Erfolgsfaktoren von Kooperationen regionaler Lebensmittelhersteller


Diplomarbeit, 2007

65 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung
1.1. Problemstellung
1.2. Zielsetzung

2. Stand der Forschung

3. Theoretische Grundlagen
3.1. Ausgangssituation
3. 2. Transaktionskostentheorie

4. Analyse der Organisationsformen in den Marketingbereichen
4. 1. Konsumentenbedürfnis Qualität regionaler Produkte
4. 2. Konsumentenbedürfnis Kennzeichnung regionaler Produkte
4. 2. 1. Organisationsformen in der Kommunikationspolitik
4. 2. 2. Organisationsformen in der Produktpolitik
4. 2. 2. 1. Privat durchgeführte Qualitätssicherung
4. 2. 2. 2. Qualitätssicherung durch Vergabe von Zertifikaten
4. 3. Konsumentenbedürfnis Verfügbarkeit regionaler Produkte
4. 3. 1. Organisationsformen in der Distributionspolitik
4. 4. Konsumentenbedürfnis niedrige Preise regionaler Produkte
4. 4. 1. Organisationsformen in der Preispolitik

5. Fallstudie

6. Fazit
6. 1. Diskussion der Ergebnisse
6. 2. Ausblick

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

1.1. Problemstellung

Konsumenten weisen ein eindeutiges Interesse an regional erzeugten Lebensmitteln auf - zu diesem Ergebnis kommen zahlreiche Studien. Auch von offizieller Seite wird dem Thema Regionalität eine große Bedeutung eingeräumt (Hermann et al., 2003, S. 1f.): Dies zeigt sich an der intensiven Förderung, die seit 2001 im Rahmen der „Agrarwende“ der Vermarktung regionaler Erzeugnisse zugute kommt. Darüber hinaus findet sich auf Ebene der EU das Bestreben, für 41 regionale Herkunftskennzeichnungen in den Verhandlungen der WTO (World Trade Organisation) weltweite Exklusivrechte zu erhalten. Weiterhin wird im Rahmen der Förderung des ländlichen Raumes als zweite Säule der europäischen Agrarmarktpolitik regionalen Erzeugungsinitiativen eine besondere Bedeutung geschenkt. Zuletzt finden sich auch auf nationaler Ebene herkunftsorientierte Vermarktungsprogramme, bspw. der CMA (Centralen Marketing-Gesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft) oder der Bundesländer.

Das tatsächliche Kaufverhalten unterscheidet sich allerdings von der durch die Befragung ermittelten Konsumenteneinstellung (Handelsvertreter, 2006). Das Angebot an regionalen Lebensmitteln stimmt also nicht mit der Nachfrage der Konsumenten überein. Möglicherweise bietet der Markt für regionale Erzeugnisse den Verbrauchern nicht die Produkteigenschaften, die sie sich erwarten. Häufig versprechen sich Konsumenten von regionalen Lebensmitteln, deren Herkunft erkennen zu können und verlangen, dass man sich auf eine bestimmte Qualität verlassen kann. Sie sind nicht bereit, für jedes Produkt einen gesonderten Händler aufzusuchen, sondern wollen lieber alles wie gewohnt im Einzelhandel erhalten können. Zuletzt sollen regionale Produkte auch nicht zu viel kosten.

Wenn das tatsächlich gezeigte Kaufverhalten von den Befragungsergebnissen abweicht, dann bedeutet dies, dass eine oder mehrere dieser Anforderungen durch das derzeitige Angebot an regionalen Produkten nicht erfüllt werden.

Mit Aspekten der Kennzeichnung, Qualitätssicherung, Verteilung und der Bepreisung befassen sich die vier Säulen des Marketings. Um die Erwartungen der Konsumenten an regionale Erzeugnisse befriedigen zu können, muss mit Hilfe geeigneter Maßnahmen im Marketing ein entsprechendes Angebot formuliert werden. Diese Anstrengungen erfordern Investitionen, die, so lässt das bisherige Kaufverhalten vermuten, derzeit teilweise oder vollständig unterbleiben.

