„Massen“ und „Eliten“ bei der Transformation in Südeuropa

Eine vergleichende Untersuchung der Rollen ausgewählter Akteure beim Systemwechsel in Portugal und Spanien


Seminararbeit, 2006

22 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung: Die letzten Diktaturen Westeuropas

2 Theoretische Verortung und methodische Vorüberlegungen
2.1 Begriffe der Transformationstheorie
2.2 Transformationsforschung
2.2.1 Die Ursachen
2.2.2 Der Verlauf
2.2.3 Der Erfolg
2.3 Demokratisierungswellen

3 . Die Transformation in Portugal
3.1 Portugal als Diktatur
3.2. Die Ablösung des diktatorischen Regimes
3.2.1 Hintergrund: internationaler Kontext, sozioökonomische Modernisierung und Kolonialkriege
3.2.2 Das Militär
3.2.3 Die Parteien
3.2.4 Die „Massen“: Die Zivilbevölkerung
3.3 Portugal wird Demokratie: Institutionalisierung und Konsolidierung
3.3.1 Die Verfassung: Konstitutionelle Institutionalisierung und Konsolidierung
3.3.2 Das Militär: Institutionalisierung und Verhaltenskonsolidierung
3.3.3 Die Parteien: Institutionalisierung und repräsentative Konsolidierung
3.3.4 Die Rolle der „Massen“ bei der Institutionalisierung und die Entstehung einer Civil Society

4. Die Transformation in Spanien
4.1 Spanien als Diktatur
4.2 Die Ablösung des diktatorischen Regimes
4.2.1 Hintergrund: internationaler Kontext, sozioökonomische Modernisierung und Francos Tod
4.2.2 Juan Carlos de Bourbon und Adolfo Suarez
4.2.3 Die alten Eliten und ihre Softliner: Die Kirche und das Opus die
4.2.4 Die Parteien: Alte Eliten und Opposition
4.2.5 Die „Massen“: Die Zivilbevölkerung
4.3 Spanien wird Demokratie: Institutionalisierung und Konsolidierung
4.3.1 Die Parteien: Institutionalisierung und repräsentative Konsolidierung
4.3.2 Die Verfassung: Konstitutionelle Institutionalisierung und Konsolidierung
4.3.3 Ministerpräsident Adolfo Suarez, König Juan Carlos I und das Militär: Institutionalisierung und Verhaltenskonsolidierung
4.3.4 Die Rolle der „Massen“ bei der Institutionalisierung und die Entstehung einer Civil Society

5. Was zeigt der Transformationsbegriff „Massen und Eliten“ bei der vergleichenden Analyse dieser Systemwechsel?
5.1 Zusammenfassung mit Blick auf den Ansatz des akteurszentrierten Institutionalismus
5.2 Das Rätsel „Massen“: Zivilgesellschaft, was ist das?

6 Schluss: Wie sollte sich ein demokratischer Staat gegenüber Diktaturen verhalten?

1 Einleitung: Die letzten Diktaturen Westeuropas

Portugal, Griechenland und Spanien bildeten die letzten Diktaturen des europäischen Westens. Bis zum Jahr 1974: Da wurde Portugal zu einer Demokratie, und kurz darauf zogen Griechenland und Spanien nach. Innerhalb von sieben bis acht Jahren wurden aus drei Diktaturen konsolidierte Demokratien.

Diese Ereignisse sind für die Geschichte außerordentlich bedeutsam: Mit Portugal, Griechenland und Spanien war der gesamte Westteil Europas demokratisch geworden. Mehr noch: Ihr Systemwechsel bildete den Ausgang für zahlreiche weitere Demokratisierungen in Lateinamerika, dem Osten Europas und Afrika.

In dieser Arbeit untersuche ich die Rolle der „Massen“ und „Eliten“ beim Systemwechsel. Portugal, Griechenland und Spanien sind für solch eine vergleichende Untersuchung besonders interessant, weil sie als die drei letzten Diktaturen im Westteil Europas sehr viele Gemeinsamkeiten haben, die Rolle ihrer Akteure jedoch differiert: In Portugal erzwangen Offiziere den Systemwechsel von unten, in Griechenland kollabierte das Regime, und in Spanien handelten Eliten den Wechsel aus. Das spricht dafür, dass die Rolle der Akteure die entscheidende Differenzvariable im Regimewechsel darstellte und macht diese Länder besonders geeignet für eine akteurstheoretische Untersuchung (vgl. Naßmacher 1991: 24).

