Das deutsche Umweltrecht krankt an einem Vollzugsdefizit. Um dem entgegenzusteuern wird seit den 1970er Jahren die Einführung von Mitwirkungs- und Klagerechten für Umweltschutzverbände im Umweltrecht gefordert. Als „Anwälte der Natur“ sollte ihre Aufgabe die eines „Verwaltungshelfer(s)“ sein, der eine „behörden-unterstützende Funktion“ wahrnimmt. Mit der Einführung des BNatSchG im Jahre 1976 wurden anerkannten Verbänden erstmals Mitwirkungsrechte bei Verwaltungsverfahren zugestanden. Ein gefestigter Kanon von Mitwirkungs- und Klagerechten entwickelte sich in der Folgezeit auf Länderebene . Durch die Unterzeichnung der sog. Århus-Konvention (AK) von Deutschland und der EU wurden die Weichen für eine weit reichende Ausweitung der Mitwirkungs- und Klagerechte von Verbänden gestellt. Ein erster Schritt wurde vom Gesetzgeber mit Einführung einer altruistischen Verbandsklage auf Bundesebene durch Novellierung des BNatSchG 2002 getan.
Im Jahr 2003 verabschiedete dann das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union eine Richtlinie zur Umsetzung der Öf-fentlichkeitsbeteiligungsvorschriften (2003/35/EG ). Diese Richtlinie sieht neben Mitwirkungsvorschriften auch Klagemöglichkeiten vor. Da die Frist zur Umsetzung im Jahr 2005 abgelaufen ist, ohne dass der Bundesgesetzgeber ausreichend tätig gewo-den wäre, besteht derzeit keine Klarheit, wie und ob nationale Verbandmitwirkungs- und Verbandsklagerechte von den Bestimmungen bereits überformt werden und wie und ob einzelne Richtlinienbestimmungen zugunsten weitergehender Verbandsmitwirkungs- und Verbandsklagerechte bereits unmittelbare Wirkung erzeugen können.
Es wird aufgezeigt, in welchen Gesetzen und Rechtvorschriften Mitwirkungsrechte für Verbände im Umweltrecht vorgsehen sind, und wie diese ggf. anzuwenden sind
Danach wird der Komplex der Verbandsklagen beleuchtet . Hierbei wird sowohl auf Problematiken der Klagen aus eigenen Rechten des Verbandes, als auch auf die aus internationalen und europarechtlichen Verpflichtungen entstehenden Möglichkeiten und Probleme eingegangen.
Über die speziellen landesrechtlichen Vorschriften die eine Mitwirkung und Klage ermöglichen, wird nur ein kurzer Überblick gegeben, da eine ausführliche Darstellung den Rahmen dieser Bearbeitung sprengen würde.
Zum Abschluss werden die Ergebnisse zusammengefasst und im Rahmen eines Ausblicks – sofern das erforderlich erscheint - bewertet (D.).
Inhaltsverzeichnis
- A.,,Europäisch gestärkte Anwälte der Natur❝lo̟
- I. Kurzüberblick über die Geschichte
- II. Ziel der Arbeit – Gang der Untersuchung
- III. Begriffsbestimmungen
- 1.Verbände
- 2. Mitwirkung
- 3. Verbandsklage
- B. Die Verbandsmitwirkung im Umweltrecht
- I. Mitwirkungsrechte in nationalen Gesetzen
- 1. Mitwirkungsrechte für Vereine nach dem BNatSchG
- 2. Mitwirkungsrechte nach den Landesnaturschutzgesetzen.