Die Transaktionskostentheorie analysiert die Bestimmungsgründe für die organisatorische Ausgestaltung wirtschaftlicher Strukturen zwischen marktgesteuerter und hierarchisch bestimmter Koordination. Sie argumentiert, dass es an der Wahl der falschen Organisationsform zweier Marktakteure zueinander liegen kann, wenn Investitionen nicht unternommen werden.

Die Ausgestaltung der Organisationsformen schafft also maßgeblich die Voraussetzung dafür, dass in den einzelnen Bereichen des Marketings die notwendigen Maßnahmen erfolgreich durchgeführt werden können. Idealerweise müssen diese in der Lage sein, durch die Bereitstellung eines Angebotes an regionalen Produkten ein den Umfrageergebnissen entsprechendes Kaufverhalten zu erzeugen.

Im Laufe der Arbeit wird sich zeigen, dass es zur Erreichung dieses Ziels wesentlich darauf ankommt, wie das Verhältnis der Marktteilnehmer zueinander, angefangen bei dem Erzeuger bis hin zu dem Handelsunternehmen, organisiert ist.

1.2. Zielsetzung

Mit Hinblick auf den Titel der Arbeit stellt sich daher die Frage, unter welchen Umständen kooperative Verbindungen von Herstellern regionaler Lebensmittel zu anderen Unternehmen einen Beitrag leisten können, ein den Wünschen der Konsumenten entsprechendes Angebot zu ermöglichen.

Es wird die These vertreten, dass es möglicherweise bisher noch nicht gelungen ist, eine geeignete Organisationsform in der Beschaffungs- und Vermarktungskette zu finden, die die Transaktionskosten so weit verringert, dass ein wirkungsvolles Marketing durchgeführt werden kann. Obgleich diese Arbeit nicht den Anspruch erhebt, die optimale Organisationsform zu finden, soll sie dazu beitragen, Probleme und Konsequenzen bestimmter Organisationsformen aufzuzeigen und mögliche Alternativen vorzuschlagen.

Da sich die Herstellung regionaler Lebensmittel nicht nur auf die Erzeugerebene beschränkt, sind zu den zu untersuchenden Marktakteuren ausdrücklich die beteiligten Unternehmen auf Verarbeitungs- und Handelsebene zu zählen.

2. Stand der Forschung

Die Transaktionskostentheorie geht auf Coase (1937) zurück und wurde von Williamson (1990) erweitert. Mit der institutionenökonomischen Analyse von Marketingfragen haben sich zum Großteil Kaas (1990, 1992, 1995) und Hüser (1996) befasst. Auf die Thematik des Ökomarketings im Zusammenhang mit Lebensmitteln ist Dienel (2000) im Rahmen einer transaktionskostentheoretischen Analyse der Wahl einer geeigneten Organisationsform eingegangen.

Im Bereich der Produktpolitik finden sich Beiträge von Becker (2000, 2002) zu unterschiedlichen Kennzeichnungen iVm. geographischen Herkunftsangaben. Ergänzt werden diese durch die Abhandlungen von Thiedig (1996, 2003). Beiträge zu dem Themenfeld der Qualitätssicherung aus Sicht der Transaktionskostentheorie liefert Spiller (2004, 2005, 2006). Einschlägig als Grundlage im Bereich der Distributionspolitik in Verbindung mit der Transaktionskostentheorie sind die Arbeiten von Picot (1985, 1986). Sie wurden aufgrund ihres langen Bestehens durch Expertengespräche ergänzt, um eine größere Aktualität der Erkenntnisse zu erlangen.

3. Theoretische Grundlagen

3.1. Ausgangssituation

Zahlreiche Studien1 kommen zu dem Ergebnis, dass die Ursprungsregion eines Produktes einen großen Einfluss auf die Kaufentscheidung für ein Produkt ausübt.

