Leid, Menschliche Freiheit, Verantwortung, Biographischer Kontext.
Welche Zielsetzung verfolgt die Arbeit?
Die Arbeit zielt darauf ab, Amichais Auseinandersetzung mit dem Leid in der Welt und dessen Verhältnis zu seinem Glauben zu analysieren. Sie untersucht, wie er das Theodizee-Problem in seinem Gedicht "El male rachamim" aufgreift und verarbeitet.
Wie wird die Theodizee-Frage in der Arbeit behandelt?
Die Arbeit untersucht die divergierenden Reaktionen auf die Theodizee-Frage nach Auschwitz, von der Akzeptanz des Leids als Prüfung bis zur radikalen Infragestellung Gottes. Sie vergleicht verschiedene theologische Positionen und analysiert, wie Amichai mit dieser Spannung zwischen Gottes Allmacht und dem unerklärlichen Leid umgeht.
- Quote paper
- Margarete Roewer (Author), 2006, Die Relevanz des Theodizee-Problems in dem Gedicht "El male rachamim" von Yehuda Amichai, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/82921