- 3. Weitergehende Mitwirkung
- II. Verbandsmitwirkungsrechte aus der AK
- III. Mitwirkungsrechte aus europarechtlichen Verpflichtungen
- 1. Richtlinienkonforme Auslegung
- 2. Unmittelbare Wirkung der nicht umgesetzten Bestimmungen
- a. Art. 2 ÖB-RL
- b. Art. 3 ÖB-RL
- c. Art. 4 ÖB-RL
- VI. Die Mitwirkung auf Ebene der Europäischen Gemeinschaft
- C. Die Verbandsklagen im Umweltrecht
- I. Die subjektiv-öffentlich rechtlichen Klagen
- 1. Die Sperrgrundstücksklage
- a. Entwicklung der Rechtsprechung zu den Sperrgrundstücken
- b. Kritik am BverwG
- c. Bewertung
- 2. Die Partizipationserzwingungsklage
- a. Die Leistungsklage auf Mitwirkung im Verfahren
- (1) Klage auf Mitwirkung im Naturschutzrecht
- (2) Klage auf Mitwirkung nach der ÖB-RL
- b. Die Klage nach Abschluss des Mitwirkungspflichtigen Verfahrens
- (1) Im Naturschutzrecht
- (2) Bezüglich der Mitwirkungsrechte der ÖB-RL
- (3)Heilung des Verfahrensmangels
- c. Umgehung des vorgeschriebenen Verfahrens
- d. Bei Erlass untergesetzlicher Normen
- II. Die altruistische Vereinsklage im Naturschutzrecht
- 1. Die altruistische Verbandsklage
- 2. Die Übergangsregelungen nach § 69VII BNatSchG
- 3. Richtlinienkonforme Auslegung der Klageregelungen
- III. Verbandsklagerechte durch unmittelbar wirksames EG-Recht
- 1. Kompetenz zum Erlass von Klagerechten
- 2. Unmittelbare Wirksamkeit der Bestimmungen der Art. 10a UVP-RL und Art. 15a IVU-RL
- a. Wirksamkeit der ÖB-RL trotz „Doppelwirkung“
- b. Interessens- oder Verletztenklage
- c. Die klageberechtigten NGOs
- d. Wahlmöglichkeit des Rechtschutzes
- e. Reichweite der Rügerechte
- 3. Aufeinandertreffen europäischer Umweltklagerechte auf deutsches Verwaltungs-prozessrecht
- a. Klagebefugnis
- b. Fehlerfolgen der gerichtlichen Überprüfung
- VI. Verbandsklagerechte auf europäischer Ebene
- D. Ergebnisse und Ausblick
- Die Entwicklung der Verbandsmitwirkung im Umweltrecht auf nationaler und europäischer Ebene
- Die verschiedenen Formen der Verbandsmitwirkung und ihre rechtlichen Grundlagen
- Die Rolle von Verbänden in der Durchsetzung von Umweltnormen durch Verbandsklagen
- Die Herausforderungen und Chancen der Verbandsmitwirkung und Verbandsklage im Umweltrecht
- Die Bedeutung der Aarhus-Konvention und der Umweltinformationsrichtlinie für die Verbandsmitwirkung und Verbandsklage im Umweltrecht
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht die Verbandsmitwirkung und Verbandsklage im Umweltrecht im Kontext der Europäischen Union. Sie befasst sich mit der Frage, inwieweit Verbände in Umweltverfahren beteiligt werden können und welche Möglichkeiten sie haben, um die Einhaltung von Umweltnormen durchzusetzen.
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel behandelt die Geschichte der Verbandsmitwirkung im Umweltrecht, die sich von einer begrenzten Mitwirkung hin zu einem eigenständigen Recht der Verbände entwickelt hat. Das zweite Kapitel beschäftigt sich mit den Mitwirkungsrechten, die Verbänden in nationalen Gesetzen, der Aarhus-Konvention und europarechtlichen Verpflichtungen zustehen. Der dritte Kapitel analysiert die verschiedenen Formen der Verbandsklage, insbesondere die subjektiv-öffentlich rechtliche Klage und die altruistische Vereinsklage im Naturschutzrecht. Abschließend wird die unmittelbare Wirksamkeit von EU-Recht für die Verbandsklage und die Folgen des Aufeinandertreffens europäischer Umweltklagerechte auf deutsches Verwaltungsrecht untersucht.
Schlüsselwörter
Verbandsmitwirkung, Verbandsklage, Umweltrecht, Aarhus-Konvention, Umweltinformationsrichtlinie, Umweltverträglichkeitsprüfung, Naturschutzrecht, EG-Recht, Verwaltungsrecht.
- Quote paper
- Simon Hechinger (Author), 2006, Verbandsmitwirkung und Verbandsklage im Umweltrecht, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/83079