Mit dem Begriff „Regionalität“ werden unterschiedliche Produkteigenschaften in Verbindung gebracht: Generell erschöpft sich sein Aussagegehalt in der Information über die Produktherkunft (Becker, 2002, S. 9). Über die Produktqualität muss er nicht notwendigerweise eine Auskunft geben. Dabei gilt es, zwischen unterschiedlichen Qualitäten zu differenzieren: Generell sind landwirtschaftliche Produkte als reine Gattungsware zu sehen (Profeta, 2006, S. 355). Dies bedeutet, dass die Qualitätseigenschaften homogen und produkttypisch standardisiert sind. Das Produkt wird dabei ohne Verbindung zu seinem Ursprungsort beschrieben. Häufig weisen aber gerade die Herkunftsregionen der Produkte besondere natürliche Gegebenheiten auf, die sich auf die Produktqualität auswirken. Als Region wird dabei ein Gebiet wie z.B. ein Bundesland oder eine kleinere Raumeinheit mit einem kulturellhistorischen Hintergrund definiert . Üben die natürlichen Gegebenheiten oder die mit der Region verbundenen Produktionsweisen einen maßgeblichen Einfluss auf die Produktqualität aus, sind diese Erzeugnisse untrennbar mit ihrer Herkunft verbunden. Je einzigartiger die Produkteigenschaften aufgrund der regionalen Herkunft, desto mehr gewinnt das Erzeugnis den Charakter einer Spezialität.

Oftmals werden diese Produkte in der Literatur mit ökologisch oder zumindest umweltschonenden Produktionsweisen in Verbindung gebracht. Insbesondere bzgl. der Anbauverfahren bestehen aber erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Produkten. Daher liegt der Schwerpunkt dieser Arbeit auf dem Herkunftsaspekt von Produkten und weniger auf den Produktionsweisen.

Anders als die eingangs genannten Studien vermuten lassen, nimmt Regionalität bei der Wahl von Produkten noch keinen zentralen Stellenwert bei den Konsumenten ein (Handelsvertreter, 2006). Es besteht daher eine Divergenz zwischen positiver Einstellung gegenüber regionalen Produkten und deren realisiertem Konsum.

Von theoretischer Seite her sind die Unzulänglichkeiten als Problem erkannt und Lösungsvorschläge im Rahmen unterschiedlicher Konzeptionen des Regionalmarketings gemacht worden (Hüser, 1996). Es kann daher angenommen werden, dass diese Problemquelle erkannt wurde. Dennoch stellen Dietrich (1999), Leyrer (2006) und der Vertreter eines Handelsunternehmens (2006) fest, dass im regionalen Bereich bislang keine umfassende Verbesserung der Marktposition der Erzeuger bewirkt werden konnte, da die Marktanteile und der Organisationsgrad nach wie vor zu gering sind.

Um die Divergenz zwischen Antwort- und tatsächlichem Kaufverhalten der Konsumenten bei regionalen Lebensmitteln genauer analysieren zu können, bedarf es einer Konkretisierung der Nicht-Kaufgründe: Eine grobe Unterteilung unternimmt Hüser (1996). Sie führt das Konzept der Kaufbarrieren ein. Diese lassen sich in Informations-, Vertrauens-, Situations- und Preisbarrieren unterteilen. Deren Bedeutung ist im Verlauf der weiteren Ausführungen genauer zu erläutern.

Auf diese Konzeption bezieht sich auch Dienel (2000). Er beschreibt, welche Bereiche der Marketingpolitik dazu geeignet sind, die jeweiligen Kaufbarrieren abzubauen (Dienel, 2000, S. 65).

Bei der Bestimmung der Einflussfaktoren auf die Nachfrage der Konsumenten nach regionalen Erzeugnissen nennen Studienergebnisse2 übereinstimmend die Eigenschaften „Qualität“, „Kennzeichnung“, (mengenmäßige) „Verfügbarkeit“ und „Preis“. Aus Sicht des Handels sind vor allem eine einwandfreie Qualität, ein abgerundetes Sortiment, die Bündelung des Angebots, Lieferzuverlässigkeit und konkurrenzfähige Preise entscheidende Vorraussetzungen für die Listung regionaler Produkte im Lebensmitteleinzelhandel (LEH).3