Ich beschränke mich dabei auf Portugal und Spanien. Aus Platzgründen, und weil ich den Vergleich benachbarter Länder für besonders fruchtbar halte: Dabei dürften weitere Differenzvariablen wegfallen.

Ferner untersuche ich die Rolle nur jeweils einiger weniger Akteure. In Portugal das Militär: gefährlichster Vetoakteur, hier aber Motor des Umsturzes. Die Parteien: wichtigste Institutionen des politischen Systems. In Spanien den König und „seinen“ Ministerpräsidenten. Ferner Kirche und Opus Dei als Repräsentanten der reformbereiten alten Eliten. Und die Massen - diese scheinen mir besonders interessant: Manch ein Wissenschaftler gesteht ihnen keine eigene Rolle zu, dabei sind sie nicht nur (wenn überhaupt) manipulierbare Massen, sondern auch Demonstranten und Wähler. Vor allem: Letztlich geht es gerade um sie.

2 Theoretische Verortung und methodische Vorüberlegungen

2.1 Begriffe der Transformationstheorie

Transformation bzw. Systemtransformation ist ein „Oberbegriff für alle Formen, Zeitstrukturen und Aspekte des Systemwandels und Systemwechsels“ (Merkel 1998: 52). Dazu gehören Regime- und Systemwandel (Beginn einer Veränderung), Regime- und Systemwechsel (Übergang zu einem anderen Regime oder System) und Transition (Übergang von einem autokratischen zu einem demokratischen System).

Weil Transformation ein sehr allgemeiner Ausdruck ist, rät beispielsweise Forndran (1995: 35) zur Vorsicht bei seinem Gebrauch. Da sich die Transformationsforschung jedoch als eigener Zweig etabliert hat, ist ein Oberbegriff für den Forschungsgegenstand nützlich, und Merkels Transformationsbegriff erlaubt den Vergleich sehr unterschiedlicher Systeme.

Merkel (1998) schreibt in seinem Buch über „Transformation“ fast nur über „Systemwechsel“, andere (z. B. Varwick 2000: 397 ff.) nutzen beide Begriffe parallel. Systemwechsel im strengen Sinne - dazu gehören die Transformationen Portugals, Griechenlands und Spaniens - liegen vor, „wenn sich der Herrschaftszugang, die Herrschaftsstruktur, der Herrschaftsanspruch und die Herrschaftsweise eines Systems grundsätzlich verändert haben“ (Merkel 1998: 51). Das ist die Definition; analytisch betrachtet nennt man Systemwechsel den Intervall zwischen dem alten und dem neuen politischen System, wozu aber auch die Auflösung der alten und der Aufbau der neuen Herrschaftsstruktur zählt (ebd.: 54).

2.2 Transformationsforschung

Die Forschung konzentriert sich auf drei Untersuchungsgegenstände, nämlich auf Ursachen, Verlauf und Erfolg einer Transformation.

2.2.1 Die Ursachen

Die Ursachen werden mit Hilfe unterschiedlicher Theorien erklärt: Systemtheorien, Strukturtheorien, Kulturtheorien, Modernisierungstheorie und Machtressourcen-Ansatz, und die Theorie von Einflüsses durch externe Faktoren (Merkel/Puhle 1999). Lange Zeit wurde die Demokratisierungsforschung durch die Modernisierungstheorie dominiert, Mitte der 80er Jahre etablierte sich der akteurstheoretische Ansatz (Bos 1994: 81), der auch dieser Arbeit zu Grunde liegt. Das Verhalten der Akteure lässt sich mit unterschiedlichen Methoden untersuchen und erklären, beispielsweise mit vergleichenden empirischen Untersuchungen, die generelle Aussagen über das Verhalten der beteiligten Akteure erlauben sollen. Eine andere Methode stellen rational choice Verfahren dar, mit denen man abstrakte, zum Teil spieltheoretische Modelle zur Logik von Systemwechseln zu konstruieren versucht. So erklärt Scharpf (2006) das Verhalten der Akteure durch Interaktion und institutionellen Kontext.

2.2.2 Der Verlauf

Merkel (1998: 54 ff.) unterscheidet drei verschiedene (idealtypische) Phasen für den Verlauf eines Systemwechsels: Ablösung des alten Regimes, Institutionalisierung und Konsolidierung der neuen Demokratie.