Können regionale Erzeugnisse die o.g. Produkteigenschaften in sich nicht vereinen, entstehen die beschriebenen Kaufbarrieren (Hüser, 1996). Da es dabei um Probleme der Markterschließung und der Marktstruktur geht, sind Dienel (2000, S. 2) und Leyrer (2006) der Meinung, dass zu deren Behebung Investitionen in geeignete Marketingmaßnahmen nötig sind. Gelingt es allerdings nicht, diese gegen opportunistisches Verhalten der Marktakteure abzusichern, werden diese nicht unternommen. Der Markt kann dann aufgrund der Investitionszurückhaltung nicht erschlossen werden. Derartige Probleme können dann auftreten, wenn potentiell opportunistisch handelnde und einer begrenzten Rationalität unterliegende Marktakteure spezifische, allerdings mit einem hohen Maß an Unsicherheit behaftete Austauschbeziehungen eingehen. Welche Organisationsform zwischen Hierarchie und Markt einen Beitrag zur Lösung der beschriebenen Probleme bietet, soll deshalb anhand der Transaktionskostentheorie untersucht werden.

Aufgrund der empirisch nachgewiesenen Kaufbarrieren wird vermutet, dass es möglicherweise noch nicht gelungen ist, eine geeignete Organisationsform zwischen den einzelnen Marktakteuren entlang der Wertschöpfungskette zu etablieren. Diese muss im Stande sein, auftretende Probleme und Reibungsverluste zwischen den einzelnen Vertragspartnern so weit zu verringern, dass es letztlich zu einem in qualitativer und quantitativer Hinsicht der Nachfrage entsprechenden Angebot regionaler Erzeugnisse kommen kann.

Das Analyseschema dieser Arbeit erfolgt in zwei aufeinanderfolgenden Schritten: Ausgehend von den Anforderungen der Konsumenten an regionale Erzeugnisse4 werden Ursachen für den Nicht-Kauf regionaler Produkte bestimmt. Im zweiten Schritt wird diskutiert, welche Maßnahmen in den vier Teilbereichen des Marketings, der Kommunikations-, Preis-, Produkt-, und Distributionspolitik geeignet sind, um zur Realisierung der Konsumentenbedürfnisse beizutragen. Es gilt zu prüfen, welche Organisationsformen generell in der Lage sind, die Maßnahmen zu ermöglichen. Anhand der Höhe der dabei anfallenden Transaktionskosten soll dann die Vorteilhaftigkeit der jeweiligen organisatorischen Alternativen beurteilt werden.

Um die Einflussfaktoren auf die Wahl und die Vorteilhaftigkeit einer Organisationsform bestimmen zu können, folgen nun einige grundsätzliche Bemerkungen zur Transaktionskostentheorie.

3. 2. Transaktionskostentheorie

Im Gegensatz zur neoklassischen Wirtschaftstheorie, die von vollkommenen Märkten ausgeht, wird versucht zu erklären, welches die Bestimmungsgründe für die organisatorische Ausgestaltung der einzelnen Teilnehmer zwischen vertikaler Integration und marktlicher Koordination sind. Entscheidendes Kriterium sind dabei die in ihrer Höhe variierenden Transaktionskosten. Kosten sind dabei nicht als periodenbezogener, monetär bewertbarer Faktorverzehr, sondern vielmehr im Sinne einer Art Nachteil5 zu verstehen (Picot, 1985). Die mit der Art der Organisation verbundenen Kosten sind daher das Beurteilungskriterium für Abwicklungsformen von Aufgaben.

Wie sich in dieser Arbeit zeigen wird, bestehen Transaktionskosten zu einem Großteil aus Informationskosten. Auf die einzelne Person wirkt sich der mit der Informationsgewinnung verbundene Zeitaufwand in Form von Opportunitätskosten aus. Da diese Größen aber letztlich von der einzelnen Person abhängig sind, fällt eine generelle Quantifizierung von Transaktionskosten schwer. Im Rahmen dieser Arbeit wird dem allgemeinen Vorgehen bei der Anwendung des Transaktionskostenansatzes gefolgt. Dabei werden die verschiedenen Organisationsformen anhand ihrer auftretenden Transaktionskosten miteinander verglichen. Dabei genügt eine grobe Schätzung ihrer Höhe, um eine Aussage über die relative Vorteilhaftigkeit einer Organisationsform machen zu können (Simon, 1978, S. 6).