Für die erste Phase des Systemwechsels, die Ablösung autokratischer Systeme, zählt Merkel eine Reihe möglicher systeminterner und -externer Ursachen auf: Zu ersteren gehören Legitimitätskrisen aufgrund ökonomischer Ineffizienz oder auch Effizienz und politischer Schlüsselereignisse, systemexterne Ursachen sind Kriegsniederlagen, der Wegfall externer Unterstützung und ein Dominoeffekt durch andere Systemwechsel. Bei jedem Systemwechsel kommen mehrere Ursachen zusammen, man spricht von einem „Ursachenkomplex“. Struktur und Handlung sind miteinander verschränkt: Oft führen Strukturveränderungen oder -probleme in Politik, Wirtschaft oder Sozialem zu Krisen, auf die Akteure dann reagieren. Oder die Strukturen ändern sich aufgrund der Handlungen der Akteure.

Für diese Phase zählt Merkel (1998: 61 f.) sechs typische Verlaufsformen auf: Evolution, von alten Regimeeliten gelenkter Systemwechsel, von unten erzwungener Systemwechsel, ausgehandelter Systemwechsel, Regime-Kollaps, und Zerfall und Neugründung von Staaten.

Die zweite Phase des Systemwechsels, die Institutionalisierung, ist das Wesentliche am Regimeübergang. Sie beginnt „in der Regel mit der Ankündigung und Vorbereitung freier demokratischer Wahlen und (ist) dann abgeschlossen..., wenn eine demokratische Verfassung in Kraft ist und und die von ihr vorgesehenen Regierungsorgane im Amt“ sind (Merkel/Puhle 1999: 105). Die Institutionalisierung ist die Phase der Etablierung der neuen demokratischen Institutionen (Merkel 1998: 67). Hier sollen die Akteure auch die „Regeln entwerfen, unter denen sie anschließend selber spielen“ (ebd.: 68), was für eine gewisse Spannung sorgt.

Die Institutionalisierungsphase systematisiert Merkel nicht nach Ursachen und Ablauf wie die Ablösungsphase, sondern nach den entstehenden Regierungssystemen - präsidentiell, parlamentarisch, und Mischformen. Vier Erklärungsansätze, nämlich historisch-konstitutionell, prozessorientiert, akteurstheoretisch und importbegründet sollen - meist kombiniert - erklären, warum welche Regierungssysteme entstehen.

Die dritte Phase des Systemwechsels ist die Konsolidierung.

2.2.3 Der Erfolg

Mit der Konsolidierung kann man einen Systemwechsel erfolgt bzw. erfolgreich nennen. Wann jedoch eine Demokratie als konsolidiert zu bezeichnen ist, hängt davon ab, wie man die Begriffe Demokratie und Konsolidierung definiert. Adam Przeworski (1990: 190) gibt eine minimalistische Definition vor: Demnach ist eine stabile Demokratie dann erreicht, wenn es Parteien gibt, die einander im Regierungsamt ablösen können, wenn sich dadurch die Politik reversibel ändern kann und wenn das Militär einer wirksamen Zivilkontrolle unterliegt. Dagegen hält Merkel (1998: 73 f.) eine Konsolidierung auf vier Ebenen für notwendig: die Verabschiedung einer demokratischen Verfassung (konstitutionelle Konsolidierung), Etablierung von Parteien und Verbänden (repräsentative Konsolidierung), Verhalten der informellen politischen Akteure wie Militär, Unternehmer und Terrorgruppen (Verhaltenskonsolidierung) und schließlich die Kultur der Bürgergesellschaft (civil society). Eine Demokratie ist demnach erst mit allen vier Ebenen konsolidiert. Dies ist ein maximalistischer Konsoldierungsbegriff. Ich schließe mich Merkel an, vor allem, weil ich die Ebene der konstitutionellen Konsolidierung für besonders wichtig halte, ebenso wie die der Bürgergesellschaft. Allerdings kann ich sie nur schwer fassen, außerdem sehe ich gegen Merkel vor allem bei Wahlen nicht nur die Parteien, sondern auch die Massen als Akteure.

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Details

Titel
„Massen“ und „Eliten“ bei der Transformation in Südeuropa
Untertitel
Eine vergleichende Untersuchung der Rollen ausgewählter Akteure beim Systemwechsel in Portugal und Spanien
Hochschule
FernUniversität Hagen  (Politikwissenschaft V: Demokratie und Entwicklung)
Veranstaltung
Modul: Strukturwandel der Demokratietheorien
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
22
Katalognummer
V83136
ISBN (eBook)
9783638891967
ISBN (Buch)
9783638892032
Dateigröße
493 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Transformation, Südeuropa, Modul, Strukturwandel, Demokratietheorien
Arbeit zitieren
Ulrike Heitmüller (Autor:in), 2006, „Massen“ und „Eliten“ bei der Transformation in Südeuropa, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/83136

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