Im Zusammenhang mit der Transaktionskostentheorie macht Williamson (1990) zwei wichtige Annahmen zum Verhalten von Menschen untereinander: Begrenzte Rationalität und Opportunismus. Er nimmt an, dass die Rationalität von Wirtschaftssubjekten intendiert rational, aber nur begrenzt ist. Aus dieser Annahme folgt, dass es bei der Schließung von Verträgen über den Austausch von Waren oder Dienstleistungen keine Vollständigkeit der Information geben kann. Diese Annahme begründet, warum es nicht möglich ist, sämtliche Handlungsoptionen und deren Konsequenzen in einem Regelwerk zu antizipieren.

Opportunismus liegt vor, wenn das eigene Interesse unter zu Zuhilfenahme von List verfolgt wird (Williamson, 1990, S. 54). In Verbindung mit der Annahme der begrenzten Rationalität können also Spielräume in Verträgen durch opportunistisches Verhalten ausgenutzt werden.

Maßgebliche Einflussgröße auf die Wahl einer Organisationsform sind sie mit ihrem Zusammenhang anfallenden Kosten, die sog. Transaktionskosten. Diese können auf unterschiedliche Weise in Erscheinung treten und sind oftmals nur schwer quantifizierbar. Eine genaue Beschreibung der untersuchten Transaktionskosten wird in den einzelnen Kapiteln ahd. der konkreten Beispiele erfolgen.

Soll eine bestimmte Aktivität durchgeführt werden, stellt sich stets die Frage, ob die Leistung unternehmensintern erstellt oder über den Markt bezogen wird, bzw. bei welcher Organisationsform die geringeren Transaktionskosten entstehen.

Die Höhe der Transaktionskosten wird maßgeblich von den sog. Transaktionsdimensionen beeinflusst (Williamson, 1990, S. 59f.). Diese bestehen aus Spezifität, Unsicherheit und Häufigkeit.

Um Rückflüsse aus einer spezifischen Transaktion zu erhalten, müssen entsprechende Investitionen getätigt werden. Je spezieller die dabei eingesetzten Faktoren für genau diese Verwendung geeignet sind, desto höher ist deren Spezifität, die sog. Faktorspezifität. In einer anderen Verwendung sind sie dagegen relativ ungeeignet, sodass sie in diesem Fall einen geringeren Produktivwert darstellen. Je größer der Ertrag in der erstbesten Verwendung im Vergleich zu der zweitbesten, desto größer ist die sog. Quasirente. Damit wächst auch die Gefahr, dass Vertragspartner versuchen werden, sich einen Teil davon anzueignen, indem sie damit drohen, die geschäftliche Beziehung abzubrechen. Der Vertragspartner, der die Investitionen in die spezifische Investition unternommen hat, läuft dadurch Gefahr, Opfer eines sog. opportunistischen hold-ups zu werden, da in einer anderen Verwendung der eingesetzte Produktionsfaktor erheblich an Wert verliert.

Der Transaktionskostenansatz betrachtet daher die Transaktionskosten, die durch die Gefahr opportunistischer Verhaltensweisen beteiligter Vertragspartner entstehen. Um sich vor diesen zu schützen, müssen Absicherungsmaßnahmen getroffen werden. Diese bestehen in der Etablierung von stabilen und langfristigen Beziehungen zwischen den einzelnen Vertragspartnern. Je höher also die Erträge aus einem spezifischen Produktionsfaktor ausfallen, desto sinnvoller ist letztlich auch der Aufbau einer integrativen, marktferneren Organisationsform der beidseitigen Verhältnisse.

Unsicherheit führt aufgrund der Annahme der begrenzten Rationalität dazu, dass Verträge regelmäßig unvollkommen abgeschlossen und im Laufe der Zeit im Nachhinein angepasst werden müssen (Williamson, 1990, S. 68). Liegt ein hohes Maß an Spezifität vor, führt Unsicherheit dazu, dass Lücken in einem Vertrag die Gefahr des opportunistischen Verhaltens steigen lassen. Vor allem im Zusammenhang mit Informationsasymmetrien, die in Verbindung mit regionalen Lebensmitteln noch eine wesentliche Rolle spielen werden, kommt der Transaktionsdimension Unsicherheit eine große Bedeutung zu. Diese führt iVm. opportunistischen Verhaltensweisen zu einer Erhöhung der Transaktionskosten, da es zu einer Erschwernis der Transaktionen kommt. Erneut steigt die Tendenz zu integrativeren Organisationsformen mit steigender Unsicherheit an, um relevante Informationen sammeln zu können.

Nur bei Vorliegen von Spezifität wirkt sich Häufigkeit als dritter Einflussfaktor auf die Art von Transaktionen aus (Williamson, 1990, S. 69): Ein spezifisches Absicherungssystem kann sich nur dann amortisieren, wenn es oft genug genutzt und die Auslastung dadurch ausreichend hoch ist. Denn nur dann sind Fixkostendegressionen und Lerneffekte ausreichend hoch ausgeprägt.

Nachdem die grundlegenden Zusammenhänge der Transaktionskostentheorie dargestellt wurden, erfolgen nun in Abhängigkeit der Konsumentenbedürfnisse die zwei aufeinanderfolgenden Analyseschritte zur Bestimmung einer vorteilhaften Organisationsform im Marketing, wie sie in der Beschreibung der Ausgangssituation erläutert wurden.

4. Analyse der Organisationsformen in den Marketingbereichen

4. 1. Konsumentenbedürfnis Qualität regionaler Produkte

Die eingangs beschriebenen Assoziationen der Konsumenten gebrauchen den Qualitätsbegriff auf unterschiedliche Art und Weise:

Zum einen wird er stellvertretend für ein hohes Maß an Sicherheit, im Sinne von nicht vorhandenen Rückständen gesundheitsschädlicher Inhaltsstoffe genannt. Insbesondere Lebensmittelskandale wie z.B. die kürzlich aufgedeckte Umetikettierung abgelaufenen und ungenießbar gewordenen Fleisches, die BSE-Krise oder die Dioxinbelastung von Tierfutter haben zu einem erhöhten Bedürfnis der Konsumenten geführt, über die Sicherheit ihrer Lebensmittel informiert zu sein.

Darüber hinaus wird der Qualitätsbegriff stellvertretend für ein bestimmtes Niveau an Geschmack, Form, Farbe, Geruch usw. gebraucht. Beide Auslegungen prägen die Nachfrage nach regionalen Produkten.

Im weiteren Verlauf werden die genannten Auslegungen unter dem Begriff „Qualität“ zusammengefasst. Unter den sich verschärfenden Bedingungen im LEH bzgl. Sättigung und Wettbewerbsintensität6 kommt diesem Qualitätskriterium eine besondere Bedeutung als Differenzierungsmöglichkeit gegenüber den konkurrierenden Handelsunternehmen zu (Lohner, 1995, S. 64).

4. 2. Konsumentenbedürfnis Kennzeichnung regionaler Produkte

Die Qualitäten vieler landwirtschaftlicher Erzeugnisse, wie zum Beispiel im Falle von unverpacktem Frischfleisch oder Obst und Gemüse können nur sehr schwer festgestellt werden (Becker, 2002, S. 22f.). Auch Dorandt (2005) verweist in ihrer Studie darauf, dass die Herkunft regionaler Produkte oftmals nur mangelhaft gekennzeichnet ist.7

Bei der informationsökonomischen Analyse treten dadurch folgende Probleme auf: Auf Seite des Herstellers besteht ein höherer Grad an Information als auf der des Kunden (in diesem Fall entweder der Handel oder aber der Konsument), was zum Problem der Informationsasymmetrie führt.

Dies hat unterschiedliche Konsequenzen auf die Marktbedingungen: Sie bietet dem Hersteller den Anreiz, sich opportunistisch seinen Marktpartnern gegenüber zu verhalten. Ein Anbieter hält Informationen über Merkmale des Transaktionsgegenstandes bewusst zurück, um sich dadurch einen Vorteil zu verschaffen. Am Beispiel des Angebots regionaler Produkte könnte der Hersteller seinen Wissensvorsprung ausnutzen, indem er geringe Qualitäten unter dem Deckmantel des positiven Images der Herkunft als Hochwertige verkauft. Vom Konsumenten sind sie dabei weder vor, noch nach dem Gebrauch am Produkt verifizierbar. Letztlich bleibt ihm nichts Anderes übrig, als den Angaben des Verkäufers zu vertrauen. Es liegt damit ein Informationsproblem bei einer sog. Vertrauenseigenschaft vor.

Der Kunde kann sich nicht darauf verlassen, dass mit der Herkunftsangabe eine bestimmte, evtl. auch besondere Qualität verbunden ist, wenn der einzelne Anbieter eines regionalen Produktes den Anreiz besitzt, nur die Mindestqualität zu liefern. Da die Unsicherheit eng mit den Produkteigenschaften und nicht mit der Unternehmensumwelt verbunden ist, liegt interne Unsicherheit vor, die zu einem Vertrauensproblem führen kann.

In seinem Modell für Gebrauchtwagen zeigt Akerlof (1970), wie Informationsasymmetrien in Verbindung mit „hidden characteristics“ zum Phänomen der adversen Selektion führen können: Der relativ höhere Informationsstand auf Seite des Verkäufers kann genutzt werden, um minderwertige Qualitäten als höherwertige zu verkaufen. Ein Käufer kann gute Qualitäten nicht von den schlechten unterscheiden und ist lediglich bereit, einen „mittleren“ Preis entsprechend der durchschnittlichen Qualitäten in dem Markt zu bezahlen. Anbieter hoher Qualitäten besitzen aber keinen Anreiz, in dem Markt zu verbleiben und ziehen sich zurück. Es kommt daher zu Marktversagen.

Studien8 belegen, dass aus der asymmetrischen Verteilung von Produktinformationen und dem Vertrauensproblem zwei unterschiedliche Kaufbarrieren, nämlich informations- und vertrauensbezogene Kaufbarrieren auf Seite der Konsumenten resultieren (Hüser, 1996, S. 107f., Dienel, 2000, S. 57f.).

Will der Kunde seinen Wissensstand über die Produkte erhöhen, sieht er sich steigenden Transaktionskosten in Form von Informations- und Lernkosten konfrontiert: Übersteigen diese Kosten der Informationssuche deren erwarteten Nutzen, wird die Informationsbeschaffung nicht fortgesetzt (Hüser, 1996, S. 27) Dadurch verhindert eine Informationsbarriere möglicherweise den Kauf eines Produktes. Nimmt die Unsicherheit aufgrund der Informationsasymmetrie zwischen Konsumenten und Produzenten derartige Größen an, dass er vor aus Misstrauen den Kauf nicht tätigt, liegt eine Vertrauensbarriere vor. Um Informationen glaubhaft vermitteln zu können, bieten Herkunftskennzeichnungen eine geeignete Lösung für das Problem der Informationsasymmetrie9. Das Bedürfnis nach gleichbleibend hohen Qualitäten ist daher eng mit der Produkteigenschaft „eindeutig gekennzeichnete Produkte“ verbunden.

[...]


1 Hausladen,1998, Wirthgen et al., 1999, Wetzel, 1998, Hensche et al., 1993, Hauser, 1993, Wolffram, 1997, v. Alvensleben, Schrader, 1999, Frohn, 1996, Hamm et. al., 1996, Kullmann, 2003, Gothe, 2002

2 Becker (2000, S. 21), Wirthgen, Schmidt (2002, S. 23), Hauser (1994), CMA (1998), Kullmann (2003), Gothe (2002)

3 Welchen Anforderungen welcher Stellenwert im Einzelnen beigemessen wird, hängt von der Strategie ab, die von den jeweiligen Handelsketten verfolgt wird. Spiller und Kliebisch (2004) unterscheiden generell zwischen Kostenführer und Differenzierungsstrategien. Wesentliches Merkmal der erstgenannten Strategie ist, dass der Erreichung eines möglichst niedrigen Preises die höchste Priorität beigemessen wird. Regionalität ist nur deshalb von Bedeutung, weil die kurzen Transportwege die Bezugskosten verringern. Diese ermöglichen einen Wettbewerbsvorteil gegenüber konventionell hergestellten Erzeugnissen. Konsumenten, deren Anforderungen an regionale Produkte über die Eigenschaft eines niedrigen Preises hinaus gehen, werden anhand von Differenzierungsstrategien angesprochen. Zwar stellen die Autoren Unterschiede in der Ausgestaltung von Differenzierungsstrategien und der resultierenden Marketingmaßnahmen fest. Es entsteht allerdings der Eindruck, dass sich diese nur unwesentlich voneinander unterscheiden. Darüber hinaus wird auch preispolitischen Maßnahmen eine Bedeutung im Rahmen einer Differenzierungsstrategie beigemessen (Benner, Kliebisch, 2004, S. 23, 31), sodass sich dort sämtliche Elemente der vier Marketingbereiche finden. Eine gesonderte Unterscheidung der Strategietypen ist zur Bestimmung der anfallenden Transaktionskosten nach Meinung des Autors nicht notwendig.

4 Es wird angenommen, dass das Individuum die Freiheit besitzt, zu entscheiden, durch welche Produkte seine Bedürfnisse gestillt werden. Die Souveränität der Nachfrager, diese Bedürfnisse den Anbietern am Markt gegenüber zu formulieren, führt zur Herausbildung einer bestimmten Nachfragestruktur.

5 Coase (1937, S. 391) spricht in diesem Zusammenhang von „disadvantages“.

6 Lt. einer Studie (KPMG Deutsche Treuhand-Gesellschaft, 2005, S. 18 f.) übt die Entwicklung der Realeinkommen erheblichen Einfluss auf die Konsummöglichkeiten aus: Da erwartet wird, dass sie stagnieren, die Arbeitslosenquote aber nur mäßig absinkt, ist mit einem nur geringfügigem Anstieg des den Deutschen zum Sparen und Konsumieren zur Verfügung stehenden Betrages zu rechnen. Alleine die Notwendigkeit, privat für die Rente vorzusorgen, hat die Sparquote seit dem Jahr 2000 wieder ansteigen lassen. Auf der Konsumseite ist der Anteil des Einzelhandelsumsatzes am privaten Konsum von 40% in den 90er Jahren auf zuletzt 30% gesunken. Dies hat vor allem drei Gründe: Erstens haben die gestiegenen Energiekosten die Ausgaben für Lebensmittel sinken lassen. Im Jahr 2005 zahlten die Deutschen rund 6,8 Mrd. Euro mehr für Gas, Heizöl und Benzin als im Vergleich zum Vorjahr. Zweitens ist die Reiselust der Deutschen weiterhin ungebrochen, was für das Jahr 2004 zu Gesamtausgaben von 120,2 Milliarden Euro geführt hat. Drittens nimmt, trotz steigender Steuerbelastungen für Autofahrer, die PKW- Dichte in Deutschland weiter zu. Somit lässt sich festhalten, dass der deutsche Einzelhandel insgesamt seinen Anteil an den stagnierenden Realeinkommen nicht signifikant wird steigern können. Es liegt ein hoher Sättigungsgrad vor. Die gestiegene Mobilität der Konsumenten verringert die einstiege Monopolmacht, was die Wettbewerbsintensität unter den LEH-Ketten verschärft.

7 Damit muss nun direkt zu einem weiteren Konsumentenbedürfnis übergegangen werden, ohne zunächst die korrespondierende Säule im Marketing zu erläutern. Erst danach kann dieser Schritt erfolgen.

8 Balling, 1997, Peinelt, 1996

9 Die erwähnten Skandale im Lebensmittelbereich haben ohnehin schon ihr Übriges dazu beigetragen, dass in der Wahrnehmung der Verbraucher die Verbindung zwischen Herkunft und Qualität verstärkt wird (Becker, 2000, S. 12).

Ende der Leseprobe aus 65 Seiten

Details

Titel
Erfolgsfaktoren von Kooperationen regionaler Lebensmittelhersteller
Hochschule
Universität Passau
Note
1,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
65
Katalognummer
V83070
ISBN (eBook)
9783638865548
Dateigröße
1438 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Arbeit analysiert mögliche Organisationsformen bei der Beschaffung und Vermarktung regionaler Lebensmittel hinsichtlich der dabei anfallenden Transaktionskosten und leitet geeignete Handlungsempfehlungen daraus ab
Schlagworte
Erfolgsfaktoren, Kooperationen, Lebensmittelhersteller
Arbeit zitieren
Diplomkaufmann Florian Max Friedemann (Autor:in), 2007, Erfolgsfaktoren von Kooperationen regionaler Lebensmittelhersteller, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/83070

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